Page images
PDF
EPUB
[graphic][merged small][merged small][merged small]

Es gab eine Zeit, die noch nicht gar ferne hinter uns liegt, in der man glaubte und glauben durfte, durch eindringliches Studium der silbernen Pokale und Gefäße aus der Blütezeit der deutschen Renaissance eine Wiederbelebung der Goldschmiedekunst jener Zeit herbeigeführt zu haben. Wenn man sich heute ins Gedächtnis zurückruft, was damals an Prunkbechern, Ehrenpreisen und sonstigen größeren Goldschmiedearbeiten, namentlich in München, Wien, Berlin und Karlsruhe, geschaffen wurde, so darf man die Produktivität und die Vertiefung in die historische Formenwelt, welche die Goldschmiedekunst jener Tage bewiesen hat, wirklich bewundern. Es schien unmöglich, getreuer und genauer in dem Geiste und der Formensprache zu arbeiten, der uns an ,unserer Väter Werke" damals entzückte. Heute, nachdem wenig mehr als ein Jahrzehnt darüber vergangen ist, wird jeder Kunstkenner auf den ersten Blick imstande sein, einen echten Renaissancebecher zu unterscheiden von einem solchen, der seine Entstehung jener Wiederbelebung der Renaissance verdankt. Nicht etwa deshalb, weil der eine neu und der andere alt aussieht, sondern lediglich deshalb, weil trotz aller begeisterten und rückhaltslosen Vertiefung die Formensprache und die Ausführungsweise beider eine ganz verschiedene ist. Es ist uns tatsächlich nicht gelungen, die Renaissance unserer Väter wieder neu lebendig zu machen, wir haben nur eine neue, eine eigene Renaissance des 19. Jahrhunderts geschaffen. Und wenn wir ehrlich bleiben wollen, so müssen wir hinzu

fügen: Wir haben im großen und ganzen die künstlerische Höhe der echten alten Renaissancearbeiten nicht zu erreichen vermocht.

Es mag paradox klingen und ist doch eine Tatsache, wenn ich sage, daß die Arbeiten des Goldschmiedekünstlers Ernst Riegel aus München, die wir heute abbilden, den Goldschmiedearbeiten unserer deutschen Renaissance näher stehen, ihnen wesensverwandter sind als die meisten Arbeiten, welche in unmittelbarem Anschluß an die Formenwelt derselben seinerzeit geschaffen wurden. Es fällt Riegel ja gar nicht ein, etwa historische Ornamente irgend welcher Art kopieren zu wollen; was uns in seinen Arbeiten an die unsterblichen Schöpfungen alter Meister erinnert, das ist die künstlerische Naivität, das Ursprüngliche und Quellende seiner Erfindung und Arbeitsweise, die unmittelbare Frische der handwerksmäßigen Künstlerarbeit. Er arbeitet so, wie die alten Meister gearbeitet haben: frisch erfindend, frisch zufahrend in der Ausführung, ein echter und rechter Künstlergoldschmied.

Ernst Riegel hat bei einem kleinen Goldarbeiter in einer Kleinstadt praktisch gelernt; darauf wurde er an der Kunstgewerbeschule zu München als Ziseleur und Zeichner ausgebildet und arbeitete dann während fünf Jahren wieder praktisch in der Werkstätte des bekannten Münchener Metallkünstlers Prof. Fritz von Miller. Seit drei Jahren ist Riegel selbständig und seit anderthalb Jahren als Lehrer an der Fachschule in München tätig.

[graphic]

wurde. Das Motiv ist in der Kunst der Renaissance außerordentlich häufig zu finden. Gerade dieser Vergleich zeigt aber die Modernität Riegels, der seiner Darstellung eine viel knappere und straffere Fassung zu geben weiß, als dies unsere weitschweifigeren Vorfahren vermocht hatten. Noch eines sei bei dieser Gelegenheit zugunsten unseres Künstlers erwähnt: Er ist im Figürlichen so gewandt wie im Ornamentalen, läßt sich aber nirgends verleiten, diese Fähigkeit zu sehr in den Vordergrund treten zu lassen. Vielmehr sind seine Figuren, wo er solche anwendet, immer nur Teile der Komposition, ohne eine selbständigere Bedeutung zu beanspruchen. Diese Selbstbeschränkung ist beachtenswert.

