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ebenfalls der Meister für den Schaden aufzukommen gehabt haben, weil ihm hier ein Verschulden insofern beizumessen gewesen wäre, als er das zu geschäftlichen Zwecken gehaltene Fahrrad nicht ordentlich nachgesehen und in Stand gehalten hat. Jeder Schaden, der dem Gehilfen oder Lehrling daraus erwächst, daß die Betriebsvorrichtungen, Maschinen und Werkzeuge nicht so eingerichtet sind, daß Gefahren für Leben und Gesundheit ausgeschlossen sind (soweit dies bei der Natur des Betriebes natürlich überhaupt möglich ist), muß vom Arbeitgeber nach § 120 a der Gew.-Ordn. getragen werden. Rückt der Gehilfe oder die Verkäuferin im Laden eine Leiter schlecht an und stürzt infolgedessen mit derselben, so hat sie fahrlässig gehandelt, und der Goldschmied hat nicht für den Unfall einzustehen. Anders, wenn die Leiter sich in defektem Zustande befand. Der Goldschmied soll die Gerätschaften in Werkstatt und Laden kontrollieren und dafür sorgen, daß sie sich in gutem, brauchbarem Zustande befinden. Die Versäumung dieser Fürsorgepflicht macht ihn haftpflichtig, wenn ein Unfall sich ereignet. Hat er von Zeit zu Zeit kontrolliert und nichts bemerkt, und in der Zwischenzeit entsteht ein solcher Defekt, der das Unglück herbeiführt, so haftet der Goldschmied nicht, und zwar weil ihm wiederum kein Verschulden beizumessen ist. Er hat seiner Aufsichtspflicht genügt, und ein unglücklicher Zufall hat es gewollt, daß inzwischen

an der Leiter ein Schaden eintrat, von dem er keine Kenntnis hatte. Der Goldschmied haftet dann, wenn ihn ein Verschulden trifft, auch für den Schaden, der einem Kunden im Laden passiert. Die Verkäuferin stürzt von der defekten Leiter und reißt eine Kundin am Ladentisch mit nieder, die einen Beinbruch erleidet. Hier hat der Goldschmied der Verkäuferin wie der Kundin für den Schaden einzustehen.

Der Schaden besteht in solchen Fällen stets in den Heilungskosten (Arzt, Apotheke usw.), im entgangenen Verdienst, einem Schmerzensgeld und, wenn teilweise oder gänzliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eintritt, in einer entsprechenden lebenslänglichen Rente. Um diesen Ansprüchen sich zu entziehen, pflegen sich Goldschmiede bei einer Haftpflichtversicherungs-Gesellschaft zu versichern. Werden sie dann wegen eines solchen Unfalles, bei dem ihnen ein Verschulden beigemessen werden kann, in Anspruch genommen, so tritt die Gesellschaft für sie ein und zahlt für sie, soweit sie in Anspruch genommen werden.

Wo der Meister nicht haftpflichtig ist, weil ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann, da ist der Gehilfe, wenn er erkrankt oder zu Unfall kommt, lediglich auf die Kranken-, Unfalloder Invaliditätsversicherung im Rahmen dieser Gesetzgebung angewiesen. Syndikus Hermann Pilz.

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Ist die Schaffung einer deutschen Mode möglich?

III. Deutschlands Anteil an der Modeproduktion und seine Stellung in der Weltwirtschaft. Bekanntlich reisen nicht nur alljährlich gegen das Frühjahr und gegen den Herbst hin zahllose Vergnügungsreisende und private Kunden nach Paris, sondern auch ein gewaltiger Prozentsatz von Einkäufern der großen Geschäfte. Der Pariser Einkäufer ist für jedes Geschäft eine wichtige Persönlichkeit, welche mit dem Gegenstande der Mode und deren Hauptzwecken in Verbindung steht.

Wer aber die wirtschaftliche Verbindung insonderheit zwischen Frankreich und Deutschland genauer verfolgt, wird bemerken können, daß nicht nur deutsche Einkäufer nach Paris, sondern daß auch Pariser Einkäufer nach Deutschland kommen, und daß in noch höherem Grade deutsche Verkäufer Paris besuchen. Früher entsprangen alle die Industrien, welche für die Mode arbeiteten, dem französischen Boden: das ist seit einer guten Weile nicht mehr der Fall. Eine große Reihe wichtiger Artikel, welche auf dem großen französischen Markte der kaufenden Welt des Reichtums als französische Ware und neueste französische Erzeugnisse unterbreitet werden, sind fremden Ursprungs. Einige kleine Spezialitäten haben diese Bewegung eingeleitet, so die Quincaillerien, die Industrie der leichten Schmuckwaren, denen neuerdings die Industrie der modernen echten und unechten Schmuckgegenstände gefolgt ist; es hat sich z. B. angeschlossen die Industrie der feinen Luxusgegenstände aus Leder und ähnlichen Stoffen; die Industrie gewisser chemischer Artikel, die vielfach, obgleich deutschen Ursprungs, unter französischer Marke gehen. Man ist sogar schon soweit gekommen, daß gewisse Arten von Textilarbeiten, z. B. von Stoffen, Sammete und dergleichen, auf dem französischen Markt trotz ihres deutschen Ursprungs Raum gewonnen und ihren deutschen, französisierten Namen behalten haben. Man kauft in Paris trotz der Pracht von Lyon gewisse Seidenstoffe und Muster von Krefeld. Manche Industriezweige sind Frankreich in den letzten Jahrzehnten direkt verloren gegangen: so hatte z. B. die Industrie des elsässischen Gebirgsortes Markirch ihren Hauptmarkt in Paris, von wo sie ihre Produkte, die feinen Dessins leichter wollener Ballkleider und ähnliche, an die ganze Welt verkaufte; seit Einverleibung des Elsaß ist für diese Industrie der französische Markt, soweit er direkt etabliert war, verloren gegangen; der Hauptabsatz der Markircher Fabriken liegt in Berlin, und erst durch Vermittelung deutscher Kommissionäre gehen diese Waren nach Frankreich. Noch haben wir keinerlei maßgebende, tonangebende Ateliers für Damengarderobe in Deutschland. Aber in aller Stille wandert so manches Modell von Kleidern, Mänteln, Gürtelschnallen, Fächern, Anhängetäschchen und ähnlichen Dingen gen Westen, um als Pariser Modell in einiger Zeit den Rückweg nach Deutschland anzutreten.

