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Der

Rheinische Bund.

Ein und dreißigstes Heft.

1.

Ueber die Verschiedenheit der Meinungen von der
Natur nnd dem Wesen der durch die rheinische
Bundesakte begründeten Souverainität.

Man ist nur zu geneigt, in Zeiten politischer Stürme und

Umwälzungen die Verschiedenheit der Meinungen über polis tische Gegenstände mehr dem Partheigeiste, als einer ruhigen Ueberlegung zuzuschreiben, und auch jeßt sehen wir, daß man diejenigen, die über die rheinische Bundesakte und ihre Fols gen geschrieben haben, nach Partheien zu unterscheiden sucht, und dabei eine Parthei ganz vergißt, zu der allein doch gewiß viele geschworen haben, die der Wahrheit. Insonders heit werden die, welche an keine durchaus und überall uneins geschränkte Souverainitât, an kein imperium illimitatum et absolutum, ohne allen Unterschied glauben wollen, ges meiniglich zu den Anhängern und Vertheidigern der soger nannten Mediatisirten gerechnet, und es ist sehr natürlich, daß Alle, die dieß wirklich find, hierin mit allen denen zus sammentreffen, welche, ohne Rücksicht auf besondere Verr

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hältnisse und Interessen, aus der Entstehungsart der neuen Souverainitåt, aus den bisherigen Landesverfassungen, aus dem Geifte der Bundesakte, aus dem Beispiele, das selbst der erhabene Protektor des Bundes giebt, aus der Gerech tigkeitsliebe und Biederkeit der deutschen Souveraine den Schluß ziehen, daß wir keine, alle bisherige Rechte und Verfassungen umstürzende Revolution, haben können, und daß folglich die Bestimmung der staatsrechtlichen Verhältnisse nicht unbedingt von dem Gutfinden oder der Willkühr der Souverainen abhange. Ist denn diese Meinung so sonders bar, daß man ihren Ursprung nur in einer durch besondere Verbindungen oder durch Mitleiden erzeugten Partheilichkeit suchen dürfte?

Doch nicht durchgehends hat man den Bekennern ders felben die Gerechtigkeit verweigert, sie wenigstens für reds lich Irrende zu halten. Aber man hat dagegen, obgleich ihre gute Absichten anerkennend, ihren unpraktischen Sinn, bisweilen mit vornehmer Miene belächelt, daß sie nicht vermögten, den Geißt der Zeit zu fassen, die Bedürf nisse der neuen Welt zu begreifen, zu dem Leben und Weben der höheren Politik sich zu erheben. Es sey sonderbar, meint man, und fast lächerlich, von alt hergebrachten Rechten und Verfassungen zu reden, wo Alles neu geworden; Bruchstücke des ehemaligen Rechtszustandes erhalten zu wollen, nachdem in die eine und, untheilbare Souverainitåt alles zusaminen geflossen und verschmolzen sey; Abweichungen von allgemeinen Normen, Verschiedenheiten in der Verfassung einzelner Theile des Staats gelten zu lassen, da doch die Harmonie des Ganzen eine völlige Ausgleichung gebiete; den Fürsten statt der neuen lebendigen kräftigen Souverainitât, die alte lahme Reichshoheit aufdringen zu wollen, da doch der Geist der Zeit die Vereinigung aller Kraft in der höchsten Intelligenz, die das Ruder des Staats führe, unbedingt fodere. Es gehe nicht mehr mit dem alten, folglich müsse alles nen

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werden, und wie? darüber habe der Souverain 'nur sich selbst und der Gottheit Rechenschaft zu geben.

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Daß hier der Beweis dus dem, was erst zu beweisen ist, geführt werden soll, muß jedem uneingenommenen Leser in die Augen fallen. Hat denn durch die Stiftung des Rheinbundes Alles neu werden sollen und ist durch sie wirk lich alles weu geworden? hat nicht die Bundesakte selbst manches Bruchstück der alten Verfassung erhalten? und seht fie nicht offenbar die Erhaltung mehrerer voraus? Hat sie denn an die Stelle des bisherigen Rechtszustandes allein die Souverainität und folglich den Willen des Souverains gér seht? Ist denn von allem, was sonst Recht war, für den neuen Zustand der Dinge gar nichts mehr brauchbar? Aber wenn man auch alle diese petitiones principii gutmüthig übersehen will; so wird doch gerade für das wirklich praktis sche die Frage noch erlaubt seyn: Läßt sich denn das, was wirklich neu werden muß, schlechterdings nicht anders als durch Machtsprüche ausführen? kann dabei nicht mit Ach: tung gegen die bisherige Verfaffung, mit Schonung dessen, was ohne Nachtheil ferner bestehen kann, verfahren

werden ?