Die hier abgebildeten Becher haben (mit Ausnahme des letzterwähnten) das Gemeinsame, daß der Fuß stets äußerst schlicht gehalten ist und die reiche, aber sehr ruhige und streng geschlossene Dekoration sich auf die Cuppa beschränkt. Dieselbe ist teils getrieben, öfter aber auch in das Metall eingemeißelt. Technisch besonders interessant ist der Becher mit den 7 Raben. Die Verzierungen der Cuppa sind gemeißelt; die Raben sind aus Eisen in den Silbergrund eingelassen und dann geschnitten; die Kronen und Augen der Vögel sind aus Gold. Zwischen dem Wurzelwerk des Fußes sind schwarze Opale gefaßt. In entsprechender Weise sind bei dem „Baum der Erkenntnis" Amethyste und bei dem Becher „Daphne" Karneole angebracht.

Ernst Riegel gehört sicher zu den hoffnungsvollsten deutschen Goldschmiedekünstlern der Gegenwart. Wir werden im nächsten Hefte noch mehrere Arbeiten von ihm zur Veröffentlichung bringen. R. Rücklin.

[graphic]

ERNST RIEGEL, MÜNCHEN: SILBERBECHER „DIE 7 RABEN“.

Ich erwähnte oben, daß Riegels Arbeiten eine nahe Verwandtschaft mit denen unserer deutschen Renaissancekünstler hätten. Ein Blick auf unsere Abbildungen lehrt, daß darunter keine äußerliche, formale gemeint sein kann. Denn in seiner Ornamentik und Dekoration ist eine durchaus moderne Auffassungsweise ausgesprochen. Höchstens in seinen treuherzigen Umrißformen möchte man da und dort auch formale Anklänge vermuten. Überall sonst ist ein fruchtbar gewordenes, eindringliches Naturstudium und ein unbefangenes, williges Aufnehmen moderner Anregungen und Bestrebungen zu spüren. Was ihn aber zum künstlerischen Verwandten unserer Altvordern stempelt, das ist seine „Frohnatur, die Lust zum Fabulieren", die aus allen seinen Kompositionen und Arbeiten so erquickend herausleuchtet. Gleich auf S. 122 erzählt er uns in dem oberen Becher unser altes deutsches Märchen von den 7 Raben, indem er den Becher als stilisierten Baum gestaltet, in dessen belaubter Krone sich die so verhängnisvoll verzauberte Knabenschar in Rabengestalt herumtreibt. In dem zweiten Becher auf der gleichen Seite sehen wir den nicht minder verhängnisvollen „Baum der Erkenntnis" ebenfalls als Becher ausgebildet; der Künstler ist dabei unbefangen genug, das zierliche Figürchen unserer Stammutter Eva oben auf den Baum zu stellen, weil es eben in die Komposition so paßt, anstatt schriftgemäß unter denselben. Wie hübsch ist die Anspielung auf den Paradiesgarten in der Figur des Paradiesvogels, der als Dekoration der Cuppa verwendet ist! Auf Seite 123 ist wieder ein „redender" Becher, mit der Figur der Daphne. Daphne ist, wie man in unserer, mythologisch nicht sehr sattelfesten Zeit wohl besonders erläutern muß, der Name einer Nymphe, die, auf der Flucht vor dem verfolgenden Gott Apollo, in einen Lorbeerbaum verwandelt

ERNST RIEGEL, MÜNCHEN: SILBERBECHER „BAUM DER ERKENNTNIS".

[ocr errors]

Aus den Schatzkammern deutscher Fürstenhäuser.
Von Georg Buß.

