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gehabt und auch die mit Beginn des neuen Jahrhunderts einsetzende, und bis Mitte des Jahres 1903 dauernde allgemeine Krisis im deutschen Wirtschaftsleben hat sie gut zu überstehen vermocht.

Der Rührigkeit und dem Fleiß der Pforzheimer Fabrikanten ist es zu danken, daß namentlich der Export von Pforzheimer Schmuckwaren im Laufe der Jahre zu großer Bedeutung gelangte. Es dürfte kaum ein von der Zivilisation berührtes Land auf der Erde geben, wohin nicht von der rührigen Pforzheimer Fabrikantenschaft wenigstens Versuche gemacht worden wären und noch gemacht würden, für ihre Fabrikate neue Absatzgebiete zu erschließen. Daraus folgt aber auch, daß jede Störung des ruhigen und friedlichen Verkehrs, komme sie, woher sie wolle, auf den Pforzheimer Platz ihren mehr oder weniger empfindlichen Rückschlag ausüben muß. Heute liegt die Sache so, daß Deutschland für Waren aus edlen Metallen ganz überwiegend Ausfuhrland ist; seine Industrie ist darin so entwickelt, daß sie die auswärtige Konkurrenz nicht zu fürchten braucht, sie muß dagegen stets den lebhaften Wunsch

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ca. 22000 betragen. Der Großbetrieb macht sich namentlich in der Fabrikation von Doubléwaren und in der Silberwarenbranche, die in den letzten Jahren erheblich an Ausdehnung gewonnen hat, geltend. Der größte Betrieb der Pforzheimer Industrie (Kollmar & Jourdan A.-G.), welcher 620 Arbeiter beschäftigt, dient der Fabrikation von Doubléuhrketten. Der Entwicklungsprozeß läßt im allgemeinen eine Abnahme der Kleinbetriebe und ein rapides Wachsen der Großbetriebe erkennen. Sie geht aus untenstehender von der Sektion III der Süddeutschen Edel- und Unedelmetall-Berufsgenossenschaft veröffentlichten Tabelle hervor.

Die Hilfsgeschäfte gehören, mit einzelnen Ausnahmen, dem Kleinbetriebe an. Außerdem ist die Hausindustrie zu erwähnen; in ihr werden ca. 1200 Personen (300 männliche und 900 weibliche) beschäftigt. Neben den Fabriken befinden sich noch über 150 Bijouterie-Großhandlungen in Pforzheim, dagegen sind Detailgeschäfte nur etwa drei vorhanden.

Vergleicht man Pforzheim hinsichtlich der Zahl der in der Bijouterieindustrie beschäftigten Arbeiter mit den beiden

VON DER CELLINI-AUSSTELLUNG IN HANAU, PFINGSTEN 1904. SILBERWAREN VON SEYBOLDT & HIRSCHHAUER, SCHWÄB. GMÜND. MUSTER GESETZLICH GESCHÜTZT.

1903 ausgeführten Edelmetallwaren auf M. 73620130 beziffert. Der Löwenanteil an dieser gewaltigen Summe ist natürlich auf Konto der Pforzheimer Industrie zu setzen! Was das europäische Absatzgebiet betrifft, so muß hervorgehoben werden, daß die Handelsverträge der Jahre 1892/94 für die Bijouterieindustrie im wesentlichen den Vorteil der Stabilisierung der Handelsbeziehungen mit den Vertragsstaaten auf eine längere Reihe von Jahren gebracht haben, was namentlich Rußland gegenüber von Fabrikation und Handel wohltätig empfunden wurde, wie sich denn auch der Absatz nach dort seit dem Handelsvertrage mehr denn verdoppelt hat. Lebhaft zu wünschen bleibt, daß die im Interesse einer weiteren gedeihlichen Entwicklung des Exports von Pforzheimer Schmuckwaren von der Handelskammer daselbst zuständigen Ortes für den Neuabschluß von Handelsverträgen eingebrachten Anträge Berücksichtigung gefunden haben.

Die Pforzheimer Bijouterieindustrie kommt heute an Größe nach der Tabak- und Textilindustrie Badens und hat demnach als drittgrößte Industrie des Großherzogtums zu gelten; die Zahl der in ihr beschäftigten bzw. für sie tätigen Personen dürfte jetzt nach Schätzung von sachkundiger Seite

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anderen Hauptstätten der deutschen Bijouteriefabrikation, ergibt sich, daß es etwa fünfmal so viel Arbeiter wie Gmünd (4500) und etwa zehnmal so viel wie Hanau (2100) beschäftigt.

