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schuf seinerseits Gelegenheit zu weiterer Entwicklung des Goldschmiedegewerbes. Im 18. Jahrhundert ist es namentlich der Buch- und Trachtenschmuck und Filigran (aus silbernen Drähten hergestellte Schmuck- und kleinere Gebrauchsartikel), die dem damaligen Hausgewerbe eine Zeit höchster Blüte verliehen. Die Spezialartikel der damaligen Goldschmiedekunst waren Rosenkränze, Halsbandschlösser, Schuhschnallen, Knöpfe, silberne Löffel und verschiedenartiger Buchschmuck. Der meiste Trachtenschmuck, der vornehmlich in Bayern und in der Schweiz getragen wurde, entstammt Gmünder Werkstätten. Diese Trachtenschmuckfabrikation

wurde bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts betrieben. Werkstätten, in denen größere Artikel, wie silberne Becher, Pokale, Stockknöpfe u. a. mehr hergestellt wurden, werden nicht ganz gefehlt haben. Wenigstens ergibt sich das aus einigen größeren Arbeiten, die das frühere Beschauzeichen aufweisen und demnach als Gmünder Arbeiten in Anspruch genommen werden dürfen. Verschiedene Kunstgegenstände im Gmünder Kirchenschatz, wie die Turmmonstranz in Kalvarienberg und andere im Kensington - Museum befindliche Artikel, sowie einige Zunftbecher und Pokale sind anerkanntermaßen Gmünder Arbeit. Nicht zu vergessen sind einige bedeutende Kirchenpokale in Wetzgau und Bergau. Rosenberg berichtet außerdem, in Wien, Budapest und Petersburg Gmünder Goldschmiedearbeiten, wie silberne Dosen, Etuis, Kleingebrauchsgegenstände aus Filigran aus dem 17. und 18. Jahrhundert vorgefunden zu haben. So geringfügig dieser Nachweis auch sein mag, so beweist er doch, daß neben der eigentlichen Kleinschmuckfabrikation auch die Herstellung von Großstückwaren

betrieben wurde und daß sowohl die großen, wie die kleinen Artikel vom künstlerischen Standpunkt als wirklich wertvoll bezeichnet werden mußten, und daß der später auftretende Verruf Gmünder Waren sich weniger auf die künstlerische Herstellung als auf die technische Zusammensetzung bezog. Manch kunstvolles Gmünder Erzeugnis mag unter falscher Flagge in Pariser und Londoner Altertumshandlungen segeln und Werte darstellen, die sich der arme Gmünder Goldschmied niemals geträumt hätte. Im 18. Jahrhundert erlebte die Gmünder Industrie als

Hausindustrie eine herrliche Blüteperiode. Den Verschleiß der Waren besorgten am Platze ansässige Kauf- und Handelsleute: die Gmünder Fabrikate wurden nach aller Herren Länder abgesetzt. Wie bedeutend dieser Absatz geworden war, beweist am besten, daß neben den ansässigen Gmünder Händlern und Kaufleuten verschiedene auswärtige Handelskompanien ihre Vertreter am Platze hatten, die den Aufkauf der Waren besorgten und deren Abschub veranlaßten. Daß aber am Ausgang des 18. Jahrhunderts das Gmünder Goldschmiedegewerbe sich trotzdem in so trostloser Lage

befand, das lag an der traurigen Verfassung des Gewerbes, das als Hausindustrie der wucherischen Ausbeutung der Kauf- und Handelsleute preisgegeben war. Die technische Rückständigkeit und die künstlerische Einseitigkeit der Gmünder Erzeugnisse halfen dazu, diese Lage gegenüber der deutschen und auswärtigen Konkurrenz noch mehr zu verschärfen. Am Ausgang des 18. Jahrhunderts vermochte das Gewerbe die vorhandenen 200 Goldschmiede nicht mehr zu ernähren. Es wanderten daher 110 nach Wien aus. Am Anfang des 19. Jahrhunderts werden trotzdem wieder 280 Goldschmiede am Platze gezählt. Die reichsstädtische Periode wurde 1802 mit dem Übergang der Stadt unter die württembergische Herrschaft abgeschlossen.

