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Wort und Bild erreicht, ja es kann sogar nach der Projektion skizziert werden.

Vielfach ist dem Laien und dem Schüler das Interesse am Studium dadurch geschwächt worden, daß durch einen Wust von Zahlen, trockenen systematischen Entwicklungen jede Lebendigkeit der geistigen Aufnahme ertötet wurde. Freilich dürfen diese Dinge als wissenschaftliches Gerippe nicht fehlen. Aber das Wichtige erscheint doch in der unmittelbaren Frische des Vortrags und in einer lebendig geführten Arbeitsgemeinschaft.

Damit nähern wir uns dem wichtigsten Punkt unserer Ausführungen. Kunsterziehung durch Kunstgeschichte darf nicht im Stile der alten Lernschulen, sondern kann nur in der Form der Arbeitsschule betrieben werden. Wenn irgend welche Voraussetzungen bei den Hörern vorhanden sind, so müssen wir den Hörer auch auf dem Gebiet der Kunstgeschichte zur wirklichen Arbeit veranlassen. Mit dem Zeichenstift, dem Pinsel, dem Modellierholz sollen insbesondere der werdende Techniker und Kunstgewerbler an den kunstgeschichtlichen Unterricht herantreten. Dann hört

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bei Lehrer und Schülern alle pedantische Schöngeisterei auf. Die reine Wissenschaft gehört auf die Universität. Freilich darf dieses praktische Studium nicht nach der anderen Seite ausschlagen und in ein geistloses Kopieren historischer Formen auslaufen. Der Laie wie der Schüler wollen die Zeitverhältnisse und den Zeitgeist kennen lernen und sollen erfahren, wie aus solchen Faktoren die Einzelformen und das Kunstwerk entstanden sind. Dieses Studium weckt und bildet das Stilgefühl; es läßt nicht nur den Wert der Schöpfungen einer Zeitperiode klar und dauernd (weil das Formengedächtnis mitarbeitet) erkennen, sondern die stilistische Empfindung des Hörers gewinnt auch die richtige Einstellung neuzeitlichen Schöpfungen gegenüber, vor allem in dem Sinne, daß jeder Zeitabschnitt seine Umwelt persönlich gestaltet hat und persönlich eigene Formen schuf, ein Recht, das auch die Gegenwart aus den gleichen Voraussetzungen für sich in Anspruch nimmt. An Schulen, die sich künstlerisch betätigen, soll daher der kunsthistorische Unterricht nicht als eine Wissenschaft außerhalb des kunstgewerblichen Unterrichts stehen, sondern vielmehr in diesen hineingestellt werden.

Kaufmann und Geschmackserziehung.

Von Professor L. Segmiller, Pforzheim.

at der Kaufmann ein ideales und materielles Interesse an der Erziehung des Publikums zum guten Geschmack? Diese Frage stellen, heißt sie bejahend beantworten. Denn die Kaufmannschaft war es, die die Durchdringung der gewerblichen Arbeit mit Qualitätsgrundsätzen seit den Tagen der Hansa gefördert und vertreten hat. Gerade der Umstand, daß es den deutschen Pionieren des Handels gelungen ist, im Ausland für das bessere deutsche Erzeugnis eine breite Basis zu schaffen, stellt sich als ein Grund des Kriegsausbruchs dar. Das harte Ringen im Wirtschaftskampf, das nach Friedensschluß und namentlich jetzt mit unerhörter Schärfe einsetzte, kann für uns nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn es uns gelingt, eine Qualitätsware in die Welt zu senden, die in jeder Beziehung höherstehend ist als jene des Auslandes. Dazu ist es aber notwendig, daß für sie zuerst in der Heimat volles Verständnis geweckt wird.

In der Ausbreitung hochstehender deutscher Kulturerscheinungen erblicken wir das beste Mittel, das Deutschtum wieder in Ansehen zu setzen. Je geschlossener und markanter sie auftreten, desto nachhaltiger wird ihr Einfluß im Weltenrund sein. Das „Made in Germany" soll in noch viel weiterem Sinne wie bisher zur Qualitätsmarke gestempelt werden. Und nicht nur dies, auch die Aufmachung des deutschen Erzeugnisses muß in Form und Ausstattung eine Höhenleistung darstellen. Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit wird also auch in Zukunft ein Hauptziel sein, dem die deutsche Kaufmannschaft zustrebt. Die Gefahr, die in diesen Bestrebungen für unseren stärksten Konkurrenten England liegt, hat er selbst erkannt,

