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WELTAUSSTELLUNG IN ST. LOUIS: KASSETTE IN SCHMIEDEEISEN MIT GRUBENEMAIL.
ENTWURF: PROF. JUL. MÜLLER-SALEM IN PFORZHEIM.

AUSFÜHRUNG DER SCHMIEDEARBEIT: FR. KÄRCHER-PFORZHEIM; DES EMAILBILDES: G. BASTANIER-PFORZHEIM.

Reisebriefe aus Amerika.

Von unserm Spezial-Berichterstatter.

III.

Lalique und die französische Goldschmiedekunst auf der Ausstellung.

Ich habe in meinem zweiten Briefe erwähnt, daß die seitens des Deutschen Reichs unterstützte und geleitete Deutsche Ausstellung durch ihre Originalität und großartige Wirkung besonders in Varried Industries Palaces den Amerikanern eine besondere Hochachtung abgerungen hat; nach den Preẞurteilen zu schließen, wird dies allerseits bestätigt. Ein weiteres sehr zugunsten Deutschlands sprechendes Moment ist, daß in allen Abteilungen die Deutsche Ausstellung fertig ist, während andere Nationen und selbst die Amerikaner teilweise noch heute aufbauen.

Aber allen voraus war Japan ein ganz merkwürdig fixes Volk; Rußland dagegen überall zurück, wo es sich beteiligt.

Also Japan voraus! daher bin ich auch gezwungen, zuerst darüber zu schreiben. Den Fachkollegen interessieren natürlich nur ihre Metallarbeiten, aber trotzdem will ich nicht unerwähnt lassen, daß die Seidenstickereien ebenso kostbar, manchmal noch kostbarer als ihre besten Metallarbeiten sind und ein solches technisch fertiges Kunstempfinden verraten, daß der Beschauer nur staunen kann.

Allerdings bedingt dieses Voraussein der Japaner in der Fertigstellung ihrer Ausstellung, daß sie den Raum, der ihnen zugewiesen wurde, einfach ließen, wie er war, und nur ihre Ausstellungsschränke, die alle schon in der Heimat fertig gestellt wurden, aufstellten und dahinein ihre Ausstellungswaren arrangierten. Deutschland dagegen hat eben in diesem Palast einen vollständigen Einbau hergestellt und damit den Ausstellungsgegenständen erst den rechten Rahmen gegeben.

Um nun wieder zu den Japanern zurückzukommen, will ich vor allem ihrer großartigen Technik in Emaillekunst Er

wähnung tun, die den Kenner in Erstaunen setzen muß, wenn er bedenkt, was für Schwierigkeiten all' mit dieser Technik verbunden sind. Da sehen wir hohe Vasen, deren Grund flinkierten und getriebenen Blumendekor aufweist; das ganze ist dann überemailliert, wie wenn es Wasser statt Emaille

wäre.

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WELTAUSSTELLUNG IN ST. LOUIS: SEITENANSICHT OBIGER KASSETTE.

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Wir sehen weiter Bronzevasen mit dem sogenannten Zellenemaille; hier sind die einzelnen Linien durch Aufkleben von Metalldrähten auf die Vase hergestellt und dann ausemailliert; eine äußerst anstrengende Arbeit; weiter sehen wir wieder getriebene ziselierte, eingelegte farbige Arbeiten, meistens nur Vasen, alles von hoher künstlerischer und technischer Vollkommenheit, die nur einem Volk eigen sein kann, dessen Jahrtausend alte Kultur mit großem sittlichen Ernste weiter verfolgt wird.

Wenn wir all diese Unmenge von Schätzen, die vor uns aufgestapelt erscheinen, anstaunen und bewundern, so kommt uns das Gefühl, daß uns noch manches fehlt, zu dieser Vollkommenheit, anderseits aber auch, daß die Japaner noch von uns zu lernen haben, denn so hoch auch ihr künstlerisches

PROF. JUL. MÜLLER, PFORZHEIM. AUSFÜHRUNG:

TH. FAHRNER, PFORZHEIM.

Empfinden entwickelt ist, bleibt es doch mehr oder weniger ein feines Naturempfinden.