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Die Zeit, in der die Manufaktur im Gmünder Gold14

schmiedegewerbe (zentralisierter Betrieb statt der dezentralisierten Betriebsweise) zur Einführung gelangte, war nicht die beste. Es fehlte vor allem noch an den Voraussetzungen, die eine

zentralisierte Betriebsweise

rentabel und möglich machen: das ist ein großes Verkehrsund Absatzgebiet, eine Reichseinheit und ein großes politisches Gemeinwesen, wie es durch den Zusammenschluß der deutschen Staaten nach dem deutsch-französischen Kriege seine Verwirklichung fand. Die Rechtseinheit auf gewerberechtlichem Gebiete trat erst in den 60er Jahren ein, und das Verkehrswesen hatte im deutschen Zollverein einen wesentlichen Fortschritt gemacht. Bis 1840 ist daher nur eine Übergangsperiode festzustellen. Das deutsche Wirtschaftsleben erfuhr in dieser Zeit nur unwesentliche Veränderungen. Mit der Verbesserung der Verkehrsmittel und der veränderten Wirtschaftsgestaltung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhr auch das Edelmetallgewerbe eine durchgreifende Veränderung. Namentlich hatte der allgemeine Aufschwung der 50er Jahre zur Folge, daß im Gmünder Edelmetallgewerbe anfangs der 60er Jahre eine Gründerzeit 1) einsetzte, wie man sie nie vermutete. Nicht weniger als 9 Betriebe erstanden neu. Die 70er Jahre weisen wiederum eine nicht geringe Anzahl von Neugründungen 2) auf. Weitere Fabrikgründungen 3) erfolgten in den 90er Jahren der letzten großen Aufschwungsperiode, die die Industrie zu verzeichnen hat. Die ersten Geschäftsgründungen, die sich in die Gegenwart herübergerettet haben, sind die alten Betriebe von Gebr. Kuttler, Deyhle, Schoch & Frank und Erhard & Söhne. Unter diesen hat sich namentlich die Bronzewarenfabrik von Erhard & Söhne als besonders wertvoll für den Platz erwiesen, da diese namentlich in Zeiten des Darniederliegens der Luxusindustrie die überschüssigen Arbeitskräfte aufzunehmen in der Lage war und somit die Abwanderung dieser Arbeitskräfte zu verhindern vermochte. Die Industrie setzte sich am

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so sehr, daß die Gmünder Edelmetallindustrie in eine Hochsaison versetzt wurde, wie sie sie seit ihrem Bestehen nicht erlebt hat. Sie muß jedoch mit einem Rückschlag rechnen und sich bei Zeiten auf diese Möglichkeit einrichten. Das 19. Jahrhundert wird im Gmünder Edelmetallgewerbe durch die Einführung der fabrikmäßigen Betriebsweise, durch die Gewerbefreiheit und die technische Verbesserung der Produktionseinrichtungen gekennzeichnet. Die zentralisierte Betriebsweise beginnt zunächst in Form der Manufaktur (ohne maschinelle Anlagen) Verwendung zu finden. Die technischen Besonderheiten mancher Fabrikationsarten, wie Großsilberwaren - Fabrikation, bedingen jedoch große maschinelle Anlagen, die durch die Ein

1) Gebrüder Kühn, Eduard Dobler, Hermann Bauer, Weitmann, Spranger, Joh. Herzer, Wilhelm Binder, Gustav Hauber. ᄆ

2) Zieher, Edard Kucher, Gebrüder Kreuß, Wolter & Winter, 1883 Forster & Graf, 1890 Heinle & Zeitler, Reger.

3) L. C. Köhler, Grimminger, Menrad & S. Kurz, Letzer; später gegründete Geschäfte: Spranger, Richter, Scheuerle, Braun, Weiß & Hofelich, Seitler, Knödler, Hägele, Stradmüller, Ihmle, Klaz & Behinger, Seyboldt & Hirschauer.

führung von mechanischer Triebkraft, Wasser-, Göpelund zuletzt Dampfkraft Verwirklichung finden. Dagegen ist maschinelle Arbeit bei den

Goldwaren, der Gold-, Doublé- und Silberbijouterie nur in beschränktem Umfange möglich. Nur wenige Arbeitsmaschinen lassen hier maschinelle Triebkraft zu, der größte Teil der Arbeitsverrichtungen ist manueller Natur und ohne den Arbeiter überhaupt nicht zu erledigen.

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Eine weitere Eigentümlichkeit der Entwicklung des 19. Jahrhunderts liegt in der sog. Spezialisation, d. h. dem Übergang der Betriebe zur Herstellung von nur Spezialartikeln. Dies hatte eine

weitgehende Arbeitsteilung

innerhalb der Industrie zur Folge. Man kann daher die Fabriken dahin einteilen, ob sie nur Gold-, Silber-, Doubléoder unechte Waren herstellen, ob Klein- oder Großsilberwaren, ob montierte oder kurante, ob nur Ringe, Ketten oder andere, z. B. optische Spezialartikel. Die Spezialisierung ist notwendig geworden aus technischen, kommerziellen und kaufmännischen Gründen. Ihre Ausgestal

Verschiebungen heraufführen. Seit gut einem Jahrhundert stand die Kleidung der deutschen Frau im

Zeichen der französischen Mode.