Noch immer kaufen wir französische Modewaren auch in solchen Artikeln, welche deutschen Ursprungs sind, und für die wir um des

Umweges über Frankreich willen einen erhöhten Preis bezahlen, nachdem der französische Zwischenhändler sich durch einen beträchtlichen Nutzen daran bereichert hat. Es ist unserem Publikum daraus kein Vorwurf zu machen: das ist eben einfach der Ausdruck, den die immer noch währende Herrschaft der französischen Mode findet.

Wenn wir bedenken, welch immense Summen der Fremdenverkehr nicht nur den Pariser Hotels, Restaurants, Verkehrsinstituten, Sammlungen, Vergnügungsorten zuführt, welch noch weit größere Summen vielmehr durch Einkäufe Fremder in der französischen Hauptstadt gewonnen werden, so soll uns angesichts dieser Erscheinung zwar kein Gefühl des Neides beschleichen, wohl aber sollen wir uns ins Bewußtsein rufen, daß dort so mancher Gewinn eingeheimst wird, der von Rechts wegen uns zufallen sollte.

Und stellen wir solcherlei Überlegung an, so muß naturgemäß die ernste Frage bei uns auftauchen, warum machen wir dieses Spiel weiterhin mit? Sind wir nicht stark genug, unseren eigenen Markt zum Mittelpunkt eines internationalen Interesses zu machen? Um diese Frage richtig zu beantworten, müssen wir ein wenig ausholen.

Frankreich war bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts das reichste Land in Europa. Es ist durch den Fremdenzufluß besonders Paris, trotz des Fehlens der monarchischen Spitze, in einem gewissen Glanze erhalten worden. England machte schon früh ein gewaltiges Weltgeschäft und Deutschland daneben ein etwas kleineres: allein das war ein Geschäft in Naturprodukten, in Produkten der sogenannten schweren Industrie und in sogenannten Massenartikeln, in billiger und mittlerer Ware. Frankreich allein produzierte, was dem Luxus in erster Linie zu dienen hat. Allein etwa seit dem Jahre 1860 hat die Entwicklung eine von der bisherigen stark abweichende Richtung genommen.

England freilich blieb im großen und ganzen auf derselben Linie. Es hat zwar auch gewisse feinere Industrien zu hoher Blüte gebracht, so z. B. die Industrie der Glasschliffe, die keramische Industrie; auch hat England verstanden, mit seinem wachsenden Reichtum die billige Ware bis in die Kleinproduktion in den Hintergrund zu drängen oder doch neben dieselbe Qualitätsware ersten Ranges zu setzen. Aber gemäß dem Grundzuge des englischen Nationalcharakters haftet aller englischen Arbeit eine gewisse Nüchternheit an; Nützlichkeit, Gebrauchsfähigkeit stehen in erster Linie. Wenn England einmal einen Anlauf nahm, sich von der modernen Praxis zu emanzipieren und beispielsweise aufs Historische zu verfallen, wenn es also z. B. für eine Weile den Stil der Königin Anna ausgrub und ihm huldigte, so waren das doch immer vorübergehende Erscheinungen. Als aber England reich und auf handels

politischem Gebiete tonangebend geworden war, als infolgedessen seine Hauptstadt London Besuche aus der ganzen Welt, in erster Linie aus den Vereinigten Staaten und aus allen Teilen des gewaltigen Kolonialreiches empfing, ging es naturgemäß auch daran, eine Mode zu schaffen. Was Engländer trugen, galt für Herren eine ganze Weile als „schick"; der Prinz von Wales versuchte in dieser Richtung tonangebend zu wirken. Handelte es sich um praktische Dinge, z. B. um Reise- und Sportbekleidung, so war englische Fasson auch für Damen modern. Der Engländer ging den europäischen Nationen im Sport voran, und auf diesem Gebiete hat er eine Weile eine Art Mode gemacht. Allein der englische Geschmack war und ist eigentümlich. Seine Form hat zu wenig von der historischen Überlieferung, auf die der Kontinentale mit Vorliebe zurückgeht; seine Form entbehrt darüber hinaus des leichtfertigen graziösen Schwunges, welcher im französischen Nationalcharakter seine Quelle fand. Es ist alles furchtbar praktisch, aber auch furchtbar ernst: es ist manchmal erhaben und — dabei lächerlich und geschmacklos. Noch vor 10 bis 20 Jahren hielt man den bestgekleideten Mann für einen Engländer, und noch heute kleidet sich eine kleine Zahl deutscher Großindustrieller in den ersten Schneiderateliers Londons. Aber man ist im großen und ganzen von der Anglomanie und der englischen Mode in Deutschland zurückgekommen. In Frankreich hat sie niemals festen Fuß gefaßt, und nicht einmal in Amerika ist sie herrschend geworden, soweit das die gebildeten Stände angeht; in Rußland hat man sich ihr niemals anbequemt, desgleichen nicht in den romanischen Ländern. Wenn man heute den Durchschnittsengländer mit seiner Kleidung in Deutschland etablieren wollte, würde nur ein geringer Bruchteil der Gebildeten in ihm sein Vorbild und die Darstellung des guten Geschmacks finden. Wir finden in ihm vielmehr die Vorzüge, aber auch die Fehler der englischen wirtschaftlichen Entwicklung; praktisch und solide ist zumeist, was er anhat, und was er gebraucht, aber Farbengebung und Form sind uns zu steif, zu ernst und häufig zu originell. Was man heute bei uns vielfach als englischen Stoff und als englischen Geschmack und englische Form ausgiebt, ist gutes deutsches Erzeugnis, der Händler wagt nur immer noch nicht, das offen einzugestehen, weil er die närrische Vorliebe des deutschen Publikums für das Ausland kennt. Für England bleiben, was die Mode angeht, in Wirklichkeit nur einige kleine Gebiete, so z. B. das des Rennsports, übrig. In allen anderen Dingen sind wir über England gewissermaßen hinausgekommen.

