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die Art und Natur seiner Theorie leicht schließen. Von der Wichtigkeit derselben war er aber so fest überzeugt, daß er verlangte, sie sollte in allen Kirchen der Reiche Dännemart und Norwegen gepredigt und auf allen Akademien und Schui ten gelehrt werden. Irrte er - wie er denn das offenbar that so irrte er gewiß im redlichen Glauben.- Bringt nun die Souverainitåt in unsern Tagen ähnliche Wirkungen hervor: darf man sie blos blindem Partheigeiste und grober Schmeichelei zuschreiben? Aber auf der andern Seite ist es nicht billig, auch denjenigen gute und redliche Absichten an: zuerkennen, die einer entgegengesetzten Meinung sind? Er? laube man doch jedem den stillen und ruhigen Gang der Un; tersuchung. Durch gehässige Beschuldigungen derer, die nicht unserer Meinung sind, kann die Wahrheit nie gewinnen, nicht einmal die Sache, die wir vertheidigen. Nur wenn wir an die Sache uns halten, nicht an die Person, werden wir die unschäßbare Freiheit bewahren, auch über Gegeni stånde des öffentlichen Rechts offen und freimüthig zu spres chen. Indem wir die Rechts: und Wahrheitsliebe und Reds lichkeit derer anerkennen, die im wissenschaftlichen Streite unsere Gegner sind, dürfen wir gleiche Gerechtigkeit von ihnen erwarten:

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hanc veniam damus petimusque vicissim.
v. Berg.

2.

Ueber die Frage: Ift wohl der Wunsch zur Rücks kehr der alten deutschen Staatsverfassung mit haltbaren Gründen versehen, und dessen Realis firung zu erwarten?

Bom geheimen Regierungsrath Schue.

Einleitung.

Daß sich mit dieser Frage den Zeitpunkt beziele, welcher

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einige Jahrhunderte hindurch, dem 12. Julius 1806 vors Hergieng, fällt wohl in die Augen. Gäbe es nicht sehr viele Menschen, sowohl von Stande, als gemeinen Volk, noch mehr, vom gelehrten Stande, dem man doch Menschen: kenntniß, Kenntniß der Weltgeschichte überhaupt, der Vaters ländischen insbesondere, dem man Erfahrungen und aus diesen gebildete Theorien zutrauen muß, und die sich gleich: wohl auf die Bejahung“ der aufgeworfenen Frage Rechnung machen, sich und andere damit auf eine Zeit täuschen; so würde ihre Untersuchung eines der nußlosesten Geschäfte von der Welt seyn. Indem aber die Stimmungen vieler Mens schen so sind, wie ich eben bemerkt habe; so halte ich eine Untersuchung für nüßlich, und ich hoffe, daß man meine gute Absicht weder mißkennen, noch mißdeuten, oder mir bloß deswegen Unrecht geben werde, weil ich Recht habe. Zu folch einer Untersuchung gehört aber Stoff. Ich könnte dies fen nun zwar blos aus den neuesten Zeiten nehmen, aber ich werde ihn aus åltern und neuern Zeiten nehmen und

hauptsächlich aus zwei Epochen, von welcher die erfte vom 1oten Jahrhundert anfängt, weil um diese Zeit der Karolins gische Mannsstamm verblühet ist, die zweite hingegen der drei lehtern Jahrhunderte, die Zeiten Maximilians I., vors züglich aber Kaiser Karls V. bis auf die Erscheinung des rheinischen Bundes begreift. Auf der ersten wird gezeigt wers den, daß das, was darin leicht geschehen konnte und nicht geschah, die Resultate, die in der zweiten so fühls bar sind, hervorbringen mußte.

S. 1.

Unter den Karolingern, unter denen Karl der Große in Vergleichung seiner Nachfahrer, weit hervorragte, war nach meinem Gefühle die glänzendste Epoche für Deutschs land. Zwar hatte Karl selbst fast eben so große Fehler, als gute Eigenschaften, und seine Nachfolger standen ihm in Ansehung der leßtern alle nach; gleichwohl gehe ich von meis ner Behauptung nicht ab. Er selbst war ein großer Regent, ein großer Held, ein Kenner und Beschüßer der Gelehrten, ein Beförderer guter Sitten, ein Kenner und Freund der Menschen. Sein Heldengeschlecht verblühte aber, obgleich fein Reich ein Erbreich war, schon zu Anfange des 10ten Jahrhunderts mit Ludwig IV. genannt das Kind, und zwar in einem für Deutschland eben nicht beneibenswürdigen. Zuz stande, da das Reich theils durch einheimische Kriege, theils durch Ungarn und Normånner so sehr beunruhigt, und → wer sollte es zu Karl des G. Zeiten nur geträumt haben? der Friede mit einem entehrenden Tribut erkauft wurde.

