Page images
PDF
EPUB

manchen Anhaltspunkt? Es müßte möglich sein, durch eine noch raffiniertere Organisation eine Verbilligung des Erzeugnisses ohne Verschlechterung zu bewirken, und zwar gerade dadurch, daß man sich nur auf einen oder wenige Artikel konzentriert, diese aber dann wieder in einer vollendeten, das heißt immer wieder verbesserten Form herausbringt. Dazu bedarf es der Qualität auch auf dem Gebiete der Erzeugung für das Ausland.

Deckt sich nun der Begriff Qualität, den wir oben für den deutschen Markt aufgestellt haben, mit dem, der für den Export gültig ist? Für einen Teil der Belieferung des Auslands ganz gewiß, indem manche Länder die sachliche, einfache, formschöne deutsche Produktion akzeptieren. Ebenso gewiß aber ist, daß der größere Teil der Auslandskunden diese deutsche Werkarbeit heute noch nicht versteht. Das seitens der Industrie von jeher hoch gehaltene Banner der möglichsten Anpassung kann noch nicht niedergeholt werden. Es ist eine Utopie zu glauben, daß wir für unsere deutschen Qualitätsgrundsätze, zu denen wir uns erst seit etwa 25 Jahren durchgerungen haben, überall im Ausland, man denke nur an Frankreich, Spanien, Südamerika, Japan, China, Indien in der Jetztzeit schon Verständnis finden könnten. Was bedeutet es, wenn von einzelnen Angehörigen solcher Völker ab und zu auf Ausstellungen oder auf Dampfern einige Gegenstände oder sogar Kollektionen erworben werden? Damit ist keine volkswirtschaftliche Grundlage für die Industrie zu schaffen. So schwer es uns wird, wir kommen letzten Endes nicht darum herum, zugestehen zu müssen, daß schließlich jedes Volk das Recht hat, einen eigenen Geschmack zu besitzen und bestimmte Geschmack richtungen zu bevorzugen. (Ein Recht, das wir übrigens gerade durch die Herausbildung einer sachlichen Werkform doch auch selbst beanspruchen.) Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß wir diesen fremden Käufergeschmack formal und technisch zu berücksichtigen haben. Die historische Entwicklung der Industrie, von der eingangs einiges angedeutet wurde, hat von jeher diesen Grundsatz scharf herausgehoben, und es wäre geradezu vernichtend, wenn wir in der gegenwärtigen schwierigen Absatzlage von ihm abweichen wollten.

Es wird sich demnach darum handeln, diesen Sonderbegriff der Qualität für den Export zu präzisieren. Manche Grundlagen, namentlich in Hinsicht auf technische Reinheit und Behandlung des Materials werden ohne weiteres von der deutschen Erzeugung übernommen werden müssen. Dagegen stehen wir hinsichtlich des Problems der Form einer anderen Aufgabe gegenüber wie in Deutschland. Die eine Tatsache ist einleuchtend, daß auch in bezug auf die Form die qualitative Durcharbeitung und phantasiereiche Gestaltung eine Notwendigkeit darstellt, die sich im Brennpunkt der Erörterung befindet. Schon die Erwägung, daß wir die Erzeugung im Ausland durch unsere eigenen deutschen Maschinen nur dann zu überflügeln vermögen, wenn wir formal höher stehen und ideenreicher produzieren, dürfte einen Schwerpunkt der künftigen Entwicklung ausmachen.

Aber auch die ganze übrige Produktion bedarf einer Höherführung, besonders von dem Gesichtspunkt aus, daß das zu erzeugende Objekt aus der künstlerischen Gesinnung hervorzugehen hat, so daß sein Vorhandensein allein schon eine Gefolgschaft von neuen Aufträgen in sich birgt. Diese

Gefolgschaft läßt sich aber nicht nur durch eine rationelle und technisch hervorragende Herstellung allein herbeiführen, sondern sie wird hauptsächlich auch den stilistischen Charakter betreffen. Den stilistischen Charakter auf eine möglichste Höhe in bezug auf die geschmacklichen Bedürfnisse des Marktes zu bringen, wird eine der vordringlichsten künftigen Aufgaben sein.