Wenn die Schatzkammern deutscher Fürstenhäuser ver-
eint würden, so wäre das gleichbedeutend mit einer Samm-
lung, die an Wert nicht ihresgleichen in der Welt fände.
Schon in der Zeit des Mittelalters und der Renaissance haben
deutsche Fürsten Kostbarkeiten der Kunst und des Kunsthand-
werks gesammelt, mehr aber noch in der Zeit des Barock
und des Rokoko, da es Mode war, sich nicht nur eine große
Orangerie, sondern auch eine Kunstkammer anzulegen. Einer
solchen Kammer wurden die mannigfaltigsten Gegenstände
einverleibt Kuriositäten, die mit der Kunst nichts zu tun
hatten, ethnographisch bemerkenswerte Objekte, die aus
Amerika, Afrika oder Asien stammten, Mißgeburten in Spiritus,
die eigentlich nur den Mediziner interes-
sieren konnten, Gemälde, Majoliken, Email-
len, Werke der Gold- und Silberschmiede-
kunst, Münzen und Medaillen, Schutz- und
Trutzwaffen, Kupferstiche und Bücher. Aus
den meisten Kunstkammern sind die Mu-
seen entstanden, so daß sie als Vorläufer
dieser wissenschaftlich geordneten und ge-
leiteten Bildungsinstitute zu betrachten sind.
Im persönlichen Besitz der Fürsten blieben
meist nur die Juwelen und gewisse Kost-
barkeiten, an welche sich hervorragende
Erinnerungen des Hauses knüpften. Als
Aufbewahrungsort wurden ihnen die noch
heute bestehenden Schatzkammern und
Krontresors oder die Paradekammern der
fürstlichen Schlösser zugewiesen. Die Nei-
gungen und Liebhabereien der einzelnen
Regenten haben in der Folgezeit diesem
Besitz noch manche Kostbarkeiten künst-
lerischer und seltsamer Art zugeführt, je
nachdem eben die finanziellen Mittel zur
Verfügung standen. Daß diese selbst in
den kleinen Fürstentümern nicht gering
waren, lehrt am besten das Beispiel des
Braunschweiger Diamanten-Herzogs, der
seiner Leidenschaft, edle Steine zu sammeln,
Millionen opfern konnte.

ganzes Können eingesetzt hat. Neben Dosen von vierfarbigem Golde mit feinster Ziselierung von Genreszenen, Vasen, Vögeln und Buketts im Stil Ludwigs XV. und XVI., von denen sogar einige mit einem Musikwerk versehen sind, finden sich solche von Lapis lazuli, Hornstein, Plasma, Chrysopras, Chalzedon, Labrador, Heliotrop, Amethyst, Holzopal, Jaspis, spanischem Amazonenstein, Bandachat und anderen Halbedelsteinen, immer gefaßt mit Gold in mehrfachen Farben und in ausgezeichnetster Treibarbeit. Ist Emailmalerei zur Anwendung gekommen, so ist die Gold- oder Silberplatte, auf welcher das klare Email aufgetragen ist, gewöhnlich in feinster Weise guillochiert oder graviert. Manche Dosen weisen auch auf dem

ERNST RIEGEL, MÜNCHEN: SILBERBECHER „DAPHNE".

Eine der reich gefülltesten Schatzkammern besitzt der Großherzog von Baden. Er ist ein feinsinniger Sammler, der eine Fülle der prächtigsten Arbeiten der Kleinkunst aus den Tagen des Rokoko zusammengebracht hat. Seine Dosensammlung ist die reichhaltigste und schönste in Deutschland. Seit dem Zunehmen des Tabakschnupfens im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts kamen die Dosen allgemein in Aufnahme. Besonders in der Zeit Ludwigs XV. wurden sie in der kostbarsten Weise hergestellt, so daß manche einen Wert bis zu fünftausend Dukaten besaßen. Immer mehr bürgerte sich bei den Fürsten der Gebrauch ein, solchen Personen, denen man ein Geldgeschenk nicht anbieten konnte, eine kostbare Dose zu verehren. Friedrich der Große, der bekanntlich sehr praktisch war, verlieh seinen Generälen ebenfalls solche wertvollen Gaben, aber sehr oft mit der Verpflichtung, daß die Dose nach dem Tode des Beschenkten wieder an den König zurückfalle.

