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Ich habe eine alte Freundin, von der ich mich immer wundere, warum sie noch nicht entdeckt ist. Sie führt in Beschaulichkeit ein etwas stilles Dasein mit beschränkter Tätigkeit, während doch mindestens Professor Koch allen Grund dazu hatte, sie zu entdecken. Es ist sogar unverantwortlich, daß er ihrer niemals erwähnte bei allen BazillenÜbertragungstheorien. Ich meine die Zuckerzange, die so unpopulär geworden ist. Und doch hatte sie einst gutes Hausrecht bei unseren Großeltern, die nichts von Bazillen wußten!

Es begegnet mir oft, daß am Kaffeetisch stark verschnupfte Leute sich des Taschentuches bedienen und gleich nachher mit den Händen in den Zucker greifen. Biete ich ihnen mit freundlichstem Lächeln eine Zuckerzange an, so blicken sie angstvoll auf das Mordinstrument in meinen Hän

den und fragen: „Muß man das gebrauchen?" Ganz höfliche Menschen nehmen ihren abgeleckten Teelöffel, aber die Technik, eine Zuckerzange zu benutzen, ist niemand mehr geläufig.

Am unangenehmsten ist es in Hotels und Pensionen, in der Nähe von Ausschlagkranken und Tuberkulösen.

Man sollte wirklich Kinder von klein auf an den Gebrauch der Zuckerzange gewöhnen!

Und welche Kunstwerke schufen unsere Voreltern mit den Zuckerzangen, welche herrlichen Arbeiten aus alter Zeit sind uns erhalten, und welche Meisterwerke moderner Goldschmiedekunst ruhen heute, wenig begehrt, in den Lagern! Und dabei wird immerfort von allen möglichen Bazillen und Ansteckungsgefahren doziert, indes die unterschiedlichsten Leute in der Zuckerschale umherkramen! Wir sind eben doch zuweilen unmoderner als unsere Großeltern.

Ein offener Brief an die Damenkundschaft der Goldschmiede.

Chemisches Laboratorium

Dr. Hans Braun.

Berlin W. 57, Steinmetzstr 49., den 12. Oktober 1904.

Sehr geehrte gnädige Frau!

Vor allen Dingen muß ich tausendmal um Verzeihung bitten, daß ich es wage, diese ausschließlich an Sie gerichteten Zeilen zu veröffentlichen, bevor sie an Ihre Adresse gelangt waren. Der Goldschmied, von dem Sie Ihre Goldwaren und Geschmeide zu entnehmen pflegen, hat mir vor einigen Tagen wieder einmal sein Herz ausgeschüttet. Er erzählte mir, Sie, geehrte gnädige Frau, hätten ihm die Kundschaft gekündigt, weil ein kürzlich gekaufter Ring die zarte Haut Ihrer schönen Hand schwarz gefärbt habe. Schwarz, wie mit Tinte beschmiert, soll der schöne Ringfinger ausgesehen haben. Schwarz ärgern könnte man sich darüber! Ich pflichte Ihnen vollkommen bei, meine Gnädige. Wenn sich doch aber alle chemischen Probleme so leicht und einfach erklären ließen, wie gerade diese Erscheinung des Schwarzwerdens der Finger beim Tragen goldener Ringe.

Wollen Sie mir gestatten, etwas weit auszuholen. Es dürfte bekannt sein, daß man in den am wenigsten bemitteltenKreisen des Volkes, welches Gold nur dem Namen nach oder von den Auslagen großartig ausgestatteter Juwelierläden her kennt, Ziergegenstände, Amulettes oder sonstige abergläubische Abzeichen aus Messing oder Kupfer zu tragen pflegt. Die Finger, die längere Zeit mit einem solchen Kupfer - oder Messingring in Berührung gewesen waren, das Ohrläppchen, welches man mit einem solchen Universalmittel gegen alle

die letzte Art des geformten Edelmetalles ist ungemein beliebt, hat aber auch schon viel Kummer und Elend bereitet, besonders wenn es bei den richtigen Gelegenheiten nicht vorhanden ist.

Ich sehe, während ich dieses schreibe, Ihre zustimmenden Mienen! Edelmetalle unterscheiden sich von Schwermetallen (man

nennt sie auch unedle Metalle) durch ihr Verhalten gegen die Einflüsse der Luft und ihrer Bestandteile. Schwermetalle oxydieren sehr leicht, d. h. sie setzen Rost oder Grünspan an. Edelmetalle werden an der Luft nicht verändert. Allerdings macht das Silber eine Ausnahme, auch das beste, chemisch reine Silber läuft an der Luft an, färbt sich zuerst braun, später schwarz. Diese Färbung beruht ebenso wie beim Kupfer auf der Bildung der Schwefelverbindung.