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Das hängt so zusammen: Die moderne industrielle Entwicklung nahm ihren Ausgangspunkt von England und hatte dort ihre erste Blüte. Ursprünglich war die deutsche Industrie nichts als eine Nachahmung der englischen; aber die Jahrhunderte lange Vorarbeit, welche wir zur Zeit unserer politischen Zerfahrenheit auf geistigem und wissenschaftlichem Gebiet geleistet hatten, konnte ihre Ergebnisse alsbald der praktischen Arbeit auf dem Felde des Gewerbes in weit größerem Umfange und weit tiefergehend zuführen, als dies in England möglich war. So entwickelten wir ein gewaltiges Netz ausgezeichneter gewerblicher, kunstgewerblicher und technischer Schulen, um die uns heute die ganze Welt beneidet. So nahm unsere Industrie allmählich einen Charakter an, der gewissermaßen die Vorzüge der englischen und der französischen Industrie auf vielen Gebieten verbindet. Unsere Erzeugnisse sind nicht so ernst und so ausschließlich praktisch wie die englischen; unser Klima ist nicht das englische, und unsere Kleiderstoffe sind nicht so derb und so farbenfeindlich. Wir fanden mannigfachere und mehr heitere Formen; unsere Muster wurden nach dem französischen Vorbilde graziöser und leichter; unsere Auffassung war ernster wie die der Franzosen, und was wir an Formen und Farbengebung fanden und erfanden, versprach etwas längere Dauer. Insbesondere aber gelang es uns, eine Fülle kleiner, zum Teil ganz neuer und moderner Industrien zu etablieren. Tausend Gegenstände des neuen, modernen Bedarfs fanden von uns ihren Ausgangspunkt. Wir verstanden es, den Ernst des Engländers aufzulösen, neben die Derbheit des Stoffes die Gefälligkeit der Form zu setzen, und wir verstanden es vor allen Dingen, die neuen Muster und die neuen Gestaltungen in Qualitäten und zu Preisen herzustellen, welche den Markt unendlich vergrößern mußten. Das, was der neueste Handelskammerbericht von Berlin über das Jahr 1903 als charakteristisch bezeichnet, großer Umsatz bei geringem Nutzen im Einzelfalle, ward unsere Devise; offenbar eine ganz moderne Devise, die unserem Geschäft zu einer selbständigen und außerordentlich umfassenden Position auf dem Markte verholfen hat.

Nun kommt ein anderes hinzu. Das Weltgeschäft, das wir begonnen und mit Glück emporgeführt haben, gab uns ungeahnten Reichtum. Die Wohlhabenheit insbesondere stieg in den breiten mittleren Klassen; der Markt für Dinge, die nicht nur dem nackten Bedürfnis dienen, dehnte sich beträchtlich aus, zumal im Inlande. So sind wir zunächst einmal ungemein aufnahmefähig für alles das geworden, was dem kleinen Luxus dient, und was zumeist der Mode unterworfen ist. Wir haben aber auch neben dem wissenschaftlichen Gebiete das rein künstlerische gepflegt, und wenn unsere Kunst auch der französischen heute noch auf den Hauptgebieten nachsteht, so giebt es doch kein Land in der Welt, in welchem die Kunst so befruchtend auf das bürgerliche Leben gewirkt hat, und in welchem ihre Grundgedanken und Anschauungen wohl auf der Brücke der alten deutschen Wissenschaftlichkeit und Innerlichkeit in so weitem Umfange auf die Gegenstände des täglichen Bedarfs und Gebrauchs übergegriffen hat. Der äußere Erfolg ist ja auch nicht ausgeblieben. Der moderne Stil, dem man alle möglichen unzutreffenden Namen gibt, wie z. B. Jugendstil, Sezessionsstil, Münchener Stil, Darmstädter Stil und dergleichen, ist bis tief in das Kunstgewerbe eingedrungen und hat auf diesem Gebiete Formen geschaffen, welche wir heute als neuestes französisches Modeerzeugnis zurückbekommen.

Es ist richtig, daß der deutsche Geschmack noch vor wenigen Jahrzehnten ein minimaler war, daß unsere Haushaltung kleinbürgerlich war, unsere Einrichtungen Talmi, unsere Formen plump und ungewandt, und daß mit der Gelehrsamkeit von altersher der Begriff schlechter Kleidung, schlechter Manier und mangelhafter körperlicher Reinheit verbunden war. Das alles aber hat sich heute gewaltig geändert. Wir wissen jetzt, was das Leben schmückt; wir kennen den liebenswürdigen Einfluß des täglichen kleinen Luxus; wir kennen und brauchen mit Vorliebe die gute Form und die gewandte Bewegung. Bis weit hinein ins Land sind an der Frauenkleidung die vielen angesteckten Schleifchen und Rüschen verschwunden; das fettglänzende, zusammengebackene Haar der Provinzdamen ist seltener geworden, und man weiß, daß der Haarschmuck der Frauen fleißig gewaschen und graziös aufgemacht werden soll. Noch vor 20 Jahren galten seidene Dessous als ein Vorrecht der Demi-monde; heute sind sie überall im Gebrauch, wo man sie bezahlen kann. Man beginnt besseres Schuhwerk zu tragen und legt Wert darauf, daß der Handschuh im Daumen Sitz hat. Die Zeit, in der die Engländerin ihren Handschuh im Zimmer, die Französin auf der Treppe, die Deutsche auf der Straße anzog, beginnt zu verschwinden; die Körperpflege der Kinder ist eine unendlich bessere geworden. Mit dem steigenden hygienischen Verständnis ist neben dem „Reinlichkeitsluxus“ ein weiterer Luxus eingezogen; auch die Babyausstattung, der elegante Kinderwagen gewinnen immer weiteren Boden.