Diese Abhängigkeit ging sogar so weit, daß manche Berliner Konfektionshäuser ihre Waren nach Paris exportierten, die von dort aus als französische Erzeugnisse weiterverkauft wurden. Lag der Grund für diese despotische Übermacht Frankreichs, die sogar über die Schützengräben hinweg ihre Kreise zu ziehen wußte, in unserem geringeren Können, in unserem weniger ausgebildeten künstlerischen Geschmack, oder in der geringeren Fähigkeit der deutschen Frau, sich „schick“ zu kleiden? Auf keinen Fall brauchen wir an der Fähigkeit unserer Modekünstler und -künstlerinnen irgendwelchen Zweifel zu hegen. Weshalb aber inißglückten die Versuche in Berlin und Frankfurt, eine deutsche Mode zu schaffen? Da ist zunächst auf einen rein materiellen Grund zu verweisen, auf den nämlich, daß die englischen und französischen Frauen sich in einem Jahre mehrere sogenannte gute Kleider anschaffen. Die deutsche Frau war in der Regel nicht so luxuriös. Vom Standpunkt des

tung ist allerdings in Gmünd nicht in dem Maße erfolgt Sparsinns aus ist diese Gepflogenheit zu loben, die Mode

wie in Pforzheim.

Die Gmünder Metallindustrie, wie sie das 19. Jahrhundert geschaffen hat, ist aber trotz ihrer Aufwärtsbewegung mit einem besonders starken Fehler behaftet, nämlich ihrer Abhängigkeit von auswärts. Während Pforzheim die näheren und entfernteren Hilfsgeschäfte am Platze großgezogen hat, unterließ man in Gmünd, sich eine leistungsfähige Hilfsindustrie

zu schaffen. Im Bezug von Hilfsteilen für die Gold- und Doubléwarenfabrikation ist die Gmünder Geschäftswelt auf den Bestand der Pforzheimer angewiesen. Die Unzuträglichkeiten, die diese Abhängigkeit nach sich ziehen könnte, sind glücklicherweise noch nie akut geworden, ihr Eintritt aber ist durchaus kein Ding der Unmöglichkeit mehr.

Die Gmünder Edelmetallindustrie steht qualitativ und quantitativ hinter der Pforzheimer. In der Silberwarenfabrikation aber überragt sie qualitativ und quantitativ die Pforzheimer; in der Gold-, Silber- und Doublebijouterie wie in Juwelenarbeiten kommt sie ihr ziemlich nahe.

Viele

Modewandel.

Von Professor L. Segmiller.

Viele sehen die Mode in ihrem Wandel als eitel Tändelei an. Wüssten sie, daß die launische Göttin Hunderttausende ernährt und Milliarden umsetzt, daß sie einen Spiegel der Zeiten darstellt, daß geschickte Diplomaten zum Teil durch sie ihre feinen Fäden spinnen, daß, wie Norbert Stern sagt, eine enge Verknüpfung von Weltmode und Weltpolitik

besteht, sie würden ihre wechselvollen Erzeugnisse nicht länger von oben her betrachten.

Für die weitverzweigten Gebiete der Edelmetallindustrie sind diese engeren und weiteren Zusammenhänge nicht unbekannt. Wir wissen, daß der lange oder kurze Ärmel, die Geschlossenheit des Kleides oder sein Ausschnitt, eine hohe oder niedere Haartracht für ganze Schmuckgruppen Förderung oder Hemmung

bedeuten. Nicht nur für Deutschland, sondern ganz besonders auch für den Export sind solche richtunggebende Einflüsse der Mode maßgebend. Da das Wechselspiel von Form, Material und Farbe im Abendland in den kürzesten Zeiträumen eintritt, so sprechen viele nicht mit Unrecht von Modelaunen. Bei einer näheren Untersuchung ergeben sich aber doch tieferliegende Gründe, die solche

schöpfung wurde dadurch wenig gefördert. Schon seit einigen Jahren und wohl auch in der nächsten Zukunft versucht man besonders auf diesem Gebiete noch mehr zu sparen, und so wird von diesem Gesichtspunkte her eine Belebung der deutschen Mode nur dann zu erreichen sein, wenn wir gemeinsam auf eine ganz bestimmte Art der Vereinfachung der weiblichen Kleidung

im deutschen Sinne hinzielen.

