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Fig. 1.

Entwurf: R. Langner, München.

Schmuck für ein Kleid mit Bolerojäckchen.

Die Redaktion von „Schmuck und Mode" hat einem unserer Mitarbeiter, dem Maler Herrn Rich. Langner in München, den Auftrag gegeben, eine Anzahl von Entwürfen zu Kostümen mit Bolerojäckchen zu liefern, und darauf bedacht zu sein, daß der dazu angegebene Schmuck besonders zu der jeweiligen Form des Jäckchens passe. Diese Entwürfe sind es, die den illustrativen Teil unserer heutigen Schmuck und Mode" -Nummer darstellen.

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Das lose Jäckchen, das seit geraumer Zeit einen hervorragenden Platz in der Damentoilette einnimmt und allem Anschein nach diesen Posten sobald nicht aufgeben wird, hat die Aufgabe, den Oberkörper lose zu umschließen. Es ist vor der Brust also entweder offen oder an einer Stelle lose zusammengehalten, aber nicht geschlossen. Dieser Zusammenhalt wird in der Regel durch Schleifen, durch Zierknöpfe, durch Knebel oder Passementerie hergestellt oder doch markiert. Das Zusammenhalten des offenen Jäckchens ist auch das Thema gewesen, das unser Künstler in seinen Entwürfen hauptsächlich variiert hat. Er hat damit die Frage des konstruktiven Schmuckes angeschnitten meines Erachtens eine der wichtigsten auf dem Gebiete unserer Schmuck- und Mode-Bestrebungen. Wenn der Schmuck nicht nur ziert, sondern einen bestimmten Zweck zu erfüllen hat, oder doch wenigstens an einem bestimmten Platze der Toilette nicht wohl entbehrt werden kann, so wird man ihn schon wieder höher schätzen, so wird man schon wieder mehr nachdenken und mehr Mittel daran wenden, um ihm die gebührende Stelle im Kleide anzuweisen. Es ist davon auch schon in Kunstzeitschriften verschiedenfach die Rede gewesen, daß der Schmuck unserer Zeit wieder praktischer und konstruktiver werden müsse; ja, es sind schon Stimmen laut geworden, die das bloße Aufsetzen von Schmuck, z. B. von Broschen, auf das Kleid als zwecklos verwarfen, die von jedem Schmuckstück eine gewisse Zweckerfüllung verlangten. Das ist zu weit gegangen, aus verschiedenen Gründen. Schmuck soll ja in erster Linie schmücken. Aber es ist uns nicht gleichgültig, wo und wie etwas geschmückt wird. Wir wollen in der Anordnung des Schmuckes auf dem Kleid einen fein überlegenden Sinn erkennen, sonst macht er uns nicht den Eindruck des schmückenden Zierrates, sondern protzenhafter Prahlerei. Und wir verlangen einen organischen Zusammenhang zwischen Schmuck und Kleid und Kleid und Schmuck, sonst erscheint das eine auf dem andern wirkungslos und uninteressant. Die Unfähigkeit, Interesse zu erwecken, ist aber der Tod für jedes Gefallen.

Behalten wir also die Schmuckstücke, die dem Kleide oder dem Körper nur aufgelegt sind, ruhig bei. Es wird sich ein anderes Mal Gelegenheit bieten, näher auf sie und ihre besonderen Aufgaben einzugehen. Hier sei nur erwähnt, daß Schmuckstücke, welche praktisch gehandhabt werden sollen, wie Gürtelschließen, Agraffen und Zierknöpfe, natürlich widerstandsfähiger ausgeführt werden müssen als solche, bei denen dies nicht der Fall ist.

Die Aufgabe, ein Jäckchen lose zusammenzuhalten, erscheint wie geschaffen für Schmuck. Die technischen Bedingnisse dabei sind ja ziemlich einfach. Entweder der Schmuck ist zum Einhaken eingerichtet, oder das Jäckchen schließt mit Haften und die Metallschließe dekoriert nur. Man kann also das Schmuckstück zierlich und reich ausstatten, ohne befürchten zu müssen, daß dadurch der Gebrauchszweck beeinträchtigt werden könnte, und man kann ihn als den Mittelpunkt auseinanderstrebender Linien anordnen, wo er von selbst ins Auge fällt. Natürlich kommt es dabei sehr wesentlich darauf an, wie das Jäckchen selbst geschnitten und dekoriert ist; um unsern Absichten und Anforderungen zu entsprechen, muß es so gehalten sein, daß die zusammenhaltende Schließe als eine praktische und zugleich ästhetische Notwendigkeit erscheint.