Daß sie sich schon abendländischem Geschmacke anzupassen versuchen, lehrt ihre hiesige Ausstellung. Wir können Zigarettendosen, Zigarrenspitzen, ja sogar Ketten und Broschen sehen, von welchen Sachen sie auf der Nürnberger Ausstellung im Jahre 1888, wo sie das erste Mal auftraten, noch keine Ahnung hatten; ich glaube, es dauert nicht lange, so werden die Japaner Bijouterie und Kleinsilberwaren nach Europa exportieren, statt wie wir hofften, in Ostasien einen Markt für uns zu erschließen.

Die nächstfertige, für den Fachkollegen wohl die interessanteste, schönste und wichtigste Ausstellung ist die französische von René Lalique in Fine Arts Palais.

Nicht mit seinen übrigen Kollegen im Goldschmiedefach stellt René Lalique aus, sondern die französische Ausstellungsleitung hat ihm den Ausstellungsraum im Kunstpalast, also neben Maler und Bildhauer eingeräumt.

Ein besonderer schöner und großer Raum, in den sich noch einige andere Meister teilen, birgt zwei große Vitrinen, in denen die kostbarsten und künstlerisch wertvollsten Stücke aufgelegt sind. Zwischen diesen beiden Vitrinen ist ein kreisrunder Schrank, in dem die französische Medailleurkunst von der Zeit Louis des XII. bis heute, chronologisch geordnet, zur Darstellung gelangt.

Merkwürdigerweise werden die Laliqueschen Kunstwerke hier lange nicht so wie auf der Pariser Weltausstellung 1900 angestaunt, während dort fortwährend ein Gedränge um die Ausstellungsvitrine war, kann man hier mit Muße studieren und bewundern; ich möchte fast sagen, daß diese Kunstwerke von den meisten Besuchern gar nicht richtig gewürdigt werden; nur immer hört man die Frage: „Oh is that a diamond"? wenn jemand den eiovalen Brillant sieht, der als Anhänger an einem der kostbaren Stücke angebracht ist.

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BRUSTSCHMUCK NACH ENTWURF VON A. MUCHA, PARIS, AUSGEFÜHRT VON G. FOUCQUET, PARIS.

Selbstverständlich kommen auch einzelne Besucher, die den Wert dieser Ausstellung zu würdigen wissen und sich nicht genug tun können in Ausrufen wie: „oh is that beautiful! is that nice! is that pretty!"

Die Amerikanerin bewundert nämlich alles, was ihr gefällt, möglichst laut, und wenn ihr irgend möglich ist, den Gegenstand in die Hand zu nehmen, so versäumt sie es gewiß nicht.

Die geifernden Schlangen, die in Paris so großes Aufsehen erregten, sind auch hier wieder ausgestellt, allein mir dünkt, daß sie hier gegenüber den übrigen ausgestellten Kostbarkeiten zurücktreten, und daß sich Lalique mit denselben fast selbst übertroffen hat.

Vor allem ist zu bewundern, wie Lalique alle möglichen Materialien für seine Zwecke verwendet, vom Elfenbein, Perlmutter bis zum Horn, und wie er so wunderbar den Effekt erzielt, den er damit beabsichtigt.

In dem einen Schrank fallen Schulterkragen auf, auf, Stickereien, die durch zwei Pfauenköpfe, fein in Silber ziseliert, zusammengehalten werden, und deren Pfauenfedernaugen durch entsprechend aufgesteckte Stücke Silber mit der Stickerei in Einklang gebracht sind; ein anderer ist so mit zwei Hahnen

köpfen geschlossen, die Hahnenfedern durch Goldstickereien markiert, ein weiteres ornamental gehaltenes Hahnenmotiv mit fünf Paren gegeneinander gestellten Hähnen, an denen die Köpfe jeweils in Metall ausgeführt und so emailliert sind, daß sie mit dem aus Seidenstoff gestickten übrigen Teile des Kragen in gelblich-weißer Farbe in Einklang gebracht sind.

