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Wir wollen im nachstehenden nun das Ergebnis unsrer Enquete beleuchten:

1. Umfang des Versatzes von Uhren, Gold- und Silberwaren. In Altenburg jährlich 2000 Stück goldene und silberne Uhren, 2500 Stück Juwelen und Schmucksachen. In Darmstadt 3500 Uhren, 1500 Ringe, 1500 Broschen und Nadeln. In Elberfeld 1500 Uhren, 720 Ringe, 567 Ketten und 264 Stück sonstiges Geschmeide. In Hamburg 104 411 Stück Uhren und Schmucksachen. In Kassel, Chemnitz, Fulda, Hanau, Köln, Königsberg usw. aber melden die Kammern, daß eine genaue Aufstellung sich nicht geben ließe, daß aber viele Tausende" von Uhren und Schmucksachen versetzt würden.

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2. Annahme von neuen Uhren, Gold- und Silberwaren. Es werden neue Sachen nicht zur Beleihung angenommen in Altenburg, Gera, Halberstadt, Schweinfurt usw., während in Bamberg, Bautzen, Kassel („gleich kartonweise"), Darmstadt, Duisburg, Elberfeld, Hamburg, Köln, Königsberg, Stralsund, Wiesbaden („der größte Teil sind neue"), Würzburg usw. neue Ware nicht zurückgewiesen wird. In Schweinfurt wird übrigens von auswärts nichts angenommen.

3. Taxatoren der Leihhäuser sind größtenteils Fachleute, Uhrmacher und Goldschmiede, aber auch Kaufleute, Magistratsbeamte oder sonstige Leute die Erfahrung besitzen", werden zugezogen. In Paderborn ist am Kreis-Leihamt der Sachverständige für Uhren und Goldwaren ein früherer Schneidermeister.

4. Grundsätze der Beleihung. Aus der Umfrage ergibt sich, daß die Prinzipien, nach denen beliehen wird, sehr verschieden sind, daß aber meistens bis 3/4 des Taxwertes gegangen wird.

Dabei wird festgestellt, was etwa in der Auktion erfahrungsgemäß erlöst werden wird.

5. Privilegium der Leihhäuser. Nicht überall besteht das oben erwähnte Privilegium der öffentlichen Leihhäuser. Es besteht in Kassel, Darmstadt, Bamberg, Elberfeld, Halberstadt, Leipzig, Königsberg, Wiesbaden usw., es besteht nicht in Altenburg, Duisburg, Gera usw. In Hamburg werden die nach Ausweis der Strafakten gestohlenen Pfänder dem Bestohlenen kostenlos auf Antrag ausgeantwortet. Bei Unterschlagungen dagegen sind Darlehen und Zinsen zu begleichen, ehe die Auslieferung stattfindet. Wo das Privileg besteht, wird natürlich allenthalben auch davon Gebrauch gemacht.

6. Unwesen im Handel mit Pfandscheinen, Ringbildung usw. wird überall beklagt. Ein „Trödlerring" besteht in Würzburg. In Kassel steht der Pfandscheinhandel „in hoher Blüte“. Dagegen hat er in Hamburg wegen der gemachten schlechten Erfahrungen sehr abgenommen. In Bautzen bestimmt § 10 der Leihhausordnung: „Es ist darauf zu sehen, daß neue Waren nicht in solchen Mengen angenommen werden, daß daraus bei einer Versteigerung den einheimischen Gewerbetreibenden Schaden erwachsen kann. Eine sehr vernünftige Vorschrift!

Wir behalten uns eine genaue tabellarische Übersicht auf Grund unseres vervollständigten Materials vor. Unsere Leser werden aber schon aus dem hier Mitgeteilten sehen, daß die Verhältnisse in den einzelnen Ortschaften sehr verschieden liegen, doch wird über Schädigungen aller Orten von Goldschmieden und Uhrmachern geklagt, und auf Beseitigung derselben gedrungen. Zum Teil sind die Handwerkskammern schon selbst in der Frage bei der Regierung vorstellig geworden.

Die chemischen Vorgänge bei der Feuervergoldung.

Von Dr. Hans Braun, Berlin.

Bei der Feuervergoldung spielen sich eine Reihe von Vorgängen ab, welche für das Zustandekommen einer guten, dauerhaften Vergoldung von großer Wichtigkeit sind. Es brauchte eigentlich nicht besonders hervorgehoben zu werden, daß ein Metallgegenstand, der auf irgend eine Weise mit einem anderen Metall überzogen werden soll, auf seiner Oberfläche keine fremden Körper tragen darf. Der zu vergoldende Gegenstand muß in chemischem Sinne rein sein: und wie leicht ein Gegenstand „verunreinigt" werden kann, beweist schon der Umstand, daß beim Anfassen mit sauberen Händen auf der betreffenden Stelle nicht nur Kochsalz, sondern auch Fett zurückbleibt. Die menschliche Haut scheidet nämlich beständig Kochsalz aus, und daß man selbst mit frisch gewaschenen Händen auf einem weißen Papier Fettflecke erzeugen kann, ist hinlänglich bekannt. Wenn dem Arbeiter dieser Umstand vielleicht auch nicht bekannt ist, so hat ihn doch die Erfahrung gelehrt, Gegenstände, die vergoldet oder versilbert werden sollen, nur mit einer sauberen Zange anzufassen.