Aus Edelmetall oder anderem seltenen Material gearbeitet, mit Perlen und Edelsteinen besetzt und mit Emailmalereien farbenschön geschmückt, gehören die Dosen zu den vornehmsten Leistungen, welche das Rokoko aufzuweisen hat. In der Sammlung des Großherzogs von Baden befinden sich mehr als hundert Stück, und zwar in der Mehrzahl wahre Prachtexemplare, bei deren Herstellung der Kleinkünstler sein

Deckel in ziselierter oder emaillierter Arbeit Porträtbilder hervorragender Personen und Wappen auf. So befindet sich auf einer Dose ein treffliches Brustbild Gustav Adolfs, das zu den ähnlichsten gehört, die von dem Schwedenkönige vorhanden sind. Originell sind einige Dosen, welche auf die Feldzüge Friedrichs des Großen Bezug haben. Eine von ihnen trägt eine Abbildung des nach Magdeburg mit der Siegesbotschaft von Roßbach eilenden preußischen Kuriers, Rittmeisters von der Schulenburg und eine andere die Abbildung des mit der Siegesbotschaft von Borna-Leuthen nach Magdeburg reitenden Kuriers, Baron von Puttlitz, nebst begleitenden Inschriften.

Zu den Dosen gesellen sich kostbare Stockgriffe und Riechfläschchen, auf welche das Rokoko gleichfalls hohen Wert gelegt hat. Wundervoll ist ein Griff aus rotem Jaspis, besetzt mit Brillanten, und ebenso ein solcher aus schwarzem Glas, der oben ein „C“ aus Brillanten auf Haargrund trägt. Ein anderer Griff, von gebogener Form, besteht aus massivem Golde und ist mit der Inschrift versehen: „S. Franzisko 1860." Prächtige Petschafte aus Gold, Silber, Bergkristall und Edelsteinen, reizvolle Necessaires, zierliche Notizbücher, herrlich in Silber, Gold und Email gebundene Gebetbücher, mächtige Elfenbeinkannen und Humpen mit trefflicher Schnitzerei und getriebener Fassung von vergoldetem Silber, edelsteinbesetzte Nautiluspokale, meisterlich gearbeitete Standuhren und Taschenuhren, edelste Porzellane, Bernsteinschnitzereien und viele andere Kunstwerke treten hinzu. Den größten Schatz repräsentiert eine Arbeit von Albrecht Jamnitzer, gestorben zu Nürnberg 1580, einem Goldschmiede, der in inniger Gemeinschaft mit seinem berühmten Bruder Wenzel Jamnitzer tätig war.. Was sie," nämlich die beiden Brüder, schreibt Johann Neudörfer in seinen Nachrichten über das Leben Nürnberger Künstler, „von Tierlein, Würmlein, Kräutern und Schnecken von Silber gießen und die silbernen Cefäße damit zieren, das ist vorhin nicht erhöret worden." Das im Besitze des Großherzogs befindliche Werk ist ein Räuchergefäß in Gestalt einer auf Felsen thronenden Ritterburg. Das Material ist teilweise vergoldetes Weißsilber. Aus Ebenholz mit durchbrochenen Silberornamenten ist das Postament gefertigt.

Den Wert dieser Sammlung in Geld abzuschätzen, ist unmöglich. Nur soviel läßt sich sagen, daß er eine stattliche Anzahl von Millionen darstellt. Man wird vielleicht von einem toten Kapital reden, das hier niedergelegt sei. Aber mit Unrecht, denn der Schatz ist in liberaler Weise der Besichtigung

[graphic]

des Publikums zugänglich gemacht und hat, wie jedes Museum, schon in erfreulichster Weise Künstlern und Kunstgewerbetreibenden weitgehende Anregung geboten und den Geschmack des Publikums bilden helfen.

