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dus ist auch zuerst von einem Mönch dieses Klosters, Baudemund, der noch Augenzeugen befragen konnte, noch gegen Ende des 7. Jahrhunderts verfasst worden. 1)

Eine noch einflussreichere Wirksamkeit als dieser französische, hatte schon vor ihm der berühmte irische Missionar Columban und selbst auf dem Boden Galliens entfaltet, der auch einen bedeutendern Biographen in dem oberitalischen Mönch Jonas aus dem Kloster Bobbio, einem Zeitgenossen des Amandus, fand.2) Columban, der als Kind eine treffliche grammatische Ausbildung erhalten, wandte sich schon frühe dem. Dienst der Religion und der Askese zu: nachdem er dem Studium der heiligen Schrift mit ebenso grossem Eifer als Begabung bei dem gelehrten Silenes sich gewidmet, trat er in das berühmte Kloster Bangor ein. Aber mit der Zeit ergriff auch ihn, wie so viele seiner frommen Landsleute, die Sehnsucht nach einer grössern Thätigkeit in der Fremde. Mit zwölf Genossen zog er aus. Hatte er schon die Absicht den Heiden das Evangelium zu verkünden 3), so blieb er doch zunächst in Gallien, wo er um das Jahr 590 landete, weil er dort bei dem Verfall des christlichen und sittlichen Lebens genug für die innere Mission zu thun fand, und seine begeisterten Predigten die Menge ergriffen. Der Herrscher von Burgund lud ihn ein, in seinem Reiche sich niederzulassen. Columban gründete dann in der öden Einsamkeit der Vogesen drei Klöster, Anegray, Luxeuil und Fontaines, indem die Zahl seiner Schüler und Nachfolger sich fortwährend mehrte, so streng auch seine Ordensregel war. Aber in Folge der Intriguen der Brunhilde, deren Zorn der sittenstrenge Mönch auf sich gezogen, wurde er von ihrem Enkel Theoderich II. um 610 mit Gewalt aus seinem Kloster Luxeuil vertrieben, um nach seiner Heimath zurückgebracht zu werden.

1) Mabillon, a. a. O. p. 678 ff. Rettberg, Kirchengeschichte (s. oben S. 452, Anm. 4), I, S. 554 ff. Hauck, Kirchengesch. Deutschlands. Leipzig 1887. Bd. I, S. 296 ff. In Betreff der Abfassungszeit vgl. Hauck, S. 296,

Anm. 4.

2) Sein Leben Columbans s. bei Mabillon, a. a. O. p. 2 ff., im deutschen Auszug bei Abel, a. a. O. Rettberg, Kirchengeschichte II, S. 35 ff. Hauck, a. a. O. S. 240 ff. Hertel, Ueber des heil. Columban Leben und

Schriften, in: Zeitschr. f. histor. Theologie. Bd. 45, 1875. S. 397 ff.

3) Hauck S. 242 bezweifelt dies, nach ihm hätte Columban nur aus asketischem Grund die Heimath verlassen, um, wie einst Abraham, als Fremdling zu leben.

Als er aber von Nantes die Seereise antreten sollte, hielten widrige Winde den Kauffahrer von der Ausfahrt ab; der Schiffsherr sah darin einen Wink des Himmels, und setzte den Mann Gottes wieder an das Land, der sich nun zu Chlotar II., dem Herrscher von Neustrien, begab, welcher ihn mit Freuden empfing. Von da zog er durch Austrasien den Rhein hinauf bis nach Alemannien, wo er bei Bregenz als Missionar sich niederliess, um drei Jahre unter grossen Schwierigkeiten das Heidenthum dort zu bekämpfen. Nachdem er dann die Absicht, auch die benachbarten Slaven zu bekehren, durch eine Vision, wie sein Biograph erzählt, veranlasst, wieder aufgegeben, ging er, wahrscheinlich in Folge der politischen Ereignisse im Frankenreiche (612-613), nach Italien, wo ihn Agilulf, der Langobardenkönig, und seine Gemahlin Theudelinde ehrenvoll aufnahmen. Hier hielt er es nun für seinen Beruf, den Arianismus zu bekämpfen, gegen den er auch damals eine Schrift verfasste. An der Trebbia gründete er noch das Kloster Bobbio, das auch ein Asyl der Wissenschaft wurde. Dort blieb Columban bis zu seinem baldigen Tode 615, indem er eine Einladung Chlotars zur Rückkehr nach Frankreich ablehnte.