[ocr errors]

Dieses wichtige und äußerst komplizierte Problem vermögen aber darüber wird man sich wohl allgemein klar sein nicht die reproduzierenden Mitarbeiter der Industrie, also nicht die Goldschmiede, Stahlgraveure, Ziseleure usw., aber auch nicht die kaufmännischen Kräfte, die Fabrikanten und Reisenden zu lösen imstande sein, sondern nur die Ideenbringer: die Zeichner und Techniker (wozu ja auch mancher Fabrikant zu zählen ist). Man untersteht dem Eindruck, daß der Wichtigkeit dieser geistig produzierenden Gruppen immer noch zu wenig Bedeutung zugemessen wird. Vielfach stößt man noch auf die Anschauung, die vielleicht für wirtschaftlich bessere Zeiten wenigstens einen Schein der Berechtigung aufzuweisen vermochte, daß es mit dem Zeichnen allein oder sogar mit einem Zusammenpausen von Formen getan ist. Heute handelt es sich um etwas ganz anderes: um die schöpferische Tat.

Die Erziehung dieser schöpferischen Kräfte ist vielleicht eine der wichtigsten gegenwärtigen Aufgaben. Ohne Zweifel ist heute die Industrie nicht in der Lage, diesen Mitarbeitern jene umfassende und tiefgehende geistige Herausarbeitung zuteil werden zu lassen, die notwendig ist, um das Formproblem des Exports zu lösen. Diese Aufgabe können nur auf das Höchste eingestellte Unterrichtsanstalten erfüllen. Durch die Lahmlegung des Staates in pekuniärer Beziehung steigt aber auch das drohende Gespenst der Lahmlegung dieser Schulen herauf! Wir verfügen über keine Anschaffungsmöglichkeiten mehr. Die Schulen sind nicht mehr imstande, ihre materielle und geistige „Substanz“ zu erhalten, geschweige denn an ihre weitere Ausgestaltung zu denken. Genau so, wie sich die schlimmsten Folgen der feindlichen Diktate an den anderen Bildungsanstalten, an Universitäten, Hochschulen usw., d. h. an unseren höchsten Gütern des Volkes katastrophal bemerkbar machen, genau so bedrohlich ist die Lage bei unseren Unterrichtsanstalten. Wenn diese Becken der Ausbildung, aus denen immer wieder geistig produktiv geschöpft wurde (selbst dort, wo Anerkennung versagt bleibt), durch die Not der Zeit trocken gelegt werden, dann ist der Erzeugung ein schwerer Schlag versetzt. Untergeordneten Wünschen auf Abänderung der Lehrgänge gegenüber möge doch der weit wichtigere Gesichtspunkt nicht außer acht gelassen werden, daß solche Erörterungen nur zu bald rein akademischer Natur sein werden, weil die Mittel zu solchen Änderungen heute schon fehlen.

Doch nicht um Schulfragen handelt es sich in den vorliegenden Ausführungen, sondern um das Qualitätsproblem im engeren Sinne. Der Kernpunkt ist und bleibt die formal und technisch schöpferische Leistung. Nur mit ihr wird die Industrie die schwierigen Zeiten überwinden und nur mit ihr die Konkurrenz, die sie selbst durch Maschinen und unbehinderte Auswanderung, man möchte beinahe sagen unterstützt hat, niederkämpfen können.

Indischer Kopfschmuck.

Indien ist das Land der Juwelen. Die Sage erzählt, daß Mahmud der Ghagnavide, als er im Jahre 1024 die Tempelstadt Gudscharat einnahm, dort ein fünf Ellen hohes Götgenbild in einem der Haupttempel sah, dem er mit der Kriegskeule höhnend den Bauch einschlug. Da quoll aus dem hohlen Innern eine Elefantenlast von Rubinen, Diamanten und Perlen vor die Füße des erstaunten Siegers. In all

ihrer Übertreibung zeigt diese Sage, welche Juwelenschätze

Indien in Wirklichkeit und in der Meinung der Völker von Urzeiten her geborgen und besessen hat. Wo viel Edelsteine sind, da ist auch viel Schmuck. Das indische Volk ist das schmuckliebendste der Erde. Nach unserm Gefühl hat freilich diese Vorliebe das Maß künstlerischer Schönheit oft überschritten, und niemand wird die Entwicklung, welche DEUTSCHE GOLDSCHMIEDE-ZEITUNG Nr. 32

die Schmuckausstattung der indischen Frau genommen hat, und die in vielen Fällen den Charakter eines starrenden Schmuckpanzers zeigt, als künstlerisch vorbildlich hinstellen und zum Vorbild nehmen wollen. Aber interessant muß es für jeden Goldschmied sein, diese Entwicklung sich einmal in einigen Beispielen vor Augen zu führen. Denn im einzelnen hat der indische Frauenschmuck doch ganz prachtvolle und einzig originelle Leistungen gezeitigt, und vor allen Dingen den Schmuck in einer Art mit der Architektur der Kleidung und des Körpers zusammengebaut, die in der Geschichte des Schmuckes einzig dasteht.

