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ABB. 4. SPORTPREIS, HAMMERARBEIT. ENTWORFEN UND AUSGEFÜHRT VON GORHAM & CO.

WELTAUSSTELLUNG ST. LOUIS.

es doch selbstverständlich unmöglich, billige Massenware anders als auf maschinellem Wege herzustellen. Für die maschinelle Vervielfältigung ist das wichtigste Werkzeug die Stahlstanze, für deren Herstellung wieder eine eigene große Abteilung in einem imponierenden

Raume reserviert ist. So viel ich zu beobachten vermochte, wird alles direkt ins Gesenk gearbeitet. Die amerikanischen Stahlgraveure leisten im allgemeinen Vorzügliches, und die Pressungen sind hervorragend scharf und präzis.

Wenn es sich um schwierige Darstellungen künstlerischer Art handelt, werden die Gesenke auf der Reduktionsmaschine hergestellt, von welchen mehrere aufgestellt

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sind. Um das Arbeiten dieser Maschine möglichst zu beschleunigen, ist an derselben eine besondere Vorrichtung für den Fall angebracht, daß das zu bearbeitende Modell nicht sich der Kreisform nähert sondern länglich ist. Bekanntlich laufen an der Reduktionsmaschine Führ- und Schneidstift in Kreisen; sie eignet sich deshalb auch am besten zum Bearbeiten von kreis- und scheibenförmigen Stücken, z. B. von Medaillen. Ist das Muster schmal und länglich, so laufen die Stifte immer eine Zeitlang leer, und am meisten, solange die äußeren Enden bearbeitet werden. Man hat nun eine Vorrichtung konstruiert, welche bewirkt, daß die Maschine immer nur solange in einer Richtung läuft, als der Führstift über die wiederzugebende Form gleitet; sobald er über dieselbe weggegangen ist, und also der Schneidestift leer läuft, geht die Maschine zurück und geht so immer hin und her, jeweils nur ein Kreissegment beschreibend. Dadurch wird der von der Maschine zu beschreibende Weg bedeutend verkürzt und ebenso die Zeit, welche sie zum Schneiden eines Modelles braucht. Zu diesem Zweck sind an der Rückseite der Maschine, an der Welle, welche den Führstift bewegt, zwei verstellbare Hebel angebracht, welche durch Anstoßen an eine Hemmung der Umdrehung der Welle an einem bestimmten Punkte Einhalt tun und die rückläufige Bewegung der Maschine veranlassen. Auf solche zeitsparende Vorrichtungen an Maschinen wird in Amerika ein besonderer Wert gelegt.

Um den gewaltig ausgedehnten, vorzüglich organisierten maschinellen Betrieb

ABB. 5.

KANDELABER, „ATHENISCHER STIL". ENTWORFEN UND AUSGEFÜHRT VON GORHAM & CO. WELTAUSSTELLUNG ST. LOUIS.

der Firma zu schildern, wird es praktisch sein, zunächst beim Rohmaterial zu beginnen.

Das Silber wird in Barren angekauft als sogenanntes Sterling Silver, also mit einem Feingehalt von 925/000 fein. Das Schmelzen erfolgt in mächtigen Tiegeln von durchschnitlich 40 cm Höhe. Der Silberverbrauch von Gorham Mfg. Co. im letzten Geschäftsjahre betrug in der Providencer Fabrik: 2 767 390 Unzen (à 2 Lot), in der Neuyorker Fabrik: 74 784 Unzen. Wahrhaft gewaltige Maschinen sind zum Walzen der Barren aufgestellt, und diese Abteilung (The Preparatory Department) macht wohl den tiefsten Eindruck auf den Besucher. Die größte Silberwalze ist 36 Zoll breit; sie macht 30 Umdrehungen in der Minute und walzt Silberbleche in der Breite von 28 Zoll, also von mehr als 3/4 m Breite. (S. Abb. 6.) Wie mein Führer mir erzählte, kommt es ab und zu vor, daß auch Goldarbeiten in einer Größe hergestellt werden, daß man das Blech auf dieser Walze herstellen muß. In dem Moment,

ABB. 6.
BEI GORHAM & CO.