Ein weiterer Schulterkragen hat ein Distelornament zum Motiv und die einzelnen durchbrochenen Stellen, durch dieses Ornament gebildet, sind abwechselnd mit Elfenbeinreliefs in feinster Arbeit ausgeführt. Ebenso ist ein Schulterkragen mit ornamentierten Brombeerranken zu sehen, dessen Verschluß durch einen in Gold ausgeführten und überemaillierten Brombeerzweig hergestellt ist und unten einen Anhänger hat, an dem aus Stein geschnittene Brombeerfrüchte angebracht sind.

Weiter sind in diesem Kasten Haarkämme, Diademe usw. zu sehen, deren wundervolle und äußerst originelle Verbindung von Horn, Stein, Elfenbein usw. kostbare Reize hervorbringen.

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Da sehen wir einen Lilienzweig, die Blüte in Elfenbein in feinster Naturnachahmung geschnitten, die Blätter in Gold um die Blattrippen sichtbar und à jour emailliert, während die Mittelrippen mit Brillanten ausgefaßt sind ein so reizendes Stück, daß uns neben der dabei entwickelten großen Technik unwillkürlich auch die Eleganz gefangen nimmt. Ebenso geht es einem mit einer ähnlichen Arbeit, einem Laubzweig, dessen Blätter aus rotviolettem Horn modelliert, und dessen Stiele mit Brillanten gefaßt sind. Zu dieser Art gehört ferner ein Stück, dessen Ornamentation dem Haselnuẞstrauch entnommen ist. Kronenartig angeordnet reihen sich 5 Haselnuß-Doppelfrüchte nebeneinander, die Früchte durch einen milchbläulichen Stein gebildet, die obere äußere Fruchthülse in Gold montiert und überemailliert, unten die Blätter in gelbgrauweißlichem Horn gehalten, auf letztere je ein viereckiger Brillant von ff. Wasser aufgesetzt, die untere Rivière, aus der sich das Ornament entwickelt, hat in seinem dreieckigen Durchbruch ebenfalls solche bläulichmilchige Steine_sitzen. Der ganze Zauber liegt aber in der ganz merkwürdigen Farbengebung; dieselbe ist durch die Überemaillierung und durch die Farbe des Horns und die Steine, welch letztere sich nur so viel abheben, daß die Früchte zum Ausdruck kommen, so stimmungsvoll und jeder Effekthascherei bar, daß man nicht satt werden kann, zu schauen.

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Die geschäftliche Lage des deutschen Kunstgewerbes.

Von Bruno Wolff-Beckh in Berlin-Steglitz.

Das deutsche Kunstgewerbe leidet natürlich nicht weniger unter der allgemeinen gedrückten Geschäftslage als andere Industriezweige. Im Gegenteil; da es dem Luxus dient, spürt es im großen ganzen den Rückgang nicht nur zu allererst, sondern auch weit nachhaltiger als diejenigen Industrien, die Waren erzeugen, welche für das konsumierende Publikum mehr oder minder unentbehrlich sind. Man kann sagen, daß der Umsatz bei den deutschen Kunstgewerben zur Zeit noch um etwa 3313%, teilweise sogar bis zu 50% unter dem Niveau des Um

satzes beim Eintritt der Krisis steht. Dabei sind die Verhältnisse im Inland noch bedeutend schlimmer; obige Zahlenangaben schließen schon die in letzter Zeit erfreulicherweise eingetretene Steigerung der Ausfuhr mit in sich.

Wie gering der Umsatz kunstgewerblicher Gegenstände im Inland heute ist, dafür darf als klassisches Beispiel gelten, daß es kürzlich selbst in dem größten und bekanntesten kunstgewerblichen Magazin in Berlin vorgekommen ist, daß fünf Tage hintereinander nicht ein einziges Stück verkauft worden ist. Dieses Magazin führt Erzeugnisse aller Zweige des deutschen Kunstgewerbes und bezieht obenein noch manches Stück aus dem Auslande. Wenn nach allem diesen so geringes Begehr herrscht, daß tagelang an einer der bedeutendsten Verkaufsstellen nicht ein einziger Abschluß zustande kommt, so kann man sich ein Bild davon machen, wie vollgepfropft von älteren und neueren Sachen die Fabriklager sein müssen. Dies wird mir auch von den meisten großen Fabrikunternehmungen der kunstgewerblichen Industrien bestätigt.