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Frankreich verstand es nicht allein in diesem Betracht, künstlerisch zu herrschen, es legte vielfach den Modeströmungen

politische Erwägungen

zugrunde. Die Metamorphose der französischen Kleidung war politisch beabsichtigt. Schon die französische Weltmode zur Zeit Ludwigs XIV. entsprang solchen Grundsätzen. Das Wort Colberts: „Mit unserem Geschmacke werden wir Europa bekriegen und durch die Mode uns die Welt erobern", hat Geltung bis auf den heutigen Tag. Als der russisch-japanische Krieg im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses stand, kamen die Kimonos und die russischen Blusen auf, im bulgarisch-türkischen Kriege lieferte Frenkreich Bulgarien nicht nur Kapitalien und Geschütze, es zeigte seine Sympathien aller Welt in bulgarischen Farben der Kleider und Stickereien. Auch die sogen. schottischen Modephasen ergeben interessante politische Perspektiven. Der Tangotanz und die Tangomode waren wohl weiter nichts als ein Werben von Sympathiewerten. Schon diese wenigen Beispiele genügen als Beweis für die Tatsache der inneren Begründung

des Modewechsels in der Neuzeit.

Früher war der Zusammenhang der Mode, besser der Tracht, ein ungleich tieferer. Nicht das Staatsinteresse gab den Impuls zur Schöpfung neuer Kleiderideen. Sitte und Geschmack, Kunst und Kultur eines Volkes diktierten die Art der Tracht. Die Bedeutung dieser Wechselbeziehungen, die gewissermaßen als Folgeerscheinungen ganzer Kulturbegriffe auftreten, beanspruchte daher auch eine dementsprechende Bewertung, die sich allein schon in der längeren Dauer einer bestimmten Tracht ausspricht. Vielfach ist es vor allem die Architektur, deren Schöpfungen die Form des Kleides bestimmen. Derartige Zusammenhänge treten namentlich in den Zeiten markant hervor, deren struktives Empfinden die Kunstäußerungen von Grund aus durchpulst. Vergegenwärtigen wir uns DEUTSCHE GOLDSCHMIEDE-ZEITUNG Nr. 1

die Kunstauffassung der Gotik, deren Bauprinzip aus tiefer religiöser Verinnerlichung hervorgehend, das Emporstreben der Baumassen und zugleich die innerliche Erhebung zum Ausdruck bringt, so ergeben sich auch in Hinsicht auf die gotische Tracht Parallelen. Die Kleidung vermeidet jede Horizontalteilung. Die Figuren werden schlank und sogar die Männertracht geht auf das Engerwerden aus. Zugleich aber spiegelt sich in der

gotischen Gewandung

eine gesunde Sinnlichkeit der damaligen Zeit wider; das Décolleté kommt auf, und die Freude an der Farbe verführt zu einer fast starken Buntheit. Im Gegensatz dazu steht etwa die Anschauung über Kunst und Mode in der Zeit der Hochhrenaissance.

Trotz riesiger Kuppelbauten erscheint der tektonische Gedanke des 16. Jahrhunderts auf die letzte Formel gebracht als die Betonung der Wagrechten. Dieses Zeitalter ist die potenzierte Hervorhebung des Individuums. Kleidung und Schmuck werden daher Einzelkunstwerke, nur auf eine Person bezogen. Die gotische Buntheit weicht satter Farbigkeit, der Schmuckgürtel, den die Gotik gemieden, tritt in seine Rechte, die Kleidung zeichnet sich durch Klarheit, Kraft und Vornehmheit im Aufbau aus, genau so wie die Schöpfungen der Baukunst.

Im Barock

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Flirt des Schäferspiels sein Wesen treibt. Nicht Stein und Marmor wie unter der Regierung des Sonnenkönigs bearbeitet die Plastik, sie baut ihre Ideen in Fayence und Porzellan. Ist es verwunderlich, wenn nunmehr die Kleidung in Linie und Schnitt zur vollendetsten Zierlichkeit gleich den zierlichen Nippfigürchen wird?

Unsere skizzenhafte Betrachtung führt uns also zu der Folgerung, daß Tracht und Mode in historischen Zeiten aus den Niederschlägen des Zeitgeistes und in neuerer Zeit vielfach aus politischen Konstellationen hervorzugehen pflegen. Wir erkannten nicht nur die Verändernng der Modeschöpfungen, sondern sogar des ganzen Frauentyps. Wie französische Blätter melden Paris bestimmt offenbar heute den Geschmack der Kleider noch doktrinärer als in vergangenen Jahrzehnten, stehen wir auch in der Jetztzeit vor einer

gänzlichen Umwandlung in Toilettenfragen. Doch nicht nur das: Unsere ganze Anschauung über den weiblichen Körper soll gestürzt werden. Die Tendenz der modernen Frauengestalt war bisher die Schlankheit der englischen Präraffaeliten. Nicht die Zierlichkeit im Sinne des Rokoko sahen wir als Ideal der Frauenschönheit an, dagegen einen vergeistigten Typ des Weibes, der vielfach sogar einen Stich ins Dekadente aufwies. Blättern wir in den Modejournalen, so konnten sich die Modezeichner an der Betonung einer gewissen herben aber um so vornehmeren Linie nicht genugtun. Dem entgegen geben