SILBERWALZE

in dem ich den Walzraum besuchte, befanden sich in demselben 16 Tonnen Silber. Neben den verschiedenen Walzen stehen andere Maschinen, welche das Blech in lange und schmale Streifen und dann in Planchen zerschneiden, aus denen Besteck- und Geschirrteile gefertigt werden. Große Lasten solchen roh zugerichteten Arbeitsmateriales sind überall zu sehen. In dem gleichen Raume stehen in langer Reihe die automatischen Fallwerke, 24 an der Zahl, mit Hämmern von den verschiedensten Gewichtsabstufungen; der schwerste von allen hat ein Gewicht von 2500 (amerikan.) Pfunden. Die Fallwerke in diesem Raum sind mit einem sieben Fuß starken Granitfundament unterlegt, das 5000 Dollars kostete. Zeitweise herrscht hier von dem unaufhörlichen Arbeiten so vieler Fallwerke ein betäubender Lärm. Besonders interessant ist

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es, die Löffelfabrikation hier zu sehen, die an einer Reihe leichterer Maschinen betrieben wird. Diese sind so aufgestellt, daß die Aushauer, Löffelwalzen und Fallwerke der Reihe nach nebeneinander stehen und dann das Arbeitsstück von Hand zu Hand, von Maschine zu Maschine wandert, bis es fertig ist: erst die Rohform in dickem Blech in kleinerem Maßstabe ausgehauen, dann auf der Löffelwalze zugleich gestreckt und gebogen, dann aufgetieft und in verschiedenen Phasen fertig gepreßt. Eine Maschine und ein Arbeiter arbeiten dem nächsten so in die Hände, daß keine Minute Zeit verloren geht. In Massen, in mächtigen Stapeln sind hier die roh gepreßten Hälften von Tee- und Kaffeegeschirren, die dazu gehörigen Deckel, Teller und Platten aufgehäuft. Nebenan werden auf Maschinen die Stangenblöcke für Löffel-, Tellerund Plattenstangen abgesägt, dort werden die fertigen Gesenke am Grund poliert, mit Rädchen aus Bimsstein. Der gewaltige Raum ist ganz erfüllt von dem Schwirren, Surren und Dröhnen der verschiedenen Arbeitsapparate.

Zwei besondere Säle oder Hallen sind für die Gießerei eingerichtet; in dem einen wird ausschließlich Silber gegossen, und zwar Stücke und Arbeiten, die sich entweder aus technischen Gründen zum Pressen nicht eignen, oder die nur in wenigen Exemplaren hergestellt werden sollen. In dem zweiten Saal ist eine ganz selbständige Abteilung, die Bronzegießerei, untergebracht. Dies ist ein verhältnismäßig neues Departement, das seine Entstehung dem Bedürfnis der Firma verdankte, in dem eigenen Betriebe Bronze- und Messinggüsse für seine Erzeugung von Kirchengeräten, die sehr umfänglich ist, herstellen zu können. Seither hat die Gießerei sich zu einer Denkmalsgießerei von bedeutendem Umfange entwickelt. In dem Augenblick meines Besuches war man gerade mit den Vorbereitungen zu dem Gusse mächtiger Portale beschäftigt, wovon ein Flügel 2000 amerikanische Pfund wog. Auch werden viele Bauornamente in Kupfer gegossen, die in der Farbe der Patinierung sorgfältig nach dem Gebäude gestimmt werden, zu dessen Schmuck sie dienen sollen. Umständliche und kostspielige Versuche werden nicht gescheut, um die richtige Farbe herauszubekommen; als Vorbilder dafür dienen besonders Pariser Bronzen, welche von der Firma eigens zu Studienzwecken angekauft wurden. Neben den genannten waren in dem Gießerhause auch eben die Arbeiten im Gange zum Gusse einer überlebensgroßen Denkmalsfigur. Das ist ein weiterer Zweig einer Tätigkeit der Gorham Mfg. Co., die nach unseren Begriffen wenig zum Betrieb einer Silberwarenfabrik zu passen scheint. Der Vorstand der Gießerei, ein geborener Franzose, zeigte uns die Vorrichtung, welche getroffen ist, um bei großen Güssen der Gefahr des Berstens der Tiegel zu entgehen: die Gießgrube ist unterirdisch angelegt, so daß auch im schlimmsten Falle einer eigentlichen Gefahr vorgebeugt ist.

