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Die Entwickelung der Formen.

Als, im Anfange der neunziger Jahre, man anfing, sich von den historischen Stilvorbildern abzuwenden, geschah dies unter dem Feldgeschrei des Naturstudiums. Überall ward in lauter Begeisterung die Rückkehr zur Mutter Natur gepredigt und gelehrt, überall wurde die Pflanze studiert und dekorativ verwendet, und es gab Leute, welche allen Ernstes hofften, es würde in Zukunft auf dem Werkbrett des Gold- und Silberschmiedes ein Blumenzweig oder ein grünes Blatt die Ornamentvorlage ganz verdrängen. Eine Zeitlang hatte es auch wirklich den Anschein dazu. Wie oft ist allein die Schwertlilie damals verwendet, behandelt und mißhandelt worden! Es schien fast, als sei sie bestimmt, einmal die Rolle des seligen Akanthus zu spielen. Aber es ist ganz anders gekommen. An die Stelle des unbedingten Naturalismus trat die van de Velde-Linie und dessen ,,mißgestaltet Zwitterkind", der gekränkte Regenwurm. An Stelle des idyllischen Blütenzweiges auf dem Werkbrett traten die modernen Kunstzeitschriften; unsere Kunstkritiker pflegten und pflegen dies sehr zu beklagen, daß nun die alte Kopiererei, nur mit neuen Vorlagen, wieder losginge. Ich kann mir nicht versagen, es dagegen einmal öffentlich auszusprechen, daß das nicht nur ein unvermeidlicher, sondern auch ein unentbehrlicher Vorgang ist, und daß nur auf diese Art die Neuerfindungen und Anregungen unserer führenden Künstler zum Allgemeingut werden können. Daß sie aber das werden, ist sehr viel wichtiger und bedeutungsvoller, als daß jeder Stümper sich für einen selbstständigen Künstler hält, weil er Blumen nach der Natur pfuscht. - Auch die geschwungene Linie, dieser erste Ansatz zu einem modernen Ornament, hat sich in ihrer Ausschließlichkeit überlebt. Es kam die Periode, wo die Darmstädter mit ihren strengen und schlichten Formen Einfluß gewannen, wo, besonders bei uns in Deutschland, die Naturform mehr und mehr in den Hintergrund trat, und der größte Nachdruck auf Einfachheit und Charakter in der Ornamentik und im Entwurfe gelegt wurde. Und neuerdings fängt die gerade Linie, die zu Anfang der modernen Stilentwicklung fast verschwunden war, wieder an, eine sehr bedeutsame Rolle zu spielen.

Diese verschiedenen Entwickelungsphasen der modernen Handwerkskunst sind allerdings nur der gemeinsame Boden für die spezielle Formenentwickelung der Feinmetallkünste. Und wenn wir im Verlaufe unserer Betrachtung finden werden, daß diese sich, je nach Material und Gebrauchsbedingungen, charakteristisch nach verschiedenen Richtungen entwickelt haben, so werden wir das als ein Zeichen gesunden handwerksgerechten Kunstempfindens ansehen können.

Das Zinngerät.

Das Zinngeräte ist, soweit es sich um künstlerische Ware handelt, ein Kind des modernen Stils. Kaum ein anderes Metall hat so viel Nutzen aus ihm

gezogen, ist so ganz mit neuem Leben dadurch erfüllt worden als das Zinn. Man kann aber auch sagen, daß die moderne Kunst dem Zinn viel verdankt, das mit der Eigenart seiner Struktur, mit seinem matten, ruhigen Farbton dem Bedürfnis nach weicher, fließender Formgebung, handlicher Gestaltung und dekorativer Wirkung so sehr entgegenkam. In der Tat, wenn wir das Gebiet des Zinns, des Kupfers, des Silbers und des Goldes, also der gesamten Feinmetallkunst, überblicken, so hat eigentlich keines eine so typisch moderne Formenwelt entwickelt als eben das Zinn.