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rum nicht wenig beneiden. Es betrug (nach einer von der Sektion III der Süddeutschen Edel- und Unedelmetall-Berufs

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LEDERGÜRTEL UND SCHMUCK. MORITZ MÄDLER, LEIPZIG-LINDENAU, KOFFER- UND LEDERWARENFABRIK, BERLIN, Leipziger Str. 101 2, HAMBURG, Neuerwall 84, LEIPZIG, Petersstr. 8.

genossenschaft auf Grund der Lohnnachweislisten für die Jahre 1896 und 1900 ausgearbeiteten Statistik) der durchschnittliche Tagesverdienst für:

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Die Lohnsätze dürften sich heute noch günstiger stellen; die Berufsgenossenschaft läßt z. Z. wieder eine Lohnstatistik, und zwar für die Jahre 1902 und 1903 ausarbeiten, dieselbe dürfte interessante Aufschlüsse geben, und man sieht ihrer Veröffentlichung namentlich in Fabrikantenkreisen mit großem Interesse entgegen. Es sei hier noch besonders hervorgehoben, daß es in der Bijouteriebranche für tüchtige solide Arbeiter äußerst leicht ist, sich selbständig zu machen; dies geht wohl hinreichend aus der Tatsache hervor, daß etwa zwei Drittel der jetzigen Pforzheimer Fabrikanten früher selbst dem Arbeiterstande angehört haben.

Pforzheim verarbeitet Gold*) und Silber in den üblichen Legierungen. Die Umwandlung der Barren in Bleche und Drähte geschieht durch Walzen und Ziehen. In neuerer Zeit (Ende der 1870 er bezw. Anfang der 1880 er Jahre) aufgenommen und zu hoher Blüte gelangt ist die Verarbeitung von Doublé, goldplattierten Silber- oder Tombakbleches, das sich wie Gold verarbeiten läßt. Die ganze Eigenart der Industrie bringt es mit sich, daß der Maschinenarbeit heute eine bedeutende Rolle bei der Herstellung von Bijouteriewaren zufällt. Vielfach in Gebrauch sind Walzen aller Art zur Bearbeitung von Draht und Blech, „Randelmaschinen" für gewisse Arten von Gravierungen. Charakteristisch sind das Fallwerk und die ,,Aushauermaschinen", vermittelst welcher die Einzelformen aus Blech ausgeschlagen oder mit Relief versehen werden.

*) Der Wert des zu gewerblichen Zwecken verarbeiteten Goldes betrug nach einer von der Reichsregierung für die Jahre 1896 und 1897 veranstalteten Statistik in Pforzheim jährlich ca. 19 Millionen Mark (für das ganze deutsche Reich 45 Millionen Mark).

In welchem besonderen Grade selbst für moderne Verhältnisse das Pforzheimer Kunsthandwerk sich die Arbeitsteilung zunutze macht, erhellt schon aus dem Bestehen einer großen Anzahl von Hilfsgeschäften, als da sind Emaillier-, Gravier- und Guillochiergeschäfte, Steinschleifereien, Pressereien usw. Läuft z. B. des Morgens ein rasch zu erledigender Auftrag ein, so wird vielleicht ein Teil der Schmucksache vom Goldschmiede in der eigenen Fabrik angefertigt, ein anderer Teil wird aus der Presserei, die Steine vom Steinhändler oder Steinschleifer bezogen, ein anderer Teil vom Emailleur bemalt, vom Graveur graviert, vom Fasser gefaßt, vom Vergolder vergoldet usw. Wenn endlich alle einzelnen Teile vorhanden sind, werden sie vom sogenannten Finierer zusammengestellt und von der Poliererin durch Aufputzen in den für den Versand erforderlichen Zustand gebracht. Es ist daher oft eine recht lange Stufenleiter, die das einzelne Stück zu durchlaufen hat, ehe es aus der Fabrik entlassen werden kann.