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Es sei gestattet, zu den einzelnen Abbildungen dieser Nummer noch einige Erläuterungen zu geben. Vor allem einige allgemeiner Art. Diese Entwürfe dürfen nicht als Modebilder im gewöhnlichen Sinne aufgefaßt werden. Sie sollen nicht Darstellungen der jetzt üblichen oder der kommenden Mode sein, sondern sie sollen nur Fingerzeige geben für eine individuelle und künstlerische Ausgestaltung derselben. Man entsetze sich nicht vor einem solchen kühnen Gedanken. Unsere Frauen sind keineswegs so willenlose Sklavinnen der Mode, wie man gewöhnlich zu deklamieren pflegt. Sonst wären die langen Konferenzen mit den Schneiderinnen, das lange Auswählen im Modewarengeschäft ja nicht nötig. Man könnte sich ja einfach an die neueste Nummer der Modezeitung halten, in der ganz genau steht,

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Fig. 3.

was Mode ist, noch dazu gleich mit den nötigen Bezugsquellen. Den meisten unserer Frauen genügt es, Anregungen zu erhalten die Entscheidung werden sie dann schon selber treffen. Warum soll nicht auch einmal eine künstlerische Anregung auf guten Boden fallen?

Figur 1 zeigt ein Kleid mit Bolerojäckchen in modernem Stil. Das Jäckchen schließt mit einer breiten Tuchspange, die sich aus dem Besatz entwickelt, über der Brust. Diese Tuchspange wird dekoriert mit zwei Schließenteilen, die mit feinen, parallel laufenden Kettchen verbunden sind. Das ist ein glücklicher Griff in den Formenschatz unseres Bauernschmuckes, der mit der silbernen „Miederverschnürung" ganz ähnliche Wirkungen, nur wesentlich reicher und derber, anstrebt; und zugleich ein Beispiel dafür, wie sehr

unser

Schmuck durch die Einführung beweglicher Kettenverbindungen an Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit gewinnen könnte. — Die Halskette mit Anhänger markiert die Linie, wo die senkrechte Faltung des Halskragens in die auseinanderstrahlende des Brusteinsatzes übergeht.

Figur 2 und 3 sind im Charakter des üblichen Taillenkleides gehalten. Bei dem ersteren ist das Jäckchen vorn offen und wird nur niedergehalten durch eine feine, querlaufende Kette, die mit einer um den Hals gehenden verbunden ist. Von dem Punkte der Vereinigung an geht diese auseinander in zwei Stränge, die unter dem Arm durchgehen. Auf den ersten Anschein ein etwas kühner Gedanke, aber kein absolut neuer: die wohlhabenden Bauerntöchter des Kantons Bern tragen solche Ketten als zur Volkstracht gehörend; die unter den Armen durchgehenden Stränge sind auf dem Rücken, etwa in der Gegend der Schulterblätter, mit broschenartigen Schmuckstücken befestigt. Bei Figur 3 ist zu beachten, wie der Anhänger mit seiner Kette sich in

den vom Jäckchen frei gelassenen Raum einfügt; die Schließe des Jäckchens ist dreiteilig angeordnet, wodurch sie sich der Körperform wird gut anschließen können. Im übrigen verweisen wir auf die Detailzeichnung zu dem Schmuck dieses Kostüms.

Figur 4 ist wieder im neuen Stil gehalten. Das Jäckchen mit seiner stark wirkenden Linienführung wird ganz schlicht durch eine schmale Spange geschlossen, ebenso schlicht wirkt das an langer Kette darüber gehängte Medaillon. Es ist sehr wenig Schmuck an diesem Kleid. Aber die Wirkung würde durch Hinzufügung von mehr jedenfalls nicht vornehmer. Im Gegensatz dazu ist Figur 5 sehr reich mit Schmuck ausgestattet. Es ist ein Ballkleid, wo das am Platze ist. Der Halsschmuck ist in den Ausschnitt hineingepaßt, die Jäckchenschließe sitzt so, daß die Linien des Jäckchens gerade auf ihr zusammenlaufen. Ebenso ist die Gürtelschließe entsprechend der nach unten geschweiften Form des Gürtels komponiert.