Wenn wir nach einer Bezeichnung für den Formentypus des modernen Zinngerätes suchen, so werden wir sagen können, daß es im allgemeinen den Charakter des in weicher Masse Modellierten trägt, daß es überall weniger die Spuren des in Metall arbeitenden Werkzeuges als der drückenden und formenden Künstlerhand zeigt, wie es für die Gußtechnik, die hier vorzugsweise angewendet wird, angemessen und naturgemäß ist. Ursprünglich ging ja die Wiederbelebung des Zinns von Paris aus, wo Ledru u. a. ihre so vorzüglich modellierten Vasen und Zierteller mit allerhand naturalistischem Dekor schufen. Sie bevorzugten eine glanzlose, dunkeltönige Zinnkomposition, die geeignet erschien, alle Feinheiten ihrer Modellierung wiederzugeben. In Deutschland hat die Zinnkunst eine viel breitere und weitergreifende Entwickelung genommen. Was wird bei uns gegenwärtig nicht alles in künstlerischer Zinnware angefertigt! Tafelaufsätze, Platten, Geschirr, Bierkrüge, Schreibtischausstattungen, Rauchzeug, Spiegelrahmen. Ziergefäße, Jardinièren, kurz, das Zinn hat sich eigentlich das ganze Gebiet des Groß- und Kleinsilbers, mit Ausnahme des Schmuckes, erobert. Und an der Spitze des Kunstzinnes steht Deutschland. Man braucht nur den Namen Kayserzinn zu nennen, um das Gesagte zu beweisen. Daneben sind noch eine Anzahl ähnlicher Metallkompositionen in Aufnahme gekommen:

SILBERBECHER,

ENTWORFEN VON LUDW. GEISSINGER, BERLIN.

Orion, Orivit, Silberzinn. Besonders ist der helle, schmucke, silberähnliche Farbton dieser neueren Kompositionen zu bemerken, der die daraus hergestellte Ware besonders gut zum Tafelschmuck geeignet erscheinen läßt. Kurz, die moderne Zinnkunstindustrie bietet zur Zeit in Deutschland ein wirklich erfreuliches Bild.

Die anderen Kulturländer haben dem gegenüber wohl vereinzelte künstlerische Leistungen, aber nicht diese fabrikmäßig geleitete und doch künstlerisch lebendige Produktion zu verzeichnen: Aus Dänemark kommen gegenwärtig eigenartig anmutende Zinnarbeiten (aus Mogens Ballins Werkstätte in Kopenhagen) nordisch robust, ja derb, aber urgesund und originell mit ihren merkwürdigen Ornamenten und derben Gravierungen. Statt des Geschmeidigen und Fließenden, was unsere deutschen Zinnarbeiten an sich haben, ist mehr das Massive und Wuchtige im Charakter des Metalles betont. In England, dessen neuzeitliche Handwerkskunst sich noch weniger mit dem Zinn befaßt hat, sind höchst eigenartige und feine Treibarbeiten, zarte Flachreliefs, in

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Zinn aufgetaucht, die von jener merkwürdigen Künstlergruppe
der Glasgower herrühren.
genügen, um zu zeigen, daß die Kunst der Zinnbearbeitung
Dieser kurze Rundblick wird
gegenwärtig einer kraftvollen Blüte sich erfreut.

Das Kupfergerät.

Noch nicht ganz auf dem gleichen Standpunkt ist das
Kupfer, aber es scheint auf dem besten Wege dazu. Gehörte
das Zinn in die Domäne des Kunstgusses mit nachfolgender
Bearbeitung, so ist Kupfer das Material der Treibkunst.
Patinierte Kupfergeräte, namentlich in Verbindung mit Messing-

Neben dem Kupfer wird auch das Messing mehr und mehr zu künstlerischen und zu Treibarbeiten herangezogen, namentlich auch in Verbindung mit anderen Metallen und Materialien, Schmiedeeisen und Messing, Kupfer und Messing. Seine helle, kräftige Farbe und seine Härte lassen es aber nur zu streng behandelten, einfachen Darstellungen und Formen geeignet erscheinen. Sein dekorativer Wert ist ein außerordentlicher.

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DREI ENTWÜRFE ZU MESSERBÄNKCHEN

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A. LEUTFELD,
HANAU A. M.