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Es wåre allerdings eine an Einfalt grånzende Unkunde', wenn man immer nur nach strengem Rechte alles, wie es bisher war, erhalten wissen wollte. Die veränderten Ums stånde erfodern um des allgemeinen Beßten willen auch da manche Veränderung, wo sie nicht gerade rechtlich noth's wendig ist. Aber überall kömmt es am meisten auf die Art der Ausführung an, durch die aller Verdacht einer Rechtsverlehung und bloßer Willkühr entfernt und dennoch der Zweck erreicht werden kann. Es ist freilich leichter, ims mer nur durchzugreifen, als die Sachen nach der Verschies denheit der Verhältnisse auf mildem Wege so einzuleiten, daß am Ende doch mit voller Zufriedenheit Aller, die es angeht, die Absichten der Regierung ausgeführt werden.

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Man scheint aber häufig zu vergessen, wie viel in allen Dins gen auf die Formen ankommt. Und vielleicht bewähren in der Hiusicht diejenigen, welchen man als bloßen Theoretis tern alle Welterfahrung und praktische Staatskenntniß abzus sprechen so geneigt ist; am meisten einen ächt · praktischen Sinn, wenn sie darauf dringen, daß man doch nicht überall burchgreifen, sondern so viel möglich die Formon beobachten möge. So z. B. vertheidigt man die bisherigen landståndis schen Verfassungen von Rechtswegen: aber man läugnet nicht, daß es nothwendig oder nüßlich seyn könne, ihnen eine vers ånderte Gestalt zu geben. Nur hält man dafür, es müsse mit ihnen Rücksprache genommen, es müsse ihre Einwillis gung erlangt werden und sollte denn dies in unsern Zeis ten so gar schwer seyn? Hat man nun ihre Zustimmung, die immerhin eines bloße Form feyn mag, wie viel sicherer kann eine neue Verfassung auf allgemeine Zustimmung und Zufriedenheit rechnen ? ́

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Wir haben, so viel ich weiß, nur ein Beispiel in der Geschichte, wo ganz auf rechtlichem Wege, ohne alle Das zwischenkunft gewaltsamer Maaßregeln, eine sehr beschränkte Regierungsgewalt in eine uneingeschränkte Souverainität vers wandelt ↑ worden ist ein Beispiel, das uns die dånis fche Geschichte darbietet. Damals (1660) als Friedrich der dritte aus einer Maschine des Reichsraths freier Alleinherrs fcher wurde, übertrug ihm die Nation förmlich, feierlich und ausdrücklich: »Die Erbgerechtigkeit an die Reiche Dännes »mark und - Norwegen zusammt alle jura majestatis, ab, »solute Regierung und alle Regalien, als einem absoluten, »fouverainen Erbherrn, absolute Souverainitat »und unumschränkte Herrschaft.« Da war freilich alles klar und deutlich und unzweifelhaft. Wenn aber in Deutschland durch die Befreiung von der Reichshoheit die Landeshoheit Souverainität würde, folgt daraus die Aufhebung aller Grundgeseße, wie das in Dännemark nothwendig folgen

mußte, nachdem dem Könige die unumschränkteste Ausübung aller Majestätsrechte und die Macht nach seinem eigenen Guts dünken die Regierungsart seiner Reiche, und Lande einzuricht ten, übertragen war, nachdem Dännemark und Norwegen ganz uneingeschränkt der königlichen Diskretion sich hingeger ben hatten?

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Es war natürlich, daß eine solche Revolution die staatsį rechtlichen Theorien in Dännemark gänzlich umwandelte: aber höchst merkwürdig ist die Art, wie es geschah, und wie ein politisch publizistisches Werk eines Professors der Theologie bald als politisch-simbolisches Buch in Dännemark anerkannt wurde und lange Zeit als solches galt *). Der erste Pros fessor der Theologie zu Koppenhagen Dr. Johann Wandal **) wars, der aus der h. Schrift (aus der bekannten Stelle: Sam. Kap. 8. v. 11. 17.) den weitesten Umfang der Sous verainitåt, wie sie in der Regel jedem åchten Könige zustehen müsse, ableitete, und, nachdem erst ein solches Fundament gelegt war, die leichteste Mühe von der Welt hatte, die unumschränkteste Gewalt mit allen ihren Folgen zu begründen und zu rechtfertigen. Es ist höchst interessant, die kurze Analyse zu lesen, die der treffliche Geschichtschreiber der dås nischen Revolution von Wandals Bändereichem Werke giebt, Aus dem Fundament, auf welches er baute, kann man auf

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*) S. Spittlers Geschichte der dänischen Revolution im Jahr 1660 S. 270. u. f.

**) Jurs regii solutissimi, cum potestate summa nulli nisi Deo soli, obnoxia, regibus christianis, e juris divini Pandectis veteris et novi testamenti atque ecclesiac utriusque, judaicae juxta atque christianae, praxi et testimoniis luculenter afferti liber primus, Fro studio Jo. Wandalini S, S. Theol. D. et in Reg. Havn. Acad. Prof. Pr. Havniae 1663. Das Werk besieht aus sechs Büchern, deren lesteres 1672 erschienen ist.

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