Wir beschränken uns hier auf die Darstellung des indischen Kopfschmuckes. Die Inderin trägt jede Art von Kopfschmuck, mit Ausnahme des Diadems. Für unser Gefühl unannehmbar ist der Nasenschmuck der Inderin und derjenige Ohrschmuck, der sich nicht auf das Ohrläppchen beschränkt. Ebenso ist der Zopfschmuck etwas unserem Gefühl für Frauenschmuck völlig Fremdes. Den Halsschmuck lassen wir, als unlöslich mit dem Brustschmuck verbunden, hier beiseite. Eine reizende Besonderheit des indischen Schmuckes ist es, einzelne da und dort angebrachte Schmuckstücke durch Schmuckketten zu verbinden. Dieses Prinzip wird namentlich bei dem Haarschmuck der Inderin zur Anwendung gebracht. Da finden wir, auf der Höhe des Wirbels, eine runde, gravierte oder mit Steinen besetzte Metallplatte. An diese schließt sich entweder nach rückwärts eine schuppenförmige, reich verzierte metallene Dekoration des herabhängenden Zopfes an, oder es geht eine breite Schmuckkette auf dem Haarscheitel nach vorn, welche mit einer Perle oder einem kleinen Anhänger abschließt, der auf die Fläche der Stirn herabhängt. So ist der Wirbel, der Mittelscheitel und der Haarzopf durch besondere Schmuckstücke nach außen künstlerisch gekennzeichnet. Von dem Aufhängpunkte des Stirnanhängers aus laufen häufig zwei weitere Schmuckketten aus, welche sich mit dem Ohrschmuck verbinden. Damit wird die Abgrenzung des Haares gegen Stirn und Schläfen betont. So zeichnet der Kopfschmuck der indischen Frau alle Aufbaulinien des Frauenhaares nachdrücklich und verständnisvoll nach und läßt sie nach hinten in den metallenen Zopfanhängern, nach vorne in dem zierlichen Stirnschmuck ausklingen.

[ocr errors]

Für den Ohrschmuck ist es bezeichnend, daß er auch die oberen Ohrleisten reichlich bedenkt, nicht nur das Ohrläppchen. Das Ohrläppchen erfährt schon bei den kleinen Mädchen eine durch Bleiringe künstlich erweiterte Durchbohrung. Darin werden Ringe und namentlich auch große, glockenförmige Anhängsel getragen. Die Ohrleisten werden mit Doppelknöpfen und mit aufrechtstehenden Schmuckstücken aller Art geziert. Nasenschmuck gibt es dreierlei: Einfache Knöpfe, die aus einem weißen Stein oder einem metallenen Stern bestehen; mehr oder weniger große, mit Steinen und Perlen besetzte Drahtreifen, die im Nasenflügel getragen werden, und von denen manchmal ein dünnes Kettchen nach dem einen Ohr und seinem Schmuck hinüber läuft. Endlich eine Perle oder sonst ein Hängeschmuck in der Nasenscheidewand. Wenn wir noch der einzelnen Schmuckstücke gedenken, welche frei an einzelnen Stellen ins Haar gesteckt werden, so haben wir das Gebiet des indischen Frauen-Kopfschmuckes so ziemlich umschrieben.

Unsere Tafel 1 zeigt zwei Beispiele der Ausstattung eines indischen Frauenkopfes mit Schmuck. Bei beiden spielt Stirn- und Nasenschmuck eine deutliche Rolle. Abb. 1, ohne Schleier und mit offenem Haar dargestellt, gibt ein Beispiel dafür, wie reicher Hängeschmuck einfach im Haar befestigt wird. Die anderen Abbildungen von Tafel 1 geben Darstellungen von Stirn- und Haarschmuck, welche die ganze reizvolle Bewegtheit der Gliederung aufweisen, welche dem indischen Schmucke eigentümlich ist. Auf Tafel 2 gewinnt der Begriff „Kopfschmuck“ noch eine erweiterte Bedeutung, indem er als Schmuck für die Kopfbedeckung dargestellt ist (Abb. 67. Die Art der Anbringung ist recht primitiv: Die Schmuckgehänge sind an dem Mittelpunkt des Mützendeckels befestigt und hängen an dem seitlichen Rand herunter. Die oben erwähnte Neigung, Einzelteile von Schmuck durch Ketten zu verbinden, zeigen die Abbildungen 8 und 11.