beschlag, ist ja das Neueste des Neuen, und man kann sagen, daß sich auch hier schon, wie bei dem Zinn, eine eigene, dem Metall sozusagen auf den Leib geschnittene Formensprache entwikelt hat. Hat das Zinn mehr gezogene Formen, so das Kupfer mehr herausgetriebene, kantige Zierglieder. Und besonders, da es doch als Blech bearbeitet und behandelt wird, finden wir hier beschlägartige Motive viel vertreten. Sein tiefer, ruhiger Glanz macht es zur Verbindung mit andersartigem Material wohl geeignet. Besonders die englische Edelschmiedekunst hat diese Eigenschaft mit Vorliebe verwertet. Wir finden hier das Kupfer u. a. auch mit Elfenbein zusammen verwendet, und namentlich auch mit jener breit und flächig arbeitenden Kunstemaillierung dekoriert, die sich in England in letzter Zeit so besonders entwickelt hat. Für allerhand Kleingeräte, Rauchzeug, Leuchter und dergl., wird gern die Zusammenstellung von Kupfer mit Schmiedeeisen verwertet, was handfeste und doch zugleich zierlich anmutende Arbeiten ergibt. Feine, auch figürliche Treibarbeiten in Kupferplatten sind als Möbeleinlagen beliebt, wie auch in gleicher Art Spiegel- und Bilderahmen gefertigt werden, wobei eine hauchartige Zartheit der Treibtechnik bevorzugt wird. Das ist auch eine der Errungenschaften des modernen Stils, daß die Kunst des Metalltreibens sich aus der handwerksmäßigen Härte und Überladenheit der Behandlung in eine größere Weichheit und Einfachheit hineingefunden hat; ein geschickter, künstlerisch arbeitender Ziseleur verzichtet heute darauf, die Kontur erst scharf auf dem Metall „Vorzutracieren", er arbeitet den Umriß erst allmählich mit der fortschreitenden Modellierung heraus und hat

glänzenden Traditionen des 18. Jahrhunderts aufgebaut, und die figürliche Kleinplastik hat überhaupt ganz besonders schwer um eine der Neuzeit entsprechende, materialgerechte Formensprache zu ringen gehabt. An allen Kleinbronzen sah man zu sehr die glättende Arbeit von Modellierholz und Schabinstrument. Die tiefe, mächtige Glanz- und Farbenwirkung der edlen Bronze verlangt aber durchaus eine vereinfachte, flächig wirkende Behandlung, die wir an ihren neueren Erzeugnissen denn auch erfreulicherweise überall angewendet sehen. Die Vorliebe für kleinere Kunstbronzen ist in der neueren Zeit wieder sehr gestiegen, auch bei uns in Deutschland, wenngleich wir natürlich in dieser Beziehung hinter Frankreich mit seiner alteingesessenen, ebenso gewandten wie leistungsfähigen Bronzeindustrie noch zurückstehen müssen. In modern - künstlerischer Beziehung aber, was die charaktervolle Behandlung der Form als solche anlangt, sind wir Frank

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reich mindestens ebenbürtig, wo nicht überlegen. Ein erfreuliches Zeichen ist es, daß die Kunstbronze neuerdings anfängt, auch in das Gebiet des Kleingerätes vorzudringen, z. B. sieht man da und dort Schreibtischausstattungen, Blumenvasen und dergl. in Bronze, deren Patinierung übrigens neuerdings an Stelle der früher beliebten hellen, süßlichen Töne mehr die tiefen und ernsten Nüancen bevorzugt.

Die Plakette.

Hier muß auch die moderne Plakette und Medaille erwähnt werden, die gegen die früheren Jahre ja einen bedeutenden Aufschwung genommen hat. Rein künstlerisch ist dieser Aufschwung allerdings nicht, d. h. wir haben köstliche Werke einer modernen Plakettenkunst aus Künstlerhand zu verzeichnen, aber doch auch noch recht viel handwerksmäßiges, was vom angestellten Stahlgraveur für industrielle Zwecke angefertigt ist und diesen Ursprung nicht verleugnen kann. Da es sich dabei fast immer um figürliche Darstellungen handelt, so macht sich ein Mangel der künstlerischen Qualität immer doppelt fühlbar. Mit einem ähnlichen Porträt und einer sinnvollen Allegorie auf dem Revers ist es denn doch nicht allein getan. Da eine Plakette doch lediglich keinen Gebrauchssondern nur Kunstwert hat, so sollte ihre Herstellung auch nur Sache des künstlerisch qualifizierten Reliefplastikers sein. Nur dann werden wir an unserer deutschen Plakettenkunst jene Blüte erleben, um die wir die französische heute noch beneiden müssen.

Groß- und Klein-Silberwaren. Das Besteck. Der Tafelaufsatz. Kirchengeräte.

BELOBUNG A. SPRÖSSLER BEI W. BINDER.

