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Phantasie Gestalt geben kann, seine Arbeiten nie zu wiederholen braucht und für sie auch Käufer findet, die willig eine hohe Summe für ein einzigartiges Kunstwerk ausgeben, hier ein Publikum, welches wohl auch eigenes oder eingebildetes Kunstverständnis besitzt, auch gern einen eigenartigen, individuellen Schmuck anschaffen möchte, aber doch, wenn der Preis in die Hunderte und Tausende geht, zurückschreckt, und wenn es einmal wirklich so viel Geld ausgibt, den Wert desselben auch in der entsprechenden Anzahl von Brillanten ausgedrückt zu sehen wünscht. Ein Lalique in Deutschland wäre ganz undenkbar, er müßte als echter deutscher Künstler verhungern, wenn er dem Publikum nicht die angedeuteten Konzessionen machte. Ausnahmen sind allerdings vorhanden, aber es sind nur Ausnahmen, und die Zahl derjenigen ist bei uns äußerst dünn gesäet, die nur aus Freude an der Schönheit eines Kunstwerkes in Gold oder Silber einen hohen Betrag auszugeben bereit sind, der es dem schaffenden Goldschmiede ermöglicht, alle kleinlichen Rücksichten beiseite zu lassen und sich ganz dem Genusse der Hervorbringung dieses Kunstwerkes hinzugeben. Kurz nach der Pariser Ausstellung kam ein junger, begabter Goldschmied vom Strande der Seine an den grünen Strand der Spree zurück in der frohen Hoffnung, hier ein reiches Feld für seine Schöpfungen im Laliqueschen Geiste zu finden, aber ach! wie bald mußte er in bitterer Enttäuschung seine ideale Tätigkeit wieder einstellen, weil sie ihm nicht den geringsten materiellen Erfolg brachte. Oft habe ich mit ihm zusammengesessen, seine Arbeiten mit ihm besprochen und ihn in seiner Mutlosigkeit zu trösten gesucht, und nicht so leicht werde ich die bitteren Worte vergessen, mit denen er die Pariser Verhältnisse unseren Berliner entgegenstellte. Vielleicht ändert sich auch das einmal, aber ich habe keine große Hoffnung darauf. Paris mit seiner Eleganz, seinem alle Kreise durchdringenden Kunstgefühl und Geschmack bleibt eben Paris und Berlin bleibt Berlin, wo die Kunst nach Brot gehen muß.

der Goldtönungen, des Emails, das in solcher Zartheit nirgends anders erreicht worden ist, der Elfenbeinschnitzereien, des

Farbenspiels der verwendeten Edelsteine, die wundervolle Behandlung eines so spröden Materials, wie des Hornes und Schildpatts. Selbst die beste farbige Wiedergabe der Laliqueschen Schmuckstücke gäbe nur ein schwaches Bild von ihrer Bedeutung und noch weniger von der vollendeten Technik, mit der sie ausgeführt sind. Wie wunderbar ist das eigenartige Halsband mit den nebeneinander gestellten Libellen, deren Flügel aus feingeschnittenen länglichen Opalscheiben bestehen und deren Fühlhörner, ineinander übergehend, ein ruhiges Ornament als Grundlage des Ganzen bilden. Ein prachtvoller Brustschmuck aus ineinander verschlungenen, gelblich und schwarz emaillierten Schlangen in der ganzen Schönheit der natürlichen Farbengebung mit reichem Behang von Barockperlen in den verschiedensten Größen. Ein aus Horn geschnittenes Diadem mit getönten Alpenveilchen und Brillanten. Ein Kollier mit stilisierten Chamäleons in Email, die sich um große Brillanten herumwinden. Ein Kamm in Form eines Bischofsstabes, mit Amethysten reich besetzt; ein Armband mit Distelmotiven. Anhänger in großer Zahl und in jeder Form und Größe, mit zart bläulich oder rosig getönten Elfenbeinfiguren, Broschen mit elfenbeingeschnitzten, rund herausgearbeiteten, sich zärtlich umschlingenden reizenden Halbfiguren zweier Liebenden, von goldenen Schlänglein umrahmt. Ein herrlicher Fächer mit Gliedern aus zart bläulich gefärbtem Elfenbein, deren jedes mit einem schlanken, aufrechtstehenden, nackten weiblichen Idealfigürchen von noch lichterer Färbung geziert ist. Andere Anhänger und Broschen mit reichen Elfenbeinschnitzereien, mit Umrahmungen von Pflanzen-, Blumen-, Weinlaub- u. dergl. Ornamenten, belebt durch farbige Edelsteine und Brillanten, alles sehr fein und zierlich und sehr zerbrechlich, so daß eine Beschauerin wehmütig fragte, wer soll das in Wirklichkeit tragen? Ja, zum Tragen, zum Gebrauch sind die wenigsten dieser Kleinodien bestimmt, die meisten sollen eben nur Kunstwerke sein, die man in weihevollen Stunden aus dem Schmuckkästchen nimmt und sich an ihrer Schönheit erfreut. So auch der Kopfschmuck aus in Horn geschnitzten Eukalyptusblättern mit emaillierten Früchten, in welche Brillanten eingelassen sind, oder die zarten Haarkämme mit Elfenbeinfiguren, deren verlängerte Flügel die Zinken des Kammes bilden. Ferner ein Kollier aus goldgrünlichen Fichten

