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ABB. 1. SILBERGEGOSSENE COLUMBUS-
STATUE. 6 FUSS 1 ZOLL HOCH. MO-
DELLIERT VON BARTHOLDI, DER GUSS
AUSGEFÜHRT VON GORHAM & CO.

Von R. Rücklin.

Natürlich liegt sie in Amerika, wie fast alles, was den Titel führt: The greatest in the World". In Providence, der Hauptstadt des Staates RhodeIsland, des kleinsten der amerikanischen Bundesterritorien, liegt in der Vorstadt Elmwood, umgeben von Anlagen, Rasengründen und Gehölz, eine riesenhafte Fabrikanlage. Das ist die Hauptfabrik der Gorham Manufacturing Compagnie, einer Firma, die in Tafelsilber und Neusilber etwa ein Achtel des Gesamtbedarfes von Amerika produziert. Was wir hier sehen, ist noch nicht alles; die Compagnie besitzt noch in Neuyork ein mächtiges Verkaufshaus und Fabrik mit 700 Angestellten; die Fabrik in Providence beschäftigt deren 1700, so daß also die Gesamtziffer des Personals der Firma sich auf 2400 durchschnittlich beläuft. Die Fabrikräume in Providence bedecken einen Flächenraum von mehr als 20 000 Quadratmeter eine Riesenfläche, die noch eindrucksvoller wird, wenn man sich vergegenwärtigt, daß im Jahre 1831 der Gründer der Firma, der alte Jabez Gorham, sein Geschäft in einem kleinen, einstöckigen Häuschen eröffnete.

Man kann sagen, daß die Produktion der Gorham Compagnie typisch und maßgebend ist für die amerikanische Silberwarenfabrikation überhaupt. Ich darf daher wohl annehmen, daß für unsere Leser ein Bericht über den Geschäftsbetrieb und die Arbeitsweise dieser Firma von Interesse sein werde, die ich gelegentlich meiner Reise nach St. Louis zweimal unter sachkundiger Führung zu besuchen Gelegenheit hatte. Zuerst sei eine kurze Darstellung der amerikanischen Geschmacksrichtung für Silberware gestattet.

Jedermann, der die Ergebnisse der Weltausstellung von Chicago verfolgt hat, wird sich der Überraschung erinnern, welche damals das amerikanische Gold- und Silberwarengewerbe uns bereitete. Man fand in ihren Erzeugnissen so viel Ungewohntes, Überraschendes, ja Originelles und künstlerisch Bedeutsames, daß man an das Aufkommen eines national-amerikanischen Kunststiles dachte, ja daß davon gesprochen wurde, Amerika scheine dazu berufen zu sein, uns Angehörige der altweltlichen Kultur von der Herrschaft der alten Stile zu erlösen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, die Ansätze zu einer national-amerikanischen Geschmacksrichtung gerade in unserer Branche haben sich nicht weiter entwickelt. Was heute bei Gorham, überhaupt in der amerikanischen Silberwarenindustrie gearbeitet wird, ist wieder ganz in das Fahrwasser der französischen Königsstile, der Kunst des 18. Jahrhunderts, gekommen, mit einer neuerdings hervortretenden Vorliebe für klassisch-strenge Formen und für eine nähere Anlehnung an den Colonial style, diesen amerikanischen Ableger des englischen Queen Anne-Stiles. Aber dieses letztere ist mehr für künstlerische Feinschmecker; die große Masse der Käufer zieht eine reiche Spätrenaissance-Ornamentik allem andern vor.

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ABB. 2 U. 3. PRUNKSCHREIBTISCH U. -STUHL, ENTWORFEN VON MR. CODMANN, AUSGEFÜHRT VON GORHAM & CO.

WELTAUSSTELLUNG ST. LOUIS.

Wir dürfen daher auch bei Gorham nicht erwarten, moderne Bestrebungen in unserem Sinne vertreten zu finden. Wohl aber kann man mit Recht überrascht sein, zu sehen, mit welchem Nachdruck, mit welchem Aufgebot von Mitteln und Opfern hier künstlerische Ziele innerhalb der einmal eingeschlagenen Geschmacksrichtung verfolgt werden, wie sehr man gerade um den künstlerischen Ruf der Firma besorgt ist, und wie man sich eine entsprechende Ausbildung des jungen Nachwuchses angelegen sein läßt.

