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innewohnenden Triebes, alles Nichtfranzösische als unter-
geordnet zu betrachten, sowie der speziell in unserer
Branche gepflegten deutschfeindlichen Propaganda
Dinge, welche wir an dieser Stelle schon eingehender
besprochen haben erscheint vielen Franzosen der
,,Charançon" als eine degradierende Marke. Die Ware
kann noch so tadellos in Geschmack und Ausführung
sein, sobald der
Punzen erkannt
wird, und nach
demselben schaut
die grosse Mehr-
zahl der Händler
- nicht das Publi-
kum, das davon
nichts versteht,
nimmt das Ge-
sicht manches
Einkäufers einen
herablassend ge-
ringschätzigen
Ausdruck an:
,,C'est de l'Alle-
mand" und da-
mit ist die Sache
häufig abgethan.
Der,,Charan-
çon" erzeugt auch

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mente Gedanken an Fleiss, eifriges Streben, technische Vervollkommnung und kaufmännisch gewandte Handlungsweise wach, und so kann bei geschickter Einführung des Verkäufers, welcher die gute Arbeit und die Preiswürdigkeit der Ware ins rechte Licht zu rücken weiss, gerade mit diskretem Hinweis auf den,,Charançon" das Eis nicht selten gebrochen werden. Aus Versuchen

Der Silberfund von Bernay, Abb. 3. Rückseite.

wohl,,patriotische" Wutanfälle oder herzzerreissende
Jeremiaden bei bejahrten Bijouterielöwen, welche den
Frankreich anno 70 entrissenen Glorienschein durchaus
nicht verschmerzen können und nun auch den Nimbus
ihrer lieben Industrie bedroht sehen. Der ,,Charançon"
ist ferner das leitende Merkmal des böswilligen Uni-
ficationsbeamten
bei Benörgelung
der auf dem Lager
des Händlers be-
findlichen Ware.
Es hat jedoch
trotz allem nicht
verhindern kön-
nen, dass die
deutsche Bijou-
terie sich mehr
und mehr Ein-
gang verschafft,
dass die bezüg-
lichen Ziffern der
Importstatistik
besonders in den
letzten Jahren be-
merklich steigen.
Die Engländer
vermeinten s. Zt.

entstehen dann, gute Bedienung vorausgesetzt, fortlaufende Verbindungen und auf diese Weise erklärt sich die Steigerung Umsatzes mit Frankreich.

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des

Die unbefangensten und gescheitesten unter den Bijouteriehändlern haben den Vorteil, den sie aus dem Verkehr mit deutschen Fabrikanten ziehen können, schon längst

erkannt. Sie machen zum Teil ihre Einkäufe persönlich in Pforzheim, Hanau und Gmünd, und die Thatsache, dass diese Käufer regelmässig wiederkehren, sowie dass ihre Zahl eher zunimmt als zurückgeht, beweist, dass deutsche Bijouterie an und für sich in Frankreich gut absatzfähig ist. Unter diesen Herren

befinden sich ohne jeden Zweifel eine Anzahl, die von ihren lieben Fachgenossen einige Zeit vor ihrer ersten Reise nach Pforzheim etc. von deutschen Goldund Silberwaren nichts wissen wollten, indess ist die Billigkeit eines Artikels ein starker Magnet. Daneben begründen andere Faktoren den Einkauf deutscher Bijouterie; SO zum Beispiel hat unsere moderne maschinelle Einrichtung in der kuranten Ware eine berühmte,,Made

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Der Silberfund von Bernay, Abb. 4.

die deutsche Industrie für ihren Markt unmöglich zu machen, indem sie das berühmte ,,Made in Germany" zur Kennzeichnung deutscher Produkte vorschrieben; aber sie hatten ohne den Wirt gerechnet und,,den deutschen Michel" unterschätzt. Es ist allgemein bekannt, dass dieses Zeichen geradwegs umgekehrte Wirkung hatte.

Etwas von diesem ,,Made in Germany" ist heute schon mit dem ,,Charançon" innig verbunden. Er ruft im Geiste der gebildeten und ruhig überlegenden Ele

grosse Variation an Mustern geschaffen, welche von den französischen wesentlich abweichen und den Grossisten gestatten, sein Lager mit originellen Neuheiten zu versehen. Ferner ist die ernstere Sorgfalt, sowie die grössere, ihn vor dem Franzosen auszeichnende Bereitwilligkeit des Deutschen, auf besondere Wünsche des Kunden einzugehen, ein gutes Anziehungsmittel.