zu rechnen haben, zwingt für unabsehbare Zeit dem deutschen Fleiß eine Anspannung aller Kräfte auf, wie wir sie bisher vielleicht noch niemals nötig hatten, um uns innerhalb der Weltkonkurrenz siegreich zu behaupten. In einer Zeit, wo so vieles „gewendet" wird, mag es erlaubt sein, auch ein oft zitiertes Wort entsprechend umzustellen: Was das Schwert verdorben hat - die friedliche Feder des Kaufmanns muß und wird es wieder gutmachen. Es gilt daher in erster Linie, die abgerissenen Fåden zum Ausland wieder anzuknüpfen und durch die Vorzüge unserer industriellen Leistungen die Verstimmung auf der Gegenseite auszugleichen. Auf dieses Ziel muß unsere zusammengefaßte Energie gerichtet sein.

Nun ist es zweifellos richtig, daß kaufmännische Verhandlungen ebenso wie diplomatische sich nicht ergeben können, wenn nicht gleicher Wille auf beiden Seiten waltet. Wir haben aber kein Recht, diesen guten Willen jenseits der deutschen Grenzpfähle durchweg zu bestreiten. Ganz abgesehen davon, daß sich die große Reihe der neutralen Staaten nach der Wiederherstellung der alten Handelsbeziehungen zu Deutschland ehrlich sehnt, wird die allgemeine Not früher oder später auch diejenigen wieder zusammenführen, die in Zeiten politischer Erregung den Fernsprecher untereinander ein für allemal abgehängt zu haben glaubten. Das Handelsnet, das sich um die Erde spannt, läßt sich nicht in Stücke zerlegen,

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In zwei Monaten schon werden wir eine Probe auf dieses Exempel machen können: die Teilnahme an der

Frühjahrs-Mustermesse in Leipzig

wird ein entscheidendes Symptom sein. Die starke Zunahme des internationalen Einschlags der Leipziger Messe und die jetzt neu beschlossene Angliederung einer Rohstoffmesse

an die Allgemeine Mustermesse sowohl wie an die Technische Messe, setzt eine Beteiligung gerade des Auslandes in viel weiterem Maße voraus, als bisher. Die Leipziger Frühjahrsmesse 1920 wird daher ein zuverlässiges Barometer gerade für die Stimmung des Auslandes sein, und die deutsche Industrie hat also um so mehr Anlaß, sich durch vollzählige Anwesenheit bei diesem weltgeschichtlichen Moment selbst von den Aussichten zu überzeugen, die ihr in dem bevorstehenden näheren Verkehr mit ehemaligen Gegnern erblühen. Sie selbst aber darf unter keinen Umständen versagen, der Welt zu zeigen, daß wir „arbeiten und nicht verzweifeln", daß wir unsere Leistungsfähigkeit nicht eingebüßt haben und willens sind, den internationalen Verkehr in Ausfuhr und Einfuhr wieder in die altgewohnten Bahnen zu lenken.

Die überwältigende Mehrheit der deutschen Industrie hat sich dieser Einsicht auch nicht verschlossen, und die Leipziger Heerschau dürfte in diesem Frühjahr ein ganz besonders imposantes Bild aufweisen. Der Nachzügler sind natürlich immer noch viele, und wenn dieser oder jener in seinem Entschluß zur

Beschickung der Leipziger Messe

durch die Furcht bedenklich geworden sein sollte, daß er auch dort einer verzweifelten Raumnot begegnen werde, so hat er nicht mit den Maßnahmen gerechnet, die das Leipziger Meßamt zur restlosen Bewältigung des diesjährigen Andrangs getroffen hat. Das jedem Meß

sein muß, und mit behaglicher Ruhe ihre Geschäfte erledigen können. Die Vorteile dieser Neuerung, die sich in vereinzelten Industriezweigen schon auf den letzten Messen glänzend bewährt hat, werden jedem einleuchten, der jemals ohne Rat und Ziel durch Ausstellungen ähnlicher Art hat irren müssen; der kurze Weg zu der jeweiligen Halle erspart das ärgerliche Hin und Her zwischen den zerstreut liegenden Standorten der verschiedenen Aussteller, wie es in den alten Meßpalästen leider nicht zu vermeiden ist, und obendrein ist durch gute Verkehrsmittel und nachdrückliche Hinweise dafür gesorgt, daß sich jeder Einkäufer des rechten Weges bald bewußt wird. Wir machen daher alle Aussteller der Edelmetall-, Uhren- und Schmuck-Messe darauf aufmerksam, daß neue Anmeldungen, wenn sie jetzt sogleich erfolgen, noch immer willkommen sind, und daß diese Anmeldungen für die