Reformkleid und Schmuck.

Über dieses Thema sprach im Monat April im Zentrum der deutschen Schmuckerzeugung, in Pforzheim, Fräulein Bertha Ries, Vorsteherin der Frauenarbeitsschule in Stuttgart. Fräulein Ries ist eine in weiteren Kreisen bekannte, praktisch tätige Vorkämpferin für eine künstlerische Reform der Frauenkleidung. Die unter ihrer Leitung an der Frauenarbeitsschule in Stuttgart ausgeführten Reformkostüme haben sich auf den Kostümausstellungen in Stuttgart und Karlsruhe Preise und hohe Anerkennung erworben. Daß eine solche Persönlichkeit gerade über das angegebene Thema zu sprechen sich gedrungen fühlte, ist jedenfalls ein Zeichen für die besondere Bedeutsamkeit desselben. Es hatte sich denn auch ein außerordentlich zahlreiches Publikum eingefunden, das sich keineswegs nur aus Damen zusammensetzte, und es verdient besonders bemerkt zu werden, daß etwa 30 der erschienenen Damen die moderne Tracht angelegt hatten.

Die Rednerin leitete ihre Darstellungen mit dem Satze ein, daß die moderne Zeit, welche an die Frau so außerordentlich gesteigerte Ansprüche stelle, auch eine zweckmäßigere Kleidung für dieselbe erheische. Die gegenwärtige Kleidung sei weder der Gesundheit zuträglich, noch sei sie schön. Im Interesse der Frauenwelt sei es also in jeder Hinsicht gelegen, daß hier Wandel geschaffen werde. Die

Reformbewegung für eine bessere körperliche Ausbildung und Kleidung der Frau trete schon seit 20 Jahren in Amerika und England auf; von dort sei sie nach Schweden gekommen, wo besonders die weibliche Gymnastik eine ausgezeichnete Pflege gefunden habe, und wo durch die Erfindung des Büstenhalters eine weitere Durchbildung der Reformkleidung ermöglicht wurde. Im Gefolge der Bewegung für Volksgesundheitspflege habe die Bewegung nun nach Deutschland hinübergegriffen, wo sie aber zunächst schlechte Fortschritte gemacht habe. Erst seitdem man den sanitären Gedanken mit dem künstlerischen verknüpfe, seitdem man erkannt habe, daß, wie überall, wahre Schönheit nur auf dem Boden der Zweckmäßigkeit sich entwickeln könne, dringe die moderne, künstlerisch gestaltete Reformkleidung allmählich in weitere Kreise.

Nachdem die Künstler sich mit der Frage der weiblichen Kleidung zu beschäftigen anfingen, sei es an der Zeit, nicht nur an die richtige Grundform, sondern auch an den Schmuck der modernen Damentoilette zu denken. Des öfteren sei es der Rednerin in ihrer Praxis vorgekommen, daß eine Dame sich hochbefriedigt über eine im modernen Stil gehaltene Toilette ausgesprochen habe, daß ihr aber das Ganze zu ruhig und schmucklos erschienen sei. Das sei ein Zeichen

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von

dafür, daß eben das
Reformkleid für das
Schmucktragen geeignet
sei, weil es geradezu
nach Schmuck verlange.
Sie, die Rednerin, glaube,
daß gerade in Pforzheim
die Möglichkeit gegeben
sei, hierin etwas Ein-
heitliches, Neuartiges zu
schaffen. Schmuck-
sachen, wie sie z. Z.
auf der Karlsruher Jubi-
läumsausstellung
Pforzheim zu sehen ge-
wesen seien, kämen
eigentlich nur auf einem
in modernem Stil ge-
haltenen Kleid voll zur
Geltung, während das
bisherige Modekleid, wie
die Modezeitungen selbst
zugeben, stets reicher
und komplizierter in
seiner Ausstattung wird,
und sich dadurch zur
Aufnahme von Schmuck
immer weniger eignet.

Was wir hier geben
konnten, sind nur kurze
Andeutungen aus dem
reichen Inhalte des fes-
selnden Vortrages. Es
schien uns am Platze,
an dieser Stelle auf eine
für unsere Bestrebungen
so bedeutsame Äußerung
so weit als möglich ein-
zugehen.
R. R.

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ENTWÜRFE
VON

MALER R. LANGNER
MÜNCHEN

SCHMUCKDETAIL zu Fig. 5.

Fig. 5.

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