Page images
PDF
EPUB
[graphic]

wohin sie gehört, bei den neuzeitigen Arbeiten im Museum der dekorativen Künste. Er erwähnt ferner das bekannte Buch von Eudel,,Die Fälscherkunst", deutsch bearbeitet von Bruno Bucher, das über die Fälschungen aus allen Gebieten des Kunsthandwerks Aufschluß gibt und eine Unzahl amüsanter Erzählungen von Fälschungen enthält. Was er uns aber enthüllt, sind interessante neue Tatsachen, die zeigen, welche Wege gewisse Fälscher heute einschlagen, um harmlose Laien und, wenn sichs machen läßt, mit Vergnügen auch gut unterrichtete Kenner zu betrügen.

Der Held seiner Schilderungen ist vielen Museen und Sammlern bekannt geworden; Herr Dr. Brinckmann nennt seinen vollen Namen, wer sich für ihn besonders interessiert, mag in bezeichnetem Heft nachlesen. Für unsere Ausführungen ist seine Person belanglos.

zu trauen, als unserer persönlichen Überzeugung, aber auch nie zu glauben, nun wüßten wir alles und seien hieb- und schußfest, sondern weiter zu lernen mit ernstem Bemühen an jedem Tage.

Die Händler benutzen jede nur mögliche Vorsicht bei ihrem Geschäft, so daß sie selbst in den schlimmsten Fällen kaum faßbar sind. Entweder sie enthalten sich jedes Urteils, oder sie verkaufen mit der ausgesprochen persönlichen Überzeugung der Echtheit und der Bereitwilligkeitserklärung, den Gegenstand zurückzunehmen, falls das Gegenteil bewiesen würde. Mit der letzteren Geschäftspraxis haben sie selten Pech. Der Käufer ist felsenfest von der Echtheit überzeugt und mißtraut jedem Zweifler. Anderseits sind Fälschungen zumeist sehr schwer nachweisbar, und gibt es auch wenige Leute, die geneigt sind, rücksichtslos und unbarmherzig einen Sammler aus der Glückseligkeit seines Glaubens zu reißen und sich selbst ohne persönliches Interesse in eine schwierige Lage zu versetzen. Wird aber ein Händler nach Feststellung der Unechtheit eines Stückes angehalten, den Gegenstand wieder zurückzunehmen, so wird er sich in den meisten Fällen darauf berufen, daß von ihm niemals das Alter des Gegenstandes angegeben worden sei, daß dem Käufer es gar

CAKESDOSE ODER BONBONNIÈRE IN KAYSERZINN“, AUSGEFÜHRT

VON J. P. KAYSER SOHN, KREFELD.

Brinckmann äußert in bezug auf die geschilderten Fälle:,,Offenbar stehen uns noch weitere Erfahrungen bevor, wenn Staatsanwalt und Gerichte nicht endlich ein Einsehen haben." Fast jede größere Stadt besitzt Leute dieser Art, die in aller Ruhe ihr unlauteres Geschäft ausüben. Häufig wurde die erstaunte Frage aufgeworfen, wie es möglich sei, daß solch offenkundiger Betrug straflos bleibe. Brinckmann beantwortet diese Frage dahin:,,Wer vorsichtig und unterrichtet genug ist, sich den Schwindel vom Halse zu halten, freut sich dessen und fühlt sich nicht legitimiert, die Veranstalter vor die Gerichte zu bringen; wer aber betrogen worden, sei es in seiner Eigenschaft als Vorsteher eines Museums, sei es als privater Sammler, schämt sich in den meisten Fällen des öffentlichen Eingeständnisses seines Irrtums, schweigt und verspricht sich, das nächste Mal vorsichtiger zu sein.“