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besondere Meßhalle

bestimmt sind, die unserem Industriezweig eingeräumt wird. Diese unsere Ausstellungshalle ist die Schule in der Löhrstraße,

dicht am Promenadenring und dem von ihm eingeschlossenen Meßzentrum. Die Aussteller unserer Branche werden also dort in einer gewissen Geschlossenheit auftreten, und kein Einkäufer wird den Besuch dieser

Sonderausstellung,

an der die bedeutendsten Firmen mitbeteiligt sind, versäumen dürfen. Wer also seinen Entschluß zur Beteiligung an der Leipziger Frühjahrsmesse bisher vertagt hatte, der möge sich jetzt sogleich entscheiden, damit er seinerseits dazu beiträgt, das Gesamtbild unseres Industriezweiges so stattlich wie möglich zu gestalten.

Fabrikation

Starres und biegsames Email.

besucher vertraute altehrwürdige Mefszentrum genügte Die Knappheit an Edelsteinen und die dadurch hervor

den modernen Ansprüchen längst nicht mehr; es mußte früher oder später den zu engen Rahmen sprengen. Schon das vorige Mal wurde auf dem Markt vor dem Alten Rathaus eine Halle errichtet, die etwa 180 neuen Ausstellern Unterkunft gab. Aber das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, und mehr als 2000 Anmeldungen mußten zurückgestellt werden, denn die Stammgäste in den Meßpalästen des Stadtinnern weichen nicht vom Platze. Mit kleinen Mitteln war da nicht geholfen, und die Stadtverwaltung hat daher mit einem radikalen Idealismus durchgegriffen: sie gab dem Meßamt ein Darlehen von vier Millionen Mark, und diese vier Millionen werden sich zur nächsten Frühjahrsmesse in

neue Hallen

verwandelt haben, die auf den Plätzen unmittelbar an der Peripherie der Altstadt emporwachsen; eine davon auch etliche Minuten weiter entfernt, in der Nähe des Zoologischen Gartens. Die Dimensionen dieser Hallen sind so bedeutend, daß sie aller Raumnöte spotten und jeden Andrang bewältigen können. Diesen neuen Hallen werden sich alle die Aussteller zuzuwenden haben, die nicht das Glück hatten, sich einen festen Standort in einem der Meßpaläste des Stadtinnern zu sichern. Sie brauchen aber nicht zu fürchten, dort allein aus ihrer Branche zu sitzen; sie sind nicht mehr bunt durcheinandergewürfelt, sondern nach innerlich

zusammengehörigen Gruppen geordnet, sodaß die Einkäufer alles hübsch beieinander finden, was ihnen auch innerhalb der alten Meßpaläste erstrebenswert

gerufene enorme Preissteigerung der dem deutschen Edelschmiedehandwerk noch zur Verfügung stehenden Mengen bedingen es, daß sich die künstlerische Entwicklung nach anderen Möglichkeiten umsieht, mittels welcher ebenfalls künstlerische Effekte erzielt werden können. Hier hat das seit Jahrtausenden schon bekannte und angewandte Email (der sog. Glasschmelzfluß) Gelegenheit, neue Triumphe zu feiern. Zweifellos wurden auch in den letzten Kriegsjahren scion Schmuckstücke an Stelle der Fassungen mit Emailverzierungen versehen. Selbst die Stahlbijouterie hat sich den Emaildekor zu eigen gemacht und sogar Gebrauchsgegenstände, aus Eisen gefertigt, (Messing- und Kupfergegenstände würden wegen der Preislage wesentlich höhere Produktionskosten verursachen), werden neuerdings mit Emailkunst dem Liebhaber vor Augen geführt. Diese

vermehrte Technik des Emaillierens

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Bekanntlich werden die Emailflüsse durch Einbrennen gefertigt, und die fertige Deckmasse bildet einen starren, festhaftenden Überzug auf den damit bearbeiteten bzw. verzierten Metallen ähnlich einer gebrannten Porzellan masse. Letztere wird aber in ihrer Masse selbst und ohne jegliche Verbindung zur Herstellung von Luxus- oder Gebrauchsgegen

ständen verwendet und bildet nach dem vollführten Brand einen fertigen Gegenstand in sich. Das Email hingegen wird stets in Verbindung mit einem Metall verwertet, und besonders die in der Schmuckkunst verwendete Emailmasse ist sehr der Eigenart der Metalle unterworfen. Diesem Umstande muß beim ganzen Arbeitsprozesse Beachtung geschenkt werden.