Noch größere Werte birgt die Schatzkammer in der Residenz zu München. Wer sie besichtigen will, hat sich im Kgl. Oberhofmeisteramt eine Karte zu lösen. Der große, blaue „Hausdiamant" der Wittelsbacher, der hier niedergelegt ist, dürfte allein einige Millionen wert sein. Solche blaue Diamanten sind ungemein selten. Der bekannteste ist der in England befindliche Hope, welcher der Familie gleichen Namens angehört. Derselbe besitzt die Farbe eines sehr schönen Saphirs und ein Gewicht von 44 Karat. Noch größer, nämlich 67 Karat schwer, war ein blauer Diamant, der sich im französischen Kronschatze befand, aber mit verschiedenen anderen im Jahre 1792 gestohlen wurde und seitdem verschwunden ist. Der blaue Hausdiamant der Wittelsbacher ist fast ebenso schwer wie der Hope, nämlich 40 Karat, jedoch ist seine Farbe nur blaßblau, so daß er jenem an Wert etwas nachsteht. Außerdem besitzt die bayrische Schatzkammer noch einen ausgezeichnet schön blau gefärbten Brillanten kleineren Umfanges, der mit mehreren gelben Brillanten zu einem Toison gefaßt ist. Eine andere Kostbarkeit, eine Seltenheit ersten Ranges, ist die „pfälzische Perle", die halb weiß, halb schwarz gefärbt ist. Unter den verschiedenen Kronen stehen um ihres historischen Wertes willen obenan die Kronen Kaiser Heinrichs des Heiligen und seiner Gemahlin Kunigunde vom Jahre 1010. Sie sind nächst der berühmten Eisernen Krone im Dom zu Monza, mit welcher bis jetzt 36 Könige der Lombardei gekrönt worden sind, wohl die

ältesten Kronen der europäischen Herrscher. Übrigens ist die Bezeichnung „Eiserne Krone" nicht wörtlich zu nehmen, denn das Stirnband besteht in Wahrheit aus sechs durch Scharniere zusammengehaltenen Goldplatten mit Schmelz, getriebenen Ornamenten und dreiundzwanzig Edelsteinen sowie einem inwendig eingefügten schmalen Ring von Eisen, das von Rom aus als ein von der Kaiserin Helena aus Palästina mitgebrachter Nagel vom Kreuze Christi beglaubigt wurde. Eine andere kostbare Krone ist jene böhmische Friedrichs V. von der Pfalz, die im Jahre 1620 bei Prag erbeutet wurde. Unter den andern Altertümern fallen mehrere Halsschließen, Ketten und Foliantendeckel aus gotischer Zeit auf. Ein Prachtstück ersten Ranges ist eine Reiterstatuette des heiligen Georg mit dem Lindwurm. Der Ritter ist aus Goldguß hergestellt und in sorglichster Weise ziseliert, während der Drache aus Jaspis besteht. Das ganze Kunstwerk ist übersät mit Diamanten, Rubinen, Smaragden und Perlen. Aus der neueren Zeit stammt eine zwei Meter hohe Kopie der Trajanssäule in Rom, die in den Jahren 1763-1782 durch den Goldschmied Valadier gefertigt wurde. In mühevollster Arbeit hat der Künstler die Reliefs mit der größten Treue und Vollkommenheit wiedergegeben. Es würde zu weit führen, auf die Menge der vorhandenen Pretiosen und sonstigen Kostbarkeiten des näheren einzugehen. Was die Goldschmiede des Mittelalters, des Renaissance-Zeitalters, des Barock, Rokoko, Zopfes und Empire Treffliches geleistet haben, ist hier in ausgezeichneter Weise vertreten. Damen werden besonders vor den Kleinoden des Frauenschmuckes in Entzücken geraten, ist doch an Rivieren, Perlenschnüren, reizvollen Anhängern, Diademen und verwandten Dingen eine Fülle des Schönsten und Besten vorhanden. (Fortsetzung folgt.)

Für den Juwelier bezw. Detailleur hat sich nach den Ausführungen im ersten Artikel gezeigt, daß er gezwungen ist, bei Beurteilung über diese wichtige Frage vor allen Dingen sein eigenes Ich in Betracht zu ziehen, ehe er zu einem bestimmten Entschlusse kommt, wobei ja selbstverständlich ist, daß seine Existenz keine Einbuße leiden oder ganz und gar unmöglich gemacht werden darf. Anders wird jedoch der Fabrikant und Grossist über solchen wichtigen Punkt denken.