,,In besonders schreienden Fällen wird sich durch strafrechtliches Vorgegen wohl ein Exempel statuieren lassen, im allgemeinen aber darf man davon nicht viel erwarten, so lange das Fälschen an und für sich so wenig strafbar ist wie das Lügen. In der Praxis erscheint der wirkliche Fälscher zumeist als ein ebenso harmloser und unangreifbarer Gesell wie jener Odessaer Goldschmied, dem das Louvre-Museum die goldene Tiara verdankt. Man hat ja nur nach schönen alten Vorbildern oder auf Bestellung nach gelieferten Entwürfen neue Kunstwerke geschaffen, ohne daran zu denken, jemand könne so schlecht sein, diese arglistig als Altsachen auf den Markt zu bringen. Dieser jemand aber hat, wenn er gefaßt wird, die Sachen irgendwo gekauft im Vertrauen auf ihre Echtheit, ist dieses Vertrauen zu beschwören bereit und versichert, wenns ganz schief geht, harmlos, er sei ja kein Kenner, sondern selbst ein Betrogener, er habe gutgläubig die von ihm für alt gehaltenen Sachen als solche weitergegeben."

Brinckmann nennt als einziges Mittel, sich gegen die Fälscher und ihre Bundesgenossen zu schützen: mehr zu lernen, mehr zu wissen als diese; der unser eigenes Urteil einschläfernden,, Garantie der Echtheit" nicht mehr

BLUMENVASE
AUS KAYSERZINN",
AUSGEFÜHRT

VON J. P. KAYSER SOHN.

nicht möglich sei, ihm nachzuweisen, daß er ihm den Gegenstand als so und so alt bezeichnet habe. Das trifft in der Tat in den meisten Fällen zu. Der Verkäufer weiß geschickt die Fragen nach Alter und Herkunft der Sachen zu umgehen. Ein eigener großer Phrasenschatz steht ihm in seinem Bemühen, sich einer Festnagelung zu entziehen, zu Gebote. ,,Ich kann nur sagen, was ich weiß," sagt er. ,,Ich habe den Gegenstand da und da gekauft.",,Ich verstehe das nicht so genau." ,,Ich würde den Gegenstand für das und das halten." „Ich kaufe und verkaufe; ich kann hineinfallen und Sie können hineinfallen."

Auf die dringliche Frage, ob er den Gegenstand als echt verkaufe, wird achselzuckend der Händler erwidern:,,Was verstehen Sie unter echt? Wenn Sie fragen, ob der Gegenstand aus der und der Zeit stammt, so kann ich nur sagen, davon verstehe ich zu wenig. Ich bin nicht dabei gewesen, als er gemacht wurde." Wird der Händler gedrängt, doch wenigstens zu sagen, woher er ihn habe, so wird er stets Gründe genug haben, daß er es nicht sagen dürfe. Entweder ist er zur größten Diskretion verpflichtet worden, oder er schützt geschäftliche Interessen vor. Allergünstigen Falles macht er geheimnisvolle Andeutungen, die scheinbar auf eine einwandfreie Stelle hinweisen, die sich ja aber jeder auslegen mag, wie er will.

Und man mag sich ärgern darüber es läßt sich nicht leugnen, daß dem Händler mit allen seinen Reden, mit allen seinen Winkelzügen von seinem Standpunkte aus Recht gegeben werden muß. Selbst bei einwandfreien Erwerbungen ist der Händler selbst nie sicher. Altsachen werden eben nicht seit einem Jahrzehnt, sondern schon seit einem

[graphic]
[graphic]

FRUCHTKÖRBE AUS „KAYSERZINN", AUSGEFÜHRT VON J. P. KAYSER SOHN, KREFELD.

halben Jahrhundert, ja auf manchen Gebieten schon seit mehr als hundert Jahren gefälscht. Der Erwerb aus altem Familienbesitz ist deshalb noch lange kein untrüglicher Beweis der Echtheit. Wenn aber der Händler durchaus seine Quellen nicht verraten will, so handelt er eben nur in Wahrung seiner sicherlich berechtigten Interessen.

