Page images
PDF
EPUB
[graphic][graphic]

servativismus gerade unserer vornehmsten und kaufkräftigsten Kreise. Sie hängen weniger am Guten Alten", sie können sich nur in der Mehrzahl nicht zu dem guten Neuen entschließen. So wird durch ihr Verhalten weniger eine gediegene Tradition gepflegt, als vielmehr dem Gange der kunstindustriellen Geschmacksentwickelung Steine in den Weg gelegt. Der großen Masse will man sich nicht anschließen, ein selbständiges künstlerisches Urteil ist in der Regel nicht vorhanden: So begnügt man sich damit, vornehm bei Seite zu stehen, und das Aparte, anstatt in der künstlerischen und technischen Qualität, in der Opposition gegen das Moderne zu suchen.

So ist es denn auch keineswegs als eine zwecklose oder unnötige Betrachtung anzusehen, daß man sich einmal über das Wesen der sozialen Geschmacksunterschiede klar zu werden sucht. Daß sie vorhanden sind, daß sie so unbe

stimmbar und unangreifbar sind, erschwert ohne Zweifel sowohl die Fabrikation wie den Verkauf von Schmuck ganz bedeutend. Vor allem erschweren sie das Aufkommen der Qualitätsware, die sich durch technische oder künstlerische Vollkommenheit auszeichnet. Denn in erster Linie muß bei dem Fabrikanten und Detailleur stets die Sorge stehen, den Geschmack seines Kundenkreises zu treffen. Es wäre wahrlich ein idealer Zustand, wenn dieser in der Hauptsache einheitlich wäre und den künstlerischen Zeitbestrebungen parallel ginge. Bis wir uns aber diesem Idealzustande nähern, muß noch ein gewaltiges Stück künstlerischer Volkserziehungsarbeit geleistet werden. Nicht die letzte Absicht der vorstehenden Betrachtung ist es, auf die enorme Wichtigkeit aller dahinzielenden Bestrebungen, auch für den Geschäftsgang unserer Industrie, hinzuweisen.

[graphic][merged small]

Die deutsche Goldschmiedekunst und die Presse.

In der Nummer vom 1. Januar der „Goldschmiede-Zeitung" hatten wir Gelegenheit genommen, uns mit einer Kritik der deutschen Silberschmiedekunst, die der Tagespresse entnommen war, zu beschäftigen. Heute schon können wir eine zweite ähnliche Äußerung registrieren, welche unsere moderne Juwelierkunst, und zwar speziell die deutsche, in Grund und Boden kritisiert. Ich muß sogar sagen, der Silberkritiker aus der „Leipziger Illustrierten Zeitung" war ein sehr sanfter Heinrich gegen den Kritikus der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung", mit dem wir uns heute beschäftigen müssen, und der sich in der Nummer vom 16. Dezember anläßlich einer Besprechung der Berliner LaliqueAusstellung hören läßt, wie folgt:

„Ich will bemerken, daß das Niveau der Goldschmieds- und Juwelierkunst von heute ein denkbar niedriges, jammervolles, ja geradezu ein barbarisches ist. (Nur, daß dem barbarischen Schmuck primitiver Völker meist mehr Geschmack innewohnt.) Ferner, daß sich der Juwelier damit begnügt, den geschliffenen Stein zur Schau zu stellen, indem er ihn in Silber oder Gold faßt, mehrere zu einer Ranke, vielleicht auch einer Blüte, einem Schmetterling, d. h. einem etwas, das man bei einiger Phantasie dafür halten könnte, zusammenfügt. Ringe und Broschen, Nadeln und Schließen zeigen ebensowenig Kunstformen von Bedeutung, ja nicht einmal auf den Gebrauch wird Rücksicht genommen. Es gibt für einen ästhetisch empfindenden Menschen nichts Bedrückenderes, als die Auslage eines heutigen Juweliers, und man muß nur einmal Silbersachen sich ansehen, um den hellen Schrecken zu bekommen über die Materialbehandlung und vor allem über die Ornamentierung. Was für Geschmacklosigkeiten selbst die ersten Geschäfte dir vorlegen, das kann sich deine unschuldige Phantasie gar nicht ausmalen.