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ANHÄNGER VON RENÉ LALIQUE, PARIS.

Der Profilkopf in mattweißem Halbedelstein, die Schlangen aus Gold geschnitten, mit grünen Steinen und Email, das Haar violett emailliert, die Schleife in mattem Golde und die aus Gold geschnittenen Rosen rosa emailliert. Originalgröße.

Doch zurück zu Lalique. Ich soll eine Beschreibung seiner Ausstellung liefern, aber wie soll ich das machen? Die wenigen Abbildungen, die uns von seinen Arbeiten zur Verfügung stehen und die diesem Aufsatze beigegeben sind, vermögen wohl eine Idee von der künstlerischen Eigenart dieses Pariser Goldschmiedes zu geben, wo aber bleibt die unvergleichliche Farbengebung, all der subtile Reiz

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zweiglein mit blaugrünen jungen Sprossen an der Spitze, mit herabhängenden, braunemaillierten Tannenzäpfchen; ein zusammengerolltes Kohlblatt als Gürtelschnalle von naturwahrster Goldtönung mit allen Adern und Äderchen des Urbildes und gelblichen Brillanten als Tautropfen. Am ehesten gebrauchsfähig wären noch die in reicher Auswahl vorhandenen Gürtelschnallen mit Motiven wie ein sich spreizender Pfau in der ganzen fein emaillierten Farbenpracht seines Gefieders, zwei aufrechtstehende Hirschkäfer in verschiedenfarbigem Golde, durch Email belebt, und viele andere von gleicher Schönheit und Farbenpracht. Von größeren Silberarbeiten waren ein breites oxydiertes Armband, reich ziseliert mit Opalverzierung, ein gotisierender Kelch mit farbigen Steinen besetzt und ein Buchdeckel mit zarten Reliefs ausgestellt, die die Meisterschaft Laliques auch auf diesem Gebiete bewiesen.

Eine Kritik an den Werken Laliques zu üben, ist schwer, wenn nicht unmöglich. Dieser Künstler steht so sehr außerhalb und über allem bisher Dagewesenen, er wandelt so ganz andere Wege, wie wir es gewöhnt sind, er ist ein solcher Meister nicht nur der Goldschmiedetechnik, sondern auch der Elfenbeinschnitzerei, der Emaillierung und Ziselierung, daß wir uns damit begnügen müssen, ihn und seine Werke zu bewundern, da wir in unserm deutschen Empfinden keinen Maßstab zur richtigen, vorurteilslosen Beurteilung seiner künstlerischen Kraft und seines Charakters haben.

Ganz abgesehen von dem kleinlichen, materiellen Standpunkte, den wir in Berlin und wohl auch in ganz Deutschland dem mit Brillanten versehenen Goldschmuck entgegen bringen, der uns, selbst wenn wir im innersten Herzen Künstler und Kunstfreunde sind, fragen läßt, sind Schmuckstücke, wie diejenigen Laliques, praktisch verwendbar, d. h. tragbar und sind sie beim Publikum verkäuflich, so haben wir beim Anblick derselben uns noch die Frage vorzulegen, ob diese Art Schmuck uns Deutschen Material zum Studium und zur Nachahmung bieten kann. Zum Studium, ja! ohne jede Einschränkung; zur Nachahmung nur sehr bedingungsweise. Schmuck gleicher Art zu schaffen, ist für uns ganz aussichtslos, wir können nur aus

den einzelnen Arbeiten uns einzelne Motive herauslesen und sie gelegentlich bei

unserem

ANHÄNGER VON RENÉ LALIQUE.