Bei vorsichtigen Händlern wird also der Nachweis eines Betruges nie gelingen.

Daß es kein Mittel gibt, sich absolut vor Fälschungen zu schützen, beweist die Tatsache, daß kein Museum der ganzen Welt von Fälschungen frei geblieben ist. Das einzige, was geschehen kann, und was in Museen jetzt geschieht, ist, daß nachgewiesene Fälschungen aus den Sammlungen verbannt werden, und daß so allmählich ein Reinigungsprozeß herbeigeführt wird. Neuerdings hat man sich aber mit der schlichten Verbannung der Stücke nicht begnügt, sondern zu Nutz und Frommen der Sammler in den großen Museen Abteilungen der Fälschungen eingerichtet. Man ist sogar an einzelnen Orten so weit gegangen, die Stücke mit genauer Beschreibung zu versehen, in denen mit vollem Namen und

voller Adresse die Verkäufer, das Datum, der Preis usw. genannt werden.

Die Museen sind aber immer noch besser daran als die privaten Sammler, die selten und oft niemals erkennen, wie sie betrogen wurden. Erst die Erben erfahren davon, wenn die hinterlassenen Sammlungen zur Veräußerung gelangen. Dann aber ist es zu spät, und der Verkäufer, auch wenn er bekannt, ist nicht mehr zu fassen. Die trauernden Hinterbliebenen sind von dem hohen Werte der Gegenstände und der bedeutenden Sachkenntnis des Verstorbenen gewöhnlich jedoch so felsenfest überzeugt, daß es nutzlos wäre, sich in diesem Sinne zu äußern, ja daß man sich leicht dadurch der Gefahr aussetzen könnte, des Mangels an Zartgefühl und Takt bezichtigt zu werden. Besonders unangenehm gestaltet sich die Aufgabe der Aufklärung, wenn es sich nicht etwa um einzelne Stücke, sondern um große Mengen von angeblichen Altsachen handelt.

Es würde hier zu weit führen, alle die Praktiken, Schliche und Umwege zu schildern, deren sich die Fälscher und Händler bedienen. Dem Harmlosen sei aber gesagt, daß sich

[graphic][merged small]

auf kaum einem anderen Gebiete so viel Scharfsinn, Talent, Erfindungsgabe, so viel Fleiß und Studium kundgegeben hat, als auf diesem. Von der Anzahl der Fälscherwerkstätten, oft mit großem Betriebe, macht sich kaum jemand einen Begriff, und kleine verborgene Fälscherstuben existieren überall auf der Welt, die gefahr- und straflos ihr Unwesen treiben können. Und woher kommt es, daß so viele Werkstätten, daß so viele tüchtige Kräfte sich in den Dienst eines unlauteren Gewerbes stellen? Wer hat diesen Zustand verschuldet, der eine Verseuchung der Wissenschaft, eine Pflanzstätte des Mißtrauens bedeutet? Die Schuld liegt in dem einen Wort: ,,Antiquitätenwut". Das Fälschergeschäft hat stets geblüht, seitdem Altertümer gesammelt werden, und es blüht naturgemäß heutzutage ganz besonders üppig, da das Sammeln allgemein Mode, man kann sagen, ein Sport geworden ist. Man frage sich doch selbst, wo alle die alten Sachen herkommen sollen, die von den vielen Tausenden großen und kleinen Sammlern gewünscht werden? Man frage sich doch selbst, wie es die vielen Antiquitätenhändler in allen Städten der Welt, in allen Badeörtern anstellen sollten, um ständig Altertümer auf Lager zu haben, wenn solche nicht fabriziert würden?