Man wird zu dieser Bemerkung sagen, daß es dir noch nicht aufgefallen ist, daß gerade dieser Zweig des Kunstgewerbes so darniederliegt, aber man kann versichert sein, daß diese schwere Anklage nicht ohne Grund und Überlegung erhoben worden ist. Alten guten Schmuck sehen wir selten, und so ist man nun gewohnt, das Heutige eben hinzunehmen. Wer aber jemals Arbeiten Laliques gesehen hat, dem wird der Star gestochen, dem werden die Augen geöffnet über den Tiefstand unserer heutigen Juwelierkunst, die nicht mit dem Material zu wirken weiß, die keine Formen hat und so gedankenarm ist, wie ein ganzer Band lyrischer Gedichte." Also sprach Zarathustra . .

einmal auf den Gebrauch wird Rücksicht genommen". Hat denn dieser Herr Kritiker auch nur überhaupt eine Ahnung, was berücksichtigt werden muß, um ein Schmuckstück gebrauchsfähig zu machen? Sicherlich nicht, denn sonst würde er Respekt davor bekommen, mit welcher Umsicht und Sorgfalt gerade dieser Punkt in allen unsern bessern Werkstätten bedacht und behandelt wird. Sonst würde er wissen, welch eine Menge von Gebrauchsmustern und neuen Patenten Jahr für Jahr für das Schmuckgewerbe zur Erteilung kommt, die Zeugnis geben von der Geistesarbeit, welche die deutschen

NADEL,

Juweliere und Fabrikanten auf eine erhöhte Gebrauchsfähigkeit des modernen Schmuckes verwenden. Daß das künstlerische Niveau der heutigen Juwelierkunst ein „denkbar niedriges, jammervolles, ja geradezu barbarisches" sei, ist, man verzeihe mir das harte Wort, eine schlichte Unwahrheit. Sie steht heute höher, als sie seit hundert Jahren gestanden hat. Wir haben deshalb zwar keinen Grund, uns auf den Sessel unserer Zufriedenheit niederzulassen, und uns zu freuen, wie herrlich weit wir es gebracht haben. Aber viel weniger liegt Grund dazu vor, daß man das Schlechteste, was heute fabriziert werden muß, weil das Publikum es so und nicht anders haben will, neben die Arbeiten eines Lalique stellt, und daraus ein derart verächtliches Urteil konstruiert über ein ganzes Gewerbe.

Ich kann mir nicht versagen, durch einige Zitate die Fachkenntnisse unseres Gewährsmannes etwas ins Licht zu rücken: „Aus Silberfäden schafft er (Lalique) das Blattgerippe, mit braunem Zellenschmelz gießt er es hier und da aus" . . . . . Wie denkt sich der Herr das „Ausgießen mit Zellenschmelz"? Und weiter: „er liebt. . . Zellenschmelz, Emaillen, Flüsse" . . . . Wäre es nicht angebracht gewesen, der Herr hätte einmal einen Goldschmiedelehrling gefragt, der ihn darüber belehrt hätte, daß Zellenschmelz, Emaillen und Flüsse ein- und dasselbe sind?

Genug des Spottes, genug der Einzelheiten. Wenn wir nach dem Rezepte dieser „Besprechung" verfahren wollten, so würden wir dieses Elaborat etwa in Vergleichung setzen mit einer ästhetischen Betrachtung von Goethe oder Schiller, und würden zu dem Schlusse kommen, daß das Niveau der modernen deutschen Schriftstellerei ein „denkbar niedriges, jammervolles, ja geradezu barbarisches" sei. Wir sind nun nicht so. Wir wissen genau, das nicht die deutsche Schriftstellerei und Journalistik ist". Wir können nur wiederholen, was wir schon einmal sagten: Berechtigung zur Kritik hat nur der Wissende. Wer nichts weiß, der schweige, oder rede mit Bescheidenheit.

[graphic]

entw. von J. Preißler,
Pforzheim.

Aber nein, es ist wahrhaftig nicht zum Lachen. So etwas ist keine Kritik mehr, das ist eine Anmaßung. „Nicht

daß

[ocr errors]
[merged small][graphic][ocr errors]
[graphic][graphic][merged small][merged small]

„Der Schmuck ist eine natürliche Sprache, dem Nächsten von unsern Vorzügen bildlich zu berichten," sagt in treffender Weise Selenka in seinem Buch „Der Schmuck der Menschen". Genauer ausgedrückt, soll der Schmuck die Vorzüge der Person betonen und zur Geltung bringen. Der Armreif soll die volle Rundung des Oberarms betonen, der Gürtel soll vor der bedeutsamen Ausladung der Hüften des Weibes gleichsam einen Akzent schaffen.