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Eine der Haupteigentümlichkeiten der Metalle ist die Beweglichkeit vom Beginn der Erwärmung derselben bis hinüber

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Auch die Emailmassen machen ähnliche Vorgänge mit, in der Hauptsache ziehen sie sich aber beim Schmelzfluß zusammen, da die einzelnen Partikelchen durch die Hitze eine innige Verbindung miteinander eingehen (ineinanderschmelzen) und so den gediegenen Fluß zeitigen, welchem in weiterer Linie der Farbeneffekt eigen ist. Bewegungsmöglichkeiten der Unterlagemetalle und Beweglichkeit des Emails selbst müssen aber beim Arbeitsprozeß in Einklang gebracht werden. Dies geschieht einerseits durch Anbringung eines sog. Kontre emails, durch Unterjustierung der Randflächen, die zur Aufnahme der Emailmassen dienen, durch Chanovierung und dergl. mehr, wobei neben dem Hauptzweck einer besseren Haltbarkeit des Emails am Untergrund gleich verschönernde Motive mitspielen können, wie z. B. die oft herrlichen Metallverarbeitungen im Untergrund des Transparentemails.

Aber dennoch haben Emailschmucksachen ihre Tücken und dies umsomehr, je dünner das zu verzierende Edelmetall ist. Schon durch den vorsichtigsten Glühprozeß können beim Ausfüllen mit Email Spannungen im Schmuckmetall entstehen, die sich vorerst nicht bemerkbar machen, beim geringsten Druck oder bei geringster Temperatureinwirkung aber zur Auslösung kommen und ein

Ausspringen des Emails

im Gefolge haben; und darunter leidet der Wert des Schmuckes ganz bedeutend.

Hat man es mit geringerem Email oder Opakemail zu tun, so läßt sich in manchen Fällen zum Kaltemail greifen, um nachzuemaillieren und den Schaden so gut als irgend möglich zu decken. Anders jedoch bei Transparentemail und bei Zellenemail, da hier meist Wiederholung des Schmelzvorganges notwendig ist, was sehr gefahrvoll ist.

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Zusammensetzung und der Methode bewegliche Emailverzierungen nicht fertigen könne, und wir wollen es weiteren Versuchen überlassen, dieses Gebiet eingehender zu durchforschen. Begnügen wir uns heute damit, daß Fachleute genau die Schmelzpunkte der Arbeitsmetalle

und deren verschiedene Zusammensetzungen feststellen und der Fachwelt in Zahlen zur Verfügung stellen. Dringen wir ebenso darauf, daß die angewandte „Emaillierkunst" ihre Rezepte genau nach Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile einrichtet, den Schmelzpunkt ebenfalls genau bestimmt und möglichst den Fachkreisen bekannt gibt und endlich soll der Emailkünstler auch die Lotlegierungen und deren Schmelzpunkte kennen, damit er an dem von ihm zu bearbeitenden Gegenstand diesen verschiedenen Umständen Rechnung zu tragen weiß.

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Sind diese Grundbedingungen erfüllt, so werden sich auch die Schäden an emaillierten Schmuck- und Gebrauchsgegenständen auf ein Minimum reduzieren, und dem Arbeiter ist die Möglichkeit gegeben, durch richtiges Hantieren mit solchen Sachen ein Ausspringen des Emails zu vermeiden.

Den Schmuckkäufern, welche Vorliebe für Emailschmuck haben, möge aber der Juwelier und Goldschmied aufklärend begreiflich machen, daß man Schmuck auch als Schmuck behandeln soll, daß man z. B. emaillierte Broschen beim Ablegen oder Anstecken ebensowenig verbiegen oder drücken darf wie etwa eine Glasscheibe; denn auch diese geht beim geringsten Druck in Stücke. Und gerade hier beim schmucktragenden Publikum liegt in der Behandlung von Schmuck und in der Aufbewahrung desselben noch viel im Argen. Viele Beschädigungen, besonders von Emailschmuck, die auf Konto des Goldschmiedes gesetzt werden, sind auf fahrlässige oder gar mutwillige Behandlung des Schmuckstückes zurückzuführen. Parkerisieren und Coslettisieren.

Fachleute der Emailbranche suchen deshalb schon seit langem Nach Berichten amerikanischer Fachzeitschriften scheinen diese