als bei der Gründungsversammlung der „Designs and industries association" in London die Zeitungen schrieben: „Der deutsche Erfolg ist bewirkt durch Zusammenarbeiten der Künstler, Fabrikanten und Verkäufer." Ein andermal äußert sich ein Prospekt der genannten Gesellschaft: „Jeder Fabrikant hat die Pflicht gegenüber seinem Geschäftszweig: die Qualität der Arbeit, die ihm untersteht, zu verbessern und jeder Arbeiter hat die Pflicht gegenüber seinem Handwerk: die Qualität der eigenen Fachleistungen zu verbessern." Auch wir wollen uns ihren aufgestellten Grundsatz zur Richtschnur dienen lassen: „Die Industrien, in denen bei allen Beteiligten die Erreichung bester Leistungen Selbstzweck ist, überflügeln die Industrien, in denen man nur ans Geldverdienen denkt." Das Ziel der Erreichung einer vollwertigen Qualitätsarbeit ist aber nichts anderes als der

Kampf gegen den schlechten Geschmack. Wie wichtig ein gehobenes allgemeines Geschmacksempfinden ist, erhellt am besten aus den Erfolgen der französischen Mode.

Wenn man auch annehmen darf, daß der Franzose von vornherein in Modedingen eine gewisse künstlerische Veranlagung voraus hat, so ist doch eine Fortentwicklung des Allgemeingeschmacks durch die trefflichen Modeerzeugnisse selbst nicht weniger gewiß. Die französische Mode beherrschte aber nicht nur Frankreich, besonders auch Deutschland und Österreich, sondern sie verstand es, durch Unterwerfung fremdländischen Geschmacks sich zur Weltmode aufzuschwingen, in welcher Stellung sie sich auch heute noch behauptet. Dadurch verschaffte sie Tausenden und Abertausenden Verdienst und zog durch Export riesige Kapitalien aus dem Ausland an. Nicht genug damit, begann sie sich bekanntlich zu einem politischen Machtinstrument mit Welterfolgen auszubilden. Eine Unsumme von Sympathiewerten hat Frankreich dadurch ausgeteilt und mit seiner Mode die großzügige Opportunitätspolitik getrieben. Jeder Fachmann weiß, daß die japanischen Kimonos und die russischen Blusen ein politisches Widerspiel Frankreichs zum russischjapanischen Krieg gewesen sind. Während des bulgarischtürkischen Krieges trug alle Welt bulgarische Jäckchen und Stickereien, weil Frankreich in Bulgarien große Werte investiert hatte. Die Eröffnung des Panamakanals gab Veranlassung zur Tangomode usw.

Daraus ergibt sich die eminente Bedeutung eines geläuterten Geschmacksempfindens in seiner weitesten Entwicklung. Es ist kein Zweifel, daß diesem aber nur dann eine größere Durchschlagskraft auf jedem Gebiete zukommt, wenn sein Auftrieb auf einer breiten Basis im eigenen Volke ruht. So lange wir in der Heimat das Qualitätserzeugnis durch Erwerb in ausgedehntem Maße nicht zu schätzen wissen, so lange wird uns auch die Einwirkung auf fremde Geschmacksgebiete geschmälert, zum Teil sogar ganz versagt bleiben.

Es ist bisher z. B. England im Frieden als Hersteller erstklassigen schweren Silbergeschirrs nicht aus dem Felde zu schlagen gewesen (obwohl wir ebenso dessen Erzeugung verstehen), weil in Deutschland die Nachfrage nach dieser Qualität gering zu nennen war, was wiederum mit unserer Vorliebe für Imitationsprodukte zusammenhängen mag.

Andererseits erweisen diejenigen Fabrikate, z. B. Teerprodukte, Anilinfarben, Indanthrenfarben u. a., die wir in unübertrefflicher Qualität zu erzeugen wissen, unsere unbedingte, in aller Welt anerkannte wirtschaftliche und kauf

männische Überlegenheit in diesen Artikeln. Diese wenigen Beispiele bezeugen wohl einwandfrei, wie wichtig eine allgemeine deutsche Qualitätserzeugung für den Kaufmann ist, ferner, daß dieses Ziel aber nur durch die Erziehung des Publikums zum Einkauf von Qualitäten erstrebt werden kann. Was andere Völker durch eine natürliche Veranlagung, die im Keim auch bei uns festzustellen ist, und durch jahrhundertelange Übung voraus haben, das müssen wir durch großzügige Organisation zu erreichen streben.