Wenn auch, wie selbstverständlich, alle Hilfsmittel der modernen Maschinentechnik, wenn auch Dampfkraft und Elektrizität in den ausgedehnten Arbeitsräumen der Firma in jeder erdenklichen Weise in Anspruch genommen und ausgenützt werden, so ist das maßgebende Prinzip für ihre Anwendung doch immer mehr die Unterstützung der künstlerischen und freien Handarbeit als die Verdrängung derselben, und jedenfalls muß man sagen, daß die Handarbeit eine sehr große Rolle in der Gesamtfabrikation spielt.

Die Zeichenabteilung es sind mehrere große, helle Ateliers da, unter einem eigenen künstlerischen Direktor arbeitet mit allen erdenklichen Vorbildern und Hilfsmitteln. Da ist eine große Bibliothek mit englischen und ausländischen Vorbilderwerken, darunter sehr kostbare Stücke; der Gesamtwert dieser künstlerischen Fachbibliothek wird auf 25000 Dollar angegeben. Sie ist aber nicht nur zur Benützung für die bei der Firma angestellten Künstler vorhanden, sondern für die gesamte Arbeiterschaft in deren freier Zeit, und sie wird gut besucht. Außer der Bibliothek hat die Gesellschaft auch für eine plastische Vorbildersammlung, für ein großes Fachmuseum gesorgt, das in der Nähe der Zeichenabteilung aufgestellt ist. Da sind Abgüsse, Gravierarbeiten, geschnitzte Elfenbeinstücke, alte und neue Silberarbeiten, Beispiele künstlerischer Keramik und Bronze und was sonst noch zum Vorbilde dienen kann. Diese allmählich zusammengebrachte und ständig vermehrte Sammlung enthält auch die charakteristischen und größeren Arbeiten der Gorham Compagnie selbst. Da steht ein riesiger Tafelaufsatz in Silber, der auf der Weltausstellung von Chicago Aufsehen erregte, aber nicht verkauft wurde. Jetzt behält ihn die Firma zum Andenken. Ferner stehen auch die Urmodelle von besseren Mustern hier. Für solche wird nach dem Entwurf resp. Modell ein durchgeführtes Stück in Silber angefertigt, in sorgfältigster Handarbeit. Dieses wird abgeformt, ein Pfaff gemacht, und dieser in Stahl gesenkt, der dann zur Fabrikation benutzt wird.

Was in der Zeichenabteilung besonders auffällt, das sind die teilweise kolossalen Dimensionen der in Arbeit befindlichen Entwürfe, namentlich der Platten und Tafelaufsätze. Da wird der Entwurf zu einem Tafelaufsatz gefertigt, etwa 11⁄2-2 m hoch, eine packende, schneidige Komposition. Der junge Künstler, der daran arbeitet, hat das Reißbrett wagrecht gestellt und liegt darauf wie auf einem Sofa, je nach Bedarf darauf herumrutschend. Und Aufträge zu solchen Aufsätzen kommen, wie mir mitgeteilt wurde, beinahe alle Wochen an die Firma!

Neben dem Zeichenatelier, das sozusagen den Anfang aller Fabrikation repräsentiert, existiert auch ein eigenes Photographenatelier der Firma, das man als den Schlußpunkt ihrer produktiven Tätigkeit ansehen kann. Ein eigens angestellter Photograph arbeitet hier in einem geräumigen, vollkommen ausgestatteten Atelier; er fertigt von jedem fertig gewordenen, neuen Mustern Aufnahmen an in so vielen Ansichten, als notwendig sind, um jede Einzelheit der Ausführung zu zeigen. Er hat, durch seine lange Tätigkeit unterstützt, sich eine große Gewandtheit und Sicherheit gerade in der Kunst, Aufnahmen von Silberarbeiten anzufertigen, erworben. Bekanntlich bietet das, vermöge des starken Glanzes und der vielen Reflexe des Silbers, besondere Schwierigkeiten. Diese Aufnahmen dienen als bequemes Musterlager, als Vorbilder für zu schaffende Neuheiten, und zugleich ergeben sie das Illustrationsmaterial für die Veröffentlichungen, welche

die Firma von Zeit zu Zeit erscheinen läßt, und von denen weiterhin noch die Rede sein wird.