Eine Ausnahme bilden allerdings die Firmen von altem guten Ruf, die ihre Kundschaft genau kennen und daher keinen Anlaß hatten, auf Spekulation zu arbeiten. Die jüngeren Fabriken dagegen,

günstig beeinflußt. Seit der Wiederherstellung des Friedens in Afrika und Asien ist die Ausfuhr langsam, aber stetig wieder gestiegen. Jedoch manche Verbindung ist verloren geblieben; so namentlich mit Abnehmern in Nordamerika, dessen eigene Industrie auch auf kunstgewerblichen Gebieten inzwischen weitere bedeutende Fortschritte gemacht hat und die Einfuhr nun nahezu ganz ausmerzen kann, wie sich zeigt. Als Absatzgebiet ganz neu hinzugekommen ist das aus

gedehnte und starkbevölkerte China, das als Markt für das deutsche Kunstgewerbe früher gar nicht in Betracht kam. Vorläufig nehmen wir ja freilich noch mehr kunstgewerbliche Gegenstände von China auf, als wir dorthin ausführen; das kaufende Publikum bei uns verlangt chinesische Muster,

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und der Handel muß sich diesem Verlangen fügen. Verhalten sich die Chinesen ihrem Volkscharakter entsprechend zwar noch ablehnend gegen die europäischen Kunstformen, so sind doch die in Ostasien jetzt in größerer Zahl lebenden Ausländer entschiedene Abnehmer unserer kunstgewerblichen Erzeugnisse. Beispielsweise haben kürzlich zwei russische Bankhäuser für ihre Niederlassungen in Ostasien ihre sämtlichen Ausstattungsgegenstände für die Beleuchtung ihrer Räume in Berlin bestellt.

Eine noch weit größere Rolle als bei anderen Industrien spielt beim Kunstgewerbe die Mode. Man pflegt sie bei diesem mit dem vornehmenen Namen „Stil" zu bezeichnen. Wenn die Kauflust zu erlahmen beginnt, weil der Bedarf an Waren genügend gedeckt ist, so wird eine neue Mode, ein neuer Stil aufgebracht, und alles, was etwas sein und gelten will, sieht sich genötigt, sich neu auszustatten. Nun ist es ja natürlich zu weit gegangen, wenn man die Behauptung aufstellen wollte, Mode und Stil seien überhaupt nur die Mache spekulativer Fabrikanten. Es ist vielmehr eine von den Philosophen aller Zeiten anerkannte Tatsache, daß der Mensch ein Schönheitsgefühl, ein ästhetisches Empfinden in sich trägt, und dieses ist, wie sich gezeigt hat, andauernd dem Wandel unterworfen. Diesem Umstande muß der Fabrikant auf allen Gebieten, namentlich aber im Kunstgewerbe natürlich Rechnung tragen.

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HALSSCHMUCK UND ANHÄNGER VON PH. WOLFERS, BRÜSSEL.

die erst noch im Aufblühen begriffen waren, als die Krise eintrat, sahen die Zahl ihrer Käufer ganz unversehens zurückgehen, während ihre Fabrikate sich in immer größerer Menge auf dem Lager aufstapelten. So entschloß man sich, um den Verlust im Inlande wettzumachen, den Export zu forzieren, ihn durch besondere Anstrengungen zu steigern, und erzielte damit auch schöne Erfolge. Kann es sich das Ausland doch auch gar nicht besser wünschen, als in die vollen Lager hineinzugreifen und sich dasjenige auswählen zu können, dessen es gerade bedarf, und zwar zu Preisen, die infolge des Mangels an Nachfrage im Inlande allgemein so niedrig, wie nur irgend möglich, gestellt werden!

Indessen ist eine Steigerung der Ausfuhr auch durch den natürlichen Lauf der Dinge eingetreten. Der Südafrikanische Krieg und die Ostasiatischen Wirren hatten den Export un

Nun liegt es sehr nahe, daß in kritischen Zeiten auch die Mode in erhöhtem Maße herhalten muß, um der Industrie Käufer zuzuführen, und das berechtigte Bestreben, dem Auge eine Abwechselung zu bieten, kann dann ausarten. So ist Sucht, etwas Neues zu schaffen, in Deutschland heute zur Manie geworden.

