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officieller Natur und zum Theil auch offenbar, wie schon Arendt richtig bemerkt1), vielmehr aus der Kanzlei Leo's hervorgegangen, als aus seiner Feder geflossen. Um so bemerkenswerther ist die Reinheit der Sprache, die auch sie auszeichnet, während sie zugleich von rhetorischer Künstelei frei sich halten. Es sind darunter äusserst wichtige historische, namentlich kirchengeschichtliche, Urkunden. Doch haben sie bei ihrem officiellen Charakter für uns hier nicht das Interesse, um auf ihren Inhalt einzugehen.

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Einen grossen Ruf als Prediger erwarb sich auch, insbesondere in Gallien, der heil. CAESARIUS 2), welcher, ein Schüler des Klosters Lerinum, Diakon und später (502) Bischof von Arles wurde und auch in dieser Eigenschaft eine bedeutende Wirksamkeit im südlichen Frankreich im Interesse des Katholicismus entfaltete. Er starb, einige siebzig Jahre alt, 543. Wie er allem Anschein nach selbst von geringer Herkunft war, so nahm er sich als Seelsorger der untern Klassen des Volks mit grösster Theilnahme an und schenkte den Ungebildeten auch in seinen Predigten besondere Rücksicht, wie er es selbst in einer direct ausspricht. Und dazu stimmt in der That die in ihnen vorherrschende moralische Tendenz und eine auf den gemeinen Mann speciell berechnete, durch Bilder aus der Natur wie dem Alltagsleben veranschaulichende Darstellung, wie sie sich in so manchen seiner Sermone findet, wenn er auch freilich der allegorischen Interpretation der Bibel darum nicht durchaus enträth.3) Einfachheit, Klarheit und verhältnissmässige Reinheit des Ausdrucks zeichnen diese Predigten aus. Zugleich hat Caesarius nicht wenig für die Förderung des Kultus

1) A. a. O. S. 421, wo er auch seine kritischen Bedenken äussert. 2) Seine Sermonen finden sich namentlich unter den unechten des Augustin; dann: S. Caesarii Homiliae XIV. Steph. Baluzius prim. ed. notisque illustr. Paris 1659 (erscheinen aber auch nicht alle authentisch). Aus einer Handschrift des Benedictinerstifts Einsiedeln hat Caspari in seinen Kirchenhistor. Anecdota (Christiania 1883, Bd. I, S. 213 ff.) eine Predigt herausgegeben, die er mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Caesarius beilegt. Histoire littér. de la France. Tome III, p. 190 ff. Ampère, Hist. littér., T. II, p. 203 ff.

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3) Kulturhistorisch beachtenswerth ist die Bekämpfung des heidnischen Aberglaubens, wie sie in manchen seiner Predigten sich findet, so auch in der von Caspari edirten, a. a. O. S. 222.

sowie des Klosterlebens, namentlich der Frauen, gewirkt, durch seine Regula ad virgines, die älteste Nonnenregel, die man kennt. Er schrieb sie für ein von ihm um 513 gegründetes Frauenkloster, an dessen Spitze seine Schwester Caesaria trat. Diese Regel, welche auch das Abschreiben von Büchern den Nonnen zur Pflicht machte, fand eine weite Verbreitung bis in die spätere Zeit.

ZWANZIGSTES KAPITEL.

PHILOSOPHIE. CLAUDIANUS MAMERTUS.

Die christliche Speculation ist in unserm Zeitalter, und zunächst noch im fünften Jahrhundert, wenigstens durch ein für jene Zeit nicht unbedeutendes Werk repräsentirt, welches zugleich auch in stilistischer Beziehung bemerkenswerth ist: es ist dies die damals hoch gerühmte Schrift des CLAUDIANUS MAMERTUS1) De statu animae. Der Autor gehörte zu den nächsten Freunden des Apollinaris Sidonius, welchem er auch die Schrift gewidmet hat. Demselben verdanken wir auch genauere Nachrichten über ihn. 2) Durch die klassische Literatur Griechenlands wie Roms nicht minder als durch die christliche gebildet, in seiner Jugend als Mönch ganz einer gelehrten Musse hingegeben, erwarb sich Claudian nicht bloss ein umfassendes Wissen, sondern gewann auch die speculative und dialektische Neigung und Befähigung, die ihn im Kreise seiner Freunde zum wissenschaftlichen Berather, zum Leiter ihrer Disputationen machte. Später Presbyter der Kirche von Vienne, der sein Bruder als Bischof vorstand, wurde er dessen rechte Hand, indem er die Liturgie und namentlich den Kirchengesang leitete. Mit einem Wort, er verwerthete seine klassische Bildung überall

1) Claudiani Mamerti Opera rec. Engelbrecht. Wien 1885 (Corp. scr. eccl. lat. Vol. XI). Ritter, Geschichte der Philosophie. 6. Bd. Guizot, Histoire de la civilisation en France. 6o leç. Schulze, Die Schrift des Claud. Mamertus über das Wesen der Seele. Dresden 1883. (Leipziger Dissertation.)