AUS DEM

F. W. MÜLLER-WETTBEWERB DER FACHSCHULE ZU SCHW. GMÜND 1903.

Die Groß- und Klein-Silberwarenindustrie ist nicht so ohne weiteres für den modernen Stil zu haben gewesen, und hält heute noch in manchen Spezialitäten am Alten fest. Auch hier ist ohne Zweifel wieder vieles auf den Pariser Einfluß zurückzuführen; die französischen Silberschmiede mit ihrer glänzenden Tradition hielten naturgemäß an den historischen Stilen fest, und ihr Einfluß auf den allgemeinen Geschmack ist ja heute noch in ihrer

Spezialität ein großer. Auch rekrutiert sich das Käuferpublikum für gediegene Silberware bis jetzt noch vorzugsweise aus konservativen und aristokratischen Kreisen, die ebenfalls eine gewisse feudale Vorliebe für historisch bewährte Formen haben.

Im großen und ganzen ist aber heute auch für die Silberwarenfabrikation die moderne Richtung maßgebend geworden. Ein so einheitliches Bild, wie etwa das Künstlerzinn, bietet freilich das Künstlersilber der Gegenwart nicht. Das mag von der größeren technischen Vielseitigkeit des Silbers herkommen, das ebenso leicht und dankbar sich in die einfachsten, glatten Gebrauchsformen wie in ornamentale Ausgestaltung oder in rein bildhauerische Kleinplastik fügt. Man hat ja freilich schon viel geeifert, einesteils gegen die Aufnahme der englischen Gepflogenheit, Geräte und Gefäße in ganz glatter, polierter Ausführung zu halten, wie auch gegen das andere Extrem, die Überflutung des Großsilbers mit Bildhauermotiven. Beides ist doch wohl, wie ich meine, eine Frage des Maßstabes. Sowohl die glatte polierte Fläche als die Bildhauerplastik können dem Silbergeräte zugebilligt werden, wenn beide im Rahmen der Kleinkunst bleiben, überhaupt das Feld nicht für sich allein beanspruchen. Übrigens muß den glatten Silbergefäßen doch immer der Vorzug zugestanden werden, daß sie sachlich wirken, was immerhin mehr im Sinne der modernen Kunst ist als eine Überladung mit Figurenplastik. Diese letztere wird sich in der Silberschmiedekunst der Gegenwart einer möglichst großen Zurückhaltung zu befleißigen haben, um den Zweck oder den Charakter des Gefäßes oder Gerätes an sich nicht zu verdecken.

In den modernen Erzeugnissen der Silberwarenindustrie hat der Empire-Stil Eingang gefunden. Man kann nicht leugnen, daß diese Mischung des Modernen mit dem Empire recht reizvolle Arbeiten gezeitigt hat. Ich sage Mischung. Denn von einer genauen Nachahmung des echten, alten Empire-Stiles ist glücklicherweise fast nirgends die Rede. Es sind meist moderne Grundformen mit Empire-Motiven ausgestattet. Ein Blattkranz, ein Kranzgehänge, geradlinig gezeichnete Voluten, ein rechtwinklig abgesetzter Henkel genügen, um ein Stück auf "Empire" zu taufen. Auch diese Mode, denn weiter ist

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es nichts, ist uns von Paris gekommen. Wirklich einheimisch wird sie in Deutschland wohl kaum werden.

Auch sonst ist die Mischung in den Stilströmungen der besseren Silberware noch ziemlich bunt. Rokoko und Renaissance sind noch nicht ganz ausgestorben, der moderne Naturalismus macht sich noch ziemlich breit. Aber die strenge, sachliche und einfache Art der guten Moderne macht sich erfreulicherweise immer mehr geltend. Dass man das blanke Silber wieder mehr sehen läßt, nach dem vielfachen Wechsel von matt und blank, oxydiert und durchgeputzter Vergoldung, ist als Rückkehr zu größerer Einfachheit nur erfreulich. Denn freilich, das blanke Silber verlangt zwar feinabgewogene und bewegte Verhältnisse, aber zugleich auch die einfachste Formengebung.

gemäß, daß diejenigen kirchlichen Goldschmiedearbeiten, die für bestehende, ältere Kirchen gefertigt werden, sich im Stil an die vorhandene Ausstattung des Gotteshauses anfügen. Aber trotz aller dieser Kenntnisse läßt sich doch deutlich auch hier so etwas wie das Wehen eines neuen Geistes verspüren. Nicht mehr wie bisher herrscht die Gotik unbedingt. Wo es angängig ist, werden mit ersichtlicher Vorliebe die breiteren, einfacheren Formen des romanischen Stiles verwendet und zugleich in einer entschieden freieren und selbstständigeren Weise gearbeitet, als dies bisher der Fall war. Und die zwar gediegene, aber doch etwas handwerksmäßig arbeitende Tradition unserer kirchlichen Goldschmiedewerkstätten fängt da und dort an, durch die Mitarbeit bedeutender Künstler aufgefrischt und verjüngt zu werden.