Ein Künstler sucht immer den andern durch irgend eine neue, noch nicht dagewesene Linienführung zu übertrumpfen,

und das nennt man dann modernen oder sezionistischen Stil. Die kunstgewerbliche Industrie hat sich diesen Stil in einer Weise zunutze gemacht, welche die bewußte Absicht, das Publikum zu ausgedehnten Neuanschaffungen anzureizen, kaum verkennen läßt. Den von der kunstgewerblichen Industrie abhängigen Künstlern bleibt da natürlich nichts weiter übrig, als die Bizarrerien mitzumachen oder zu hungern.

Der Erfolg gibt nun denjenigen kunstgewerblichen Industriellen, welche den modernen Stil in besonderem Maße pflegen, vollkommen Recht. Im Inlande wird dadurch der Absatz, der bei der jetzigen allgemein schlechten Geschäftslage und angesichts der Entbehrlichkeit der meisten kunstgewerblichen Gegenstände sonst nahezu vollständig stocken würde, doch immerhin auf einer gewissen Höhe erhalten. Und das Ausland folgt teilweise mit großer Energie dem durch den neuen Stil gegebenen Anreiz, seine Einkäufe in Deutschland zu machen. Namentlich sind es die nordischen Länder und Österreich, die dem sezessionistischen Stil ein großes Interesse entgegenbringen, während die Schweiz, Rußland und Großbritannien von demselben durchaus nichts wissen wollen. Die Gründe hierfür sind verschiedenartig. Bei der Schweiz ist es zweifellos der konservative Hauch, der durch das ganze Land weht. Mit Rußland ist es ähnlich; der Volkscharakter auch dieses Landes ist konservativ, trotz des sich gegen die Knute aufbäumenden Freiheitsdranges, der in der russischen Jugend gärt. England aber hat sich seinen eigenen modernen Stil geschaffen.

Wiederum sind es hier die alten soliden Manufakturen, die sich ihrer eigenen Lebensbedingungen erfreuen und daher keinen Anlaß haben, dem allgemeinen Zuge ins Moderne zu folgen. Diese Firmen haben die deutsche Beamtenschaft, die Offiziere und die altansässigen Bürgerfamilien zu Kunden, und pflegen wenig oder gar nicht zu exportieren. Für gute, solide Arbeit werden ihnen im Inlande gute Preise bewilligt, und sie haben daher nicht nötig, aus ihrem alten Geleise herauszugehen; ihre Kundschaft hat eine ganz entschiedene Abneigung gegen den Sezessionsstil. Es ist auch hier die

konservative Gesinnung der Beamten- und Offizierskreise, welche den Geschmack leitet und sie eine neu auftauchende Mode nicht sogleich mitmachen läßt. Indessen auch sie wandeln mit der Zeit ihren Geschmack, wie sich darin zeigt, daß sie heute Empire- und Barock-Muster kaufen, während sie noch vor kurzem dem sogenannten altdeutschen Stil huldigten. Man würde hieraus schließen können, daß sie ebenfalls dem Sezessionsstil noch Geschmack abgewinnen werden, wie man solches auch von der Schweiz und von Rußland erwarten dürfte.

Voraussetzung hierfür ist aber, daß der Sezessionsstil nicht nur eine kurz vorübergehende Erscheinung ist, sondern Kraft genug in sich hat, um die Kunst und das Kunstgewerbe wenigstens ein Menschenalter hindurch zu beherrschen. Über diese Möglichkeit sind die Meinungen sehr geteilt. Diejenigen, welche sich für den Sezessionsstil selber stark engagiert haben, glauben ja an seine Dauer; die übrigen aber meinen auch da, wo er gefragt wurde, schon eine Abnahme feststellen zu können. Vertreter der Gold- und Silberwarenbranche haben z. B. die Erfahrung gemacht, daß in leichteren Sachen der moderne Stil verlangt wird, während bei schweren Stücken, die sich auf Geschlechter hin vererben sollen, nur alte, bewährte Stilarten gewählt werden. Auch der Bericht der Handelskammer Köln äußert sich in diesem Sinne. Kunstschmiedearbeiten sezessionistischer Richtung sind „noch wenig gefragt, erzielen aber bessere Preise infolge geringerer Konkurrenz".