2) S. namentlich die Epist. 11 des IV. Buchs der Epp. des Sidonius, welche ein Elogium des Claudian nach dessen Tode gibt, und eine ihm zu Ehren verfasste Naenia. Vgl. auch Gennadius, 1. 1. c. 83.

im Dienste des Christenthums. Er starb um das Jahr 474, nachdem sein philosophisches Werk etwa vier Jahre vorher herausgekommen war.

Es wurde durch eine kleine, uns erhaltene Flugschrift des Bischofs von Riez Faustus') veranlasst, welche aber anonym in Form einer Epistel erschienen war.2) In derselben wurde die Körperlichkeit der Seele, wie alles Erschaffenen, behauptet und zu beweisen versucht. Diese Schrift zu widerlegen, verfasste Claudian sein Werk, das auf dieselbe stets Bezug nimmt, aber den Stoff selbständig ordnet. Nur führen kurze Bemerkungen des Faustus hier zu langen Erörterungen, obschon Claudian die Freiheit einer polemischen Gelegenheitsschrift für die seinige in Anspruch nimmt und manches nur angedeutet, statt ausgeführt haben will.3) Es zerfällt das Werk in drei Bücher. In dem ersten werden schon alle Hauptargumente vorgebracht: nachdem die Impassibilität Gottes bewiesen, zeigt der Verfasser, dass die Seele schon deshalb unkörperlich sei, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen, und Gott auch unkörperliches, der Vollständigkeit der Welt wegen, schaffen musste; die Seele sei aber Gott nur ähnlich, ihm nicht gleich; - ein anderer Hauptgrund der Unkörperlichkeit der Seele ist die Illocalität derselben, welcher von Claudian um so mehr ausgeführt wird, als der Gegner gerade auf die entgegengesetzte Behauptung vor allem sich stützte; ferner der Mangel der Quantität, der sich schon aus der Illocalität ergibt, während dagegen die Qualität der Seele zukommt, wodurch sie von Gott selbst sich unterscheidet, der auch dieser Kategorie nicht unterworfen ist. Dies sind die Hauptargumente da eine vollständige Analyse dieser rein philosophischen Schrift zu geben uns fern liegt. Im zweiten Buch führt der Verfasser zur Unterstützung seiner Beweise Autoritäten ins Feld, zuerst die alten Philosophen, die Griechen namentlich, von denen er Plato hoch erhebt (c. 7),

1) Ueber ihn s. die ausführliche Praef. von Krusch zu der Ausgabe seiner Briefe im Anschluss an die Ausgabe des Sidonius von Lütjohann (s. oben S. 419, Anm. 1), p. LIV ff. und 265 ff.

2) In der Ausgabe des Claud. Mamertus von Engelbrecht p. 3 ff. Siehe eine Analyse der Schrift von Schulze, a. a. O. S. 6 ff. Der Brief hatte den Zweck, den Arianismus zu widerlegen.

3) S. das Widmungsschreiben und den Schluss des Werkes; in jenem die Stelle: Scripsi igitur pauca haec veluti quaedam rationum semina etc.

dann aber auch die Römer (c. 8), wobei er die auch durch Faustus angeregte Frage erörtert, in wie fern der Seele, wie allem von Gott Geschaffenen (nach lib. Sapient. c. 11, v. 21), Mass, Zahl und Gewicht zukäme; hernach beruft er sich auch auf die Kirchenväter (c. 9), die Bibel und insonderheit den Apostel Paulus, dessen Verzückung in den dritten Himmel schliesslich sehr ausführlich besprochen wird (c. 12). Im dritten Buche werden noch verschiedene Einwände gegen die Unkörperlichkeit der Seele, die von Faustus oder auch von andern vorgebracht waren, zurückgewiesen und zugleich die bereits vorgebrachten Argumente verstärkt, die denn am Schlusse in einer Recapitulation zusammengefasst werden. Gerade diese Recapitulation zeigt aber, wie Ritter (S. 569) sehr richtig bemerkt, recht deutlich,die Unbeholfenheit, mit welcher Claudian seine Begriffe handhabt', und, fügen wir hinzu, wenn man sie mit dem Werke selbst vergleicht, wie wenig scharf und systematisch die Disposition des Stoffes in demselben ist, was auch schon unsere kurze Inhaltsangabe wird haben erkennen lassen. Der Verfasser empfand dies auch wohl selbst, wie wir oben andeuteten. Trotzdem ist das Werk für seine Zeit keineswegs zu unterschätzen: es zeugt nicht bloss von einer damals seltenen Gelehrsamkeit und dialektischen Schulung des Geistes, sondern auch von einer Freiheit und Selbständigkeit des Denkens, die für jene Tage alle Anerkennung verdient. Dieselbe offenbart sich auch in der Kühnheit, womit Claudian aus dem Sprachschatz der fernen Vorzeit wie der Gegenwart schöpft, allerdings mit Verzicht auf Eleganz des Ausdrucks1); aber es kommt ihm in der That zunächst nur auf die Sache, und nicht auf den Stil an, er ist fern von allem Haschen nach rhetorischer Wirkung, von Phrasenmacherei was seinem Freunde Sidonius, der das gerade Gegentheil zeigt, imponirte 2); mit dieser damals so seltenen Tugend verbindet sich doch oft eine in kurzen