Das Fett entfernt man von den Metallgegenständen durch Kochen mit Natronlauge, wobei Seife entsteht. Wird aber Sodalösung benutzt, so tritt die Seifenbildung nicht ein, dagegen eine Emulgierung des Fettes. Und eine Fettemulsion ist leicht mit Wasser mischbar. Da aber stets ein Überschuß an Natronlauge oder Soda benutzt wird, so ist es unbedingt nötig, nicht nur jene beiden alkalischen Substanzen durch Neutralisation mit Schwefelsäure zu beseitigen, sondern auch durch gutes Spülen mit Wasser ihre letzten Reste zu entfernen. Bei der Feuervergoldung ist es nun weiter sehr wichtig, daß das Auftragen von Goldamalgam erfolgt, wenn der Gegenstand vollkommen wasserfrei ist. Die Oberfläche eines jeden Metallkörpers zeigt nämlich, wie man sich durch Benutzung des Mikroskops leicht überzeugen kann, eine Menge feiner Poren, in welchen sich das Wasser leicht festsetzt. Wollte man also einen nassen Gegenstand mit Amalgam behandeln, so würde die Oberfläche das Quecksilber niemals gleichmäßig aufnehmen, weil bei der Verdunstung des Wassers in der Hitze stets kleine Bläschen entstehen, die das Amalgam zur Seite treiben.

Bei nachlässiger und oberflächlicher Arbeit kann also hier schon der erste Fehler gemacht werden, der im Laufe der Zeit dahin führen kann, daß der Goldüberzug absplittert.

Sollen Gegenstände aus unedlen Metallen feuervergoldet werden, so ist außer auf die Entfernung von Fett, noch auf die Beseitigung von Metalloxyden Wert zu legen, denn Gegenstände aus Messing oder Bronze tragen auf ihrer Oberfläche stets Sauerstoff- oder Schwefelverbindungen. Durch Behandlung mit Salpetersäure werden diese Metalloxyde entfernt. Bei silbernen Gegenständen kommt es hauptsächlich auf die Beseitigung von Schwefelsilber an. Man beizt sie

deshalb mit verdünnter Schwefel- oder Salpetersäure oder behandelt sie auch wohl mit der Kratzbürste.

Da für die Goldschmiedekunst wohl in erster Linie die Vergoldung von silbernen Gegenständen wichtig ist, so wollen wir bei diesem Thema länger verweilen. Kupferhaltige Metallgegenstände, z. B. Bronze, lassen sich nur dann dauerhaft vergolden, wenn zuvor eine Verquickung stattgefunden hat. Das Quecksilber soll also das Bindeglied darstellen zwischen Kupfer und Gold. Es ist deshalb nicht zu verwundern, daß sich z. B. ein zwölflötiges Silber nicht vergolden läßt, ohne vorher verquickt zu sein.

Unter Quickwasser versteht man eine Auflösung von Quecksilber in Salpetersäure (Merkurinitrat). Aus diesem Salz scheiden andere Metalle sehr leicht Quecksilber ab, in dem das betreffende salpetersaure Salz des anderen Metalles in Lösung geht. Das ausgeschiedene Quecksilber amalgamiert sich dann oberflächlich mit seiner Unterlage, und wenn jetzt Goldamalgam dazu gebracht wird, ist es viel leichter, letzteres auf dem stark kupferhaltigen Metall zu befestigen, als ohne vorausgegangene Verquickung. Wollte man demnach einen stark kupferhaltigen Silbergegenstand ohne Verquickung feuervergolden, so würde man niemals eine haltbare Vergoldung erzielen. Die Vergoldung würde nur lose auf ihrer Unterlage aufliegen, sich mit der Zeit von selbst lösen oder leicht abnehmbar sein.

Bei der Herstellung der Amalgame kommen die Löslichkeitsverhältnisse von Gold in Quecksilber in erster Linie zur Geltung. Nicht jedes Gold ist in Quecksilber leicht löslich. Ein aus einer Goldlösung abgeschiedenes Goldpulver z. B. schwimmt auf dem Quecksilber und amalgamiert sich erst nach langem Verweilen mit Quecksilber. Die Löslichkeit des Goldes in Quecksilber kann man vergleichen mit der Löslichkeit des Äthers in Wasser. Während z. B. Alkohol in beliebigen Mengen mit Wasser mischbar ist, tritt eine Vermischung des letzteren mit Äther nur im Verhältnis von 1:10 ein, ein Überschuß an Äther schwimmt auf dem Wasser. Dies ist also auch der Grund, weshalb man bei der Herstellung von Goldamalgam die Goldquecksilbermischung durch Leder filtriert. Das Goldamalgam läßt sich also mechanisch von dem überschüssigen Quecksilber trennen und besitzt dann etwa die Konsistenz von Butter. Das Amalgam besteht aus 33 Teilen Gold und 67 Teilen Quecksilber.