Um hierfür einen kleinen Anhaltspunkt und gleichzeitig den Lesern eine Übersicht zur ruhigeren Betrachtung geben zu können, ist es notwendig, daß man die Stempelfähigkeit der Ware einerseits und die Fabrikation der Goldwaren anderseits näher in Augenschein nimmt. Die Handelskammerberichte sämtlicher Bijouterie-Fabriksstädte stimmen alle darin überein, daß die weitaus größte Fabrikation sich mit der Anfertigung von achtkarätigen Waren beschäftigt, und daß naturgemäß sich auch in dieser Warengattung die größtmöglich vollendete Fachtechnik gegenwärtig ausprägt. Ich will nur kurz erwähnen, daß man darin die ausgekitteten Waren, Scharnierwaren, sog. Silberboden

Stempelung der Goldwaren.

II.

[ocr errors][merged small]

sachen, gerandelte und gepreßte Sachen neben den massiven Schmuckgegenständen führt, und daß sich mit der Entwicklung dieser Warenproduktion die Steinindustrie schwesterlich verband, indem zur Verwertung bei achtkarätiger Bijouterie neue Steinimitationen angefertigt wurden. Diese Steinindustrie, der Neuzeit und deren Moden angepaßt, hat recht schöne Steinformen gezeitigt, die reißend Absatz finden, wie z. B. Flüsse und Mixte (Doubletten) in Birnform, Herzform, Karreeform usw.; auch der Schliff hat moderne Formen angenommen, und diese Steine werden sowohl in achtkarätiger Bijouterie, als auch in Doublé verwendet. Die Fassung eines Beschlusses, oder die eventuelle Erlassung eines Reichsgesetzes (das von der Reichsregierung ja schwerlich zu erwarten ist) wird nach Ansicht des Antragstellers der gesamten fabrikationsmäßigen Industrie einen empfindlichen Stoß zugunsten einer besseren Metallverarbeitung geben, was allerdings noch sehr in Frage steht. Denn erstens würde dasselbe achtkarätige Gold eventuell unter einer anderen Spezialbenennung" auf dem Markte erscheinen und durch kapitalschwächere Detailleure immer noch willige Verkäufer

[graphic]

finden. Des weiteren würden jedoch auch die Fabrikanten und Arbeiter der „Achtkarat - Industrie" alle Hebel in Bewegung setzen, einen solchen Beschluß bezw. Gesetz unmöglich zu machen, da doch dadurch die Existenz zahlloser, in die Tausende gehender Familienväter bedroht würde. Deshalb betrachtet auch der Fabrikant diese Bestrebung als einen Kampf gegen Windmühlen. Die Folgen, die ein solches

Gesetz mit sich bringen würde, haben sich wohl auch die Antragsteller selbst nicht recht vor Augen geführt, was ja ganz verzeihlich ist, weil sie selbst der achtkarätigen Massenfabrikation fernstehen. Der Fabrikant muß, meist angetrieben durch die Anforderungen seiner Grossisten, auf der Höhe der Zeit bleiben, d. h. er muß die neuesten Einrichtungen, wie Maschinen, Aushauer, Gesenke usw. anfertigen lassen, um den betreffenden Schmuckgegenstand dem Grossisten und durch dessen Mittelstellung dem Detailleur möglichst billig liefern zu können. Eine Verpflichtung zur Führung bezw. Anfertigung von 14-Karatwaren würde vor allen Dingen eine weit größere Kapitalanwendung bedeuten, da er seine Muster (einen eisernen Bestand seines Betriebes) ebenfalls in 14 Karat ausführen müßte, um solche ansehnlicher zu gestalten. Gleichzeitig würde damit der Stein verbrauch in billigen Imitationen sehr geschwächt, und den Steinschleifereien ein ganz empfindlicher Schlag versetzt. Aber auch die Fabrikations masse würde beschränkt werden, denn der Grossist, der bekanntlich nach den gleichlautenden Handelskammerberichten jetzt schon wenig oder gar kein Lager hält, würde sich in diesem Falle noch weitere Beschränkungen auferlegen und mehr Kommissionär werden, und dieser Umstand würde sich wieder rückwirkend bei dem Detailleur bemerkbar machen. Es ist deshalb unschwer zu erraten, welchen Standpunkt der Fabrikant und Grossist in dieser so wichtigen Frage einnehmen würden. Der Verband Deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede müßte jedoch auch diese Meinung hören. Besteht doch seine Vereinigung aus einer großen Anzahl Grossisten, Fabrikanten und auch kapitalschwächeren Detailleuren. Um so vorsichtiger muß er deshalb zu Werke gehen, um so tiefeinschneidende Interessenfragen zu einem allgemein nützlichen Ausgange zu bringen, ohne sich selbst an Mitgliedern oder sonstwie zu schaden. Ich will jedoch in dieser Hinsicht einen Punkt nicht unbeachtet lassen, der (meiner Ansicht nach) noch vorher erledigt gehörte, ehe an die Frage, ob 8 oder 14 Karat, herangetreten werden kann. Es ist dies die Frage der Warenstempelung überhaupt.