1) S. über die Sprache Claudians die gründliche Untersuchung von Engelbrecht in den Sitzungsber. der Wiener Akad. der Wissensch. phil.hist. Cl. Bd. 110, S. 423 ff., der u. a. namentlich auch den Einfluss des Apuleius geltend macht (S. 438 ff.).

2) So gesteht denn Sidonius Epp. 1. IV, ep. 3: Denique et quondam, nec iniuria, haec principalis facundia computabatur, cui paucis multa cohibenti curae fuit causam potius implere, quam paginam; nachdem Sidonius vorausgeschickt: Nova ibi verba, quia vetusta; quibusque conlatus merito

schlagenden Sätzen lebhaft vordringende Darstellung, welche an die der Dialoge seines Meisters Augustin erinnert. Denn dass dieser zunächst sein Lehrer und Vorbild war, lässt sich nimmer verkennen.1)

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL.

FULGENTIUS. MARTIANUS CAPELLA.

Eine wunderliche Mischung einer abenteuernden mystischen Speculation mit dürrer grammatischer Gelehrsamkeit zeigt eine literarische Abart, die, von heidnischem auf christlichen Boden verpflanzt, in zwei Werken des FABIUS PLANCIADES FULGENTIUS?) uns in diesem Zeitalter entgegentritt, und von nicht unbedeutender literarhistorischer Wirkung wurde. Es ist die allegorische Deutung der antiken Mythologie, sowohl im allgemeinen, als des mythischen Nationalepos im besondern. Sie kam zuerst durch die griechischen Philosophen, namentlich die Stoiker auf, welche ihr wissenschaftliches Bewusstsein mit dem Volksglauben hierdurch zu vermitteln suchten, indem sie sich bemühten, in

etiam antiquarum litterarum stilus antiquaretur; quodque pretiosius, tota illa dictio sic caesuratim succincta quod profluens: quam rebus amplam strictamque sententiis sentias plus docere, quam dicere.

1) Wir besitzen noch von Claudian zwei Briefe, von welchen der eine an seinen Freund, den Bischof Apollinaris Sidonius, der andere an den Rhetor Sapaudus gerichtet ist. In letzterem beklagt er das Darniederliegen der Wissenschaften. S. beide Briefe in Engelbrechts Ausgabe S. 198 und 203, den ersten auch in der des Sidonius, Epp. 1. IV, ep. 2. Ein paar Hymnen sind Claudian mit Unrecht beigelegt worden.

2) Mythographorum latinorum tomus II, complectens Fabii Planciadis Fulgentii Mythologias, Continentiam Virgilianam et libellum de prisco sermone, etc. (Ed. Muncker). Amsterdam 1681. Liber absque litteris de aetatibus mundi et hominis auct. F. Cl. Gord. Fulgentio, eruit a mss. codd. J. Hommey et not. illustr. Paris 1694. Zink, Der Mytholog Fulgentius, ein Beitrag zur römischen Literaturgeschichte und zur Grammatik des afrikanischen Lateins. Würzburg 1867. 4°. Reifferscheid, Mittheilungen aus Handschr. II. im Rhein. Museum. N. F. Bd. 23. 1868. Jungmann, Quaestionum Fulgentiarum capita III in Ritschls Acta soc. philol. Lips. T. I. Leipzig 1870. Derselbe, Die Zeit des Fulgentius im Rhein. Mus. N. F. Bd. 32 (1877), S. 564 ff. Gasquy, De Fabio Planciade Fulgentio, Virgilii interprete. Berlin 1887 (Berl. Studien f. class. Philol. Bd. 6).

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