Hat man das Amalgam — am besten mittels einer Messingkratzbürste, die man vorher verquickt hat — auf den zu vergoldenden Gegenstand übertragen, so findet das Abrauchen des Quecksilbers statt, also der Teil der Arbeit, welcher in letzter Zeit Gelegenheit zu so vielfachen Auseinandersetzungen gegeben hatte. Wenngleich der Siedepunkt des Quecksilbers über 360° C. liegt, so tritt eine Ver

flüchtigung des Metalls bereits bei gewöhnlicher Temperatur ein. Hieraus geht hervor, daß nicht allein die Prozedur des Abrauchens, sondern überhaupt auch das Arbeiten mit Quecksilber gefährlich werden kann. Früher, da man noch wenig Wert auf hygienische Maßnahmen bei der Arbeit legte, verdampfte man das Quecksilber einfach über Holzkohlenfeuer, entweder im Freien oder unter Abzug, wie dies aus den Einsendungen, die in der Deutschen GoldschmiedeZeitung veröffentlicht wurden, zur Genüge hervorgeht. Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus sind diese beiden Methoden des Abrauchens unrationell, denn das Quecksilber, welches doch immerhin etwa 5 bis 6 Mk. pro Kilogr. kostet, geht verloren. Der Verlust an Quecksilber muß also unbedingt mit in Rechnung gezogen werden. Wesentlich richtiger ist es, das Abrauchen des Quecksilbers unter solchen Bedingungungen vorzunehmen, die man viel eher als Abdestillieren bezeichnen möchte, d. h. man führt das Quecksilber in Dampfform über, um diesen später wieder zu flüssigem Quecksilber zu verdichten. Eine derartige Arbeit kann selbstverständlich nur in einer_entsprechend gebauten Vorrichtung stattfinden.

Es ist ja eine bekannte Tatsache, das alle Verfahren, welche technisch von Wichtigkeit sind, einen Einfluß auf die Patentliteratur ausüben. Ich habe deshalb die einschläglichen Klassen der deutschen Patente durchsucht und kann die merkwürdige Tatsache konstatieren, daß seit der Zeit, da wir im Deutschen Reich ein Patentamt haben, ein einziger Ofen zur Ausführung der Feuervergoldung geschützt war. Die Inhaberin dieses Patentes war die Firma Ch. Ecker & Co. in Pforzheim, das Patent stammt aus dem Jahre 1888. Dieser Ofen (Abb. Fig. 1) besteht aus einem gemauerten Zylinder. Unter letzterem befindet

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sich die Feuerung. Der Zylinder wird vorn mit einer Türe verschlossen und läuft hinten in ein enges Rohr aus, welches nach einer kurzen Biegung nach unten in einen eisernen Kondenstopf mündet. Dieser Topf besitzt einen Abflußhahn, und kurz über dem Boden steigt aus dem Kondenstopf ein Rohr in die Höhe, welches nach einer kurzen Biegung abermals in einen solchen einmündet. Im ganzen sind in der Anlage drei Kondenstöpfe angebracht. (Abb. Fig. 2.)

Im Innern des Zylinders befindet sich eine eiserne durchlöcherte Trommel, deren Längsachse in zwei Lagern ruht. Die Welle ragt durch die Türe, die den Zylinder verschließt, hindurch und kann von außen gedreht werden. Abgesehen von dem Umstande, ob es sich in diesem Ofen bequem arbeiten läßt, steht es jedenfalls fest, daß kein Quecksilber aus dem Ofen in den Arbeitsraum gelangen kann. Die Firma Kollmar & Jourdan hatte kürzlich mitgeteilt, daß sie etwa 95% des angewendeten Quecksilbers [wieder gewinnt. Aus dieser Mitteilung geht hervor, daß sie eine im Prinzip ähnliche Anlage benutzt, wie die von Ecker vorgeschlagene.

Die Gegner der Feuervergoldung werden nun sofort sagen, daß die fehlenden 5% Quecksilber ebenfalls genügen werden, um Quecksilbervergiftungen unter den Arbeitern hervorzurufen. Und hierin muß ich ihnen vollkommen Recht geben. In einer derartigen Behauptung würde aber ein Fehler liegen, denn es ist noch gar nicht gesagt, daß jene 5% Quecksilber gasförmig in den Arbeitsraum gelangen. Zunächst muß ich bemerken, daß von Struve nachgewiesen worden ist, daß die Goldschicht bei feuervergoldeten Gegenständen nicht aus reinem Gold, sondern aus Goldamalgam besteht. Struve hat in solchen feuervergoldeten Gefäßen 13 bis 17% Quecksilber gefunden. Diese Menge würde also zunächst einmal an jenen 5% Abrauchsverlust in Abzug gebracht werden müssen. Berücksichtigt man nun weiter, daß beim langen Gebrauch eines Feuervergoldungsofens sich die Kondenstöpfe und Rohrleitungen erwärmen, so muß

man sagen, daß die Wiedergewinnung von 95% Quecksilber wohl dicht an der Leistungsfähigkeit technischer Einrichtungen steht. Wichtig würde es vielleicht noch sein, die Kondensationsanlage durch Wasser zu kühlen. Auf diese Weise würde man alles verdampfte Quecksilber wieder gewinnen. Ob der Gewinn von 2 oder 3% Quecksilber aber den Wasserverbrauch rechtfertigen würde, ist eine andere Frage.

So

Das Quecksilber aber, welches aus dem Schornstein herausgeht, könnte ja vielleicht, so werden die Gegner der Feuervergoldung sagen, die Nachbarschaft belästigen. Wenn ich auch der Ansicht bin, daß diese geringe Menge Quecksilber bei Benutzung eines hohen Schornsteines für die Nachbarschaft gar nicht in Frage kommt, ließe sich der abziehende Quecksilberdampf, wenn es wirklich noch verlangt wird, chemisch binden wenn dies nicht schon geschieht indem man ihn mit Schwefeldämpfen in Berührung bringt. Würde der Ofen mit Steinkohlen geheizt, so genügen diese Dämpfe vollkommen, um das Quecksilber in Schwefelquecksilber überzuführen. überzuführen. Und Schwefelquecksilber (Zinnober) ist ungiftig, denn nur die stärksten Säuren vermögen es in Lösung zu bringen.