Alle diese Vorzüge kommen für den obengenannten

Besucher Pforzheims, Hanaus und Gmünds voll zur Geltung und werden von denselben nicht zum wenigsten auch zum Vorteil der deutschen Industrie gern immer Die aber ausserdem existierenden

mehr ausgenutzt. Bijouteriehändler, die sich nicht nach Pforzheim etc. begeben können oder wollen, bilden die grosse

Mehrzahl und somit die Achse, um welche sich das Rad des Importes deutscher Bijouterie in Frankreich dreht. Sie ist es, die zum flotten Umtriebe des Rades geglättet, poliert und geölt werden muss, um eine für Deutschland lohnende Entwickelung des Bijouterie - Exportes nach dem so aufnahmefähigen Nachbarlande herbeizuführen. Der erste Handgriff ist der, mit welchem den französischen Käufern die

erwähnten Vorteile,,à domicile", bei ihnen zu Hause, zugänglich gewisser

massen mundgerecht gemacht werden. Dann ist an der Beseitigung des Vorurteils gegen den,,Charançon" zu arbeiten und gleichzeitig muss der nun schon glatteren Achse das den Gang des Rades ruhiger und doch schneller machende Oel aufmerksamer Beobachtung und seriöser Pflege des Marktes beigebracht werden. Die noch bestehenden Unregelmässigkeiten werden sich als

der auf das französische Geschäft näher eingegangen ist, ein Haar in demselben fand. Nichtsdestoweniger ist die Lösung, allerdings nur mit gewissenhafter Anwendung eingehendster Kenntnis sowohl der Verhältnisse deutscher Fabrikation als derjenigen des französischen Marktes möglich. Je gediegener und übereinstimmender dabei das Wirken der Exporteure ist, desto grösser wird der Erfolg sein.

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Der Silberfund von Bernay, Abb. 5.

dann mit der Zeit und zwar im Verhältnis der Geschwindigkeit des Rades von selber abschleifen, sodass es schliesslich nur noch täglich eines Tropfen Oeles bedarf.

Aber wie unsere Darlegungen klar erkennen lassen, ist die Erfüllung der vorgedachten Aufgabe kein Spielwerk und wir sind überzeugt, dass mancher Produzent,

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Der französische Durchschnittskaufmann ist an

einen bei uns wenig bekannten Schlendrian gewöhnt, von dem er nicht ablässt. Man muss diesem sowohl als seinen sonstigen Schwächen Rechnung tra

gen und ihm vor allen Dingen den Einkauf bequem machen, sodass er kaum bemerkt, dass es sich um ausländische Waren handelt. Es ist ferner unumgänglich, dass der Fabrikant, Kaufmann oder seine Mittelsperson mit den französischen Handelsgebräuchen unserer Branche, insbesondere auch mit der Sprache vollkommen vertraut ist. Selbstverständlich gehören auch Gewandtheit im Verkehr, Fleiss und solide Handlungsweise zu den erforderlichen Eigenschaften.

Wird die deutsche Bijouterie den französischen Abnehmern in der richtigen Weise und ohne Halbheit unter Berücksichtigung aller Eigenheiten des französischen Geschäftes zugeführt, so kann der Gewinn nicht ausbleiben und der ,,Charançon" wird zu einem anderen ,,Made in Germany" werden, wenigsten für kurante Ware.

Hector.

Der Silberfund von Bernay.

(Fortsetzung.)

Ein besonders merkwürdiges Stück ist der in der Abbildung 5 vorgeführte henkellose Becher. In kräftigem Relief, das dem Gefäss eine unruhige Kontur giebt, ziehen sich mehrere grosse Figuren um die Rundung herum. Die würdevolle bärtige Gestalt, deren Rechte majestätisch auf einen Szepter gestützt ist, wird von den einen als Jupiter, von anderen als Neptun bezeichnet, die vor ihm stehende weibliche Gestalt, mit Diadem und Szepter dementsprechend Juno oder Amphitrite benannt. Dann folgt der geflügelte