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Im Besteck, in diesem konservativsten Bestandteil der Silberware, ist endlich auch frisches Leben zu spüren. Man wechselt nicht nur in der Ausstattung, also zwischen Ornament und Faden, sondern man sucht auch die Grundformen, die Griffe, die Löffelschale, die Gabelzinken usw. in neuer, origineller und sachgemäßer Weise auszubilden. So hat man denn die im Grunde genommen architektonische Grundform, wie sie bisher üblich war, verlassen, und zeichnet den Griff in geschwungener Form, so daß er sich in die Handhöhle hineinfügt, und sucht auch sonst neue Gebrauchsmöglichkeiten für die äußere Form herauszubringen, wie eigenartig geschweifte Messerklingen, schaufelartig gestaltete Gabelzinken und anderes mehr. Auch der Tafelaufsatz ist praktischer geworden und besteht jetzt meistens aus einer breit und flach hingelagerten oder auf schlankem Fuß aufgebauten Blumenund Fruchtschale. Als ein Zeichen des wiedererwachenden Interesses für die Silberschmiedekunst ist es zu begrüßen, daß unsere größeren und wohlhabenden Städteverwaltungen wieder anfangen, sich um die Beschaffung eines städtischen Silberschatzes zu bemühen.

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Ganz abseits von den neueren Kunstbewegungen scheint eine große und blühende Spezialität der Gold- und Silberschmiedekunst zu stehen, nämlich die Erzeugung kirchlicher Geräte und Gefäße. Abgesehen von dem kirchlichen Konservativismus an sich, der meist unbedingt an den durch die Tradition geheiligten Formen festhält, ist es ja auch natur

Der Schmuck.

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Silberschmuck. Goldschmuck. Der Ring.
Juwelenschmuck.

Am lebhaftesten war der Kampf der neueren Kunstströmungen im Schmuck zu spüren, namentlich im Silber- und unechten Schmuck. Hier hat der moderne Naturalismus, die LaliqueNachahmung, die Darmstädter Art stets besonders rasch und durchschlagend Platz gegriffen, um freilich auch jeweils rasch wieder zu verschwinden. Auch die Empire-Mode ist hier schon eingedrungen, hat aber wie es scheint, den Höhepunkt ihrer Beliebtheit bereits wieder überschritten. Der Silberschmuck hat für uns Deutsche in der Beziehung eine besondere Bedeutung erlangt, als sich hier ein künstlerisch erfolgversprechender, spezifisch deutscher Geschmack entwickelt hat, der für die Zukunft entschieden zu den besten Hoffnungen berechtigt. Das ist ein Moment, das ja nicht unterschätzt werden darf. Wir verstehen so gut, den Geschmack anderer Nationen nachzuahmen; sollten wir nicht auch einmal etwas herausbilden, was uns andere nicht nachahmen können?

Der Silberschmuck ist auch diejenige Schmuckspezialität, die es am ehesten verstanden hat, mit ihren großzügigen und einfachen Formen sich dem Charakter der modernen Straßentoilette anzupassen. Namentlich hat sich der Brustanhänger aus Silber eingebürgert. Die Gürtelschließe ist, vermöge der überfallenden Bluse, die gegenwärtig so modern ist, momentan mehr in den Hintergrund getreten, d. h. fürs Auge. Ge

tragen wird sie wohl noch so häufig wie bisher. Die weniger durch ihr Feuer als durch ihre weichen Farbtöne wirksamen Halbedelsteine, und das ähnlich wirkende matte Email und Email à jour sind beliebte Dekorationsmittel für den Silberschmuck. Im ganzen hat sich die Mitwirkung der Künstler gerade hier am bedeutungsvollsten und dankbarsten erwiesen.

Als wesentlich schwieriger hat es sich gezeigt, in dem Schmuck aus gutem Golde und aus Ganzededelsteinen rein künstlerischen Bestrebungen zum Durchbruche zu verhelfen. Hierbei ist jedenfalls der konservative Geschmack der hierfür wesentlich in Betracht kommenden Käuferkreise hauptsächlich als Hemmnis aufgetreten. Aber es wäre ungerecht, diesen allein dafür verantwortlich zu machen. Mitwirkend ist hierbei auch noch die Abneigung oder das Ungeschick der modernen dekorativen Kunst überhaupt, in zierlicher und dataillierter Weise zu arbeiten. Und darüber ist bei Schmuck aus gutem Gold in Verbindung mit facettierten Ganzedelsteinen nun einmal nicht wohl wegzukommen. Das ist eine Kleinkunst im eigentlichen Sinne des Wortes, und für die Entwickelung einer solchen hat sich die Neigung der modernen Kunst zu groß

besonders gut. Die starke Linienwirkung der Kette bringt es mit sich, daß sie sich auch auf dem Untergrunde der verschiedensten Stoffe und Macharten des Straßenkleides durchsetzt