Die Verwendung von elektrischer Kraft hat in der Pforzheimer Bijouterieindustrie stetig an Ausdehnung gewonnen, wozu hauptsächlich der Umstand beitrug, daß elektrische Energie im allgemeinen billig erzeugt und auch den kleinen Betrieben in beliebig kleinen Mengen zugeführt werden kann. In der Pforzheimer Bijouterie (nebst Hilfsgeschäften) waren am 31. Dezember 1903: 1459 Elektromotoren (31. Dezember 1894: 447), deren Strom das Städt. Elektrizitätswerk (eröffnet Oktober 1894) liefert, in Betrieb. Abnehmer des Elektrizitätswerkes waren hauptsächlich Geschäfte der Schmuckwarenindustrie kleineren und mittleren Umfangs. Die größeren mit je 20-30 Pferdekräften haben meist eigene Kraftanlagen, geben auch an andere Fabriken in demselben Haus oder an Nachbarn vielfach Kraft ab. Besonders zahlreich sind die Poliermaschinen angeschlossen, ferner Polierbänke, Walzen, Exhaustoren, Ventilatoren, Transmissionen, Vergoldungseinrichtun

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gen usw.

Der Wert der in Pforzheim angefertigten Bijouteriewaren, welcher für das Jahr 1880 von der Pforzheimer Handelskammer auf 22 000 000 Mark geschätzt wurde, dürfte sich heute auf weit über 100 Millionen Mark belaufen. Von dieser enormen Produktion finden etwa zwei Drittel Absatz im Auslande. Hieraus ist ersichtlich, in welch hervorragendem Maße Pforzheim auf gute Handelsbeziehungen Deutschlands zum Auslande angewiesen ist. (Schluß folgt.)

MODERNE HERRENUHR-GEHÄUSE.

BILD 1: FIEBIGER & HÜNING, GENF, BILD 2, 3: MERMOD FRÈRES, ST. CHROIX.

Vorlagen-Sammlung für die Werkstatt im Kleinbetrieb.

Nachstehend bringen wir Entwürfe, mit denen wir uns, wie wir hoffen, ein weiteres, für das Gedeihen unseres deutschen Goldschmiedegewerbes hochwichtiges Arbeitsfeld erschließen werden: Wir bringen hier einen bescheidenen Anfang zu einer Vorlagensammlung für den Kleingoldschmied. Es ist unseres Erachtens eine der wichtigsten Aufgaben, zu verhüten, daß dieser lediglich zum Kleinhändler werde, und dafür zu sorgen, daß er auch schaffender Goldschmied bleibe. Jedem erwachsen wohl aus seinem Kundenkreise Aufträge und Anregungen, denen er am besten und vorteilhaftesten durch eigenen Entwurf und eigene Handarbeit gerecht wird. Wir sind uns wohl bewußt, wie schwierig es sein wird, hierfür praktisch brauchbare Vorbilder zu liefern. Aber wir wagen den Versuch und hoffen, daß durch das Preisausschreiben, das heute veröffentlicht wird, weitere Klarheit und Material uns an die Hand gegeben werden soll. Zeichnerische Geschicklichkeit und technische Handfertigkeit sind so scharfe Waffen für den Goldschmied im Kampfe ums Dasein, daß wir für ihre Instandhaltung stets aufs sorglichste bedacht sein wollen. Die Entwürfe von O. Ostermayer in Pforzheim zeichnen sich durch schlichte Linienführung bei gefälliger Komposition besonders aus.

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Amtliches Organ des Verbandes Deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede
des Vereins der Juweliere, Gold- und Silberschmiede von Rheinland und Westfalen, des Vereins der
Juweliere, Gold- und Silberschmiede Württembergs, der Freien Vereinigung des Gold- und Silberwaren-
Gewerbes für Berlin und den Reg.-Bezirk Potsdam, des Vereins der Juweliere, Gold- und Silberschmiede
des Großzherzogtums Baden, der Goldschmiede - Werkgenossenschaft Berlin, der Kölner Juwelier-Vereinigung,
der Freien Vereinigung der Juweliere, Gold- und Silberschmiede des Reg.-Bezirks Stettin, der Goldschmiede-
Innung Schwerin, der Freien Vereinigung der Gold- und Silberschmiede zu Görlitz, des Kreditoren-Vereins
er die Gold, Silberwaren- und Uhren-Industrie Pforzheim, der Kunstgewerbe-Vereine Hanau und Pforzheim,
J des Gewerbemuseums Gmünd, der Zentralstelle Schmuck und Mode

Begründet und berausgegeben von Wilhelm Diebener, Leipzig 21, Schützenstr. 15

Verantwortliche Redakteure: Sür den kunstgewerblichen Teil: R. Rücklin, Pforzheim
Syndikus Herm. Pilz, Leipzig

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Für den volkswirtschaftlichen Teil:

Leipzig, 1. Januar 1904

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