nach einem

biegsamen Email,

nicht, um biegsame Metallgegenstände ebenfalls emaillieren zu können, sondern mehr aus dem Grunde, dem Email eine größere Unempfindlichkeit zu verleihen und dadurch zahlreichen Verletzungen von Emailkunstgegenständen vorzubeugen. Man hat auch schon emailähnliche Dekors erreicht und solche als dehnbares Email bezeichnet; ihre Verwendung hat aber nach kurzem wieder nachgelassen, weil eben doch die Substanzen mit Email als solchem wenig gemein hatten und sich in der Hauptsache als gelatinierte Lösungen oder zelluloidähnliche Präparate zeigten, ihr Farbeneffekt geringer war und die Widerstandskraft trotz des anfänglichen Bestandes später nachließ. Möglich sollte allerdings die Herstellung eines beweglichen, emailähnlichen Überzuges auf Metallen sein; wir müßten freilich auf ganz anderen Grundlagen zu Versuchen schreiten. Der Verfasser dieses hat bereits auch solche unternommen und wird späterhin über seine gehabten Erfolge berichten. Vor allem müßte man aber bei Erzeugung solcher beweglicher Massen auf den Schmelz fluß verzichten, die Deckmassen dürften nicht durch Glühen zum Zusammenschmelzen, zu einer festen, kompakten Masse überführt werden, sondern die Mischungen müßten mehr in Form eines bloßen

Trockenverfahrens

innerhalb des Auftragortes zur Bindung gebracht werden; damit leidet aber ganz besonders der Farbeneffekt der Auftragmasse. Es wäre aber auch möglich, daß man Beimenge-Substanzen herausfinden könnte, die ein inniges Zusammenschmelzen hinderten und der Masse eine gewisse Dehnbarkeit ließen; aber auch diese wären nicht durch Glühprozeß zu erreichen, da bei solchen Temperaturen elastische Eigenschaften aufgelöst bzw. zur Vernichtung verdammt werden. Es bliebe also auch hier nur die Möglichkeit einer in geringeren Temperaturen herstellbaren kautschuck ähnlichen oder gummiähnlichen farblosen Grundsubstanz, die durch Farbenzusätze reichhaltiger gestaltet werden könnte. Auch damit wäre das nicht erreicht, was der Techniker eigentlich erreichen will. So selbstverständlich, wie es der Porzellanschmelzer findet, daß man keine beweglichen Porzellantassen herstellen kann, für so selbstverständlich sollten wir es halten, daß man unter den jetzigen Emailschmelzungen ohne jegliche Änderung der

beiden Prozesse, die einen Rostschutzüberzug auf Eisen unter Verwendung von Phosphorsäure liefern, mehr und mehr in Anwendung zu kommen. Da die physikalischen Eigenschaften des Metalls bei dieser Behandlungsweise erhalten bleiben und auch die feinsten Gegenstände der Behandlung unterzogen werden können, finden die Verfahren für Schmucksachen, Uhrfedern, Mikrometer, feinere Eisenteile u. dgl., Anwendung, doch dürfte sich das Anwendungsgebiet noch erheblich erweitern lassen.

Die Gegenstände müssen natürlich wie beim Galvanisieren sorgfältig gereinigt, also entfettet und gebeizt oder anderweit metallisch rein gemacht werden; besonders vorteilhaft ist Vorbehandlung mit dem Sandstrahl. Auch etwa vorhandene Überzüge von Nickel, Zinn oder anderen Metallen, bzw. Reste solcher sind sorgfältig zu entfernen. — Bei dem

Parkerisieren

werden nun die Gegenstände in eine erwärmte Lösung von saurem Eisenphosphat gebracht und in dieser so lange belassen, bis ein Gleichgewicht zwischen dem Eisen, dem Phosphatüberzug und der Lösung eingetreten ist. Die Lösung soll wie folgt hergestellt werden: 1,8 Liter konzentrierte Phosphorsäure wird mit der gleichen Menge Wasser verdünnt, 900 g Eisenfeilspäne zugegeben und, sobald diese sich gelöst haben, das Ganze zu 185 Liter Wasser gegeben. Die in einem schmiedeeisernen Behälter befindliche Flüssigkeit wird mit Hilfe einer Gasfeuerung oder Dampfrohrschlange nahe am Siedepunkt erhalten. Die Waren bleiben, je nach der Art derselben und der gewünschten Stärke des Schutzüberzuges 1/, bis 1 Stunde in der Lösung. Bei Ausführung im Kleinen kann man statt der schmiedeeisernen Wanne einen Emailtopf nehmen. Nach dem Herausnehmen läßt man den Gegenstand, ohne zu spülen, an der Luft trocknen. Feinere Gegenstände werden mit einer rotierenden Kratzbürste aus feinem Draht, die etwa 600 Umdrehungen in der Minute macht, behandelt. Vorteilhaft ist es, den Gegenstand noch in Leinöl oder Paraffinöl zu tauchen. Der erzeugte Überzug von phosphorsaurem Eisen ist der Einwirkung der atmosphärischen Luft gegenüber sehr widerstandsfähig.

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Das Prinzip dieses Verfahrens war bereits von Thomas W. Coslett angegeben, der die Gegenstände in kochende, verdünnte Lösung von Phosphorsäure brachte. Richards ließ

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