Diese Lebensgeschichte Columbans vollendete Jonas in den vierziger Jahren des siebenten Jahrhunderts auf Anregung des Abtes Bertulf von Bobbio, in welchem Kloster der Verfasser drei Jahre nach Columbans Tod aufgenommen war; auf die Aussagen von Augenzeugen, den Schülern Columbans, namentlich dessen nächsten Nachfolgern in Luxovium und Bobbio, Eustasius und Attala, konnte er noch seine Darstellung gründen. Das Leben dieser beiden Aebte hat er auch als einen zweiten Theil der Schrift über Columban hinzugefügt.) Jonas war offenbar wegen seiner grammatischen Bildung zum Biographen des Heiligen ausersehen worden. Er ist recht ein Vertreter der oben bezeichneten kunstmässigen Richtung: sein gesuchter Stil verschmäht es nicht, sich ebensowohl mit mythologischen Ausdrücken und Citaten aus den Alten (wie Livius) als mit solchen aus der Bibel zu schmücken, namentlich im Vorwort lässt er

1) Mabillon, a. a. O. p. 105 ff. Als weitere Fortsetzung wird ihm das Beda fälschlich zugeschriebene Leben des dritten Abts von Bobbio, Bertulf, sowie das der Aebtissin Burgundofara beigelegt (Mabillon, p. 150 ff. und 420 ff.), wofür allerdings äussere Gründe sprechen: in Inhalt und Darstellung aber stehen diese beiden Vitae hinter den andern sehr zurück.

in schwülstigster Rede das Licht seiner Gelehrsamkeit leuchten; andererseits aber ist nicht zu leugnen, dass er doch auch etwas mehr als eine bloss abgerissen anekdotenhafte Erzählung von Mirakeln bietet so wenig es auch an letztern darum fehlt

wie die gewöhnlichen Hagiographen jenes Zeitalters; und so ist sein Werk doch eine wichtige Quelle für die Lebensgeschichte des berühmten irischen Heiligen.

FÜNFUNDDREISSIGSTES KAPITEL.

COLUMBANUS. ANTIPHONARIUM VON BANGOR.

Während nun, wie wir sahen, alle bedeutendere literarische Thätigkeit in Frankreich mit Gregor von Tours Ende des sechsten, in Italien Anfang des siebenten Jahrhunderts mit Gregor dem Grossen, in Spanien um die Mitte desselben Jahrhunderts erstirbt, und damit Hand in Hand die wissenschaftliche Bildung im ersten Lande auf das tiefste herabsinkt, im letzten offenbar in ganz enge Kreise sich zurückzieht, in Italien zwar trotz alles Mangels an Productivität bis auf einen gewissen Grad sich behauptet, aber eben steril bleibt1) - findet mit der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts die christlich-lateinische Literatur einen ganz neuen fruchtbaren Boden im äussersten Norden des Abendlandes, soweit letzteres einst zum Weltreich der Römer gehört hatte, bei einem germanischen Volke. Die Angelsachsen werden jetzt die Vertreter der Weltliteratur, sie übernehmen die Führung. Aber auch in ihrer literarischen Thätigkeit erscheinen als ihre Vorläufer, zum Theil als ihre Lehrer, ihre keltischen Nachbarn, die Iren.

1) Damit soll nicht gesagt sein, dass nicht noch Verse gemacht wurden, wie die des Bischofs von Mailand Benedictus Crispus bezeugen († 725), der als Diakon an einen frühern Schüler ein Arzeneibüchlein in fehlerhaften Hexametern richtete, um ihn in die ärztliche Kunst einzuführen. Es enthält dasselbe Heilmittel gegen eine Anzahl Krankheiten. Etwas besser als diese trockenen versificirten Recepte ist das von ihm als Bischof auf den Angelsachsenkönig Ceadwalla, der 689 auf einer Pilgerfahrt in Rom starb, in Distichen verfasste Epitaphium, welches Beda (Hist. eccl. 1. V, c. 7) und nach ihm Paulus Diaconus (Hist. langob. I. VI, c. 15) uns erhalten haben. Beide Werkchen des Crispus sind herausgegeben von Mai, Classicor. auctor. T. V, p. 391 ff., und vgl. ebenda p. XLIII.