SCHMUCKENTWÜRFE VON BRUNO BAUER IN GRAZ.

In unserem Kunstgewerbe ist es reichsgesetzliche Vorschrift, daß die Waren mit dem Stempel über den Feingehalt versehen werden. Mit der Zeit jedoch wurden, teilweise aus Reklame, teils zur späteren Feststellung und Verantwortung des Verfertigers, außer diesen Feingehaltsstempeln noch andere Merkmale eingeschlagen, die sog. Fabrikmarke. Da nun die Goldschmiede - Schmucksachen ziemlich zierlich gehalten sind, so war man gezwungen, alle diese Stempel äußerst klein auszuführen, um solche an den Sachen überhaupt anbringen zu können, und diese Stempelung hat sich nicht mehr auf Goldschmuck und Silberschmuck beschränkt, sondern sich sogar auf Doublésachen, ja sogar auf silbervergoldete

Waren und unechte Waren ausgedehnt. Der Käufer nun, der oftmals nicht mit allzugroßer Sehkraft ausgezeichnet ist, vermutet in dem bloßen Sehen eines Stempels die unbedingte Echtheit eines Schmuckes und die zweifellose Garantie seitens des Verkäufers, muß jedoch oft wahrnehmen, daß dieser Stempel lediglich eine Fabrikmarke ist. Wenn ein zweifelhafter Geschäftsmann solche gestempelte Waren vorlegt, um die Stempeltäuschung auszunützen, so ist der Käufer leicht betrogen. Es wäre deshalb unbedingt erforderlich, daß in dieser Richtung zuerst zweckmäßige Schritte unternommen würden, vielleicht insofern, als Waren in Doublé und unechte Sachen überhaupt nicht mehr an den Waren selbst mit Stempeln versehen werden dürften, sondern nur durch Anhängetiketten über Art und Beschaffenheit der Ware, sowie deren Herkunft Aufschluß geben dürfen. Dem Absatz der Ware selbst würde diese Vorschrift durchaus keinen Abbruch tun, sondern im Gegenteil würde sich diejenige Ware, welche vom Fabrikanten mit gediegenem und gutem Material hergestellt wurde, von selbst empfehlen. Es ist jedoch gerade jetzt, wo unser Kunstgewerbe in die Phase der vollkommen entwickelten Fabriktechnik übergegangen ist, unbedingt erforderlich, solche Bestimmungen zu treffen, um Firmen, die nicht die technische Kunst zur Verschönerung, zur Veredelung der Industrie, sondern mit allem möglichen Triks zur Täuschung, eventuell zum Betrug des Publikums benützen, unmöglich zu machen, und damit das Kunsthandwerk zu heben. Insolange als unsere Technik zur Veredelung unserer Fachprodukte angewendet wird, sollte weitmöglichst freie, technische Bewegungsfreiheit zugestanden werden; da, wo jedoch die Absicht hervortritt, die technischen Vorteile zu Schwindel und Betrug zu benutzen, sollten auch alle Mittel angewendet werden, um solche Elemente und Manipulationen auszumerzen.

[graphic]
[graphic]
[graphic]
[graphic]
« PreviousContinue »