BROSCHE VON RENÉ LALIQUE, PARIS.

Die Figur in Gold geschnitten,

Schmuck verwenden, und damit würden diese Motive ihren ihnen jetzt eigentümlichen Reiz vollständig verlieren. Man kann eben eine Victoria regia nicht in einen gewöhnlichen Hausgarten verpflanzen.

Es sind in vielen Zeitungen und Kunstzeitschriften bereits Besprechungen der Lalique-Ausstellung erschienen. Sie alle sind in begeistertem, manche sogar in überschwänglichem Tone gehalten. Ich selbst habe verschiedene Mußestunden vor dem Lalique-Schranke gestanden und mich an den geistvollen, eigenartigen und in jedem Sinne schönen Produktionen erfreut, aber wenn ich aufrichtig sein soll, mein deutsches Herz haben sie kalt gelassen, zu meinem deutschen Gemüt haben sie nicht gesprochen, keine Saite meines deutschen Empfindens haben sie mitklingen lassen. Als ich aus dem Hohenzollern-Kunstgewerbehause in das nahe gelegene Kunstgewerbemuseum hinüberging, um Vergleiche mit den hier aufgesammelten Werken deutscher Goldschmiedekunst anzustellen, da war es mir zu Mute, wie vor Jahren, als ich aus den gesegneten Gefilden Italiens mit all ihrer Kunst- und Naturschönheit heimkehrte in den grünen, deutschen

die Flügel mit grünem translucidem Schmelz. Originalgröße.

ZEICHNUNG ZU EINEM KAMME VON RENÉ LALIQUE, PARIS.

Wald, in unsere anheimelnden deutschen Städte und in das trauliche deutsche Heim. Hier war keine kalte, glänzende Pracht, kein übersinnliches Spiel mit neuen Formen und Gestaltungen, hier war nur inniges Versenken in die Kunst, in die Eigenart des edlen Materials, aus dem unsere alten Goldschmiedemeister ihre Werke schufen, hier war kein augenblendender Reiz des Ungewöhnlichen, hier war alles natürlich, unbefangen und doch auch gute, edle, und vor allem deutsche Kunst. Ich meine, wir haben in den letzten Jahren auch in Deutschland in der Goldschmiederei ganz bedeutende Fortschritte gemacht, wir haben uns einen eigenen Stil in gewissem Sinne geschaffen und uns, wie nie zuvor, vom Einflusse des Auslandes zu befreien verstanden, so daß wir selbst den Franzosen etwas zu bieten vermö

gen. Auf diesem Wege fortzuschreiten muß unsere erste und höchste Aufgabe sein, und was uns auch ein so großer Künstler wie Lalique zeigen mag, er ist schließlich doch nur ein glänzendes Meteor, während an unserem Kunsthimmel die Sterne eines Holbein, eines Dinglinger und Jamnitzer und vieler anderer in ewig gleichemLichte strahlen werden.

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Ludwig Schröder.

Eine falsche Kritik.

Zur Abwehr.

Die „Leipziger Illustrierte Zeitung" bringt in ihrer Nummer vom 17. September 1903 einige Abbildungen ausländischer Silberwaren und bespricht dieselben in folgender Weise:

Neues Silbergeschirr.

Während an prunkvollem Silbergerät für festliche Gelegenheiten ziemlich viel Neues meist in alten Stilformen geschaffen worden ist, jetzt, da sich eine ganze Anzahl von Stadtverwaltungen darum bemüht hat, einen Silberschatz wie in alten guten Zeiten zu beschaffen, ist für das Silbergerät im wohlhabenden Bürgerstand recht wenig geschehen. Die Auswahl neuer Formen, wie wir sie in den Auslagen der Silberläden sehen, ist nicht beträchtlich, und das große Publikum begnügt sich, wenn es Silbergeschirr kauft, mit anspruchslosem Gerät, dem nur das Material eln wenig Wert leiht. Teekannen, Teegeschirre in englischen oder biedermeierlichen Formen, mit einem gestanzten Rand geschmückte Teller und Schüsseln, dann vielleicht noch eine Sauciere, eine Konfektschale, und damit ist die Herrlichkeit gewöhnlich zu Ende.