Ein Beispiel der hier erreichten Gußleistungen zeigt Abb. 1: eine überlebensgroße Kolumbusstatue in Silber, die s. Zt. auf der Weltausstellung in Chicago figurierte.

Wieder öffnet sich auf unserem Rundgange eine weite Halle vor uns, in der sich unseren Blicken zunächst hauptsächlich Messingarbeiten zeigen, zum Teil von sehr großem Umfang. Wir sind in der Abteilung für kirchliche Kunst, in der vorwiegend das genannte Material verarbeitet wird. Gegossene Leuchterfüße sehen wir auf der Drehbank, um abgedreht zu werden. Altarkreuze, Altarleuchter, Becher, Schalen, Wandarme und anderes mehr ist in allen Stadien der Vollendung zu sehen. Bemerkenswert ist die wuchtige, kraftvolle Gravierung, die mit besonderer Vorliebe als Zierat angewendet wird, und überhaupt die strenge, ruhige Formensprache, in welcher alle diese Stücke gehalten sind. Die bei uns so beliebten gotischen Formen sieht man weniger; das meiste ist in einem etwa den einschlägigen Arbeiten der romanischen Das Kunst entsprechenden Stile gehalten. (Vgl. Abb. 7.) Interessanteste in dieser Abteilung ist die Herstellung kirchlicher Figuren. Diese werden vollrund geschnitten, auf dem

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Skulptograph, einer Maschine, welche auf dem Prinzip des Storchfußes basiert. Es wird eben nach einem im Besitz der Firma befindlichen, etwa halblebensgroßen Originale ein Madonnenfigürchen in Elfenbein geschnitten. Der Führstift ist an einer langen Schiene verstellbar befestigt. Der Arbeiter führt ihn mit der Hand über die Originalfigur von unten nach oben wiederholte Male, bis der Schnitt des Schneidemeißels vollkommen tadellos ist. Da die Bewegung zwangläufig ist, kann mit vollkommener Sicherheit gearbeitet werden. Dann wird Führ- und Schneidestift proportional etwas verstellt, und die Arbeit geht weiter. Vollrunde Figuren bis zu sechs Fuß Höhe werden so in Holz, Elfenbein und andere gewünschte Materialien geschnitten, und zwar so genau, daß immer nur ganz geringe Nachhilfen von der Hand notwendig sind. Durch Umtausch der beiden Stifte kann man auch Vergrößerungen ausführen, die freilich weniger vollendet ausfallen.

Kehren wir wieder zur Silberwarenfabrikation zurück. Durch einen Raum, in dem zahlreiche Dreh- und Ovaldrehbänke zum Drücken des Silberbleches in Tätigkeit sind, gelangen wir zu den Räumen und Apparaten für Vergoldung und Silberplattierung. Zu letzterem muß bemerkt werden, daß die Gorhamwerke auch Neusilber (sog. German Silver) fabrizieren, zu dem als Basis, wie bekannt, sog. Nickelsilber, eine sehr harte Komposition, benutzt wird. Die Dynamos zur Erzeugung des elektrischen Stromes sind in einem besonderen Raume im Erdgeschoß untergebracht und stehen unter der Leitung eines erfahrenen Ingenieurs. Von hier aus geht der elektrische Strom zu den Räumen, wo das Neusilber hergestellt, wo die Silberware vergoldet wird, und wo eine besondere Spezialität der Gorhamwerke, Fayencearbeiten und Gläser mit Silber, montiert wird. Diese Gegenstände sind ja viel zu zerbrechlich, als daß ein vollkommenes Überziehen derselben mit einem durchbrochenen Silbermuster fabrikmäßig sich darauf anwenden ließe. Man überzieht deshalb diese Gefäße meist Arbeiten der bekannten Rockwood pottery zunächst ganz