S. 2.

Der politische Zustand um die Zeit des erloschenen Kas rolingischen Mannsstammes war ungefähr folgender: Es existirte nunmehr fein Regent mehr. ‹Alles>> woraus Deutschland bestand, war Volk, und bestand eigentlich nur aus 3 Klaffen, 1) dem Adel, 2) den Freien, 3); den Freis gelassenen, denn die, welche unter diesen Klassen nicht

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begriffen waren, sünd hunderterlei Benennungen hatten, alle aber mehr oder weniger leibeigen waren, kamen eigentlich unter dem Namen des deutschen Volks nicht vor.

1) Das Reich war eingetheilt in Gauen, denen ein Graf vorstand, in Provinzen, deren jede mehrere Gauen in fich begriff, und denen Herzoge, je nachdem ihr Standort war, auch unter andern Namen vorstanden. Ihr Amt bes stand in Verwaltung der Justiz, der Polizei, der königlichen Gefälle 1).

2) Die Thronfolge war unter den Karolingern erblich, und zwar so, daß der König unter seinen Söhnen das Reich theilen konnte, dieses aber doch nur mit Einstimmung der Großen und des Volks 2).

3) Der Unterschied der Großen bestand nicht sowohl in Größe, oder in dem Mehr ihrer Gewalt, als vielmehr in deren größeren Ausgedehntheit und Umfang, und wenn ein Graf unter dem Herzoge unmittelbar stand, so war das Ausnahme von der Regel, denn nach letterer stand er, wie der Herzog, unmittelbar unter dem König 3).

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4) Weder der Grafen, noch der Herzoge Amt war erb: lich, beide waren wiederruflich; keines wurde im eigenen Namen und aus eigenem Recht, beide würden im Gegens theil im Namen des Königs, und aus königlicher Gnade verwaltet. Ihre beiderseitige Pflicht bestand in Treue gegen den König, in strenger Erfüllung ihres Amts. Besaß beide Eigenschaften der Vater, so war kein Grund vorhanden, ihm das Amt zu nehmen; besaß sie auch der Sohn, so war kein Grund vorhanden, auch diesem dasselbe nicht zu übers lassen.

1) Marculf lib. 1. form. 8.
2) Derselbe a. a. O. form. 40%
3) Append. Fredegarii C. 78. }

5) Ihr beiderseitiges Amt beschränkte sich aber nicht blos auf Justiz nnd andere Civilgeschäfte, sondern gieng auf den Militairdienst. Zeichneten sie sich aus; so gab ihnen der König zu ihren eigenen Gütern noch andere schöne Besitzun: gen, die, wenn sie in ihren Gauen oder Provinzen lagen) auch so lange unter ihrer Amtshoheit blieben, als sie das Amt bekleideten.

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6) Die eben bemerkten Herrn wurden unter dem hohen Adel begriffen, ob fie gleich nur unter dem Namen des Adels 4) vorkommen. Es gab aber nebst diesen bei dem deutschen Volke noch andere Klassen, die der freien, die der freigelassenen. Aus diesen, besonders aus der ersten Klasse erwuchs der niedere Adel, da im Gegentheil erstere den hohen Adel allein ausmachte; denn nur er war Besiker großer Güter, nur aus ihnen wurden die Grafen die vors nehmsten Reichsbeamten, die größere königliche Vasallen ges nommen, und jenem unter ihnen, der keine dieser Stellen erhielt, oder verlangte, blieb der Name Freiherr oder Edler Mann. Der niedere Adel kam zu der Zeit empor, als der Dienst zu Pferd in eine ganz vorzügliche Achtung kam. Von diesem Dienst zu Pferd bekam er auch 'seinen Namen Ritter (Eques), der sich nun aber deswegen besser, als die Kriegsmånner zu Fuß dünkte, besonders da die Res genten allmählig selbst anfiengen, die Ritter auszuzeichnen", nicht nur, weil sie auch gemeiniglich größere Befihungen (wiewohl viel kleinere als der hohe Adel) hatten, sondern auch Auszeichnungen durch ihre Bravheit verdienten. Dieses ist der Ursprung, und das Gedeihen des niedern Adels, und auf diese Umstände, Zeitumstände, und Geist der Zeit gründen sich seine politischen Vorzüge vor den übrigen des

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4) Schon in weit älteren Zeiten, in denen der niedere Adel erst Stoff zu seinem Werden sammelte.

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