Es gibt gegenwärtig eine Unmasse von Menschen, die beim Sammeln keinerlei wissenschaftlichen, künstlerischen oder ästhetischen Zweck im Auge haben, sondern lediglich eine Mode mitmachen. Es gibt eine große Menge, die einfach den Begriff "alt" mit dem Begriff „,schön" verwachsen lassen, bei denen alles Alte unbedingt schön ist, deren Schönheitsgefühl so sehr zum Sklaven der Marotte geworden ist, daß sie das unverkennbar häßlichste Gebilde als etwas Schönes vergöttern, so bald es nur wirklich recht alt ist. Derselbe Gegenstand, und der schönste sogar, wird aber sofort häßlich, so bald bewiesen wird, daß er neueren Ursprunges ist. Bei wissenschaftlichen Sammlungen liegt die Sache wesentlich anders, weil dort vielfach Einzelzüge, Einzeltechniken oder andere Umstände mitsprechen, die zur Einreihung alter Gegenstände in die Sammlungen führen, auch wenn sie an sich nicht schön sind.

Eine ständige Quelle ungerechtester Vorwürfe und bitterster Erfahrungen ist aber diese Antiquitätensucht für unser heutiges Kunsthandwerk geworden. Jeder, der alte Gegenstände sammelt und dafür schwärmt, fühlt sich berufen, unsere Kunsthandwerker in ihrem Schaffen zu bekritteln, ihnen unangenehme Dinge zu sagen und ihnen ihren Abscheu vor allem modernen Schaffen fühlbar zu machen. Jeder Sammler bildet sich steif und fest ein und spricht es jeden Tag so oft als möglich aus, daß dies und jenes heutzutage nicht gemacht werden kann, daß diese und jene Art der Bearbeitung eine weitaus bessere gewesen wäre wie die heute angewendete usw. Wenn nun auch vereinzelte Behauptungen an sich wahr sein mögen, wenn unsere tüchtigsten Kenner und Lehrer oft und unentwegt auf Vorbilder hingewiesen haben und noch hinweisen, wo es eben berechtigt und am Platze ist und klar bewiesen werden kann, warum und wodurch, so muß dem Sammler aus Marotte das Recht zu dieser durchaus oberflächlichen Schulmeisterei, die nur Schaden und Verbitterung erzeugt, entschieden abgesprochen werden. Wer trägt denn die Schuld, wenn unsere heutigen Kunsthandwerker nicht fortwährend zu großen Taten, zu selbstschöpferischer Tätigkeit angespornt werden, wenn so viele große und schöne Talente in elender Tagelöhnerei verkommen? Wer sonst als die vielen kaufkräftigen Modesammler, die sich nur im Besitze von Altsachen wohl fühlen und dafür große Vermögen verschwenden! Die Antiquitätensucht ist der größte Feind unserer Zeit, unserer Kunst, unseres Kunsthandwerks, der den Aufschwung untergräbt, der den Schwindel züchtet und großzieht!

Bruno Bucher sagt ganz richtig: „Die Altertümler würden als Bürger des 15. oder 16. Jahrhunderts dieselben Dinge verächtlich behandelt haben, welche sie heute glauben allein achten zu dürfen, und von welchen wenig entstanden sein würde, wenn damals die Altertümelei in einer Ausdehnung wie heutzutage bestanden hätte."

Darin liegt eine große Anklage. Warum sind damals schöne großartige Schöpfungen entstanden? Weil es noch. keine Altertümler gab! Darin liegt auch der Vorwurf der großen Gedankenlosigkeit und der geistigen Armut, die sich oft in der Altertümelei äußert.

Wenn entgegengehalten wird, daß doch auch tatsächlich heutzutage viel Schlechtes, viel Schund hergestellt wird, so ist darauf zu erwidern, daß die Pfuscherei schon existiert hat, so lange die Welt besteht. Wenn auch der meiste alte Schund untergegangen ist, so ist uns auch sicherlich mancher Schund erhalten geblieben, der eben nur an Interesse gewinnt und gewonnen hat,,,weil er alt ist!"