mit Silberstaub und hängt sie dann in das galvanische Bad, wo sie unter automatischer Hin- und Herbewegung vollkommen mit einem Silberniederschlag überzogen werden. Dann wird das Muster aufgezeichnet und die Konturen durchgeätzt. Die Durchbruchstellen lassen sich dann sehr leicht, schon mit dem bloßen Finger, herausnehmen. Das stehenbleibende Beschläg wird überall mit dem Polierstahl angedrückt, an den Rändern verschnitten und nach Bedarf graviert, oxydiert und poliert. Auch ein zweites Verfahren wird angewendet, bei welchem nur das in Silber darzustellende Muster mit einer Lösung aufgemalt wird, welche ein festes Haften des Silberniederschlages auf den betreffenden Flächen bewirkt. Diese Art, keramische oder Glasgefäße mit Silber zu beschlagen, wird auch in Deutschland, namentlich von Berliner Firmen, gepflegt. Nur ist es dort meistens das Glas, welches als Unterlage dient, bei Gorham meistens die Rockwood pottery.

Das Brünieren des Silbers wird von Männern und Frauen besorgt, die alle in einem Raume vereinigt sind. Für gewisse, leicht zu behandelnde, billige Ware ist eine Brüniermaschine da, die ich allerdings nicht im Betriebe sehen konnte. Es sind an dieser Maschine eine ziemliche Anzahl Brünierstühle eingespannt, die automatisch auf- und abbewegt werden. Sie wird namentlich zum Brünieren von Messerklingen und dergl. verwendet.

3 große Räume umfassen die Polierwerkstätten, wo abweichend von dem deutschen Gebrauch, meistens Männer beschäftigt sind. 2 der Räume polieren nur Silber, indem dritten erhält die Neusilberware ihre letzte Vollendung. Auf Politur, auf ihre tadellose Ausführung und Schönheit wird hier sehr viel gegeben. Wie dies in der modernen Großindustrie üblich ist, sucht, auch die Gorham-G. Reparaturen und Hilfsartikel in eigenem Betriebe auszuführen. Demgemäß finden wir eine große, maschinentechnische Abteilung, eine umfangreiche Schlosserei, eine große Schreinerei und Etuimacherei. Ein Erzeugnis der letzteren ist in Abb. 11 dargestellt.

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Noch zwei kleinere Spezialabteilungen sind zu erwähnen, die für Emailmalerei und für die Bijouterieherstellung. Sie sind beide verhältnismäßig wenig umfangreich und spielen keine wesentliche Rolle im Betrieb; sie werden aber weiter geführt, da doch immer einzelne Aufträge der berühmten Firma zugehen, welche sie aus Geschäftsinteressen nicht abweisen will. Der Chef der Emailabteilung ist häufig auswärts, um in Auftrag gegebene Emailporträts an Ort und Stelle nach der Natur zu malen. Er zeigte mir sehr gediegen ausgeführte Emailarbeiten, von denen mir besonders eine Art ihrer ganz modernen Ausführung wegen auffiel: Es waren Sportdarstellungen in ganz einfachen Flächen mit kräftig betöntem Umriß ausgeführt, die lebhaft an gewisse moderne englische Künstlerlithographien erinnerten.

Endlich ist auch noch ein sogen. closed shop da, eine Geheimwerkstätte für solche Arbeiten, deren Anfertigung aus irgend welchen Gründen nicht bekannnt werden soll. Dieselbe beschäftigt 25 besonders vertrauenswürdige Arbeiter.