Die Pracht und der Reichtum der indischen Schmuckwelt sind unendlich; ihrem innersten Wesen nach wird sie uns stets fremd bleiben. Die Anregungen, die sie uns bietet, werden wir uns nie ganz zu eigen machen, aber auch nie ganz ausschöpfen können. R. R.

Aus der Wunderwelt der Kristalle. Von Julius Cohn.

den Entdeckungen und Erfindungen der letzten Jahre haben die Kristalle eine bedeutsame Rolle gespielt. Ja, man kann getrost sagen, daß unser Weltbild eine vollkommene Umgestaltung durch die Experimente an Kristallen, besonders durch die Arbeiten der letzten 20 Jahren erfahren hat. Noch sind zahlreiche wichtige Untersuchungen auf den verschiedenen Spezialgebieten der Kristallkunde im Gange, aber schon heute müssen wir mit Bewunderung auf die Falle der Früchte blicken, die die Erschließung der Geheimnisse der Kristallwelt gezeitigt hat. Die Chemie hat durch die Kristalle bereits eine völlige Umwälzung in ihren Grundlagen zu verzeichnen; in der Physik sind für Theorie und Praxis bedeutende Fortschritte festzustellen. Es besteht heute kein Zweifel mehr, daß auch die Edelsteinkunde an den Entdeckungen und Fortschritten auf dem Gebiete der Kristallkunde teilnehmen wird, sind doch die meisten Edelsteine mit wenigen Ausnahmen, wie Opal, Türkis, Nephrit usw., Kristallgebilde. Wir nehmen deshalb Veranlassung, den Leser mit der wichtigsten dieser neuen Errungenschaften der Kristallforschung vertraut zu machen.

Mit der Entdeckung der flüssigen Kristalle durch den Karlsruher Physiker Otto Lehmann im Jahre 1904 begann der großartige Aufschwung der modernen Kristallkunde. An der Hand von einigen Hundert im Laufe der Jahre

entdeckten flüssigen Kristallen konnte Lehmann die Ahnlichkeit dieser Gebilde mit niederen Lebewesen nachweisen. Dabei zeigte er, daß sich die fließenden Kristalle genau wie die Bakterien in zwei oder mehrere Teile von selbst teilen können, die nun ihrerseits wieder sich als vollkommene Individuen verhalten, weiter wachsen und sich wieder teilen. Außer in der Art der Fortpflanzung durch Teilung, Sprossung und Kopulation konnte Lehmann auch im Wachstum, in der spontanen Beweglichkeit, in der Umwandlung von chemischer Energie in mechanische, wie sie sich in der Gestaltungskraft der Kristalle äußert, weitere Ähnlichkeit mit den niederen Organismen dartun. Fast ein Jahrzehnt verging, als nach diesen bedeutsamen Arbeiten Lehmanns der Frankfurter Physiker v. Laue im Jahre 1912 die gesamte wissenschaftliche Welt mit einer Aufsehen erregenden Entdeckung beglückte, die er mit Hilfe von Kristallen gemacht hatte. Bei der Feststellung der Wellenlänge der Röntgenstrahlen bediente sich v. Laue der Kristalle als Raumgitter. v. Laue wollte die Länge der Röntgenstrahlen bestimmen und arbeitete sich dazu ein Verfahren aus, welches ganz demjenigen ähnlich war, mit dem man die Wellenlänge der Lichtstrahlen zu bestimmen pflegte. Das Verfahren für Lichtstrahlen war schon seit vielen Jahren aufgebaut auf der Tatsache, daß das Licht beim Durchgang durch einen