Wir dürfen ferner nicht vergessen, daß der Altertumsliebhaber stets dazu neigt, Schwächen an alten Dingen zu entschuldigen und zu übersehen, mehr in den Gegenstand hineinzudenken, als tatsächlich aus ihm spricht, mehr zu bewundern, als zu bewundern berechtigt ist. Wir dürfen nicht vergessen, daß sehr oft als besondere und künstlerische Leistungen Arbeiten ausgegeben werden, die es in ihrer Entstehungszeit nicht waren, der betreffenden Zeit handwerkstechnisch viel mehr Vollkommenheit zugute gehalten wird, als vorhanden war. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß es eine ganz verkehrte Anschauung ist, daß die damaligen Handwerker weniger von Nachahmung existiert hätten, weniger Vorlagen u. dgl. benutzt hätten, wie heutzutage. Aber selbst, wenn man es weiß, findet man darin einen besonderen Reiz, dem Urbild nachzuspüren, während man unsern heutigen Handwerkern die offenkundige Nachahmung und Verwendung allbekannter Vorbilder als eine Verwerflichkeit vorhält. Kurzum, wohin wir sehen, wo wir auch anfassen, Ungerechtigkeiten gegen unsere Zeit und ihre Kräfte, Übertreibungen und mildeste Nachsicht gegen die Werke alter Zeiten sind die Resultate der Antiquitätensucht und ihrer Vertreter!

Es ist wahrhaftig schlimm genug, daß heutzutage das Fälschen eine viel einträglichere Beschäftigung geworden ist als die ehrliche Arbeit!

Man hat Leute von ganz hervorragender Befähigung kennen gelernt, die trotz aller ehrlicher Mühe am Hungertuch nagen mußten, so lange sie noch so viel Ehrgefühl besaßen, durch eigene Schöpfungen sich durch die Welt schlagen zu wollen, und die in die besten Lebensverhältnisse kamen, als sie sich zum Anfertigen von Altertümern entschlossen.

Es gibt Männer, Künstler, die auf Grund ihrer Arbeiten in früheren Jahrhunderten, als es noch keine Altertümler gab, wie Fürsten gefeiert worden wären; Arbeiten, die heute mit ganzen Tonnen Goldes aufgewogen würden, wenn sie alt wären! So aber fristen diese Männer ein kümmerliches Dasein und können die herrlichsten Arbeiten oft erst nach langem Harren für einen Tagelohnpreis los werden. Kein Museum, kein Sammler erbarmt sich ihrer und gibt ihnen Aufgaben.

Könnte nicht ein Teil der für die Kunstgewerbemuseen verfügbaren Summen zur tatkräftigen Förderung der erblühenden Talente, zur Erwerbung solcher Arbeiten aufgewendet werden, die ein Mensch nur einmal in dieser Schönheit und Vollkommenheit anfertigen kann, die unser heutiges Geschlecht aber besonders interessieren müssen,* weil sie aus ihm herausgewachsen sind, und die anderen Talenten zum ständigen Ansporn dienen?

Der Anbruch der neuen Zeit im Kunsthandwerk hat ja schon einen kleinen Anfang gebracht, besonders die letzte Pariser Weltausstellung, auf der fast alle größere Museen neuzeitige Arbeiten erworben haben. Aber dieser Umschwung mußte anhalten, mußte für die Zukunft die Aufgaben der Kunstgewerbemuseen bestimmen!

Die Antiquitätensucht als Modekrankheit jedoch muß scharf bekämpft werden, dem Antiquitätenschwindel muß rücksichtslos der Boden abgegraben werden, wenn unser neuzeitiges Kunsthandwerk immerdar blühen und gedeihen und herrliche Früchte hervorbringen soll!

[graphic][graphic][merged small][graphic][graphic][graphic][graphic][merged small]

Die Entwicklung der Pforzheimer Bijouterie-Industrie in den letzten drei Jahrzehnten.

Von Walter Richter, Sekretär der Handelskammer in Pforzheim.