Den Schluß unseres Rundganges bildete das Lager fertiger Ware, das so recht einen Begriff von der großartigen Produktion der Gorham Mfg. Co. gab. Da war es besonders instruktiv, den Unterschied zu beobachten zwischen der Ware für den breiteren Massengeschmack und der für gewähltere Käuferkreise: Die erstere allgemein reich mit Ornamenten versehen, mit stark modellierten Blumen und andern Einzelheiten verziert-, unter Umständen auch über

ABB. 7. ALTARKREUZ.

rungslöffel, in großer Auswahl und in den verschiedensten Mustern vertreten sind, darf nicht unerwähnt bleiben.

Neu herausgebrachte Serien in Bestecken und Tafelgeschirren werden gerne mit Namen versehen, die in einem allerdings meist nur losen Zusammenhange mit dem künstlerischen Muster oder verwendeten Motiven stehen: So „The Versailles models", "The Mythology models", „The Paris spoons" und andere mehr. Um den Käufer dafür zu interessieren, gibt die Firma illustrierte Erläuterungen heraus, in welchen Ansichten, z. B. von Versailles und Paris, vereinigt sind mit Abbildungen der betreffenden Muster (vergl. Abb. 10.), und deren Text kunstgeschichtliche Beschreibungen der Orte und Motive enthält, an welche die Ornamentik der hierher gehörigen Silberware erinnern soll. Bei der Eigenart des amerikanischen Käufers darf man der Versicherung meines Führers, daß hierdurch schon bedeutende Abschlüsse vermittelt wurden, jedenfalls glauben. Diese Veröffentlichungen sind aber keineswegs mit gewöhnlichen Katalogen zu vergleichen; ihre Ausstattung ist eine sehr gediegene, teilweise luxuriöse zu nennen. Als Papier

laden. Die letztere ist ABB. 8. TEE-SERVICE, IN HANDARBEIT AUSGEFÜHRT WELTAUSSTELLUNG ST. LOUIS.

meist in dem sogen. Kolonialstile gehalten oder in der Art des englischen, glatten Silbers. Hier sind schwungvolle Profile, fein bewegte Linien, schön angesetzte Henkel und Angüsse und vor allem eine wundervolle Politur zu bewundern. Als Besonderheiten sind auch die ganz von Hand getriebenen Hammerarbeiten sowie einige gehämmerte Kupferkassetten mit Silberbeschlägen zu erwähnen. Ein vollständiger ,,Satz" für ein Tafelbesteck umfaßt 105 einzelne Stücke. Neue Muster werden von der Firma meist in dieser Anzahl angefertigt. Daß hier auch eine in Amerika besonders beliebte Spezialität, die Souvenir-Spoons, die Erinne

ABB. 9. TEE-SERVICE IN INDISCHEM STIL. SILBERARBEITEN DER GORHAM CO.

ist schweres Büttenpapier verwendet, die Illustrationen sind vielfach in Licht- oder Kupferdruckmanier ausgeführt. Auch wo Autotypie gewählt ist, wird durch Verwendung wechselnder, aparter Illustrationsfarben eine effektvolle Wirkung erstrebt. Kurz, man fühlt überall das deutliche Bestreben, dem Renommee der Firma nicht nur durch den Inhalt sondern auch durch die Ausstellung dieser Publikationen zu dienen.

Auch über ihre Beteiligung an der Weltausstellung in St. Louis hat die Gorham Mfg. Co. ein vornehm ausgestattetes kleines Werkchen herausgegeben, dem die Abbildungen No. 2, 3, 4, 5, 8 entnommen sind. Merkwürdige und interessante Stücke sind der Prunkschreibtisch und der Stuhl (Abb. 2 und 3), welche beide nicht unter dem Namen der Firma sondern unter dem Namen des Mr. Codman, des künstlerischen Leiters derselben, in der Abteilung für Kunstarbeiten ausgestellt waren. Die Anregung zur Anfertigung dieser Stücke ging von der Firma aus,

welche ihren künstlerischen Direktor beauftragte, ohne Rücksicht auf Kosten und Ver

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käuflichkeit einen Entwurf zu fertigen, mit dessen Ausführung der raffiniertesten Technik Gelegenheit gegeben werden sollte, sich zu betätigen. Dementsprechend ist das Grundmaterial Thujaund Ebenholz; die Ornamentation, die sich in reicher Fülle über die Einzelteile der Möbel ausbreitet, besteht aus eingelegtem Silber, Elfenbein, Buchsbaumholz und Perlmutter. Höchste Handwerkskunst und verschwenderischer Luxus haben sich zur Schaffung dieser beiden Ausstellungsarbeiten vereinigt.