„Also Gold darf niemals schwarz werden das habe ich mir ja gleich gedacht, und so habe ich es auch gewußt. Ich freue mich, dieses aus Ihrem Munde bestätigt zu hören." So höre ich Sie im Geist mir entgegnen. Damen haben immer recht. Auch hier muß ich Ihre Ansicht vollständig bestätigen. Chemisch reines Gold wird an der Luft niemals schwarz. Leider wird aber chemisch reines Gold

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der Goldschmied nennt es Feingold - zur Herstellung von Schmucksachen niemals verarbeitet. Es ist zu weich. Ich möchte es beinahe vergleichen mit dem Blei, welchem man schon ohne große Kraftanstrengung, sogar mit einem stumpfen Gegenstand tiefe Eindrücke beibringen kann. Darf der Elfenbeingriff Ihres Sonnenschirmes, gnädige Frau, Spuren auf Ihren Ringen hinterlassen? Nimmermehr!

TOILETTE FÜR REIFERE FRAUEN. PHOTOGR.: BECKER & MAASS.

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zugeben. Feinmetall bezeichnete man mit 24 Karat. Ein 22karätiges Gold besteht aus 22 Teilen Goldund 2 Teilen Kupfer, während ein 8 karätiges Metall in 24 Teilen nur 8 Teile Edelmetall aufweist.

Es gibt zwei Dinge, die leicht zu beschädigen und zu verletzen sind, die Ehre und das Gold. Schon durch den geringsten Zusatz an Schwermetall büßt das Gold seine Lauterkeit ein. Bei Gegenwart von Kupfer, übrigens auch schon von Silber, verliert das Gold seine Eigenschaft, den Einflüssen der Luft Widerstand zu leisten. Das in dem Metallgemisch enthaltene Gold bleibt zwar unverändert, die Dunkelfärbung von Goldgegenständen beruht lediglich auf der Bildung von Schwefelkupfer, und dieses verändert die Farbe des Ringes.

Und nun muß ich noch ein drittes Thema berühren. Wenn in der Küche die Messingbeschläge am Herd geputzt werden, so kann man, ob hierbei Putzpomade verwendet wird oder nicht, beobachten, daß der Polierlappen sich schwarz färbt. Diese Dunkelfärbung beruht darauf, daß die durch

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Dieses eine Mittel besteht lediglich gnädige Frau, ich spreche durchaus nicht etwa im Interesse Ihres Goldschmiedes, sondern aus Überzeugung im Einkauf einer besseren Ware. Bei Ringen mit höherem Goldgehalt wird das Abfärben in dem Maße verschwinden, wie der Goldgehalt steigt.

Weiter können Farbenveränderungen von Goldgegenständen eintreten bei der Einwirkung verschiedener Chemikalien, die enthalten in Arzneimitteln, als Bestandteile von medizinischen Bädern, von Haarfärbemitteln, von Puder oder Schminke, von dem Körper auf das Gold übertragen werden. Doch gehören diese Erscheinungen zu den Seltenheiten. Überhaupt ist das Schwarzwerden der Finger weniger häufig zu beobachten als das Schwarzwerden anderer Goldwaren, wie Ketten, Armbänder. Dies ist lediglich aber auf mechanische Einflüsse zurückzuführen. Der Ring ist am Finger beständiger Reibung ausgesetzt, wird also nicht anlaufen in einem Zeitabschnitt, da eine Kette schon längst einen dunklen Anflug zeigt, welcher sichtbar bleibt, weil er nicht abgetragen" wird. Am augenfälligsten kann man dies an goldenen Uhrgehäusen beobachten. Wird die Uhr getragen, so bleibt das Gehäuse blank, bewahrt man sie aber einige Monate im Etuis auf, ohne sie zu tragen, so wird das Gehäuse bald sein schönes Aussehen verlieren.

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MODERNE DAMENUHREN.

den Druck abgeschliffenen Metallteilchen sich im Tuch festsetzen. Die Dunkelfärbung des Putzlappens wird bei der Bearbeitung eines stark verunreinigten Messingstücks bedeutend größer erscheinen, als beim Putzen blanker Metallteile. Wieviel Metall auch durch gelindes Reiben schon abgescheuert wird, haben Sie, gnädige Frau, gewiß schon an Ihren hellen Blusen bemerkt, für welche Sie eine lange Fächerkette zu tragen pflegen.

Das Schwarzwerden der Haut beim Tragen von goldenen Ringen beruht auf genau denselben Erscheinungen und Umständen. Das auf dem Ring gebildete Schwefelkupfer wird durch die Haut nach und nach abgerieben, um dort haften zu bleiben. Sitzt der Ring nun sehr fest auf dem Finger, so bleiben nach dem Waschen der Hand Feuchtigkeit, vielleicht auch noch Spuren von Seife zurück. Kupfer aber kann alles andere eher vertragen als die dauernde Berührung mit organischer Substanz. Der Oxydationzprozeß, dem das Kupfer unterworfen ist, greift immer weiter um sich, der schwarze Streifen auf dem Finger wird immer deutlicher.

Es ist also ein durchaus natürlicher Vorgang, der bei einem Ring nur durch ein Mittel vermieden werden kann.