Blicken wir dagegen nach Frankreich. Es ist bezeichnend, wie wenig bekannt die französche Provinz in Deutschland ist. Man kennt eben nur Paris und nichts als Paris, und man hat sich daran gewöhnt nachzusprechen: „Paris sei Frankreich", lediglich weil dies Wort einmal politisch und vielleicht heute noch politisch richtig ist. Paris mag Frankreich sein, aber Frankreich ist ganz und gar nicht Paris. Der französische Spießbürger ist weiter verbreitet als der deutsche. In der französischen Provinzstadt ist von Eleganz keine Spur, dagegen leider auch wenig von Reinlichkeit. Was dort von Mode auftritt, bezieht sich lediglich auf den äußeren Überzug, und das gilt für Männlein und Fräulein in gleicher Weise, und man braucht bloß einmal sich als internationaler Würdenträger vom Maire und den Stadträten einer mittleren französischen Provinzialstadt feierlichst begrüßen zu lassen, um die ungeheuerlichen Stiefel, Hosen und Zylinderhüte zu bewundern, die da auftreten, und die fabelhaften Fracks, deren ungeschickte Form auch durch die breite dreifarbige Amtsschärpe nicht verdeckt werden kann. Wer das provinzielle Frankreich kennt, wird zugeben müssen: für den Glanz der Mode ist dort kein Markt, sicherlich kein ähnlicher Markt wie im provinziellen Deutschland.

Die französische Mode lebt nur in Paris und von Paris und kann sich nur dadurch erhalten und ihre Riesengewinne behaupten, daß sie einen Fremdenverkehr heranzieht, der da glaubt, Paris sei tonangebend und die Weltstadt der Lebewelt.

Paris und immer wieder Paris! Wie aber steht es mit Berlin? Fangen wir am untersten Ende an und beginnen mit dem Amüsement. Wer als Lebemann gleichzeitig klug ist und offene Augen hat, was bei den echtesten Exemplaren dieser Spezies nicht immer der Fall sein soll, wird eines zugeben müssen: man amüsiert sich unter

Umständen in Berlin besser als in Paris. Für Künstler und Kunsthistoriker bietet freilich Paris unendlich mehr, und auch wer als gebildeter Mann die Kunst und ihre Geschichte studieren will, findet in Paris würdigere Objekte; er findet vielleicht auch ein amüsanteres Treiben auf den Straßen; wir haben keine Boulevards mit ihren schwatzhaften Cafés und ihren pikanten Konditoreien; aber unsere Hotels sind zum großen Teil besser als die Pariser Hotels; es gibt auch bei uns Restaurants, in welchen man vorzüglich essen kann und der Durchschnittsreisende wird in Berlin viel billiger leben, als ihm das in Paris möglich ist. An Theater bietet Berlin mehr als Paris; insonderheit die Spezialitätentheater sind in Berlin besser; die Theater de côté haben an Reiz verloren. Das Tingel-Tangel hat einen internationalen Charakter und die Haupt-Tingel-Tangel-Städte der Welt sind ein fragwürdiger Ruhm Neuyork, Brüssel und Berlin. Die pikanten Vergnügungen der Herrenwelt haben allerdings in Berlin noch einen etwas spießbürgerlichen und wenig feinen Charakter, aber man kann doch nicht annehmen, daß diese zweifelhaften Veranstaltungen allein den Weltruf einer Hauptstadt ausmachen können. Was Großes und Neues in der Welt sich zeigen will, kommt sicherlich eher und für längere Zeit nach Berlin wie nach Paris. Es ist das ja freilich ein sehr dehnbarer Begriff. Aber stellen wir dem fremden Besucher Cleo de Merode, MiB Duncan, die Duse, Looping the Loop, die farbige Photographie und die elektrische Schnellbahn zusammen, so wird er alles das in Berlin reichlich vertreten finden; ist doch die größte Diva gerade auf diesem Gebiet, Yvette Guilbert, in Deutschland beinahe heimisch geworden, und sind doch unsere „Cabarets" Hüter der leichtgeschürzten Muse, die man in Paris in ähnlicher Darstellung vergebens suchen würde. Man mache einmal den Versuch, und man wird sehen, daß man sich in Berlin sehr wohl amüsieren kann.

Aber Berlin hat eines zweifellos Paris voraus; seine politische Bedeutung, seine Monarchie, seinen Hof, die charakteristische Persönlichkeit des Kaisers, die Hinterlassenschaft Bismarcks, das militärische Gepränge und die große Überlieferung der deutschen

Armee. Was den Glanz der Geschäfte und der Auslagen betrifft, was Straßenbeleuchtung und Reinigung angeht, was die Pracht der Magazine, die Ausdehnung der Warenhäuser bedeutet all das ist in Berlin in gleicher, vielleicht in besserer Qualität vorhanden. Das Berliner Geschäft hat eines sogar sicher vor dem Pariser voraus; es ist weit ausgedehnter und zeigt gegenüber dem Pariser vielleicht im Einzelfalle nicht so viel Glanz, aber eine weit größere Auswahl und eine weit liebevollere Vertiefung in die Spezialität, vor allem aber, es hat zivilere Preise. Man muß zudem in Betracht ziehen, daß das Pariser Geschäft auf die Repräsentation der Mode zur jeweiligen Saison eingerichtet und geradezu zugeschnitten ist; auch beim Berliner Geschäft kann in dieser Hinsicht noch vieles geschaffen und vervollkommnet werden.

Überblickt man die Welt, den Weltmarkt, die Stellung der in erster Reihe stehenden Mächte politisch und wirtschaftlich, so kommt man zu dem Ergebnis, daß die tonangebende Stellung Frankreichs auf dem Gebiete der Mode, welche ein wirtschaftliches Gebiet ist, nicht mehr berechtigt ist, ihre wahre Grundlage eingebüßt hat und nur künstlich aufrecht erhalten wird. Man findet, daß England Wege gegangen ist, auf denen es jetzt mit Mühe die Umkehr sucht, daß die romanischen und slavischen Länder für unser Gebiet nicht in Frage kommen, und daß Deutschland dasjenige Land ist, welches reich, stark und gebildet genug ist, um auf der Grundlage eines überaus kraftvollen eigenen Marktes den Anspruch auf Führung auch auf dem Markt des Luxus und der Mode erheben zu können.