[subsumed][merged small][graphic][graphic][merged small][merged small][merged small][graphic][subsumed][subsumed][subsumed][merged small][merged small][merged small]
[merged small][merged small][graphic][graphic][merged small][merged small][graphic][graphic][merged small][merged small][merged small][merged small]
[ocr errors]

sehr engen Spalt eine Ablenkung von seinem ursprünglichen Wege (eine Beugung) erfährt. Man verwendet zu diesen „Beugungs" versuchen Glasplatten, auf die mit Hilfe einer feinen Diamantspitze bis zu 2000 parallele Linien pro Millimeter eingeritzt sind. Die Wellenlänge der Röntgenstrahlen ließ sich mit Hilfe dieser Gitter-Plättchen" nicht bestimmen und zwar deshalb nicht, weil sie sehr viel kleiner als diejenige der Lichtstrahlen ist. Die Röntgenstrahlen gehen deshalb durch die schmalen Zwischenräume zwischen den eingeritten Linien ungehindert und ungebeugt hindurch; enger konnte man aber die einzelnen Linien nicht ziehen.

v. Laue kam nun auf den Gedanken, für die Beugungsversuche mit Röntgenstrahlen durchsichtige Kristalle zu verwenden. Er ging dabei von der Ansicht aus, daß die einzelnen Bausteine in den Kristallen (Moleküle oder Atome) in regelmäßigen Abständen angeordnet sein müßten und daß diese regelmäßigen Lücken vielleicht geeignet wären, für die Röntgenstrahlen als „Gitter" zu wirken und sie in ihrem Wege abzubeugen. v. Laue erreichte durch seine Versuche zweierlei: 1. gelang es ihm, die Wellenlänge der Röntgenstrahlen zu bestimmen und 2. erhielt er einen ungeahnten Einblick in die Struktur und den Aufbau der Kristalle. Ähnlich wie beim Durchgang des gewöhnlichen Lichtes durch einen sehr engen Spalt im Fensterladen oder durch eine kleine Glasplatte, auf der mehrere Hundert gerade, einander parallele Linien mit einem Diamanten eingeritzt sind, die Lichtstrahlen beim Auftreffen auf eine gegenüberliegende Wand eine Ablenkung von ihrem ursprünglichen Wege, eine Beugung, erfahren, ist dies beim Durchgang von Röntgenstrahlen durch Kristalle der Fall. v. Laue stellte fest, daß die Atome, die Bausteine der chemischen Elemente, das eigentliche Hindernis beim Durchgang der Röntgenstrahlen durch Kristalle bilden und die Ursache der Beugungserscheinung der Röntgenstrahlen sind. Es gelang ihm auf diesem Wege, die innere Struktur der Kristalle, ja das Innere der Atome und damit den Aufbau der Materie überhaupt zu erschließen. Die Photographie des Spektrums der Röntgenstrahlen, die durch Kristalle geleitet wurden, gab der Wissenschaft die Bestätigung der Theorien des englischen Gelehrten Rutherford, wonach die Materie, also auch das einzelne Atom aus Elektronen, den „Elementen" der Elektrizität besteht, die um einen Kern kreisen, ähnlich wie die Planeten um die Sonne. Die Atome sind Sonnensysteme im kleinen. Fürwahr, eine großartige Erkenntnis, die wir den Kristallen verdanken.

Die Folgen der Entdeckungen v. Laues sind außerordentlich weitreichend. Wir möchten dies an zwei Beispielen illustrieren, die auch für die Edelsteinkunde von Bedeutung sind. Der Engländer Mosley und der Däne Bohr erweiterten die Ergebnisse der Untersuchungen v. Laues in genialer Weise in der Richtung der Erforschung der Eigenschaften bekannter und noch unbekannter chemischer Elemente. Auf den Ergebnissen dieser Arbeiten weiter bauend,

gelang es im vergangenen Jahre zwei jungen Kopenhagener Gelehrten, dem Dänen Coster und dem Ungarn v. Hevesy, ein neues chemisches Element, das Hafnium, zu entdecken, dessen Eigenschaften von dem Dänen Bohr auf der Grundlage der Laueschen Forschung vorausgesagt wurden. Die beiden Chemiker fanden es in fast allen Zirkonmineralien. In seinen Eigenschaften entsprach es den Berechnungen Bohrs, womit die Lauesche Theorie eine glänzende Bestätigung erhielt. Die merkwürdige starke Verschiedenheit der spezifischen Gewichte der einzelnen Zirkone dürfte nunmehr wahrscheinlich in der An- bzw. Abwesenheit von Hafnium ihre Erklärung finden. Auch für die Erforschung des vor einigen Jahren in Siam gefundenen blauen Zirkons ist die Entdeckung des Hafniums von Wichtigkeit. Das zweite Beispiel, wieweit die Folgen der Untersuchungen