Das riesenhafte Industrieunternehmen, über dessen Tätigkeit im vorstehenden ein flüchtiger Überblick gegeben wurde, begnügt sich nicht mit rein geschäftlichen Erfolgen. Mehr als man sonst in Amerika zu sehen gewohnt ist, sorgt sie auch für das Wohl ihrer Angestellten und Arbeiter. Es ist für diese ein eigenes Kasino da, mit mächtigen Speisesälen Bibliothek, Erholungs- und Spielräumen aller Art. Außerdem existiert auch eine Sparbank und ein durchgebildetes Pensionssystem. Gute und bewährte Arbeiter, welche durch

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monatlich je ein Prozent für jedes Dienstjahr von seinem Höchstgehalt. Die gewährte Pension darf jedoch den Höchstbetrag von 1000 Dollars im Jahre nicht überschreiten.

Die Gorham Mfg. Co. verkauft ihre Erzeugnisse teils in eigenen Verkaufsläden in Neuyork, teils sind dieselben in allen besseren Juwelierläden der Vereinigten Staaten zu finden. Geschützt durch den Hochschutzzoll gegen auswärtige Konkurrenz, getragen von der Gunst eines kaufkräftigen und stets wachsenden Abnehmerkreises, unablässig bestrebt, künstlerisch und technisch auf der Höhe zu bleiben, hat das Unternehmen einen Umfang und eine Organisation erhalten, welche eine ausführliche Schilderung in einem Fachblatte wohl rechtfertigen mag.

Die Entwicklung der Pforzheimer Bijouterie-Industrie in den letzten drei Jahrzehnten.

Von Walter Richter, Sekretär der Handelskammer in Pforzheim.

Die unheilvollen Folgen der Krisis werden uns auch durch die Zahlen der beim Pforzheimer Amtsgericht während der Jahre 1876-79 eröffneten Konkurse drastisch vor Augen geführt; dieselben betrugen: 1876: 65, 1877: 117, 1878: 77, 1879: 61.

Von den Arbeitern, welche durch die Krisis beschäftigungslos geworden waren, wandte sich ein großer Teil, sei es vorübergehend, sei es dauernd, anderer Tätigkeit zu. Als ein großes Glück für den Bezirk erwies sich dabei der Umstand, daß viele Bijouteriearbeiter auf dem Lande leben und neben ihrem Arbeitsverdienst noch eine andere, wenn auch bescheidene Erwerbsquelle im Betriebe der Landwirtschaft besitzen; ohne diese Beihilfe würde die Not viel empfindlicher zutage getreten sein, als es ohnehin schon der Fall war. Eine weitere Folge des Geschäftsrückganges war die Auswanderung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitern; die Zahl der während der Jahre 1876 bis 1880 aus Pforzheim und Umgebung ausgewanderten Arbeiter der Bijouteriebranche wurde von der Handelskammer auf rund 700 beziffert, unter ihnen befand sich eine große Anzahl, welche jenseits des Meeres die Arbeit und den Erwerb zu suchen beabsichtigte, welche sie in der Heimat nicht mehr fand. Nach und nach bekam aber diese Auswanderung einen andern, sozusagen epidemischen Charakter; viele von denen, welche sich nach Amerika wandten, taten es nämlich nicht, weil es ihnen in Pforzheim an Brot fehlte, sondern weil sie auf Grund glänzender Berichte von drüben hofften, sich dort eine leichtere und angenehmere Existenz zu verschaffen; zu bedauern war dabei, daß sich unter diesen Elementen manche tüchtige und geschätzte Arbeitskräfte befanden, deren Abgang namentlich mit Wiedereintritt günstiger Geschäftsverhältnisse äußerst schwer empfunden werden mußte, zumal sie dazu beitrugen, daß binnen wenigen Jahren viele Bijouteriewerkstätten und -Fabriken in Nordamerika neu entstanden. Hierdurch wurde wie nebenbei bemerkt sei der schon vorher infolge des Schutzzolles (damals 25 Prozent vom Wert) nicht sehr bedeutende Absatz von Pforzheimer Bijouteriewaren nach Nordamerika noch mehr reduziert.