Es ist kein Zweifel, daß diese Bedeutung des Schmuckes neuerdings in Vergessenheit gekommen ist. Der Schmuck wird heute entweder um seiner selbst willen, also um der Schönheit des Schmuckgegenstandes willen, oder gar um seines materiellen Wertes willen getragen, so daß man auch auf diesem Gebiete von einem Niedergang des Kunstschmuckes reden muß. Daher kommt es dann auch, daß gerade diejenigen Schmuckformen, die vorzugsweise geeignet sind, die Vorzüge des Weibes zu betonen, in Vergessenheit gekommen sind.

Bis auf die Ohrringe, die ja auch mit Recht immer mehr außer Gebrauch kommen, die Einsteckkämme und etwa noch das hier und da getragene Diadem, ist der Kopfschmuck, der gewiß zu den bedeutungsvollsten Schmuckformen gerechnet werden muß, in beklagenswerter Weise in Vergessenheit gekommen. Nur im Orient begegnet man noch verschiedenartigen Versuchen, Kopf und Gesicht zu schmücken. In Algerien werden noch heute goldene Ketten, die an den Haaren

befestigt sind und rings um das Gesicht herabfallen und die ovale Form desselben wirkungsvoll umrahmen, getragen. Diese Schmuckform dürfte allerdings für mitteleuropäische Länder kaum je wieder in Gebrauch kommen. Anders verhält es sich mit dem Stirnband (Stirnschnur), das von den Frauen am Himalaya noch heute getragen wird. Hierher gehören der Lorbeerkranz, die Herrscherkrone, die Tiara, das Diadem, die Mitra des persischen Herrschers, die Uräusschlange über der Stirn der ägyptischen Gottheit. Im Grunde liegt in allen diesen Fällen das Bestreben vor, die Stirn als den Sitz des Geistes, der Vornehmheit und des Adels hervorzuheben. Außerdem dürfte das Streben mitspielen, den Scheitel zu erhöhen, also den Teil oberhalb der Stirn, zum mindesten bei der Krone, Tiara, Mitra, dem Diadem und hier in Betracht kommenden Haaraufputzen der Indianer. Das Stirnband im engern Sinne soll aber die Stirnfläche, die oberhalb der unebenen Gesichtsteile Ruhe und Klarheit kündet, schmücken und wiederum gleichsam unterstreichen. Unzweifelhaft haben wir es hier mit einem sehr wirkungsvollen Schmuck zu tun. Ganz vereinzelt sieht man heute auch bei uns noch das Stirnband. Als Münzenkette in Dreiecken geordnet wird es in Ägypten getragen. Ein Beispiel für ein Stirnband aus der Renaissancezeit bietet uns Hans Burckmairs Heilige mit dem Kelch in der Berliner Galerie. Auch das Diadem verdient weit mehr Beliebtheit. Diadem und Stirnband würde freilich zu viel des Guten sein. Aber

[graphic]
[graphic][merged small]

es kommt eben auf die persön-
lichen Vorzüge an; bestehen diese
in einer besonders schön gestal-
teten Stirn, so ist das Stirnband
am Platze. Das Diadem eignet
sich dagegen nicht nur zur Her-
vorhebung der Vorzüge, sondern
auch zur Täuschung über etwaige
Mängel. Bei wem also die Kopf-
partie oberhalb der Stirn zu nied-
rig ist, der sollte und müßte ein
Diadem tragen, und da eben dies
bei den meisten Frauen der Fall
ist, sollten sie sich dieses sehr
wirkungsvollen Schmuckes weit
mehr bedienen. Bei unsern Vor-
fahren, den Nordländern, war das
Diadem in Form eines etwa drei
Zentimeter hohen Goldreifes oder
vielmehr Halbmondes weit ver-
breitet. Heute noch wird in Is-
land der Skautafaldur, eine Art
goldener Helm getragen, der dem-
selben Zwecke dient. Ein inter-
essantes Beispiel eines Scheitel-
schmucks bietet das weibliche
Bildnis von Botticelli in der Ber-
liner Galerie. Längs des über
die Mitte des Kopfes gelegten
Scheitels führt hier eine Kette
aus aneinander gereihten Steinen,
die dem Kopfe ein Aussehen von

[subsumed][merged small][graphic][merged small]
[graphic][graphic][subsumed][merged small][merged small][merged small][graphic][merged small][merged small][merged small][merged small]
« PreviousContinue »