Laues reichen, zeigt uns ungeahnte Möglichkeiten auf. Im Verfolge der Laueschen Arbeiten gelang es den Gelehrten Born und Landé eine Reihe von Eigenschaften zu berechnen, z. B. die Kompressibilität und die Zugfestigkeit. Der Physiker Joffé hat diese theoretischen Berechnungen, die in krassem Widerspruch zu den bisherigen Erfahrungen standen, in der Praxis nachgeprüft und dabei festgestellt, daß die Angaben der vorgenannten Forscher unter bestimmten Voraussetzungen tatsächlich zutreffen. So behauptete die Theorie z. B., daß die Zugfestigkeit der Kristalle der von Metallen gleichkommt bzw. sie verschiedentlich noch übertrifft. Bisher kannte man jedoch nur eine ganz geringe Zugfestigkeit der Kristalle. Joffé hat nun bei gewöhnlicher Temperatur Steinsalz unter Wasser dem Zug ausgesetzt. Die Salzkristalle wurden dabei fließend und zeigten unter den angeführten Bedingungen die gleichen Eigenschaften wie Metalle. Sie hielten Belastungen aus, die sogar eine noch größere Zugfestigkeit als die von Stahldrähten verrieten. Sie wurden plastisch, biegsam und duktil. Was als Merkwürdigkeit am Steinsalz festgestellt wurde, gilt auch, wenigstens zunächst theoretisch, für die übrigen Kristalle. Die Möglichkeit, Kristallen unter bestimmten Bedingungen die Eigenschaften von Metallen zu verleihen, dürfte angesichts der großen Verbreitung von Mineralien in der Natur eine vollkommene Veränderung unseres Wirtschaftslebens mit sich bringen. bringen. Gewaltige Perspektiven eröffnen sich auf allen Gebieten menschlichen Schaffens. Das Wort von der neuen Steinzeit ist bereits geprägt.

Für uns sind die Arbeiten der drei zuletzt genannten Forscher auch nach der Richtung der Edelsteinkunde von besonderem Interesse. Sie dürften uns Aufklärung über die Verschiedenartigkeit der inneren Spannung der synthetischen und natürlichen Edelsteine bringen und damit neue Mittel und Wege zu ihrer sicheren Unterscheidung. Wie weit die Forschungen Joffés die praktische Brauchbarkeit von Edelsteinen für die verschiedensten volkswirtschaftlichen Zwecke mit sich bringen werden, vermögen wir heute noch keineswegs zu sagen. Wenn man Maschinen, Werkzeuge und sonstige Gebrauchsgegenstände in der Zukunft vielleicht aus Kristallen herstellen wird, so ist es sicher, daß auch die wertvollen Eigenschaften der Edelsteine, wie Härte, Durchsichtigkeit, Glanz usw. Beachtung finden werden. Den synthetischen Rohedelsteinen dürfte unter diesen Umständen eine große Zukunft bevorstehen. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen Joffés sind erst in neuester Zeit in der Zeitschrift für Physik niedergelegt.

Während die Erforschung der Kristalle als „Raumgitter" für Röntgenstrahlen hauptsächlich der Chemie zugute gekommen ist, hat sich die Bestrahlung von Edelsteinkristallen mit Röntgen-, Kathoden- und ultravioletten Strahlen für die Zwecke der praktischen Edelsteinkunde als wertvoll erwiesen. Auf die Ergebnisse dieser Forschung werden wir in einem späteren Aufsatze näher eingehen. Über ein anderes Gebiet der Kristallkunde hingegen, das in den letzten Jahren von größter Bedeutung für die praktische Physik geworden ist und auch für die Edelsteinkunde Neues und Wertvolles erwarten läßt, nämlich über die elektrischen Eigenschaften der Kristalle, wollen wir hier ausführlichere Mitteilungen machen. Wir unterscheiden an den Kristallen fünf Arten von Elektrizität:

1. Elektrizität durch Reibung,

2. Elektrizität durch Erwärmung oder Pyro-Elektrizität, 3. Elektrizität durch Belichtung oder Aktino-Elektrizität, 4. Elektrizität durch Druck oder Piezo-Elektrizität, 5. Elektrizität durch Berührung und Erwärmung oder Thermokontakt-Elektrizität, auch kurz Thermo-Elektrizität genannt.

Die beiden erstgenannten Arten der Elektrizität sind dem Leser aus der Edelsteinkunde bekannt. Die Elektrizität

« PreviousContinue »