Also wirklich, auch der furchtsamste braucht vor der Feuervergoldung keine Furcht zu haben.

Eine weitere, wichtige Frage ist die der Erhitzung des amalgamierten Gegenstandes. Diese muß sehr schnell auf eine Temperatur gebracht werden, bei welcher Quecksilber siedet. Erwärmt man nämlich Goldamalgam auf etwa 180o C., so scheidet sich Gold in wohlausgebildeten Kristallen ab. Zieht sich beim Abkühlen das Metall nun zusammen, so können die Goldkristalle sehr leicht dazu führen, daß die Golddecke sich ablöst, weil keine feste Verbindung mit der Unterlage stattgefunden hat.

Fig.

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Ansicht der Condensateren.

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Fig. 2.

Aber noch ein anderes Moment verdient Berücksichtigung. Nicht nur die Platinmetalle, sondern auch Gold unb Silber besitzen die Fähigkeit, auf ihrer Oberfläche Gase zu verdichten. Das Platin wird wegen dieser seiner Eigenschaft z. B. sehr viel benutzt zur Herstellung der Selbstzünder (Zündpillen), Silber und Gold lassen sich zu diesem Zwecke weniger gut benutzen, weil das Verdichtungsvermögen geringer ist als beim Platin. Durch das Vorhandensein von Gasen zwischen Gold- und Silberschicht wird aber die Bindung der beiden Metalle beeinträchtigt. Wird die Erhitzung der amalgamierten Gegenstände nicht hoch genug getrieben, so splittert später die Vergoldung ab. Über die elektrolytische Vergoldung liegen nun in wissenschaftlicher Hinsicht eine bedeutende Anzahl von wertvollen Arbeiten vor; wir kennen also die Vorgänge sehr genau. Von der Feuervergoldung kann man dies nicht behaupten. Das Thema ist zu alt und zu wenig reizend für den Wissenschaftler um so mehr, da die Feuervergoldung von Tag zu Tag an Bedeutung verliert. Schließlich sei noch bemerkt, daß man auch auf chemischem Wege Feuervergoldung von elektrolytischer unterscheiden kann. Behandelt man einen vergoldeten Gegenstand in der Wanne mit verdünnter Salpetersäure, so lösen sich feine Goldblättchen ab, welche auf beiden Seiten gelbes, glänzendes Aussehen besitzen, wenn elektrolytische Vergoldung vorliegt. Im anderen Falle sind die Blättchen auf der nach innen gelegenen Seite mehr oder weniger braunrot und matt (vermeintlich herrührend von Kupferoxyden) und zeigen im durchfallenden Lichte viel feine Löcher. Diese sind entstanden durch die Verdunstung des Quecksilbers in tiefer liegenden Schichten.

Bei der Feuervergoldung sind also eine Anzahl von Eventualitäten zu berücksichtigen, die wir in ähnlicher, vielleicht weit größerer Menge bei der elektrolytischen Vergoldung beobachten müssen.

Zur Frage des Goldwarenstempels.

Die,,Badische Landeszeitung" in Karlsruhe veröffentlicht folgenden ihr aus Juwelierkreisen eingesandten Artikel:

Zu keiner Zeit war der Markt mit geringen Goldwaren so überschwemmt, wie seit Erlaß des Stempelgesetzes, und aus ganz Deutschland kommen Klagen, wie dem Übelstand abzuhelfen sei! Die Juweliergeschäfte befinden sich in keiner beneidenswerten Lage, worüber man sich aber nicht wundern sollte, weil sich viele Geschäfte diese üble Lage selbst geschaffen, indem die Waren in allzuviel Abstufungen der Feingehalte geführt werden. Zunächst steckt der Juwelier sein Kapital in allerlei minderwertige Ware, dann wird solche um sie los zu werden mit einer gewissen Findigkeit und mit allerlei Verklausulierungen dem Publikum angepriesen als. „Goldwaren", sowie in den Schaufenstern ausgelegt und mit dem Prädikat „Goldwaren" gestempelt. Die große Masse des kaufenden Publikums frägt in der Regel nun: „Ist das Gold?" Der Juwelier antwortet „Ja!", sagt aber nicht, was für Gold, und so wird denn eine Riesensumme im Deutschen Reich alljährlich für „Goldwaren" ausgegeben in der Meinung, man besitze Gold, in Wirklichkeit aber ist es nur 3 Gold, nämlich 8 Karat 333 Fein, und wenn gar geschmolzen, höchstens 6 Karat 250/1000 Fein. Daher kommen auch die vielen Beschwerden, wenn Leute altes Gold in Zahlung geben und fast nichts dafür bekommen. Allerdings muß gesagt werden, daß sich der Anschaffungspreis nach den Waren richtet, dabei soll aber nicht verschwiegen werden, daß gerade für Sachen, die mehr fürs Auge berechnet sind, ein viel höherer Prozentsatz genommen wird, als es bei soliden, 14karätigen Waren = 585/1000 Fein der Fall ist. In den besseren Juwelierläden werden von jeher nur Goldwaren in 585/1000 Fein, das ist 14 Karat, geführt; in den meisten Geschäften aber 6, 8 Karat sowie Doubléwaren in mehreren Qualitäten usw., alles Fabrikate, wie sie in Kurzwarengeschäften geführt werden sollten, nicht aber von Juwelieren. An allen diesen MiBständen trägt die Hauptschuld das am 1. Januar 1888 in Kraft getretene Stempelgesetz! Nach § 5 dieses Gesetzes dürfen Schmucksachen in Gold in jedem Feingehalt feilgehalten und gestempelt werden. Gegen das Fabrizieren und Feilhalten in jedem Feingehalte läßt sich vom Standpunkt der freien Konkurrenz nichts einwenden. Anders liegt aber die Sache, wenn jeder Feingehalt stempelfähig ist, und hiergegen richtete sich schon vor Erlaß des Stempelgesetzes eine starke Opposition, die bis heute nicht verstummte und, wie anzunehmen sein dürfte, bei der ersten besten Gelegenheit kräftig einsetzen wird. In keinem Staat der Welt ist es erlaubt, Goldwaren in jedem Feingehalte gestempelt zum Verkauf zu bringen, und so sollte denn für Deutschland eine Abänderung des Stempelgesetzes dahin stattfinden, daß unter 14 Karat 585 1000 nicht mehr gestempelt werden darf. Wer 8 Karat fabrizieren und solche Waren führen will, möge dies nach wie vor tun, aber die Stempelung soll untersagt sein, da ja auch alle noch geringhaltigeren Waren in ungeahnten Massen hergestellt werden und riesigen Absatz finden, ohne gestempelt zu sein. Die Fabrikation von feineren Goldwaren geht von Jahr zu Jahr zurück, weil solche von den geringen als „Goldwaren" „gestempelten" verdrängt werden. Zunächst sollte sich das Publikum selbst Schutz verschaffen und beim Einkauf von Goldwaren nur 14 Karat verlangen, wodurch das Drittelgold und darunter nach und nach von selbst verschwinden dürfte. Seit einiger Zeit kommt sogar 8 karätige matte Ware in den Handel. Nun kann man aber 8 karätiges Gold nicht färben, weil es die Färbung nicht aushält. Diese sogenannte matte Ware ist darum nicht gefärbt wie die 14karätige, sondern nur vergoldet; die Vergoldung verschwindet aber nach kurzer Zeit, und der Gegenstand wird unansehnlich. · Nach alledem sollte sich das Publikum genau überlegen, in was für einem Geschäfte es sein gutes Geld hinlegt, schon deshalb, weil Gold- und Silberwaren von jeher zum Hausschatze zählen und gewissermaßen Vermögensobjekte darstellen.

Was für Silberwaren möglich war, sollte für die Artikel in Gold doch nicht unmöglich sein! Silberwaren dürfen unter 800-fein nicht in den Handel gebracht werden und müssen den gesetzlich vorgeschriebenen Reichsstempel tragen, d. h., es darf nichts für Silber verkauft werden, wenn nicht die Stempelzeichen darauf geschlagen sind. Lasse man sich nicht durch Scheinverkäufe und hohe Rabatte überlisten, halte ein jeder seine Augen offen und prüfe, was er kauft. Die Warenhäuser sind bereits an der Arbeit, der

vielseitige Stempel bietet die Handhabe dazu, und nicht lange wird es dauern, so ist auch das ehrsame Goldschmiedegewerbe ganz auf den Hund gebracht. Hätten wir ein Gesetz, welches die Stempelung unter 14 Karat verbietet, dann würden unter dem Namen,,Goldwaren“ diese nicht mehr in jedem Winkel herrenlos herumliegen. Wer in Frankreich, Österreich, Italien, Belgien, Holland, Schweden, Schweiz und anderswo Goldwaren kauft, weiß ohne fragen zu müssen daß er nur gutes Gold erhält, nicht aber in Deutschland, wo alles als Gold verkauft werden kann, wenn es nur mit irgend einem Feingehaltsstempel versehen ist. Aus all diesem seí dem Publikum aufs angelegentlichste empfohlen, seine Einkäufe nur in anerkannt soliden Geschäften zu machen, denn nur hierdurch ist man gegen unlautere Machenschaften geschützt.

In demselben Blatte erschien folgende Erwiderung:
Eingesandt.