Der Fingerring, der wohl auch immer eine besondere Domäne der Goldbijouterie bleiben wird, hat besonders in fein ziselierter Ware erfreuliche Leistungen aufzuweisen. Eine eigentümliche Erscheinung ist es, daß von all den bedeutenderen Künstlern, die für Schmuck gearbeitet haben, sich eigentlich noch keiner mit dem Ring beschäftigt hat, wohl auch damit zusammenhängt, daß die Kunst des Ringes noch mehr als jede andere eine spezielle Kleinkunst ist.

was

Noch weniger hat die moderne Kunst, oder ihre berufenen Vertreter, sich mit der Juwelenbijouterie beschäftigt. Nicht einmal Lalique, der vielbewunderte, der mit seinen graziösen und sinnenschmeichelnden Werken eine so weitgehende wie verderbliche Nachahmungssucht erweckt hat, brachte hier neue Anregungen, weil er eben Juwelenstücke im engeren Sinne gar nicht macht. Freilich sind Brillanten eben nicht das Material, mit dem man Experimente macht, und die Käufer von Brillantschmuck meistens auch nicht die Leute, die sich

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zügiger und dekorativer Wirkung noch wenig förderlich erwiesen. Es scheint aber, als ob die feine Bijouteriekunst neuerdings die richtigen Formen für modernen Goldschmuck zu finden anfinge. Man sieht in letzter Zeit namentlich feine Goldanhänger von so einfachen und dabei zierlich-pikanten Formen, daß das Problem hier, wenn auch nicht in umfassender Weise, gelöst erscheint. Die große Vorliebe, die eine zeitlang für transparent, meistens grün emaillierten Goldschmuck (,,Grüner Genre") herrschte, hat nachgelassen. Man zeigt gerne wieder ausschließlich die Goldfarbe. Im Gegensatz zum Silberschmuck eignet sich die moderne Goldbijouterie, mit Ausnahme der Brosche natürlich, mehr dazu, auf der bloßen Haut als auf dem Kleide getragen zu werden. Also die Anhänger zu dem ausgeschnittenen Kleide oder das Armband auf dem bloßen Arm. Zu dem letzteren ist zu bemerken, daß das starre Reifenarmband, das unsern Kunstästhetikern allerdings immer ein Dorn im Auge war, sozusagen verschwunden ist; man trägt nur noch Ketten- oder Gliederarmbänder. Überhaupt ist das Gebiet des Kettenschmuckes noch ein ergiebiges Feld für die feine Goldbijouterie, wenn sie auch hierin vom Doublé scharfe Konkurrenz erfährt. Das Feine, Zierliche und Geschmeidige, was die Kette hat, entspricht eben dem Charakter des Goldes

rückhaltslos für den modernen Stil begeisterten. So haben wir denn freilich ausgefaßten Schmuck in moderner Linienführung, aber wir können nicht in dem Sinne von modernem Brillantschmuck sprechen, in dem man etwa von neuerem Silberschmuck reden kann. Ohne Zweifel sind auch hier hochkünstlerische Leistungen zu verzeichnen, man braucht nur an die Arbeiten Vevers von der Pariser Ausstellung zu denken aber ein fester, moderner Typus ist nicht vorhanden. Namentlich ist das Prinzip möglichster Ruhe und Einfachheit, zu dessen Betonung der moderne Stil sich glücklicherweise durchzuringen beginnt, hier noch wenig zum Ausdruck gekommen. Das Haupthindernis wird wohl daran liegen, daß eben überall erst Versuche gemacht werden müßten, wofür hier das Material doch zu teuer und das kaufende Publikum zu exklusiv ist.

Wenn im Vorliegenden auch nur einzelne Punkte hervorgehoben werden konnten, so mag es doch nicht ohne Interesse sein, einmal einen solchen Überblick sich zu verschaffen. Ein solcher vermag immerhin wertvolles Vergleichsmaterial zu bieten und zu zeigen, in welcher Weise die moderne Gewerbekunst fördernd und neubildend in die verschiedenen Gebiete der Feinmetallkunst eingegriffen hat.

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