Pegasus, den die Nymphe Peirene tränkt, und ein unbekleideter Athlet mit Fichtenkranz und Palme. Im Hintergrunde wird zwischen den beiden zuletztgenannten Gestalten ein hoher Fels mit einem Tempel sichtbar, die Burg von Korinth mit dem Heiligtum der Venus. Man deutet die Darstellung auf einen Sieg in den isthmischen Spielen, die alle zwei Jahre gefeiert wurden. Auf den Isthmus weist Akrokorinth und die Quelle Peirene hin, wo Bellerophon den widerspänstigen Pegasus gebändigt haben soll. Von phantastischer Wirkung

muss die ursprüngliche farbige Erscheinung des Gefässes gewesen sein. Der Grund ist getigert, indem in der Vergoldung unregelmässig gestaltete silberne Flecken ausgespart sind. Wahrscheinlich wird man diese Flecken, die jetzt schwärzlich geworden sind, vor der Vergoldung abgedeckt oder später aus dem Goldüberzug ausgekratzt haben. dem Sitze des Jupiter ist das Gold und Silber schachbrettartig verteilt. Auch sonst sind noch zahlreiche Spuren von Vergoldung zu erkennen. Die Höhe des Bechers beträgt 121 cm, der Durchmesser 12 cm. Eine Inschrift nennt ebenfalls den Qu. Domitius Tutus als Stifter.

Auf

Von den 28 aufgefundenen Schalen sind zwei besonders schöne abgebildet. Die eine, Abb. 6 von flacher Höhlung (4

gearbeitet, während die übrigen Aufschriften erst nachträglich einpunktiert sind. Die Schale ist also im Gegensatz zu den anderen Gefässen, die aus dem schon vorhandenem Besitz des Stifters gewidmet sind, offenbar, wie auch schon das Relief zeigt, direkt für den Zweck der Weihung gearbeitet. Durch eine schlichte eingravierte konzentrische Linie, die sich in einiger Entfernung um das Relief hinzieht, wird die leere Fläche der Schale ein wenig belebt und in harmonische Proportionen geteilt.

Die zweite Schale (Abbildung 7) zeichnet sich durch eine elegante Buckelung aus. Die Mitte ziert auch hier ein Relief: auf der Löwenhaut des Herkules liegt eine schlafende Frau, die Keule dient ihr als Kopfkissen. Drei Amoretten

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Tiefe, 22 cm Durchmesser) ist im Innern glatt. Nur der Spiegel ist mit einem feingetriebenen Relief verziert. Merkur, nur mit einem kleinen Mäntelchen bekleidet, im linken Arm den Schlangenstab, in der rechten Hand einen Beutel, schreitet erhobenen Hauptes einer Säule zu, auf der ein Hahn sitzt. Hinter dem Gotte steht ein Pfeiler mit einer Schildkröte, während daneben eine Ziege von einem Baume nascht. Offenbar haben die verschiedenen Tiere hier eine besondere Bedeutung. Um das Relief, welches nur unbestimmte Spuren von Vergoldung zeigt, ist ein runder Reifen mit der in Gold tauschierten Inschrift: DEO. MERC. IVLIA. SIBYLA. D. S. O. herumgelegt, wodurch die Schale als Weihgeschenk der Julia Sybila bezeichnet wird. Die dekorativ wirkende Inschrift ist gleich von vornherein mit dem Gefässe zusammen

Der Silberfund von Bernay, Abb. 7.

umgeben sie, der eine lagert auf ihrem Knie, der zweite auf ihrer Ferse, der dritte hat es sich auf dem Kopfstück des Felles bequem gemacht. Links von der Schlafenden, die man als Omphale bezeichnet hat, liegt ein mit Laubwerk dekorierter Becher, unter dem Fell schaut ein Bogen und ein Köcher hervor. Beachtenswert ist die radiale Anordnung der Reliefkomposition gegenüber dem von oben nach unten orientierten Relief auf der vorher besprochenen Schale. Die Schale mit dem Merkur ist eben für eine vertikale Stellung, die Buckelschale dagegen für eine horizontale Lage bestimmt. Der Gürtel der Omphale und das Löwenfell tragen noch Reste von Vergoldung, ebenso die Rippenornamente zwischen den Buckeln. Die Schale ist bei einer Breite von 28 cm 8 cm tief. Auch sie ist von Q. Domitius Tutus geweiht.

Das Kleingewerbe.