Als Geschenke pflegen diese Dinge mit einer größeren Anzahl von Bestecken ins Haus zu kommen und dort als schimmerndes Gerät im Glasschrank oder Büfett zu thronen. Es wird zu wenig gebraucht. Es sollte viel mehr gekauft und auch im gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb angewendet werden. Denn auf die Dauer wird sich zeigen, daß es wegen seiner geringeren Zerstörbarkeit alle Porzellangeschirre überlebt. Man braucht wahrlich kein Krösus zu sein, wenn man ein paar gute Silber-Teller und -Schüsseln in den täglichen Gebrauch nimmt, und es wäre zu wünschen, daß unsere begüterten Stände einen Teil des Geldes,

Folgt dann die Besprechung der abgebildeten Silberwaren, mit der wir keinen Anlaß haben uns zu befassen. Man kann nicht verlangen, daß eine Zeitschrift für jede derartige Bildbesprechung einen Fachmann engagiert; man sollte aber wohl verlangen können, daß der Berufsjournalist, oder wer sonst immer die Sache besorgt, entweder sich besser orientiert, oder aber mit mehr Bescheidenheit auftritt. Das summarische Urteil, das hier über die deutsche Silberwarenindustrie gefällt wird, entbehrt jeder tatsächlichen Begründung so sehr, daß das Elaborat nur dann einigermaßen entschuldbar erscheint, wenn man annimmt, daß der Verfasser die ganz gewöhnliche, billige Massenware in Alfenide mit den Silbererzeugnissen verwechselt, oder doch nicht imstande ist, beides zu unterscheiden. Daß der Autor über die deutsche

RENÉ LALIQUE, PARIS: ANHÄNGER.

(Aus der Sammlung der Kunstgewerbeschule Pforzheim.) Aus der Zeitschrift des Pforzheimer Kunstgewerbevereins.

das sie für ganz törichten Kleinkram in billigen und deshalb teueren Nippsachen in schlechten, bunt bemalten oder gar horribile dictu irisierenden Skulpturen aus „Masse", hinauswerfen, benutzen wollten, um einen kleinen, aber gediegenen Silberschatz im Hause anzulegen.

Aber wie gesagt, die Auswahl an guten Formen ist, namentlich wenn man nichts von historischen Stilformen wissen will, gar nicht groß. Unsere Pforzheimer, Hanauer, Gmündener Silberindustrien bringen viel zu viel unnütze „Galanterieware" auf den Markt und viel zu wenig gediegene und preiswerte Silbersachen für den wirklichen Gebrauch im wohlhabenden Hause. Man stelle sich nur einmal vor, was an fix und fertigen Silberhumpen und Bechern, wie sie bei Silbernen Hochzeiten und anderen festlichen Gelegenheiten verschenkt oder als Preise gestiftet werden, in den Läden, selbst in großen Geschäften zu sehen ist. Billig, ja das sind die Dinge, aber so plump prätentiös oder so einfältig im Dekor, daß man ordentlich Angst bekommt in dem Vorgefühl, es könnte einem solch ein Ding blank geputzt und fein graviert einmal geschenkt werden. Der simpelste alte Kluftbecher der niedersächsischen Bauern, der schlichteste Barockkelch ist diesen landläufigen Geräten vorzuziehen. Und mit den dekorierten Tellern verhält es sich ähnlich.

Silberwarenindustrie nicht orientiert ist, geht unwiderleglich daraus hervor, daß er als ihre Hauptzentren Pforzheim, Hanau und Gmünd anführt. Er sollte aber wissen, daß in den beiden erstgenannten Städten die Schmuckwarenfabrikation So sehr überwiegt, daß von einem Zentrum der Silberwarenindustrie nicht wohl die Rede sein kann; viel eher wäre es am Platze gewesen, etwa Heilbronn und Bremen an dieser Stelle zu nennen. Wenn der Herr Verfasser sich aber einmal in diesen Städten, und namentlich auch in Gmünd, gründlich umsehen würde, so käme ihm vielleicht die Erkenntnis, daß nicht die dort gefertigten Silberwaren, sondern sein Urteil über dieselben ,,plump prätentiös" und „einfältig" ist. In dieser Weise in einem weitverbreiteten Familienblatte über eine ganze vaterländische Industrie herzuziehen, das bringt wahrlich nur ein Deutscher fertig.