Wie schwer und nachhaltig im allgemeinen die Pforzheimer Bijouterie-Industrie unter der Krisis der 70er Jahre zu leiden hatte, gelangte darin zum Ausdruck, daß Jahre vergingen, ehe die Schädigung ausgeglichen wai, bezw. die frühere

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Der 1. Januar 1888 ist für die Fabrikation von Bijouteriewaren als ein Wendepunkt anzusehen. An diesem Tage trat das Gesetz betreffend den Feingehalt von Gold- und Silberwaren vom 16. Juli 1884 in Kraft, wodurch zum ersten Male für das Gebiet des ganzen Deutschen Reiches die Fabrikation solcher Waren auf eine rechtliche Grundlage gestellt wurde. Die in diesem Gesetz festgelegten Grundsätze sind folgende: 1. Trennung in der Behandlung von goldenen und silbernen Geräten von den Schmucksachen;

2. Anwendung eines besonderen, vom Bundesrate bestimmten Stempels zur Bezeichnung eines Minimalgehaltes für die goldenen (585/000) und silbernen (800/000) Geräte und Verbot der Feingehaltsstempelung minderhaltiger Geräte;

3. Zulässigkeit, aber nicht Verbindlichkeit der Angabe des wirklichen Feingehaltes bei Schmucksachen von Gold oder Silber für jeden Feingehalt;

4. Ausführung der Stempelung durch den Fabrikanten bezw. Verkäufer;

5. Verantwortlichkeit des Verkäufers, sowie desjenigen, welcher die Stempelung ausführte, für die Richtigkeit der Angabe nach Maßgabe strenger Strafbestimmungen. Der dem Reichstage von den verbündeten Regierungen vorgelegte Entwurf zu diesem Gesetze enthielt in § 2 ganz allgemein die Bestimmung, daß auf Silber waren der Feingehalt nur in 800 oder mehr Tausendteilen, auf Gold waren nur in 585 oder mehr Tausendteilen angegeben werden dürfe. Diese Bestimmung, namentlich soweit sie auf Goldwaren Be

zug hatte, rief in den Zentren der Schmuckwarenfabrikation (Pforzheim,

Hanau und Schw. Gmünd) einen lebhaften Widerspruch hervor. Man war der Ansicht, daß wenn für Schmucksachen aus Gold ein Minimalgehalt von 585/000 vorgeschrieben würde, ein Interesse, minderhaltigere Waren, die sich den höheren Feingehalten sehr nähern können, noch herzustellen, nicht mehr vorhanden sei. Die gute Mittelware würde also einen schlechteren Charakter notwendig annehmen müssen; denn würde kein Unterschied von der allerbesten Ware an bis zur allergeringsten Sorte mehr gemacht, so kämen für das Publikum die Abstufungen in den Mittelwaren nicht mehr in Betracht. Gerade in diesen Waren aber bestehe der eminente Vorzug, den die deutsche Industrie jeder ausländischen Konkurrenz gegenüber besitze. Dieser Erfolg würde durch Feststellung einer Grenze für hohen Feingehalt und die damit verbundene Verdrängung der Mittelware vollständig gefährdet werden. Den vereinten Bemühungen der Pforzheimer, Hanauer und Gmünder Bijouteriefabrikanten, besonders aber der aufopfernden Tätigkeit des Pforzheimer Agitationskomitees (bestehend aus den Herren: Albert Wittum, C. W. Meier, Emil Schlesinger, Fritz Dillmann, Th. Kraft und Ph. Kästner)

ABB.10. EINE SEITE AUS DEM KATALOG „THE PARIS SPOON" VON GORHAM & CO.