Der sogenannte ,,kleine Mann", dem die leitenden Kreise sonst nur zu Wahlzeiten etwas Aufmerksamkeit schenkten, um sich seiner Stimme durch das Versprechen der Verbesserung seiner Lage zu versichern, hat in den letzten Jahren doch auch zu anderen Gelegenheiten das Interesse eben dieser Kreise erfahren, und von den vagen Versprechungen ist man nach und nach zu Thaten übergegangen und hat durch mannigfache Massnahmen versucht, die thatsächliche Notlage des kleinen Mannes dem Grosskapital gegenüber zu lindern. Es ist hier unter dem ,,kleinen Manne" hauptsächlich der Kleingewerbetreibende zu verstehen, dessen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit durch die Entwickelung der fabrikmässigen Betriebe immer mehr in Frage gestellt wurde. Zweifellos hat der Staat ein Interesse daran, dass die grosse Zahl selbständiger Existenzen, die im Kleingewerbe thätig sind, erhalten bleibt, denn sie bilden sozusagen den Kern des Mittelstandes und sind in hohem Grade besteuerungsfähig. Zum Zwecke der Erhaltung dieser Kleingewerbetreibenden in ihrem Kampfe gegen die moderne Grossfabrikation, die Waarenhäuser u.s. w. ist nun in letzter Zeit eine Reihe von Organisationen geschaffen worden, unter denen die Organisation des Handwerks in freien und Zwangsinnungen obenan steht.

Ob wir das Goldschmiedehandwerk bezw. die Goldschmiedekunst zu den kleinen Gewerben rechnen dürfen, wird wohl ausser Frage stehen, denn der ganzen Natur des Schmuckes nach eignet er sich mehr zur Einzelanfertigung wie zur Massenfabrikation, und wenn letztere auɔh nunmehr bei der Erzeugung der billigen und billigsten Waren die Handarbeit so gut wie ganz verdrängt hat, so kommt doch andererseits diese Handarbeit auch in fabrikmässigen Betrieben bei der Herstellung der besseren Schmucksachen wieder zu voller Geltung. Bedauerlich aber ist es, dass die Handarbeit in unserer Branche zu einem grossen Teil in die Fabriken hat wandern müssern, um Beschäftigung zu finden und dass die selbstschöpferische, selbst erzeugende, selbst schaffende Kraft des Goldschmiedes als solcher und als Ladeninhaber immer mehr zu verschwinden droht, so dass die Goldschmiede in der Hauptsache zu Flickgeschäften herabsinken und Neuarbeiten, die doch das eigentlichste Gebiet des Goldschmiedes bilden sollten, in den Fabriken gemacht werden, denen dadurch immer wieder neue Schaffensgebiete erschlossen werden. Für den Goldschmied als Ladeninhaber ist es natürlich sehr angenehm, wenn er sich selbst nicht seinen Kopf über eine interessante Neuarbeit zu zerbrechen braucht, sondern sie mit oder ohne Vermittelung eines Grossisten einer Fabrik übertragen kann; für den Goldschmied als Goldschmied indessen ist es nicht zu verzeihen, dass er Arbeiten, die er selbst machen könnte, an denen er lernen, sich und seine Gehilfen und Lehrlinge weiterbilden kann, einem Anderen überantwortet und einen Teil seines Verdienstes dem Grossisten und Fabrikanten überlässt, die für ihn die Sache ausführen.

Es wird immer mit beweglichen Worten geklagt, dass das Goldschmiedegewerbe zurückgehe und der Betrieb desselben immer mehr in kaufmännische und Fabrikantenhände übergehe. Nun, wenn dem so ist, so tragen die verehrten Goldschmiede selbst einen grossen Teil der Schuld daran, weil sie sich nicht schon lange freiwillig zu einem grossen Ganzen zusammengeschlossen haben und erst den polizeilichen Zwang zur Bildung von Innungen abwarten mussten, zu einer Zeit, als von der verlorenen

Position schon kaum noch etwas zu retten war. Es ist dabei ein schwacher Trost, dass wir die Uneinigkeit und Eigenbrodelei unter den Goldschmieden nicht als den Ausdruck einer nationalen deutschen Schwäche anzusehen haben, es ist vielmehr in anderen Ländern ganz genau ebenso, der ,,Moniteur de la Bijouterie" in Paris, wie das,,Jewelers Circular" in New York und der ,.Watchmaker and Jeweler" in London klagen alle gleichmässig über die Teilnahmlosigkeit der Goldschmiede bei der Behandlung von Fragen von für alle gleichen und gemeinsamen Interessen. Ja, ein Redner liess sich jüngst in London soweit hinreissen, die Goldschmiede a mean and contemptible lot" zu nennen, die Anwesenden natürlich ausgenommen, weil sie kein Interesse für eine gemeinnützige Einrichtung zum besten des Ganzen zeigten.