Wir sind weit davon entfernt, etwa eine offene, sachkundige Kritik deshalb zurückzuweisen, weil sie sich gegen deutsche Arbeiten wendet, oder weil sie in einem Familienblatte das Wort ergreift. Aber wir verlangen, daß nur ein wirklich Sachkundiger über Derartiges sich hören läßt, und wir erheben Protest gegen eine derartig oberflächliche Verallgemeinerung. Die deutsche Silberwarenindustrie kann sich getrost neben jedem ihrer ausländischen Konkurrenten sehen lassen, und die Kunstfertigkeit und technische Geschicklichkeit, die sich in dem Durchschnitt ihrer Arbeiten ausprägt, stehen jedenfalls hoch über der blutigen Abschlachtung, die sie in dem angeführten Artikel erfahren.

Unsere deutsche Silberwarenfabrikation bringt neben vielem Guten auch herzlich Schlechtes hervor, Arbeiten, die das eingangs angeführte verwerfende Urteil rückhaltslos verdienen. Aber ist das im Auslande vielleicht anders? Wer im Jahre 1900 in der Pariser Weltausstellung die berühmte französische Silberabteilung durchwanderte, dem konnte das Gähnen ankommen ob der aufgestapelten Masse interesseloser Dutzendware. Und daß damals deutsche Silberarbeiten mit der höchsten Auszeichnung bedacht wurden, ist gewiß auch nicht nur ein Akt von Höflichkeit gewesen. Wir wollen gewiß keine chauvinistische Selbstüberhebung. Aber sicher kann man ausländische Erzeugnisse in das ihnen gebührende Licht setzen, ohne ihnen durch unberechtigtes Anschwärzen der deutschen einen effektvollen Hintergrund zu verleihen. R. R.

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gutem Geschäftsgange recht empfindlich bemerkbar macht, teilweise mit den hohen Löhnen, die, wo Handarbeit ins Spiel kommt, den auswärtigen Wettbewerb bedeutend erschweren müßten, vornehmlich aber mit der Ergiebigkeit des Inlandmarktes, dessen weite Ausdehnung den Fabrikanten nicht zum Aufsuchen von neuen Feldern drängt. Dafür macht unseren Goldschmieden auch keine Einfuhr zu schaffen. Diese

ist nur in Schmuckteilen bedeutend, in echten und falschen Steinen und Perlen, wofür der amerikanische Markt dem Auslande noch lange sicher bleibt. In halbfertiger Ware, zumeist aus Deutschland bezogen, wie Damenketten ohne Beschläge, wird ein bescheidenes Geschäft gemacht, das aber dem Untergange geweiht zu sein scheint, da die einheimische Ware in diesem Zweige, begünstigt von dem mächtigen Zollschutze, bereits angefangen hat, die ausländische zu verdrängen. Die

STANDUHR UND LEUCHTER. Nach Entwurf von Walter Ortlieb, Architekt in Berlin.

diesen, fast ein halbes Jahrhundert lang unveränderten Umständen, die den amerikanischen Goldschmied mitsamt seinem Markte beinahe gänzlich von der Außenwelt abschlossen, ein eigener, ausgesprochen amerikanischer Schmuckstil entwickelt hätte, doch wäre eine solche Annahme irrig: es gibt in der Kunst keinen rein amerikanischen Geschmack, keinen rein amerikanischen Stil. So unerklärlich ist das nicht bei der Zusammensetzung unsrer Bevölkerung aus den verschiedensten Rassen und Mischungen und bei der fortwährenden großen Einwanderung. Der Fabrikant ist hier wie anderwärts zuerst Geschäftsmann, der das liefert, was verlangt wird, ehe er sich befleißigt, den Geschmack seiner Abnehmer zu verbessern oder auf einen besonderen Stil zu lenken. Das ist allerdings nicht sehr ideal, dafür aber recht bequem und vor allem geschäftsmäßig. Wer ein schönes Muster auf den Markt bringt,