Und Organisation ist in dieser Hinsicht bei uns dringend notwendig! Das deutsche Volk ist im Einkauf von großer geschmacklicher Unsicherheit gehindert. Die bekannte Vorliebe und übertriebene Wertschätzung fremdländischer-Produkte vermochte auch der Krieg nicht völlig auszurotten. Die Vorliebe für Talmigegenstände und Imitationsprodukte besteht nach wie vor. Wenn wir unsere großen Messen besuchen, so sehen wir nur ein langsames Vordringen der Qualitätserzeugung. Kurzum, es muß noch unendlich viel erzieherische Arbeit geleistet werden, bis von einem geschmacklich durchgebildeten Einkauf des deutschen Volkes zu sprechen sein wird.

Wenn es in einer Zeit steigender Geschmackskultur, wie der unsrigen, noch möglich ist, daß ganze Abteilungen der Tapeten- und Stoff-, der Keramik-, Bijouterie-, der Kleinsilberwaren, der Ofen- und Herd-, Lederwaren-, Ansichtskartenindustrie u. dgl. zum Teil Summen von 50 und 80 Millionen Mark in geschmacklosen, unserer Kultur widersprechenden Erzeugnissen umsetzen, so ist das der stärkste Beweis dafür, daß die große Masse der deutschen Qualitätsbewegung verständnislos gegenübersteht. Es ist traurig, sehen zu müssen, daß unzählige von Männern und Frauen, die im Leben wichtige Stellungen bekleiden und an dem kulturellen Fortschreiten ständig mitarbeiten, sich besonders im gewerblichen Einkauf als geschmacklich Ungebildete erweisen. Daraus erhellt die dringende Notwendigkeit, diesen unsicheren Käufern einerseits durch ein Angebot qualitativ hochstehender Erzeugnisse die Kaufwahl zu erleichtern, andererseits ihnen durch vorgebildete Verkäufer bei der Erwerbung an die Hand zu gehen.

Es ist nicht genug anzuerkennen, daß seitens der Kaufmannschaft schon mancherlei geschehen ist. Vielfach erfolgt ein gutes Angebot preiswerter Qualitätsware. Von besonders wohltuendem Einfluß erscheint die Feststellung, daß die Reklame und das Plakatwesen in künstlerischer Beziehung einen hervorragenden Aufschwung genommen haben. Die Ausgestaltung der Drucksachen, der Briefköpfe, der Geschäftspapiere und sonstiger Reklamebeilagen darf, ausgenommen bei Versicherungsgesellschaften, vielfach erstklassig genannt werden. Auch die Schaufensterdekorationen und Verkaufsräume, z. B. Ständige Bijouteriemusterausstellung Pforzheim, zeichnen sich in der Regel durch gute sachliche Anordnung und geläuterten Farbgeschmack aus, nicht weniger die innere Einrichtung und Ausstattung der modernen Handelshäuser. Auch in bezug auf absichtliche geschmackliche Erziehung des Publikums ist mancherlei geschehen.

Was schon seit langem gefordert wird, ist, daß sich die Schulen mehr mit diesen Dingen beschäftigen müßten. Von ganz besonderem Werte wäre es, wenn dies an den Handelsschulen und Handelshochschulen geschähe. Ferner sollten es sich die kaufmännischen Vereine mit ihrer großen Mitgliederzahl angelegen sein lassen, diese Bestrebungen durch Aufnahme von mehreren Vorträgen über Geschmackserziehung in ihr Jahresprogramm zu unterstützen.