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Hoffen wir, dass die in verschiedenen Orten ins Leben getretenen Zwangsinnungen nun diese Teilnahmlosigkeit besiegen und das Interesse des einzelnen Goldschmiedes für das Wohl des Ganzen zu erwecken vermögen, obgleich es ein viel idealerer Zustand wäre, wenn diese Teilnahme eine freiwillige wäre. Der Unterstützung der Fachpresse bei ihren Bestrebungen dürfen sie versichert sein, nicht nur der Fachpresse, die lediglich in althergebrachten Phrasen und abgedroschenen Redensarten scheinbar die Interessen der Goldschmiede vertritt, sondern vor allem auch der Fachpresse, die es mit Worten nicht genug sein lässt, sondern auch durch Thaten beweist, dass ihr das Wohl des Goldschmiedes, nicht nur des Fabrikanten und Grossisten am Herzen liegt. Wir dürfen dabei ohne unberechtigte Selbstüberhebung darauf hinweisen, wie wir von Anfang des Erscheinens der Handelszeitung an dem Leihhauswesen, dem Kampf gegen die Warenhäuser, dem unlauteren Wettbewerb, dem Versicherungswesen, Zwangsladenschluss u. s. w. u. s. w. nicht nur in mannigfachen Artikeln unsere Aufmerksamkeit gewidmet haben, sondern auch durch die That, die eindringlichste persönliche Beeinflussung der massgebenden Kreise unserer Branche gedient haben; dass wir ferner nicht nur dem Goldschmied in technischen Artikeln und illustrierten Abhandlungen die Fortschritte im Fache vor Augen geführt haben, sondern auch durch die That, die Begründung der ,,Centralstelle für Schmuck und Mode", deren Erfolge wohl nur missgünstiger Neid in Abrede stellen kann, bewiesen haben, dass wir die Interessen gerade des kleinen Goldschmiedes als Ladeninhaber in weitestem Masse wahrgenommen haben. Wer die Entwickelung unseres Blattes und seine Tendenzen aufmerksam und objektiv verfolgt hat, wird uns das Zeugnis nicht versagen können, dass wir stets und ständig uns der berechtigten Interessen des Kleingewerbes angenommen haben, ebenso wie der des Grossisten und Fabrikanten. Eines braucht das andere nicht auszuschliessen, und wir betrachten es als eine der ersten Aufgaben eines wirklichen Fachblattes, nicht einseitig nur einen Standpunkt zu vertreten, sondern alles, was die Branche angeht, in den Kreis unserer Besprechungen zu ziehen und dadurch zur Aufklärung und gegenseitigen Verständigung beizutragen, nicht den Hass und die Missgunst der einzelnen Parteien gegeneinander zu schüren, sondern dahin zu wirken, dass Eintracht und gegenseitige Förderung bei gemeinsamen Interessen in unser schönes Gewerbe wieder einziehen. Wenn die einzelnen Glieder der Branche zusammenhalten, können sie alles erreichen, wenn sie sich gegenseitig befehden nichts! Und auf eins möchten wir den Kleingewerbe

treibenden in unserem Fache noch hinweisen, dass er nicht alles Heil von oben erwarten möge, sondern ,,sich selbst helfe, damit ihm Gott helfe!" Es ist jetzt gerade eine Zeit, wo durch das Wiedererwachen des Interesses des Publikums für künstlerischen Schmuck gerade dem einzelnen Goldschmiede Gelegenheit gegeben ist, seine Kunst in den Augen dieses Publikums wieder zu Ehren zu bringen, sich nicht auf den Vertrieb der ihm von Fabrikanten und Grossisten ins Haus gebrachten fertigen Ware zu beschränken, sondern selbst wieder Neues und Eigenartiges zu schaffen und sich

dadurch der von vielen so sehr perhorrescierten Abhängigkeit von den bösen Grossisten bis zu einem gewissen Grade zu entziehen. Die Handelszeitung bietet durch ihre Illustrationen von Neuheiten und ihre Kunstbeilagen dem Goldschmiede sehr viel Anregung nach dieser Richtung und wird auch ferner bestrebt sein, auf diesem Gebiete nur gutes zu bringen, und zwar nicht nur Abbildung von Fabrikware, sondern Abbildungen und Beschreibungen hervorragender künstlerischer Arbeiten des In- und Auslandes.

Der neue Stil und das kaufende Publikum.

Alle Neuerungen, welche im Leben eingeführt werden, haben ihre Anhänger aber noch weit mehr ihre Gegner. So wie es also im allgemeinen Leben ist, so ist es auch auf dem Gebiete der heutigen Geschmacksrichtung in der Goldschmiedekunst.