Unsere deutsche Goldwarenindustrie, speziell die Pforzheimer, ist für billigere Ware bekannt, was jedoch nicht ganz zutreffend ist, indem Pforzheim in billigen wie in feinen Sachen an der Spitze der ganzen Bijouteriebranche steht, indem es (seit 1870 angefangen) den größten Teil sämtlicher Goldwaren fabriziert. In keiner Zeit war diese Industrie besser beschäftigt, als wie in den letzten fünf Jahren, speziell jedoch in billigeren, 333 und Double-Waren. Da jeder Fabrikant nur auf Bestellung arbeitet, so muß die Nachfrage eine sehr große und der Absatz bei dessen Bestellern ein guter sein. Demnach kauft das Publikum immer mehr und lieber 333 Gold als früher, weil die Erfahrungen, die es damit gemacht hat, keine so schlimmen sind, als wie der Verfasser des fraglichen Karlsruher Artikels meint und die Klagen damit in Zusammenhang bringen möchte. Klagen über schlechtes Tragen von Gold kommt nicht allein bei 333, sondern bei 585, ja sogar bei 750,1000 fein 18 Karat vor, und liegt der Grund nicht immer am Gold, sondern am Träger selbst, je nachdem mit dem Artikel umgegangen wird. Würde das Stempelgesetz eine Änderung erfahren, daß nur 585 fein stempelfähig wäre, so würde dieses in allererster Linie ein Schaden für das kaufende Publikum sein, indem man zweifellos versuchen würde, durch alle möglichen Manipulationen, wie dies früher schon der Fall war, billigere Goldwaren herzustellen. Als Ersatz für derartige Ware hat sich das geringere als das 14kar. Gold, das gestempelte 8 kar. eingeführt, und zwar so gut, daß von einer „Verklausulierung" keine Rede sein kann. Es ist vorauszusetzen, daß jeder Käufer den Unterschied von 14- und 8kar. Gold ganz gut kennt. Und kein reeller Händler dürfte es unterlassen, seine Kunden auf die Frage, wenn der Gegenstand sehr billig erscheint, zu erklären, es ist garantiert 333 Gold. Ferner sei betont, daß bei jedem reellen Geschäft es Prinzip ist, seinen Nutzen nach einem bestimmten Prozentsatz zu bemessen. Ob nun die Ware 8-, 14- oder 18 kar. ist. Richtig dagegen ist, daß 14 kar. und noch besser lęgiertes Gold mehr Arbeitslohn kostet, als billige 8 kar. Ware. Sogar ist man heute soweit, 8kar. matte Ware mit 14 kar. Gold aufzulegen, und hat man bis jetzt keine Klagen gehört, daß sich dieses schlechter als 14 kar. Mattgold tragen soll. Nebenbei sei noch bemerkt, daß viele Geschäfte außer der 8 kar. Ware auch ebensogut 14kar. Ware für ihre Kundschaft führen, die den Preis hierfür anlegen kann. Im Interesse des kaufenden Publikums ist es absolut notwendig, daß neben den Juwelieren, welche nur 14 kar. Ware führen, es auch solche Geschäfte gibt, bei welchen auch der geringe Mann für bescheideneres Geld seinen Hang, in den Besitz von Schmuck zu kommen, befriedigen kann. Zudem sind ja in den meisten Auslagen der reellen Geschäfte die Waren nach ihrem Werte ausgezeichnet und gestempelt müssen diese gesetzlich ja ohnehin sein so daß nach unserer Ansicht eine Benachteiligung des kaufenden Publikums nicht platzgreifen kann F. und W.

Der erstere Artikel wurde uns von einem unserer Freunde mit der Bitte um Veröffentlichung zugesandt, gleichzeitig mit dem Hinweis, daß es endlich an der Zeit sei, sich mit dieser wichtigen Frage zu befassen. Der Herr Einsender schreibt u. a. ferner: Deshalb kann unsere Fachpresse, die doch mit uns reellen Juwelieren auf eine

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Ist die Schaffung einer deutschen Mode möglich? II. Woher stammt die Überlegenheit der französischen Mode, und worin ist sie begründet? In Paris, der Hauptstadt Frankreichs, hat die Mode ihren Thron aufgerichtet. Von hier aus regiert sie die Welt, und wenn sie auch manchmal gewissermassen eine kleine Delegation oder Gesandschaft nach irgend einer anderen Hauptstadt abgegeben hat, um von dort

Hennegau und Brabant ihren Ursprung gefunden. Aber schon frühzeitig waren Valencienne und Alençon Zentren einer ausgebreiteten Spitzenindustrie und selbst die Verfertigung derjenigen Spitzen, welche zuerst in Italien aufgekommen waren und insbesondere dem

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aus zu wirken: solche kleinen Abweichungen sind bald wieder auf das Pariser Zentrum zurückgezogen worden. Der große Brennpunkt, von dem aus ihre hauptsächlichsten Kräfte die Welt überstrahlen, ist und bleibt die Stadt an der Seine.

Die Etablierung der französischen Modeherrschaft hat ihren Ursprung in der geschichtlichen Entwicklung. Die ersten, welche in Europa schöne Tuche, Brokate und ähnliche Stoffe herstellten, waren flandrische und brabantische Fabrikanten. Der innige, auch sprachliche Zusammenhang, der zwischen Brabant und dem nördlichen Frankreich bestand, hat bald zu einem Überschreiten der Grenze geführt, und es siedelte sich auch im Norden Frankreichs eine kunstfertige Textilindustrie an, welche heute noch im Departement Lille und in benachbarten Distrikten ihre Stätte findet. Als später die Seide mehr in den Vordergrund des Interesses trat, war es die Provence im Süden, in der die Zucht der Seidenraupe hochkam, und als insbesondere die schönsten Muster durch den Levantiner Handel und zur Zeit der Renaissance von Osten her und von Italien herüber Marseille erreichten, wurde beim Handel nach dem Innern des Landes das am schiffbaren Rhonestrom oberhalb belegene Lyon erst Stapelplatz des Seidenhandels und dann Zentrum der Seidenindustrie. Daneben aber besaß Frankreich seit den ältesten Zeiten eine Handfertigkeit, welche wie kaum eine andere geeignet war, den Bedürfnissen zierlichen Schmucks zu entsprechen: die Industrie der Spitzen. Ein Teil dieser Industrie hat ebenfalls im

