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NOV 6 1907

livinity School

BV
468

•A6

V150

Vorwort.

Der 50. Band der Analecta Hymnica, den ich hiemit der Öffentlichkeit übergebe, schließt die zweite Serie der Hymnographi Latini medii aevi. Hätte in der ersten Serie nicht Abälard, in dieser zweiten Alphanus von Salerno einen Platz gefunden, so hätte ich die Sammlung füglich als Hymnographi Latini Minores bezeichnen können; minores, nicht ihrer literarhistorischen Bedeutung nach, die nicht immer im gleichen, die häufig genug im umgekehrten Verhältnisse zur Fruchtbarkeit steht, und die zweifelsohne bei dem kargenden Ambrosius größer ist als bei irgendeinem der nachfolgenden liturgischen Dichter; minores nur, insofern ihr poetischer Nachlaß an Umfang und Zahl hinter dem anderer Hymnendichter zurücksteht. Es wäre dann von vorneherein klar gewesen, daß die beiden großen Sequenzendichter, welche den Höhepunkt zweier grundverschiedener Richtungen einer und derselben liturgischen Dichtungsart bezeichnen, aus dieser Serie ausgeschieden werden mußten. Ich habe aber nicht nur Notker den Stammler und Adam von St. Viktor künftiger Veröffentlichung vorbehalten; ich habe ebenso John Hoveden ausgeschlossen, dies, um die Möglichkeit offen zu halten, seine lyrischen Gedichte nicht ohne seine Philomena zum Drucke zu bringen.

Ist diese auch in sich ein erzählendes Gedicht, so erscheint der Teppich dieser Erzählung fast ausschließlich aus lyrischen Fäden gewebt, wenn man will, als lyrische Kette mit epischem Einschlag. Da dies Hauptwerk Hovedens zugleich zu den Perlen mittelalterlicher Dichtung gehört und seit den Anfängen des 16. Jahrhunderts nicht mehr gedruckt worden ist, schien mir der Wunsch, ihm im Rahmen der Analecta Hymnica zu einer Neuauflage zu verhelfen, nicht ungerechtfertigt.

Aus Raummangel mußte ich auch von einem Neudrucke der Hymnen des Dionysius Carthusianus absehen, die uns in einem einzigen Drucke erhalten sind, die aber einen Halbband der Analecta beanspruchen würden. Ein Gleiches gilt bezüglich der in den Werken eines anderen Karthäusers, des Johannes Justus Lanspergius, enthaltenen Hymnensammlung, die einer kritischen Sichtung dringend bedürftig ist. Ist diese Sammlung zeitlich kaum mehr der mittelalterlichen Hymnendichtung zuzuzählen, so steht sie anderseits inhaltlich und formell noch ganz auf dem Boden der alten Traditionen.

Außer den genannten Dichtern mußten aber eine ganze Reihe anderer aus der vorliegenden Sammlung ausgeschlossen bleiben, die wir in eine doppelte Reihe scheiden können. Es sind einmal solche, von denen wir nur den einen oder höchstens anderen Hymnus, die eine oder andere hymnenverwandte Dichtung besitzen. Ich nenne beispielsweise von den älteren Rusticus Elpidius, Merobaudus, Flavius; von den mittleren Notker Physikus, Ratbodus, Wandalbert von Prüm; von den jüngeren und jüngsten Bernhard, Wipo, Iacobus de Benedictis, Henricus Pistor. Es hat keinen Zweck, hier eine vollständige Liste ihrer Namen zu versuchen und ihre

hergehörigen Dichtungen aufzuführen, da dies eine Aufgabe der Registerbände sein wird, welche das Gesamtwerk abschließen und gleichzeitig erst erschließen werden. Dasselbe gilt von der zweiten Gattung von Autoren, die hier übergangen werden mußten, von Autoren, die an sich so gut wie die aufgenommenen Anspruch auf Annahme gehabt hätten, deren Hymnen indes aus dem einen oder dem anderen Grunde sei es alle, sei es fast alle in früheren Bänden der Analecta bereits Aufnahme gefunden haben. Ich nenne wiederum beispielshalber statt mancher wenige und ohne Nachweise; ich nenne Hucbald von Saint-Amand, Berno von Reichenau, Servatus Lupus, Baudry de Bourgeiul, Ordericus Vitalis, Julian von Speier, Brynolphus von Skara, Adam Easton, Gottfried von St. Victor u. a.

Schwerlich brauche ich darauf hinzuweisen, daß ich bei den in die kurzen Lebensumrisse der einzelnen Dichter eingefügten literarischen Nachweisen keineswegs beabsichtigt habe, noch beabsichtigen konnte, eine Übersicht der vorhandenen Literatur zu bieten. Dazu fehlt neben dem Raume der Zweck. Die gewählten Zitate wollen vielmehr den Leser unter Hinweglassung alles Überflüssigen an die Quellen weisen, in denen er ohne Zeitverlust und Mühewaltung den reichsten und richtigsten Aufschluß über das Leben und die hymnodische Betätigung eines Dichters findet.

Ich darf dies Vorwort nicht schließen, ohne ein Wort des verbindlichsten Dankes gegen die Bibliotheksverwaltungen, welche mich durch Übersendung von Handschriften und Druckwerken verpflichtet haben, gegen die Bibliotheksvorstände von Paris, Berlin, Bamberg und Karlsruhe; ohne ein Wort des verbindlichsten Dankes für jene, welche mir nicht zugängliche Handschriften für mich verglichen haben, für Herrn Stifts

archivar Dr. Joseph Müller in St. Gallen, Stiftsbibliothekar P. Benedikt Hammerl in Zwettl, vor allem für Rev. Henry Marriott Bannister, der in nie versagender Gefälligkeit in einer ganzen Reihe englischer Manuskripte zum Teil sehr umfangreiche und zeitraubende Kollationen vorgenommen hat.

München, den 31. Dezember 1906.

Dr. Guido M. Dreves.

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