Ich möchte mich durchaus nicht verdächtig machen, als Gegner des neuen Stils zu gelten im Gegenteil, ich bin ein eifriger Anhänger der neuen Geschmacksrichtung und weiss deren Vorteile wohl zu schätzen. Die geschickte Hand des Goldschmiedes kommt dadurch wieder recht in Fluss, das Stehen hinter dem Ladentische wird beim Verkauf von Waren moderner Richtung interressanter. Die Produkte der Goldschmiedekunst im modernen Stile sind sinnreicher, dauerhafter und die Arbeit ist interessanter, alles Zinnflicken und Steineeinkitten wird mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.

Der Übergang von der bisherigen Geschmacksrichtung zur heutigen ist aber so grass, dass bei der grossen Masse

lässt, nicht bestehen; ich bin also der Ansicht, es muss jede Neuheit dahingehend forciert werden, dass sie Gemeingut wird, denn nur dadurch kann das Geschäft in Schwung kommen. Der andere Kreis, die grosse Masse, kauft Gegenstände streng neuen Stils vorläufig überhaupt noch nicht und bei ihnen nützt auch alles Reden nichts.

Wie können wir uns diesen Umstand nun geschäftlich zu Nutzen machen? Ich will nicht sagen, dass die breite Masse des Volkes denkfaul ist, aber ich behaupte: sie ist zu oberflächlich, um ihren Geist und Gemüt derartig anzustrengen, dass er sich in den Geist der modernen Richtung vertiefte. Für die grosse Masse muss also etwas leicht Fassliches und möglichst Natürliches geschaffen werden, was sie sofort versteht und wohinein sie sich ebenso schnell findet, um dadurch einen Übergang zum Verständnis des Besseren zu bieten. Hierzu bietet uns die Natur so unendlich viel Stoff. Die heimatliche Flora, das Blatt des heimischen Baumes, am sonnigen Rain die wilde Rose und die Dornenblüten

des Publikums das Verständnis dafür nicht zu finden ist, und deshalb halte ich es für vorteilhaft, nun auch denjenigen, die sich mit der modernen Richtung nicht befreunden können, Verständnis für dieselbe beizubringen; dadurch würde ein Zwischending geschaffen, etwas möglichst Realistisches und leicht Fassliches, das eine Überleitung vom früheren zum neuen Stil darstellt.

Wer den Verkehr mit dem grossen Publikum im geschäftlichen Leben kennt, muss zugeben, dass nur ein ganz kleiner Teil mit dem ersten Blick den idealen Zug des neuen Stils erkennt und ihn auch würdigt; ein grosser Teil aber ist wie befangen und es kostet viel Mühe, ihm etwas Verständnis hierfür beizubringen. Die Betreffenden erkennen den Stil als Neuheit wohl an und kaufen auch auf vieles Zureden einen solchen Gegenstand, stehen aber kleinlaut und beklommen da, denn sie haben augenscheinlich das Gefühl, als hätten. sie das Rechte nicht getroffen. Erst wenn man die Leute darauf aufmerksam macht, dass sie in allen besseren Geschäften solche Gegenstände als Neuheit finden, beruhigt sich ihr Gemüt etwas. Nun kann aber die Geschäftswelt von dem kleinen Kreis, bei dem das Verständnis sich wecken

bieten uns Stoff in Hülle und Fülle. Wir haben hierbei nicht von nöten, nach den absurdesten Windungen und Drehungen zu greifen, die für uns weder idealen noch realen Hintergrund haben, also nichts versinnbildlichen können. Solche Motive erhalten die verständnislose Masse nur im Indifferentismus und widerstreben dem Geschmack derjenigen, die keinen vergleichenden Masstab anlegen und sich keine tiefere Vorstellung machen. Bleiben wir also für diese bei der Natur, bei den Gebilden, wie sie uns Mutter Erde oft in bizarrster Form bietet.

Aus Liebe zur Sache habe ich, so gut es eben noch ging, einige dem Artikel beigefügte Broches, Herbsttypen à quatre couleurs, hergestellt, die allerdings montiert sind, aber leicht durch Stempel und Stanze hergestellt werden können, sodass es der Grossproduktion möglich ist, etwas ähnliches zu schaffen. Ich masse mir nun durchaus nicht an, als genialer Mensch zu glänzen, um etwas zum besten zu geben, sondern möchte hierdurch eine Illustration zu meinen Ausführungen liefern, die dazu beitragen möge, dass meine Worte richtig verstanden werden und vielleicht den einen oder anderen Kollegen zu einer Nachahmung veran

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