Es hat auch einmal eine sogenannte Wiener Mode gegeben fast hätten wir sie hier vergessen; sie ist schon längst den Weg alles Fleisches gegangen; nicht, weil die Wienerinen nicht Schick und Schneid gehabt hätten, sondern weil sie lediglich ein schwacher Abklatsch der französischen war, und weil die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Österreichs fast in jeder Richtung die für Etablierung einer Modeherrschaft notwendigen Unterlagen vermissen läßt.

Die Cellini-Verbands-Ausstellung in der Königl. Zeichenakademie zu Hanau a. M.

Von Dr. F. Quilling.

Die schönen Cellini-Festtage liegen hinter uns und wir hinter ihnen, denn die Fülle des Gebotenen bis zur Neige auszukosten, war selbst für den, der nur mitgenoß, nicht auch mitgearbeitet hatte, eine Anstrengung. Um wieviel mehr für die Mitglieder der A. V. Cellini, besonders deren Vorstand selbst! In wochen- und monatelanger Arbeit haben sie das Fest vorbereitet und sein Verlauf zeigte, welch feines künstlerisches Formgefühl, welch feines gesellschaftliches Taktgefühl dabei gewaltet hat. Dafür dürfen die Mitglieder „Cellinis", in erster Linie die Festleiter F. R. Wilm, Carel Begeer, H. Löwer, Eugen Pflaumer, unserer herzlichsten Anerkennung versichert sein; sie haben bewiesen, daß sie es verstehen, Feste zu feiern, Feste, an denen wir uns mit um so größerer Freude beteiligen konnten, als sie den heiteren Rahmen bilden zur ernsten künstlerischen Arbeit.

Von den künstlerischen Leistungen der Mitglieder der A. V. Cellini und des in Hanau tagenden Verbandes jetziger und ehemaliger Studierender der deutschen Kunstgewerbeschulen legte die Ausstellung Zeugnis ab, die zugleich mit einer Ausstellung von Schülerarbeiten der Anstalt in der Königl. Zeichenakademie veranstaltet war.

Ersterer sei im folgenden eine kurze Besprechung gewidmet; die Zeichenakademie aber muß es sich schon gefallen lassen, wenn sie erst an zweiter Stelle genannt wird. Die Verbandsausstellung befand sich in der Aula. Die Anordnung nach Schulen war zweckmäßig, da sie einen Überblick über deren Leistungsfähigkeit im ganzen, nicht nur ein Urteil über das Können des einzelnen ermöglichte. Das Urteil darf dahin lauten, daß die ausgestellten Arbeiten vortreffliche Leistungen sind und eine gediegene, allseitige künstlerische Schulung erkennen lassen. Landschaftliche Aufnahmen, Architekturstudien, Aktzeichnungen, Darstellungen von Gefäßen und Geräten, Tier-, Pflanzen- und zahlreiche andere Naturstudien fanden wir in buntem Wechsel nebeneinander, durchweg fein empfunden, mit technischer Sicherheit ausgeführt. Wenn es überhaupt gestattet ist,

bei solcher Gleichwertigkeit einzelnes hervorzuheben, so möge insbesondere die Ausstellung der Frankfurter Schule unter Professor Luthmers Leitung und die Ausstellung der Straßburger Schule unter Prof. Seders Direktorat erwähnt sein.

Und wenn es auch vielleicht einen etwas lokalpatriotischen Anschein hat, es muß ausgesprochen werden, daß die Arbeiten der A. V. Cellini einen Vergleich mit den Verbandsarbeiten nicht im mindesten zu scheuen brauchten.

Außer den zeichnerischen und malerischen Entwürfen und Studien der Ausstellung wirkten besonders anziehend zunächst die mit größter Feinheit ausgeführten Emailbildchen Otto Ulbrichs-Wiesbaden. Künstlerisches Empfinden und souveräne Beherrschung von Material und Technik sprechen in gleichem Maße aus diesen reizvollen, zarten Gemälden. Der Gesellschaftsrang seiner Auftraggeber läßt darauf schließen, wie sehr die künstlerische Bedeutung dieses Meisters auf Idem Gebiete der Emailmalerei auch in hohen und höchsten Kreisen geschätzt wird.

Brand und Stauch, letzterer Cellini Mitglied, führten aus ihrer Nürnberger Kunstgießerei teils im Original, teils in Photographie kunstgewerbliche Metallarbeiten vor, die sich nicht nur durch ihre technische Sauberkeit und Präzision sondern vor allem durch ihre kräftige, gesunde Formgebung vorteilhaft vor den hie und da so nervösen Stilverrenkungen unserer modernen Richtung auszeichnen.

Hermann Fauser-Köln hatte eine hübsche Sammlung von Kayser-Zinn, nach seinen Entwürfen und Modellen gefertigt, ausgestellt. Kannen, Platten, Schalen, Dosen, alles nach modernem Geschmacke verziert. Wenn auch dieser Dekor, der vielfach die Form verwischt statt sie zu heben, nicht jedermann zusagt, muß angesichts dieser Gefäße doch betont werden, daß er hier mit verständnisvoller Maßhaltung und feinem, künstlerischen Gefühl verwendet ist und daher außerordentlich ansprechend wirkt.

Karl Nies-Stuttgart gab vortreffliche Proben seiner KleinSilberarbeiten. Gefäße und kleine Geräte, Stock- und Schirmgriffe, Gläser in Silbermontierung u. a. zieren in ihrer einfachen, vornehmen Ornamentik, in ihrer sorgsamen, einwandfreien Ausführung den Ausstellungsschrank, der diese prächtige Kollektion enthielt.

Unmittelbar daneben waren Abgüsse von plastischen Arbeiten unseres talentvollen Bildhauers Limburg-Rom und anderer früherer

Cellini-Jünger zu einer Gruppe vereinigt, während Adolph AmbergsHeilbronn hervorragende Werke, in photographischen Abbildungen reproduziert, leider ein allzubescheidenes Plätzchen einnahmen, daß sie, ganz abgesehen von der mehr als anspruchslosen Anordnung, kaum zur Geltung brachte. Umsomehr sei an dieser Stelle nochmals besonders darauf hingewiesen.

zu kurz bemessenen

Folgen der dem säumigen Lieferanten zu

Nachfrist.