Und nun noch eins, gnädige Frau, bitte, bitte, keine Klagen mehr über das Schwarzwerden von Goldwaren oder das Abfärben von Ringen und Ketten. Meine Bitte geht aber auch noch weiter, und ich hoffe, gnädige Frau, keine Fehlbitte zu tun. Ich weiß es ganz genau, daß Sie den Verdacht nicht mehr in sich aufsteigen lassen, daß Gold- und Silberwaren, die nach einiger Zeit schwarz werden, aus mangelhaftem Material hergestellt seien. Die Ehre des Goldschmiedes ist eben so leicht verletzbar und empfindlich wie Feingold.

Ich verbleibe

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Renaissance

Aus Diebeners Monogrammwerk.

MODERNE DAMENUHREN.

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Modern

Aus Diebeners Monogrammwerk.

Der Brautschmuck der Caterina Cornaro.

Wenn auch die gedankenlose Nachahmung alter Schmuckformen hoffentlich ein für allemal einen überwundenen Standpunkt darstellt, so ist doch gerade die gegenwärtige Zeit zu der Erkenntnis durchgedrungen, daß nicht das Studium des Alten an sich der lebendigen Entwickelung des Gegenwartstils gefährlich ist. Ja, man darf sagen, niemand, der sich verächtlich über das Vergangene äußert, wird jemals imstande sein, das Gegenwärtige recht zu verstehen. Denn das,

was wir historischen Stil zu nennen gewöhnt sind, ist die Formensprache der verschiedenen Zeitabschnitte. Das Kopieren der alten Formen wird immer gleichbedeutend bleiben mit dem Versuch, etwa heute noch mittelhochdeutsche Ge

dichte zu schreiben oder sonst eine altertümelnde treiben.

Spielerei zu

Verkehrt wäre es indessen, sich nicht in die Formenwelt der Vergangenheit vertiefen zu

wollen, um daraus erhöhtes Verständnis für die Arbeitsweise der Gegenwart zu gewinnen. Mangelndes Verständnis für die Veränderung der Arbeitsweise, vor allem die mangelnde Rücksicht auf die Veränderungen des Werkzeuges, haben zunächst so viele miẞverstandene Nachbildungen schöner alter Stücke ins Leben gerufen. Beim Schmuck besonders erkennt das Laienauge sehr schnell die Nachahmung daran, daß das moderne Werk

keit des Materials. Studiert man Schmuckstücke, die von Malern an Bildnissen aus der alten Zeit dargestellt sind, so ist dabei naturgemäß der Fall nicht ausgeschlossen, daß der Maler die zeichnerische Form verschärft und verfeinert haben könnte. Im allgemeinen wird indessen mit bewundernswerter Treue die Eigenart der Arbeitsweise des Goldschmiedes wiedergegeben.

BILDNIS DER CATERINA CORNARO.

zeug des Goldschmiedes viel exakter, viel präziser arbeitet, als das seines Vorgängers. Unendlich viel von dem unerschöpflichen Reiz alter Schmuckstücke entspringt aus der Hilflosigkeit des Werkzeuges, aus dem größeren Gegensatz zwischen Wollen und Können, der hier zu überbrücken war. Etwas vom Kindheitsalter der Menschheit lebt noch in dieser anstrengenden, mühevollen Arbeitsweise und das, was uns daran anspricht, ist oft das kindlich Rührende in seiner Verschmelzung mit dem zähen Wollen, das Herr wird über die Sprödig

Es läßt sich darüber streiten, ob der Geschmack der Zeitgenossinnen des Tizian ganz allgemein geläuterter und vornehmer gewesen sei, als derjenige der Gegenwartsfrauen. Wenn man den Schmuck der Caterina Cornaro, jener Venezianerin betrachtet, die zum Stolze ihrer Vaterstadt Königin von Cypern wurde, so wird man zugeben, daß die Pracht, mit der sie angetan ist, trotz des Reichtums an Schmuckformen

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unge

mein vornehm bleibt, daß diese Tochter einer Republik sehr weit davon entfernt ist, den leisesten. Stich ins Protzenhafte zur Schau zu tragen. Bewunderung erregt vor allem das verständnisvolle Aussparen der Effekte. Wie fein nimmt sich diese Krone mit ihren wirkungsvoll eingestellten Perlen, ihren an die absolut richtige Stelle gesetzten Steinen aus! Dann die Durchbildung des allgeliebten Akanthusblattmotives in der Krone! Die geschickte Verbindung des pflanzlichen Motives mit einem frei erfundenen Linienspiel!

Des Studiums wert und der Ausnutzung in Fachkreisen zugänglich ist die Verbindung der Stickerei mit Goldschmiedearbeit am Rande des Überkleides. Wohl wird in den sog. Inkrustationen der modernen Schneiderei ein ähnlich enges Zusammengehen zweier Techniken erstrebt, aber der enge Zusammenschluß des intimeren gegenseitigen Verständnisses ist doch noch nicht erzielt. Eingehendes Studium verdienen die über die Ärmel gelegten Armbänder und die Brosche.

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Karl Kaltenbach & Söhne, Silberwarenfabrik, Altensteig (Württbg.).

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