COLUMBANUS) ist selbst da ein merkwürdiges Beispiel.2) Trotz seiner strengen asketischen Richtung bewahrte er sogar bis in das Greisenalter das Interesse für die antik - ästhetische Bildung, welches der grammatische Jugendunterricht ihm eingeflösst. Dies zeigen ein paar Gedichte, deren Verfasser in dem einen selbst durch die Anfangsbuchstaben sich Columbanus nennt. Dies Acrostichon (in Hexametern) ist an einen Hunald gerichtet. Im Hinblick auf die rasche Vergänglichkeit des gegenwärtigen Lebens fordert er den Freund auf, nur an das ewige zu denken, und allem unnöthigen irdischen Ueberfluss zu entsagen. Einen ganz ähnlichen Inhalt hat eine unmittelbar darauf folgende längere Epistula ad Sethum in demselben Versmass. Auch hier ermahnt der Asket, der im Text sich Columbanus nennt, ,die Freuden des flüchtigen Lebens zu verachten', namentlich den Reichthum: seine Stelle sollen vertreten,die Dogmen des göttlichen Gesetzes, der heiligen Väter keusches Leben, und alles was die gelehrigen Meister vordem schrieben oder die gelehrt-beredten Sänger in Dichtungen sangen' (v. 11 ff.). — Ein solcher Platz wird also der Literatur und der Dichtung -sei auch nur die christliche gemeint von Columban unter den unvergänglichen Schätzen angewiesen. Gedenke des Alters, fährt er dann fort, und gibt hier eine so lebendige drastische Schilderung seiner Gebrechen, dass man wohl bemerkt, wie er sie selbst schon erfahren. Merkwürdig durch das Versmass ist ein anderes Gedicht, die Epistula ad Fedolium: sie ist bis auf ihren Schluss, der aus sechs Hexametern besteht, in adonischen Versen geschrieben vielleicht nach dem Vorbild des Carm. VII, 1. I der Consolatio des Boëthius. Diese Verse, die, was für das rein ästhetische Interesse recht bezeichnend ist, als eine blosse Formspielerei erscheinen3), sendet Columban als kleines Geschenk an den Freund, um als Er

1) In: Maxima Bibliotheca veterum patrum et antiquor. scriptor. ecclesiasticor. Ed. Lugduni. Tom. XII, 1677. fol. p. 33 f. und bei Migne, Patrol. lat. T. 80, p. 285 ff.

2) Allerdings sind in neuerer Zeit, so von Hertel, a. a. O. S. 427 ff., die folgenden Gedichte dem berühmten irischen Missionar, dessen Vita wir eben behandelt haben, abgesprochen worden. Und so wenig mir auch die Begründung Hertels genügt, so kann ich doch nicht leugnen, dass auch mir Zweifel an der Authenticität gekommen sind. Zu einer gründlichen und sicheren Entscheidung fehlt aber noch das Material.

3) Columban nennt sie selbst ,frivola nostra'.

widerung eine gleiche Gabe von ihm zu erhalten: denn Geschenke des vergänglichen Reichthums wünsche er nicht, und hiermit wendet er sich wieder gegen die Habsucht, deren verderbliche Folgen der Dichter an einer Reihe von Mythen des Alterthums schildert, so erwähnt er das goldene Vlies und Troja's Untergang, Polydor, Danaë, Amphiaraus; er endet, indem er dem Freund das Versmass, das ihm vielleicht neu sei, mit allen Einzelheiten erklärt und es auf die berühmte Sängerin der Trojaentsprossenen, Sappho, zurückführt. In diesem wie in den beiden andern Gedichten findet sich Horaz benutzt.1) Aus den hexametrischen Schlussversen aber erfahren wir noch, dass Columban im 72. Jahre dieses Gedicht verfasst hat.2)

Aus demselben spricht eine Kenntniss der antiken Dichtung und ein ästhetischer Sinn für sie, wie sie in jenem Zeitraume nur in den Werken der Angelsachsen wiederkehren; indessen trugen solche Hinweisungen auf Literatur und Dichtung als einen wahren Schatz des Lebens, wie in der obigen Epistel, auch im Kreise der Mönche Columbans ihre Frucht, wie die vielen uns durch das Kloster Bobbio erhaltenen Handschriften beweisen. Eine derselben zeigt denn auch recht, wie in Irland selbst und speciell in dem Kloster Bangor, von dem Columban ausging, wenigstens die geistliche Poesie gepflegt wurde. Es ist ein Antiphonarium dieses Klosters3), das aller Wahrscheinlichkeit nach noch aus dem siebenten Jahrhundert stammt.1) Diejenigen von den darin befindlichen geistlichen Gesängen, welche mit Gewissheit den Mönchen von Bangor beizulegen sind, zeigen statt des metrischen einen rein rythmischen Charakter, obgleich sich ihre Formen, wie bei den oben S. 555 betrachteten Hymnen, an Metra anschliessen und aus solchen erwachsen erscheinen, auch in einzelnen Fällen die Verse in der That metrisch sind; dagegen stellt sich hier schon der Reim vollständig durchgeführt ein. So findet sich ein alphabetischer Hymnus auf den heiligen Comgill, den ersten Abt des

1) Auch dieser Umstand spricht dafür, dass alle drei Gedichte denselben Verfasser haben. In einer Handschrift nennt sich der Autor des letzten in der Ueberschrift auch Columbanus. S. Hertel, a. a. O.

2) Andere Gedichte sind ihm sicher mit Unrecht beigelegt.

3) In: Anecdota quae ex Ambrosianae bibliothecae codd. nunc primum eruit Muratorius. Tom. IV. Padua 1713. 4o. p. 119 ff.

4) S. Muratori's Prolegg. p. 121 und 124.

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