An die Zeichenateliers schließen sich die Räume für die Modelleure an. Hier werden alle diejenigen Entwürfe, die sich nicht dazu eignen, direkt nach dem Entwurf in Metall ausgeführt zu werden, erst plastisch aufgebaut und durchmodelliert, auch die Gußmodelle angefertigt, deren der Betrieb bedarf. In einem besonderen, abgeschlossenen Atelier arbeitet der Figurist der Firma, ein aus Deutschland gebürtiger Bildhauer, der zugleich Lehrer für den Abendunterricht im Modellieren an der Kunstgewerbeschule in Providence ist. In seinem Atelier entstehen Reliefs und Rundfiguren jeden Maßstabes, bis zu Lebensgröße. Solche größere Figuren werden besonders in der Abteilung für kirchliche Kunst und in der Gießerei gebraucht.

Nunmehr tun sich gewaltige Räumlichkeiten, Säle von riesigen Abmessungen vor dem Beschauer auf: Wir betreten die Abteilung für Treiben, Ziselieren und Gravieren. In langen Reihen, je zu zwei an einem großen Fenster, sitzen die Künstler und Arbeiter; jeweils zwischen zweien springt ein Lichtschirm vor, um halbe Beleuchtung abzuhalten. Hier zeigt es sich, in welch' hohem Maße die Handarbeit gepflegt wird. Schalen, mächtige Platten und ähnliche Stücke sind in Arbeit, die ganz durch Hammerarbeit aufgezogen und hergestellt werden. Daneben werden gedrückte Gefäße mit der Schnarre bearbeitet, um die Ornamente aufzutiefen, Hammer und Punzen tun ihr Werk, um die feinere Durchbildung zu leisten. Es wird flott und kraftvoll getrieben; an der einheitlichen Durchbildung merkt man, daß eine ständige, zielbewußte, künstlerische Leitung vorhanden ist. Außer der schon erwähnten, historischen Ornamentik sieht man auch naturalistisch behandelte Arbeiten, Blumenstücke von auffallend starker Modellierung. Selbstverständlich ist es, daß die Firma auch auf die Käuferkreise von weniger geschultem Geschmack Rücksicht zu nehmen hat, und daß demgemäß auch Muster von mehr kuranter Komposition und derber Durchbildung getrieben werden. Jede Abteilung hat ihren „Vormann", ihren verantwortlichen Leiter, der die Verteilung und Ablieferung der Arbeit wie auch die Korrektur der Arbeitenden zu besorgen hat. Junge Leute und Lehrlinge sehen wir in seiner Nähe und unter seiner besonderen Obhut arbeiten; der Besucher sieht mit Überraschung, daß sie Übungs- und Studienarbeiten machen, in der Abteilung für Ziseleure beispielsweise große Treibarbeiten in Kupfer; die Aufsicht, die Leitung und Korrektur über diese Studienarbeiten liegen jeweils dem Vormann der betreffenden Abteilung ob. Wir erfahren, daß Ziseleure 5, die Lehrlinge der anderen Branchen 4 Jahre zu lernen haben, und daß die Firma ihnen den mangelnden Besuch einer Fortbildungs- oder Gewerbeschule in der angegebenen Weise ersetzt.

Besonders beachtenswert ist bei den Gravierarbeiten die kraftvolle, wuchtige Führung des Stichels; überhaupt sind große und reiche Gravierarbeiten zu sehen, und es ist eine Freude, zu beobachten, wie die edle Technik des Grabstichels hier gepflegt wird. Monogrammgravierungen habe ich verhältnismäßig wenig gesehen. Für Löffel und Besteckteile werden vielfach gestanzte Monogramme verwendet, die nach Wunsch und Bestellung in der passenden Stilart auf den dafür freigelassenen Raum des Griffes aufgelötet werden. Sehr häufig wird billigere gravierte Ware auch durch Stanzen mit gravierten Gesenken fabriziert. In der Graveurabteilung sind auch eine Anzahl weiblicher Arbeitskräfte tätig, welche damit beschäftigt sind, mit Borstenpinseln Ornamente und Muster sorgfältig und genau auf silberne und Fayencegefäße aufzutragen, resp. mit einem schützenden Überzug zu decken, die dann entweder zu weiterer Bearbeitung in die Emaillierwerkstätte gehen oder auf elektrischem oder chemischem Wege geätzt werden sollen.

So groß auch die Anzahl der Künstler und Kunsthandwerker in den Werkstätten der Gorham Mfg. Co. ist, so ist

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