Der § 326 des Bürgerl. Gesetzb. bestimmt, daß, wenn bei einem gegenseitigen Vertrage der eine Teil mit der ihm obliegenden Leistung im Verzuge ist, ihm der andere Teil zur Bewirkung der Leistung eine „angemessene Frist" mit der Erklärung bestimmen kann, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach Ablauf der Frist ist er berechtigt, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrage zurückzutreten, wenn die Leistung nicht rechtzeitig erfolgt ist. Nun ist schon wiederholt der Fall eingetreten, daß derjenige, welcher die Leistung zu empfangen hatte, dem anderen eine zu kurze Frist setzte, und die Gerichte haben in einem solchen Falle darüber zu entscheiden, ob es sich um eine „angemessene Frist" im Sinne des Gesetzes gehandelt hat. Ein ähnlicher Fall unterlag auch jüngst wieder der Entscheidung des Reichsgerichts. Der Lieferant war nicht pünktlich gewesen, der Kontrahent setzte ihm eine kurze Frist, und als diese nicht innegehalten wurde, klagte er auf Schadenersatz. Der höchste Gerichtshof hat den Anspruch nicht ohne weiteres für berechtigt erachtet. Wird eine nicht angemessene, eine zu kurze Frist von dem Gegner gesetzt so meinte der

höchste Gerichtshof, so sei es eine im Interesse aller liegende und statthafte Ergänzung der von dem Besteller abgegebenen Willenserklärung, wenn seiner Bestimmung die Wirkung beigelegt werde, daß er bereit sei, die ausstehende Leistung innerhalb derjenigen Frist noch anzunehmen, die nach Lage der Sache als die angemessene zu gelten habe. Die Folge der Setzung einer zu kurzen Frist wird deshalb sein, daß der Säumige binnen angemessener Frist noch erfüllen dürfe, nach Ablauf einer solchen aber die Erklärung des Nichtsäumigen in Wirksamkeit trete. Immerhin behält die Bestimmung einer zu kurzen Frist ihre Bedeutung als Willenserklärung, daß der Nichtsäumige für den Fall nicht rechtzeitiger Nachholung der verzögerten Leistung das Recht auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder auf Rücktritt vom Vertrage geltend machen will; sie ist unwirksam nur in Ansehung ihrer Dauer, weil der nichtsäumige Teil das gesetzliche Recht des Säumigen auf eine ,,angemessene" Frist nicht beeinträchtigen kann und regelmäßig auch nicht verkürzen will. Aus diesem Grunde war die Sache nochmals in die Vorinstanz zurückzuverweisen, welche den Fall erst noch von den dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten aus zu prüfen haben wird.

Erlebnisse eines deutschen Goldschmiedes in Amerika.
Fortsetzung von: Aus meiner Lehr- und Gehilfenzeit.
Politische Parteien. In der Fabrik. Orden für Logen. -Schmucktragen.

Mein Hausherr suchte im Winter Beschäftigung in Barrooms. Sein Bestreben war, Policeman zu werden. Es sind in Amerika zwei große politische Parteien, die republikanische und die demokratische. Während die Präsidenten der Republik und die Gouverneure der Staaten alle vier Jahre gewählt werden, findet die Wahl der Majors (Bürgermeister) alle Jahre statt. Je nach dem Ausfall der Wahl kommen dann die Republikaner oder die Demokraten in die Stadtämter. In der Stadt Boston selbst halten sich die Republikaner und die Demokraten die Wage, während im Staate Massachusetts die Republikaner überwiegen. Nun hatte mein Hausherr immer falsch spekuliert, aber endlich gelang es doch, er hatte auf Seite der Sieger gewählt und erhielt die versprochene Stelle als Policeman. Über das sehr interessante politische Treiben kann man Bände schreiben, doch werde ich wieder in die Fabrik zurückkehren, auf ersteres komme ich später noch zurück.

Unter allen Kollegen war die frappanteste Erscheinung Mr. Fox, der Schmelzer. Wie ich ihn das erste Mal sah, konnte ich nicht genug staunen. Ein Elefant unter den Menschen. Um zu seinem Schmelzraum zu gelangen, mußte er den Arbeitssaal durchqueren. Vor 9 Uhr kam er nie. Sobald er gesichtet wurde, ertönte Pfeifen, und alle Kollegen pfiffen mit, eine amerikanische Melodie, und nach dem Takte stampfte der Koloß, mit fetter Stimme: good morning, boys! rufend, durch den Saal. Das geschah jeden Morgen. Dieser Schmelzer erhielt ein Gehalt von 40 Dollars wöchentlich, dafür war er höchstens 8 Stunden täglich dort. Eine interessante Persönlichkeit war auch der Kabinettmeister, eine erste Kraft, ein echter Amerikaner. Er war als Lehrling in das Geschäft getreten und hatte es nach kurzer Zeit, sehr jung, zum Kabinettmeister gebracht. Noch während meines Dortseins wurde er Mitinhaber der Firma, da Mr. Bates ausschied. Und weshalb schied Mr. Bates aus?