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Schmuck der Kirchen dienten, so z. B. die Genueser Litzenspitze oder Altarspitze fanden bald im südlichen Frankreich ihre Hauptvertretung. Die Spitzenindustrie der ganzen Welt hat in dem Grade einen französischen Charakter gewonnen und behauptet, daß die technischen Ausdrücke dieser Handfertigkeit noch heute überall auf das Französische zurückgeführt werden können. Neben diesen Textilprodukten, zu denen die Brabanter Sammete und Velvets sehr bald hinzukamen, diente eine Anzahl anderer Industrien schon früh dem französischen Luxusbedürfnis. Hierher gehört die uralte Porzellan- und Glasindustrie, die bekanntlich in den Fabriken von Sèvres und an anderen Orten ihre Stütze fanden. Kein Land war übrigens bis heute so zur Aufnahme der neuen Form der Renaissance geeignet wie Frankreich; kein Land hat diese Formen weiter und und selbständiger ausgebildet, und der Einfluß der französischen Renaissance ist noch heute in der Baukunst und im Kunstgewerbe fast der ganzen Welt zu erkennen. Die späteren französischen Modestile, der Barock und das Rokoko, geben weiterhin Zeugnis davon, daß es vor allem Frankreich war, das Reichtum, Muße, Bildung und Geschmack genug besaß, um die Kunstformen seiner Zeit weiter zu bilden und dem Gebrauche des täglichen Lebens einzuverleiben, d. h. also Mode zu machen.

Vielleicht wäre es dem Glanze des kaiserlichen Hofes und Namens in Deutschland und seiner innigen Verbindung mit Rom und dem kunstsinnigen Italien vorbehalten geblieben, die Blüte der

Kultur und damit die Mode für Europa zu geben und weiter zu führen. Unsere traurige Geschichte hat das abgeschnitten. Spanien und Portugal gingen dem kulturellen Fortschritt aus anderen Gründen sehr bald verloren; England war noch weit zurück, und so war es denn Frankreich, das als führend auftrat in allem, was Wissenschaft, Kunst, Bildung und guten Geschmack bedeutete. Die französische Sprache wurde Weltsprache; die französischen Philosophen und Künstler waren geschätzt über die ganze Welt; man denke an den Hof Friedrichs des Großen. Der Glanz insbesondere, welcher von der französischen Königskrone unter dem XIV. und XV. Ludwig ausging, ward tonangebend für sämtliche fürstlichen Hofhaltungen, und was an Form, Repräsentation und Schönheit an dieser Stelle im Schwunge war, ward auch bald für die ganze übrige Welt der Inbegriff des Erstrebenswerten. Die Revolutionszeit hat die französische Kulturentwicklung wohl für eine Weile unterbrechen können, aber sie hat sie nicht vernichtet, und als unter Napoleon I. Paris wiederum politisch der Brennpunkt Europas geworden war, bekam der kulturelle und ästhetische Einfluß Frankreichs neue Nahrung. Napoleon III. und seine schöne Gemahlin suchten ihre Stellung durch äußeren Glanz zu befestigen, dieweil ihre Position politisch und innerlich unsicher war. So ward die Kaiserin Eugenie lange Zeit tonangebend für die Mode der Damen von Welt. Die französische Sprache blieb die Sprache der Diplomatie und der Eleganz, und der französische Name allein gab gewissermaßen die Garantie für guten Geschmack und bewundernswerte Formen. Sind doch die äußeren Sitten unserer eleganten Gesellschaft noch heute im Banne des damaligen französischen Musters.

Das moderne Frankreich ist bestrebt gewesen, die günstige wirtschaftliche Position nach Möglichkeit zu behaupten. Frankreich hatte im Laufe des 19. Jahrhunderts in diesem Streben eine Industrie entwickelt, von der man sagen kann, daß sie für die Bedürfnisse der obersten Zehntausend der ganzen Welt arbeite. Überall war die Kunst nahe herangerückt; auf die Durchbildung der Formen legte man besonderen Wert. Man individualisierte, man suchte Qualitätsware herzustellen, und man vermied es, den modernen Völkern, den modernen Nationen gleichzutun, welche mangels einer historischen Überlieferung auf industriellem Gebiete und dem Gebiete des Kunsthandwerks zunächst die Produktion der Massengüter zu ihrer Aufgabe machten.

In vielen dieser Industrien steht Frankreich noch heute an der Spitze der Welt. Seine Spitzen sind immer noch die begehrtesten; seine Bronzewaren übertreffen die aller anderen Länder; seine

Seidenstoffe und Zeuge stehen in leichter und künstlerischer Auffassung der Muster, in zarter Form und Farbengebung den andern voran; Fächer schnitzt und malt man am besten in Frankreich; der feinste Luxushandschuh ist der französische, und immer noch haben französische Seifen und Wohlgerüche einen Weltruf. Allein Paris besitzt Schneiderateliers für Damen und Herren, insbesondere aber für Damen, deren Leistungen als mustergültig betrachtet und auf der ganzen Erde genannt werden können. Lange Zeit besaß auch nur Paris glänzende Schaufensterauslagen und große Magazine, von deren Pracht und Wunderwerk in der ganzen Welt die Rede war.

Es ist selbstverständlich, daß die Stätte des Reichtums, die Frankreich bis gegen das Ende des 19. Jahrhunderts repräsentierte, auch die Stätte des äußeren Glanzes war. Wohl fehlte ein monarchischer Hof als Zentralpunkt für die Entwicklung von Pracht und Repräsentation, aber die moderne französische Republik wußte mit weitsichtiger Klugheit gewisse Veranstaltungen festzuhalten, welche man früher als eine Heerschau des Luxus und der Mode gekannt hat. Das Bois de Boulogne mit seinen riesigen Avenuen blieb die Stätte der glänzenden Korsofahrten, für die es wie geschaffen war; den Karneval (demi-carême), der ganz bestimmte Spielarten des Modebedarfs heranzog, behielt man bei; desgleichen die großen Renntage, die Paraden von Longchamps und ähnliche Veranstaltungen. Und immer noch wird bei diesen Gelegenheiten das glänzende Modebild entwickelt, dessen Abglanz die ganze elegante Welt der Erde nachzuahmen bestrebt ist.