Der Bericht der Handelskammer Pforzheim erwähnt u. a., daß in Italien die Edelmetall-Industrie mehr und mehr erstarkt und daher das glänzende Geschäft, das auf diesem Gebiete in früheren Jahren hier mit Italien gemacht worden sei, nicht wiederkehren werde.

Auch in den anderen Absatzgebieten unserer deutschen Edelmetallindustrie macht sich das Bestreben geltend, die eigene Fabrikation möglichst hoch zu bringen, so daß überall der Konkurrenzkampf ein schärferer und schwierigerer wird.

Stempelung der Goldwaren.

Ob 8 oder 14 Karat, ist in letzter Zeit schon oft die Frage der Juweliere gewesen, und eine größere Anzahl von Artikeln in süddeutschen Tagesblättern veranlassen mich, nachdem insbesondere die Vereinigung der Juweliere Badens und Württembergs in ihren letzten Sitzungen dahingehende Beschlüsse gefaßt haben, auch dieser Frage einige Aufmerksamkeit zuzuwenden, und zwar geschieht dies mit der offenen Absicht, an dieser Stelle einen allgemeinen Meinungsaustausch der deutschen Juweliere über diese Frage hervorzurufen, denn eine ruhige und gelassene Aussprache über bestehende Meinungsverschiedenheiten in solchen wichtigen Fragen ist oft mehr wert als tagelang geführte Kongresse oder Zusammenkünfte, die zum Schlusse doch auf dem Endziel der allgemeinen Resultatlosigkeit ausgehen. Und auch sehr notwendig ist es, einen solchen Punkt zur öffentlichen Kritik zu stellen, da doch durch dessen Sein oder Nichtsein die Existenz vieler Juweliere auf dem Spiele steht, und außerdem dem Publikum eine gewisse Richtschnur und Leitung in Art und Beschaffenheit seiner Schmuckgegenstände gegeben werden soll. Schwer wird es deshalb sein, grade diese Wünsche einzelner, im Interesse und zum Wohle der Gesamtheit, erfüllen zu können, und wird dies auch einer reiflichen Überlegung bedürfen, ehe der Verband in dieser Hinsicht einschneidende Schritte tun könnte, trennen sich doch durch die Erörterung dieser Frage drei Lager ab, und zwar das der Fabrikanten, das der Grossisten und das der Detailleure (Juwe

liere). Letztere würden wieder in Kapitalkräftigere und Kapitalschwächere sich abteilen, die je nach dem Stande ihres Geschäftes ganz entgegengesetzte Ziele anstreben.

Der Wunsch einzelner Juweliervereinigungen geht dahin, zu verhindern, daß insbesondere noch achtkarätige Goldwaren den reichsgesetzlichen Stempelschutz genießen, und sie wollen dafür Sorge tragen, daß eventuell durch Reichsgesetz festgelegt werde, daß Goldwaren, deren Zusatz größer ist als der Goldgehalt selbst, nicht mehr stempelfähig seien, und somit das Publikum nach und nach daran gewöhnt würde, bessere Schmuckgegenstände sich zuzulegen. Als Grund dieses Schrittes wird angeführt, daß einerseits das Publikum durch solche minderwertige Goldwaren getäuscht würde, andererseits, daß sich das achtkarätige Gold schlecht trage und man schon aus Billigkeitsrücksichten dafür sorgen solle, dem Publikum wieder das Tragen besserer, insbesondere 14 karätiger Schmuckwaren, anzugewöhnen. So anerkennenswert dieses Bestreben nun sein mag und so erfreulich es zu nennen wäre, wenn sich in unserm Gewerbe wieder ein Aufschwung zugunsten besserer Waren bemerkbar machen würde, so muß ich doch meiner Ansicht nach dieses Bestreben als einen im voraus erfolglosen Kampf bezeichnen, und würden sich selbst die Befürworter davon überzeugen, wenn sie die industrielle Entwicklung unserer Bijouterie-Fabrikstädte berücksichtigten. Als nämlich der Gesetzgeber das 8 karätige Gold (333 000) zur Stempelung zuließ, ging er von der

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