Nach der glorreichen Beendigung des Krieges von 1870 bis 71 trat in der Pforzheimer Bijouterie-Industrie ein Aufschwung zutage, welcher alle früheren Erfahrungen hinter sich ließ. Auf allen Gebieten des Handels, des Verkehrs und der Industrie hatte sich ja eine beispiellose, fieberhafte Tätigkeit entwickelt; Tausende von Unternehmungen schossen wie die Pilze aus der Erde hervor, von denen jede einen sicheren Gewinn in Aussicht zu stellen schien; um diesen Schöpfungen zum Leben zu verhelfen, gab es nicht Hände genug, so daß sogar die rohe Kraft des Taglöhners zu fabelhaftem Preise hinaufschnellte.

In einer Zeit solch leichten und unverhofften Gelderwerbs mußte auch der Luxus steigen, was der Pforzheimer BijouterieIndustrie mit in erster Linie zustatten kam. Der Export von Pforzheimer Schmuckwaren gewann namentlich dadurch bedeutend an Ausdehnung, daß während der militärischen Einschließung von Paris im Kriege 1870 71 ein großer Teil der ausländischen Kundschaft, welche dort einzukaufen pflegte, genötigt war, andere Bezugsquellen aufzusuchen. Die betreffenden Bijouteriehändler wandten sich nach Pforzheim und haben auch bis heute ihre Verbindungen mit diesem Platze aufrecht erhalten.

Zahlenmäßig kommt der Aufschwung der Pforzheimer Bijouterie-Industrie nach dem 1870er Kriege in folgenden statistischen Daten zum Ausdruck (den Jahresberichten der Pforzheimer Handelskammer für 1868 und 1873 entnommen): Zahl der Bijouteriefabriken In denselben beschäftigte

1868: 1873:

und Hilfsgeschäfte in Pforzheim: 335 591

Arbeiter:

6745 7841.

Die in der Pforzheimer Bijouterie - Industrie gezahlte Lohnsumme stieg von 2069 000 fl. im Jahre 1868 auf 5000000 im Jahre 1873. Der Herstellungswert der gesamten im Jahre 1873 in Pforzheim angefertigten Bijouteriewaren wurde von

der Handelskammer auf 12846000 fl. gegen 11200000 im Jahre 1868 geschätzt.

Fürwahr ein glänzendes Bild wirtschaftlichen Aufschwungs! Aber der Rückschlag sollte nicht ausbleiben. Zwar schien es eigentümlicherweise längere Zeit, als sei durch den Zusammensturz der goldnen Ära der Nationalwohlstand in Deutschland nicht geschädigt, wenigstens hielt sich der Absatz von Pforzheimer Bijouteriewaren noch mehrere Jahre hindurch auf einer ansehnlichen Höhe. Dagegen wurde die Rentabilität der Herstellung derselben dadurch wesentlich geschmälert, daß ein Teil derjenigen Fabrikanten, welche früher lediglich für den Export gearbeitet hatten, der ganz daniederlag, sich verlockt durch die günstigen Resultate des deutschen Geschäftes auch in dieses hineinzuarbeiten suchten und dadurch eine Überproduktion hervorriefen, durch welche die Preise erheblich gedrückt wurden. Eine ganz wesentliche Erschütterung wurde von 1876 an dem Absatze in Deutschland durch die Aussicht auf ein Reichsgesetz, den Feingehalt von Gold- und Silberwaren bezw. Kennzeichnung desselben durch Stempelung der Waren betreffend, bereitet, da natürlich die Abnehmer mit ihren Bezügen von Goldwaren vom ersten Augenblick an, WO von einem solchen Gesetze die Rede war, soweit als nur irgend möglich, inne hielten, um die Folgen des Gesetzes um so leichter überwinden, d. h. mit möglichst kleinem Lager in das neu zu schaffende Verhältnis eintreten zu können. Dieser Gesetzentwurf kam infolge Auflösung des Reichstages im Jahre 1878 nicht mehr zur Verhandlung. Abgesehen von dieser Beunruhigung machten sich aber vom Jahre 1876 an die Folgen der allgemeinen wirtschaftlichen Krisis auch in der Bijouteriebranche empfindlich fühlbar. Im Jahre 1873 waren wie oben erwähnt in der Pforzheimer Bijouteriebranche 7841 Arbeiter beschäftigt, diese Zahl reduzierte sich infolge der Krisis auf 4478 im Jahre 1880, was einem Rückgang von 43 Prozent entspricht. (Fortsetzung folgt.)