Paris war nicht nur die Stadt der Eleganz, sondern es war vor allem auch von jeher die Stadt des Vergnügens. Wo hunderttausende von Fremden jährlich zusammenströmten, um mit gefülltem Geldbeutel Einkäufe zu machen, mußte ja für Ausfüllung der Mußestunden das „Amüsement“ eine großartige Stätte finden, und so hatte sich auch die moderne Welt daran gewöhnt, daß man London besuche wegen des Geschäfts, Berlin wegen des politischen Interesses oder wegen der wissenschaftlichen Arbeit und Paris, um sich zu amüsieren und um einzukaufen.

Dieses Amüsement bildete alsbald einen neuen Anziehungspunkt für Paris, und es gibt bis auf den heutigen Tag keine Stadt auf der Erde, welche sich eines ähnlichen Fremdenverkehrs rühmen kann. Dieser Fremdenzustrom aber festigt die Mode; und wir werden noch sehen, daß die französische Mode heute der Festigung bedarf: denn sie entstammt nicht mehr in allen ihren Teilen der französischen Arbeit, sondern sie ist künstlich aufrecht erhalten auf Krücken, die aus der Fremde geliehen sind.

,,Umtausch jederzeit gern gestattet."

Was tut der Geschäftsmann heutigen Tages nicht alles, um einen Kunden an sich zu fesseln! Auf jeden Wunsch muß bereitwillig eingegangen werden, und der Geduldsfaden darf nicht reißen, wenn der „Geschäftsfreund" schier das Unmögliche möglich gemacht haben will. Zu den Charaktereigenschaften eines „kulanten" Geschäftsmannes gehört nun vor allem auch, daß er die gekaufte Ware, ohne mit einer Wimper zu zucken, so oft umtauscht, als es dem unbarmherzigen Kunden beliebt. Es hat niemand, der einen Gegenstand kauft, ein Recht, von dem Kauf zurückzutreten und etwa dafür einen anderen Gegenstand zu wählen oder sein Geld wieder zu verlangen. Ein solcher einseitiger Rücktritt von dem fest abgeschlossenen Vertrage ist unzulässig. Aber in den meisten Fällen behält sich der Käufer gleich das Recht vor, die Ware gegen eine andere vertauschen zu können, und der Geschäftsmann versichert mit der ihm angeborenen lächelnden Kulanz: „Umtausch jederzeit gern gestattet!" Ist dies geschehen, so hat der Geschäftsinhaber dann auch die Verpflichtung, den Gegenstand gegen einen andern in derselben oder höheren Preislage mit Nachzahlung umzutauschen. Nicht aber ist er verbunden, ein Stück in niedrigerer Preislage einzutauschen und die Differenz an den Kunden herauszuzahlen. „Umtausch jederzeit gern gestattet!" Was heißt nun dieses „Jederzeit"? Darf der Umtausch von seiten des Kunden Wochen, Monate lang hinausgeschoben, ad calendas Graecas vertagt werden? Diese wichtige Frage ist jetzt in einem Prozeß erörtert worden, der vor dem Kgl. Oberlandesgericht Dresden spielte (VIII. C. S. 4/V. 03) und für die Goldschmiede von hohem

Interesse ist, da ja bekanntlich sie am meisten von allen Geschäftsleuten mit die Umtauschfreuden durchzukosten haben. Das Oberlandesgericht ist von dem Grundsatze ausgegangen, daß die Abmachung, daß Umtausch jederzeit gern gestattet werde, nicht so aufzufassen sei, daß es nun ganz in das Belieben des Kunden gestellt sei, wann er den Umtausch vornehmen wolle. Das Wort „jederzeit sei nicht so aufzufassen, daß nun überhaupt eine zeitliche Grenze ausgeschlossen sein solle, so daß der Käufer sich auch noch nach Jahren einfinden könne, um den einst zugestandenen Umtausch vorzunehmen. Das würde ja eine verhängnisvolle Unsicherheit für den ganzen Geschäftsverkehr bedeuten. Der Verkäufer muß über kurz oder lang doch wissen, woran er ist. Es soll ihm nach Ansicht des Oberlandesgerichtes nur eine billige Frist zur Prüfung des gekauften Gegenstandes eingeräumt werden. Innerhalb einer angemessenen Frist soll er die definitive Entscheidung treffen, ob er den Gegenstand behalten oder einen anderen dafür wählen will. Er braucht sich nicht zu übereilen, aber er darf die Entscheidung auch nicht etwa auf die lange Bank schieben. Daß sich nicht eine bestimmte Frist angeben läßt, innerhalb welcher ein Umtausch noch eingeräumt werden muß, erkennt auch die Entscheidung des Oberlandesgerichtes an. Die Frage will von Fall zu Fall beantwortet sein. In dem Falle, welcher dem Dresdner Gericht zur Entscheidung vorlag, handelte es sich um ein wertvolles Ölgemälde, welches der Käufer nach einem Vierteljahr, als die erste Kaufpreisrate fällig wurde, noch umtauschen wollte. Das Gericht war der Meinung, daß zwei Monate vollauf hingereicht hätten, um

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