Unterrichtsfolge sowohl wie Unterrichtsmittel sind vollständig ausgebaut und liegen zur Anwendung bereit. Themen, die etwa in den Unterrichtskreis der Handelsschulen und ähnlicher Lehranstalten bzw. in die Vortragsfolge von kaufmännischen Vereinen fallen, wären: Material, Technik, Schrift,

Farbzusammenstellung, Sinn für Linien und Flächen, Raumverteilung, die Psychologie der Reklame wirkung, SchwarzWeiß-Technik, Buchschmuck, das Plakat, Schaufensterdekoration, Ladeneinrichtung und Architektur, Dreifarbendruck, vom Einrichten des bürgerlichen Heims. Diese Vorträge müßten durch zahlreiches Bildermaterial unterstützt werden. Es ist erstaunlich, welche Unkenntnis beim Laien z. B. aber Farbharmonien besteht. Unsere Untersuchungen auf diesem Gebiet bestätigen es mehr und mehr, daß ein großer Teil des Publikums nicht imstande ist, einzelne Farbtöne richtig zu wählen, geschweige denn ganze Farbzusammenstellungen zu treffen. Von Kontrastwirkung mangelt beinahe jede Kenntnis. Der Fall jenes Fabrikanten ist beinahe eine typische Erscheinung, der sich nicht erklären konnte, warum seine weißen Spitzen auf blauem Grund stets ein gelbliches Aussehen annahmen. Wieviel Schwierigkeiten entstehen gerade beim Stoffeinkauf durch die Kontrastwirkung! So mancher Käuferin erscheint es verwunderlich, daß ein aus der Auslage gekauftes feuriges Blau zu Hause einen viel matteren Eindruck macht, weil es der geschickte Dekorateur auf einen entsprechenden Hintergrund drapiert hatte. Sie kennt auch die Mittel nicht, durch die der Stoff wieder zu einer ähnlichen Wirkung gebracht werden könnte. Wie wichtig ist fernerhin die Auswahl des geeigneten Hintergrundes im Etui far Schmucksachen oder die Auswahl in bezug auf die Farbe der Schrift hinsichtlich ihrer Lesbarkeit auf die Entfernung. Tausend ähnliche Fälle, die dem Kaufmann jedes Geschäftszweigs tagtäglich unterkommen, wären anzuführen. Erscheint es nicht notwendig, diese ihm selbst und seinen Käufern zu vermitteln? Ebenso wichtig ist die Ausgestaltung der Reklameschrift. Es mag ja zugegeben werden, daß in einigen Schulen der Dekorationskunst der Stoff heute schon in einer einwandfreien Form im Unterricht erteilt wird, allein diese Dinge erscheinen für die Ausbildung des Kaufmannes derart wichtig, daß sie an allen einschlägigen Schulen gelehrt werden müßten. Von ihnen würden diese Kenntnisse erneut ins Publikum zurückstrahlen, wodurch die ganze Einkaufskultur in hohem Maße gehoben würde. Der Kaufmann könnte durch seine Warenkenntnis und Erfahrung ein wahrer Berater des Käufers sein, die Hersteller anregen und vor allen Dingen jeweils nur das beste Erzeugnis verbreiten. Ein Haupterfordernis wäre es, auf die Massenware in dieser Hinsicht einzuwirken, denn gerade durch sie findet der gute oder schlechte Geschmack am weitesten Verbreitung im Publikum. Das Verständnis für die Gate des Werkstoffes sowie die Freude an seiner Bearbeitung können allein auf diesem Wege wieder geweckt werden. Dies aber sind die einzigen Voraussetzungen, auf Grund deren wir in Deutschland durch Organisation zu einer wirklichen Einkaufskultur gelangen, die wiederum die Grundlage für die im Auslandshandel ausschlaggebende Hinaufschraubung Qualität des Erzeugnisses verspricht.

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Diese Gesichtspunkte sind es, die uns Deutsche am ehesten von der Überzeugung der größeren Güte fremdländischer Produktion hinwegführen. Millionen wanderten vor dem Krieg, veranlaßt durch diese ungesunden Anschauungen, für Lederwaren, Seidenstickereien, Stoffe, Schmuck, Kleider, Hate, ins Ausland. Es ist unsere Pflicht, diese Kapitalien für Waren, die im Inland in Form und Material besser erzeugt werden, zurückzuhalten. Sie werden in Deutschland in fühlbarer Weise unserer Volkswirtschaft zugute kommen. Die Früchte, die uns aus der Förderung der Qualitätsarbeit seitens der Kaufmannschaft erwachsen, sind also sowohl in kultureller wie nationaler und volkswirtschaftlicher Hinsicht bedeutend. Die Rückwirkungen des Weltkrieges lassen es als dringend erscheinen, eine vollwertige Ausnutzung all unserer produktiven Kräfte zu erstreben. Der Wiederaufbau des daniederliegenden Handelsverkehrs macht sie zur Notwendigkeit.

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