[ocr errors]

Unsere

Den Hauptinhalt unsers Heftes bilden heute die KayserZinnarbeiten, denen wir an andrer Stelle einige Begleitworte gewidmet haben. So erübrigt nur noch, auf unser Schmuckmusterblatt und unsre Uhrenentwürfe hinzuweisen. Die Entwürfe zu dem Kamm und den beiden Anhängern, welche den oberen Teil des ersten Blattes einnehmen, stammen von dem Gmünder Zeichner Baptist Ott; der hoffnungsvolle Künstler ist, wie wir leider mit Bedauern vernehmen mußten, inzwischen unerwartet rasch verstorben. Seine hier veröffentlichten Entwürfe zeichnen sich durch originelle Zusammenstellung der Formen und schlanke, elegante Linienführung aus. Auch die Zeichnungen zu Ringen und Broschenadeln von W. Füeß-München sind beachtenswerte Arbeiten. mentlich die Broschenadeln zeigen eine selbständige und verständnisvolle Verwendung der strengen Linearornamentik, die neuerdings speziell für Silberschmuck üblich geworden ist.

Na

Die Taschenuhren-Entwürfe des Malers F. W. NeumeyerMünchen auf der letzten Seite entstammen einem Preisausschreiben unsers Verlages. Der Künstler strebt eine gleichmäßige Belebung der Fläche durch schlichte Linien- und Flächenverteilung an. Er ist dabei bei dem Stück links unten etwas eintönig geworden, während der Entwurf für die Rückseite eines Uhrgehäuses links oben recht originell und gelungen erscheint. R. R.

Bilder.

Musterblatt von C. M. Weishaupt Söhne, Hanau a. M. Die Juwelen- und Bijouteriefirma C. M. Weishaupt Söhne in Hanau gibt unsrer heutigen Nummer ein Musterblatt bei, welches gewiß das Interesse unsrer Leser erregen wird, und für das einige erläuternde Notizen von Wert sein mögen.

Die abgebildeten Gegenstände sind sämtlich Erzeugnisse der genannten, rühmlichst bekannten Firma und alle in 14karätigem Golde angefertigt, mit alleiniger Ausnahme des kleinen, zierlichen Anhängers rechts, der aus Platin gefertigt und mit Rosen und einem Rubintropfen ausgefaßt ist. Die hübschen Jagdstücke oben sind sauber ziseliert und in Altgoldfarben getönt. Zur Dekoration sind Brillanten, Rosen, Rubine, Saphirkabochons und Perlen verwendet.

Die Abbildungen geben, wenngleich dieselben naturgemäß nicht allen Feinheiten gerecht werden können, doch ein Bild von der gediegenen und materialgerechten Durchbildung der Stücke, welche der ausführenden Fabrik durchaus zur Ehre gereicht.

Berichtigung. In unsrer letzten Nummer (Nr. 43 vom 21.Oktober) ist bedauerlicherweise der Name des entwerfenden Künstlers für das Musterblatt falsch angegeben worden. Wir bitten unsre Leser, denselben in Bernheim, Pforzheim, umändern zu wollen. Die gleiche Umänderung ist auch in der zu dem Blatte gehörigen Besprechung (S. 143 Unsere Bilder") vorzunehmen.

"

« PreviousContinue »