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gelang es durch sachkundige Belehrung der Mitglieder der betreffenden Reichstagskommission und anderer einflußreicher Parlamentarier, die Ablehnung der Bestimmung des Gesetzentwurfs, betreffend Minimalgehalt der Schmucksachen, herbeizuführen. Es sei noch erwähnt, daß sich für Festsetzung eines Minimalgehalts bei den Schmuckwaren damals höchstens 1/7 sämtlicher deutscher Schmuckwarenverfertiger (und zwar hauptsächlich solche, welche für den Export arbeiteten) erklärt hatten; dies konnte ja auch gar nicht anders sein, da speziell in sogenannten Mittelwaren (unter 585/000) zur Zeit der Beratung des Gesetzentwurfs im Reichstag der Wert der Produktion dreimal so viel betrug als der ganze Wert hochkarätiger Waren. Man mag über die Festsetzung von 585/000 als Minimalgehalt für goldene Schmuckwaren denken, wie man will, die Tatsache wird als unwiderlegbar bestehen bleiben, daß in unserm Vaterlande die Zahl derer, welche sich hochkarätige Waren leisten können, überaus gering ist. Ein Vor

teil würde den Fabrikanten von hoch

karätigen Waren aus der gesetzlichen Einführung oben erwähnten Minimal

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gehaltes also kaum erwachsen.

(Schluß folgt.)

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den Geschlechter werden davon trotz allen Fortschritts kaum eine Ausnahme machen, haben sie das Bedürfnis gefühlt, sich zu schmücken. Woher mag dieses Bedürfnis stammen? Es liegt, wie Hermann Barth in dem soeben erschienenen, anregend geschriebenen Bändchen „Das Material des Schmuckes" ausführt, darin, daß auch der Schmuck eine Sprache allgemeiner verständlich als die eigentliche Lautsprache ist. Und zwar ist der Schmuck eine Bildersprache. Die Schmucksachen sollen allesamt ausdrucksvolle Sinnbilder, Symbole für gewisse Gedanken sein. Sie sollen ein Mitteilungssystem sein, wodurch die Umgebung auf unsere Vorzüge aufmerksam gemacht wird. Warum bezeichneten die klarschauenden Hellenen mit dem Wort Kosmos, das Ordnung bedeutet, und das Anaxagoras in den Begriff Weltordnung umprägte, den Schmuck? Barth meint, weil er gesetzmäßig ist und unveränderlichen Normen unterworfen ist. Die Norm aber ist die menschliche Gestalt. Der Schmuck ist durch die menschliche Gestalt in seiner Struktur motiviert, muß, wenn er richtig

sein will, durch sie gerechtfertigt werden. Daher seine universale Übereinstimmung. An die natürliche Richtung und Gliederung des Körpers muß sich der Schmuck anschließen,

ABB. 11. BESTECKKASTEN, ANGEFERTIGT BEI GORHAM & CO.

den Normen des Körpers richtig angepaßt sein, sie markieren, hervorheben, ihnen wenigstens nicht widersprechen, Schönheitsmängel aber verdecken. Der Kopf und die fleischigen Teile werden dabei mehr festanliegenden Schmuck verlangen, die Gelenke dagegen weichen und lockeren, um die Beweglichkeit nicht zu hemmen. Behang- und Ringschmuck sind deshalb die beiden ursprünglichsten Schmuckarten. Die geschmückten Körperteile sollen durch den Schmuck gewinnen. Durch das Halsband erscheinen die weichen Formen der Schulter und des Halses wohlgefälliger. Der goldene Gürtel wiederum grenzt die Bedeutung des beweglichen edlen Oberkörpers günstig gegen den Unterkörper ab. Der enge Gürtelreif zeigt die Taille schwellender und fester, der lockere wahrt mehr den Charakter der Schlankheit und Beweglichkeit. Reife am nackten Oberarm lenken den Blick auf die Schwellung des Muskelfleisches; ein runder, starker Arm

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