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Erstens, weil er Geld genug erworben hatte, und zweitens, weil er, ein 40 jähriger Mann, noch Medizin studieren wollte. Ungern sahen wir unseren lieben Mr. Bates scheiden, denn er verstand Spaß und sah nicht, wenn Dummheiten gemacht wurden, und hörte nicht, wenn gar zu laut gesungen wurde. Er war gelernter Goldschmied und wußte deshalb auch, daß, wenn man mit Lust und Liebe arbeiten soll, Humor und Gesang nicht fehlen dürfen. Bei unserem Einarbeiten ging er uns mit Rat und Tat zur Hand. Er führte uns in den Raum, in dem flache Ringe geschliffen wurden. Dort waren drei 50 cm. im Durchmesser haltende, 5 cm. dicke Räder in rotierender Bewegung, und die Ringe oder etwa sonstige flache Gegenstände wurden der Reihe nach an die Scheibe, die den Bims, Trippel oder Rouge vertraten, gehalten und tadellos flach in einigen Minuten geschliffen. Wir wußten nun, daß wir flache Ringe oder Schienen nur zu feilen brauchten. Der Schaber, der bei uns deutschen Goldschmieden doch eine große Rolle spielt, wurde gar nicht gebraucht. Schmirgelpapier war die Losung. Nach dem Feilen grobes und danach feines Schmirgelpapier, und das ist sehr praktisch. In meiner Arbeitsstube brauchen wir den Schaber auch höchst selten. Ich gebe im nachfolgenden eine Anweisung, wie ich das Papier gebrauche, und wer von meinen Herren Kollegen das einmal probiert hat, wird es nicht mehr missen wollen. Zwei 20 cm lange viereckige (10-12 mm) Holzstäbe, zwei ebensolange runde (9—10 mm), die letzteren mit der Säge an einem Ende soweit, etwa 12 cm, eingeschnitten, daß man das Schmirgelpapier durchstecken und dann um den Stab wickeln kann. Ich gebrauche grobes Schmirgelpapier No. 1 und feines Schmirgelpapier No. 0, für größere Flächen No. 00. Dies Papier wird in 4 Teile mit dem Messer geteilt. Ich lege den viereckigen Stab auf das Ende des Schmirgelpapiers, ritze mit einem spitzen Gegenstand das Papier

der Länge des Stabes nach ein, drehe den Stock mit dem Papier um, ritze wieder usw., bis das Papier um den Stock liegt und binde am oberen Ende mit Bindedraht fest. Gebraucht man nun beim Schleifen zum Schluß noch No. 00, so kann sofort gerougt werden.

Außer Ringen wurden noch hin und wieder Ohrringe, Reparaturen und Orden gefertigt. Orden für die verschiedenen Logen. Das Logenwesen floriert nirgends so wie in Amerika. Da gibts die Odd fellows Lodge, Masonic Lodge, Temple Lodge, Monitor Lodge usw. und jedes Jahr wird ein Orden an den Verdienstvollsten verschenkt. Was sind unsere Orden der Größe nach gegen diese Logenorden? Ich habe in den letzten drei Jahren gegen zehn dieser Orden gearbeitet. Die Zeichnungen dieser Orden, die ich abklatschte, liegen vor mir. Da ist der Orden der Boston Lodge of Perfection. Er hat eine Länge von 21 cm, beginnend mit einem Adler, der in seinen Klauen zuckende Blitze hält (der amerikanische Adler), daran hängend ein Zirkel, in natürlicher Größe mit einem Brillant von einem Karat, in dem Zirkel ebenfalls hängend ein Achteck mit ebenfalls so großem Brillant und eingravierter Widmung, alles schwer in massivem 14 kt. Gold. Überhaupt ist ja das Behängen mit Schmuck eine Eigentümlichkeit der Amerikaner. Jede Lady trägt Brillanten, wenn sie auch nur a la Taith sind, an jedem Arm wenigstens ein

Bracelet, wenn sie auch meistens nur plated sind. Überhaupt ist der meiste Schmuck, der getragen wird, nur unecht, oder amerikanisch Doublé. Goldsachen werden eben zu massiv hergestellt, sodaß sie zu teuer kommen. Sonntags begegnete ich oft aufgeputzten Negern. Diese wußten gar nicht, was sie sich alles anhängen sollten. Er eine Nadel, gewöhnlich ein Hufeisen, so groß wie ein Taler, auf der weißen Weste eine Kette so schwer, daß sie in Gold einige hundert Dollars kosten würde, und die Ringe! Die Steine standen in Größe der Busenadel nicht nach, und in gleichem Verhältnis war die holde schwarze Gattin geschmückt.

Ein schönes Arbeiten ist es ja, alles massiv herzustellen. Was sind unsere Kittsachen dagegen. Mein lieber Mr. Parker bekam eines Tages ein gekittetes deutsches Armband zur Reparatur. Er blies fest darauf los, und die Folge war ein Sprühregen von Kitt. „Goddam", sagte er, „mir erzählte einst ein deutscher Goldschmied, in Deutschland gebe es eine Stadt mit vielen hundert Fabriken, in denen so dünne Goldwaren hergestellt werden, daß man sie nicht löten kann. Im Winter werden die Sachen betragen und auf großen Blechen aufbewahrt. Kommt dann der Sommer, und die Sonne scheint recht heiß, so werden sie in die Sonne gestellt und diese lötet sie dann. Bis jetzt glaubte ich es nicht, aber nach dieser Erfahrung glaube ich es nun doch."

Das Geschenk der Welfen zur Vermählungsfeier der Prinzessin Alexandra von Cumberland mit dem Großherzog von Mecklenburg,

das von der Hofjuwelierfirma W. Lameyer & Sohn in Hannover entworfen wurde, ist anfangs Juni nach Gmunden abgesandt worden. Das Prachtstück Hannoverschen Kunstfleißes stellt einen schweren silbernen Aufsatz dar, der in einer Jardinière ruht und sowohl als Tafel- wie als Zimmerschmuck Verwendung finden kann. Auf einem durch schöne Verhältnisse sich auszeichnenden Postamente erhebt sich das Sachsenroß. Auf einem Felsstück eingemeißelt stehen die Worte „Nec aspera terrent". Die Peiler des Postaments, die Kronen tragen, schmückt der Kopf des Mecklenburgischen Wappentieres, ein reicher Fries trägt die durch Laubgewinde verbundenen Wappen der Landschaften Kalenberg, Grubenhagen, Lüneburg, Hoya-Diepholz, Bremen, Verden, Osnabrück, Hildesheim und Ostfriesland. Die beiden Breitseiten schmücken in künstlerisch vollendeter Arbeit, in getriebenem Silber hergestellt, allegorische Darstellungen der Liebe und Treue, während die beiden kürzern Seiten das gekrönte Monogramm des hohen Brautpaares und die Widmung tragen: „Dem hohen Fürstenpaare zur Vermählungsfeier dargebracht von getreuen Hannoveranern. 7. Juni 1904." Darunter hängen schwere in einer besonderen Manier ausgeführte Blumenguirlanden. Die Jardinière, von der das Kunstwerk umrahmt wird, schließt sich in der Ausführung dem Aufsatz würdig und stilgerecht an. Sie trägt zwischen dem reichen ornamentalen Schmuck, zu dem aus dem englischen Wappen Rose, Klee und Distel als Motive verwendet sind, auf den beiden Längsseiten das Alliancewappen des Brautpaares, auf den beiden anderen Seiten das fürstliche Monogramm und das Datum des Vermählungstages. Das Silbergewicht des ganzen Kunstwerkes beträgt 32 kg.