findet Käufer, ganz einerlei, ob es stilrein oder stillos gehalten ist. Mit Ausnahme der feinsten Ware wird alles auf den Massenverkauf berechnet, deshalb ist auch der Mechaniker (Toolmaker), der gewöhnlich zu den bestbezahlten Arbeitern im Geschäft gehört, der erste, den man über Ideen zu neuen Mustern zu Rate zieht. Es gibt aber auch wahre Wunder von Werkzeugmachern, deren praktisches Auge, deren Geschick und Findigkeit eine Arbeitersparnis erzielt, die dem Uneingeweihten fast unglaublich vorkommt. Unstreitig ist das Kunstgewerbe hier mehr Gewerbe als Kunst, der Blick zuerst auf das geschäftlich Praktische und dann auf das Künstlerische gerichtet. Das mag aber anders werden, vielleicht schneller als man allgemein glaubt, obwohl es hier, wie in andern Ländern, Deutschland nicht ausgenommen, einen Überfluß von jenen wohlmeinenden aber schädlichen Leuten gibt, die dem Fortschritte im Wege stehen, indem sie in ihrem kurzsichtigen falschen Patriotismus ihr eigenes Land und alles, was dazu gehört, für das Schönste, Beste und Höchste halten, keinem Zweifel an seiner Vollkommenheit Raum geben und überhaupt nichts anderes gelten lassen. Es gibt aber auch viel vornehme Leute, und die sind auf der ganzen Welt gleich. Der anmaßende Schreier kann sie nicht beirren, sie wirken auf ihre

Art und gewinnen schließlich. In aufgeklärten und darum Vorurteilsfreien Kreisen ist man sich der Schwächen wohl bewußt, und die Erkenntnis, daß die Kunst im amerikanischen Leben bisher ungenügende Würdigung fand, läßt einen entschiedenen Umschwung voraussehen. Dem Zeichnen und Modellieren wird im Jugendunterricht zusehends mehr Aufmerksamkeit geschenkt und größere Wichtigkeit beigemessen. Kunstgewerbeschulen mit vorzüglichen Lehrkräften mehren sich, finden Pflege und gewinnen an Bedeutung und Einfluß. Notgedrungen muß dies das Schmuckgeschäft wohltätig berühren, denn sobald das geschulte Kunstverständnis nach entsprechendem Schmucke verlangt, werden Geschäftsinteresse und Künstlerehrgeiz zusammenwirken, um den Goldschmied auf edle Bahn zu leiten. Seit kurzem tauchen, bescheiden, doch immer bemerkbarer, Muster in dem modernen Stil der neuen Kunst auf, die gegenwärtig in Europa nach der Herrschaft strebt. Könnte dieser Stil hier Fuß fassen, so müßte dies der bisher arg vernachlässigten Emaillekunst zu gute kommen, doch wird es davon abhängen, wie er sich in Europa hält, denn in Sachen der Kunst ist Amerika noch nicht reif, einen großen Einfluß auszuüben oder ein gewichtiges Wort zu sprechen.

Goldschmiedearbeiten aus dem Pariser Salon 1903.

Von Dr. Heinrich Pudor.

Das Pariser Kunstgewerbe nimmt heute wie vor fünfzig Jahren innerhalb des europäischen Kunsthandwerkes eine hervorragende Stelle ein. Es kann gewiß nicht geleugnet werden, daß gegenwärtig in England, in den nordischen Ländern, in Deutschland und Österreich hervorragende kunstgewerbliche Leistungen zu verzeichnen sind. In einer Beziehung aber steht das Pariser Kunstgewerbe heute wie vor fünfzig Jahren und vor hundertfünfzig Jahren unübertroffen da: dies betrifft die Eleganz der Linie und die Grazie des Aufbaues, beides aber nicht konstruiert, sondern empfunden, als ob es zur Natur der betreffenden Künstler gehöre. Man braucht nur an einen Künstler wie

Robert in der Schmiedekunst zu erinnern, um die Wahrheit des aufgestellten Urteils zu erweisen. Die Befruchtung des europäischen Kunsthandwerkes durch Japan, welche in den meisten Ländern recht viel Unverstandenes oder schlechthin Nachempfundenes in der Produktion zur Folge hatte, selten aber die Originalitäten selbst ungeschwächt ließ, wurde in

Paris allein zu einer wirklich segensreichen. Während das englische Kunstgewerbe infolge eben dieser Beeinflussung den Charakter eines AngloJapanischen erhielt, blieb das Pariser Kunstgewerbe stets ein echtfranzösisches.

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SILBERGERÄTE IM EMPIRE-STIL

aus dem Werke Innenräume und Hausrat der Empire- und Biedermeier-Zeit in Österreich-Ungarn."

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