Ganz eigenartige Kunstgegenstände

auf dem Gebiete des Juweliers hat die Firma Krausnick & Co. am Kaiser Friedrichplatz in Wiesbaden in ihrem Schaufenster ausgestellt. Vor allem fällt eine aus einem Stück Silber gearbeitete vergoldete Riesenjardiniere auf, die einen Wert von 1800 Mark repräsentiert. Die einzelnen Pfeifen (18 an der Zahl) sind durch Handarbeit getrieben. An dem Kessel ist in hübscher, moderner Ausführung ein mit Eichenlaub in Silber verziertes Schild für eventuelle Widmungen angebracht. Der Fuß des Stückes ist ebenfalls modern verziert und aus bronziertem Schmiedeeisen gearbeitet. Das Ganze ist als Preis für sportliche Zwecke gedacht und kann mit den entsprechenden Emblemen verziert werden. - Ein weiteres außerordentlich originelles und interessantes Schmuckstück ist ein Tafelaufsatz mit Mahagonifuß, auf welch letzterem die in reinem Silber gearbeitete Gruppe „Begegnung" in recht geschmackvoller Weise plaziert ist. Ein großer Granat, der eigenartig auf einem Delphin als Mittelteil ruht, und dessen Fuß mit Edelsteinen besetzt ist, zeugt ebenfalls von äußerst exakter Arbeit. Auch ein Riesenbergkristall, der mit einer goldenen, mit Perlen besetzten Krone geschmückt ist, lenkt unter den vielen interessanten und wertvollen Arbeiten der äußerst leistungsfähigen Firma die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich.

Des Kaisers Hochzeitsgeschenke auf der Weltausstellung.

Eine Auswahl der kostbaren Silbergeschenke, die dem ehemaligen Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Auguste Victoria anläßlich ihrer Vermählung am 27. Februar 1881 verehrt wurden, ist nach Amerika geschafft worden. Der kostbare Schatz stand unter Aufsicht der Herren Martin Schachau vom preußischen Hofmarschallamt und Theodor Jaeckel vom Newyorker deutschen Generalkonsulat. Als besonders wertvoll ist in der Sammlung das aus solidem Silber angefertigte, 200 Pfund schwere Schiff von viereinhalb Fuß Länge und zwei Fuß Breite, eine Ehrengabe der preußischen Städte, zu erwähnen. Das Schiff und sein massiver Untersatz tragen die Wappen der preußischen Großstädte. Außerdem enthält die Sammlung massive Truhen und Vasen mit Jagddekorationen, eine riesige Silbermuschel_u. a. Nicht minder wertvoll ist die Möbelsendung des Kaisers: Tabourets, vergoldete Sessel aus der Zeit Friedrich I. und eine 8 Fuß hohe Bronzeuhr nach einem Entwurf Rohloffs. Aus dem Schloß in Charlottenburg stammen etwa 40 Möbelstücke vom 18. Jahrhundert, bekanntlich ist das deutsche Ausstellungsgebäude nach dem Muster des Charlottenburger Schlosses erbaut. Die Ausstellungs-Objekte des Kaisers sind für die Dauer der Ausstellung hoch versichert und erhalten eine besondere Wache. Das verschwundene und wiedergefundene Silbergeschirr.

Wiedergefunden hat sich das Silbergeschirr, daß einem Berliner Offizierkorps abhanden gekommen war. Mit seinem „Verschwinden" hat es eine eigene Bewandtnis. Das Geschirr sollte einem Silberarbeiter zur Ausbesserung übergeben werden. Auf telephonische Bestellung holte der Hausdiener eines Geschäfts es ab und quittierte über den Empfang mit seinem Namen. Der Silberschmied legte das Paket beiseite und erwartete noch eine besondere Anweisung, was mit dem Geschirr geschehen solle. Beim Offizierkorps aber wußte man wohl nicht recht, welchem Geschäft man es übergeben hatte, und aus der Quittung ging es auch nicht hervor. Da es nun nicht zurückkam, so glaubte man, daß ein falscher Hausdiener das Ferngespräch aufgeschnappt und sich das Geschirr angeeignet habe. Zufällig las auch weder der Silberschmied noch sein Hausdiener die Zeitungsnotiz über das Verschwinden des Schatzes. Erst als jetzt die Kriminalpolizei mehrere Hausdiener des unterzeichneten Namens vorlud, wurde er wieder entdeckt. Unter den Vernommenen befand sich auch der richtige" Hausdiener. Er machte gar kein Hehl daraus, daß er den Schatz vom Offizierkasino abgeholt hatte, und war überzeugt, daß er sich noch im Geschäft befinden müsse. Dort lag er denn auch noch so, wie er gekommen war.

König Eduards silberne Schiffsmodelle.

Uns wird aus London mitgeteilt: Es ist vielleicht wenig oder nicht bekannt, daß König Eduard eine kleine Miniaturflotte aus silbernen und goldenen Schiffen besitzt, die einen beträchtlichen Wert haben. Die Modelle zeigen englische Schiffstypen von der Zeit des angelsächsischen Monarchen Alfred bis zur Einführung des Dampfes. Seit Jahren hat der König in dieser Beziehung eifrig gesammelt, und in seiner Kollektion befinden sich mehrere holländische Modelle aus dem

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