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Niemand sagen wollen. Also die Tatsache der Vervielfältigung als solche kann es nicht sein, welche das Geschmacksniveau und den künstlerischen Wert einer Technik oder eines Gewerbes herunterdrückt. Das Neue, das Beunruhigende an der ganzen Entwickelung besteht nur darin, daß infolge der fortschreitenden Technik ständig weitere Produktionsgebiete in den Bereich der mechanischen Vervielfältigung kommen, welche bisher eine Domäne der Handarbeit waren.

Nun sagt man wohl: Gut, wir lassen der Massenherstellung Alles, was ihr gehört. Aber sie greift über, indem sie die Reize der Handarbeit, der Einzelherstellung nachzuahmen sucht. Das ist etwas Unwahres, das ist eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Was mechanisch, was maschinell hergestellt ist, soll den schmucklosen, glatten Maschinenstil zeigen, soll

keine Zierformen und keine Techniken nachahmen wollen, welche nur dem von der fühlenden Menschenhand geführten Werkzeug zu.gänglich sind. - Das ist

gewiß eine einwandsfreie, eine künstlerisch empfundene, eine echt moderne Theorie. Aber doch insofern nur Theorie, als sie die praktischen Grenzen zu ziehen vergift, die sich übrigens, selbst wenn sie zu ziehen wären, durch die ständigen Fortschritte der Technik stetig verschieben würden.

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würde man jedenfalls sich darüber klar werden, daß das Wesen derselben auf der möglichst getreuen Wiederholung einer Urform beruht, welche einesteils künstlerisch wertvoll,

PROF. ERNST RIEGEL IN DARMSTADT

BECHER :: GESCHNITZTE KOKOSNUSS MIT SILBERFASSUNG

andernteils für die Technik des betreffenden Vervielfältigungsverfahrens

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zweckmäßig erfunden sein muf. Daß diese Technik gerade immer Glätte und Schmucklosigkeit verlangt, ist damit natürlich durchaus nicht gesagt. Für die Prägemedaille, für den Bronzeguf, die doch auch maschinelle resp. mechanische Verfahren sind, gilt diese Forderung jedenfalls durchaus nicht. Eine gewisse Ruhe und Weichheit der Form werden hier vom Material und von unserm modernen Geschmack verlangt. Das gilt aber von der Einzelherstellung ebenso, wie von der Vervielfältigung.

Wenn wir die Sache objektiv betrachten, so müssen wir zu dem Schlusse kommen, daß wir der vervielfältigenden Kunst und dem vervielfältigenden Kunsthandwerk alias Kunstindustrie keine Ausnahmegesetze vorschreiben

können.

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um das Produkt an sich handelt. Aber damit ist die Frage als solche freilich noch lange nicht erschöpft. Es handelt sich eben nicht allein um das Produkt an sich, sondern um seine Wirkung auf den Erzeuger und Verbraucher, und zwar zunächst um seine erzieherische Wirkung.

Jedes Produkt der Kunst und des Kunstgewerbes hat die Aufgabe zu erfüllen, daß der Erzeuger an ihm seine Kunst und Fertigkeit übt, daß der Käufer und Verbraucher an ihm Kunstfreudigkeit und -Verständnis stärkt. Ob es sich dabei um sehr hohe oder

sehr geringe Grade handelt, ist an und für sich gleichgültig. Betrachten wir diese Wirkung zunächst einmal in ihrer Beziehung zum Hersteller.

Bei der Einzel - Herstellung werden wir die kunsterzieherische Wirkung auf den Erzeuger ohne Zweifel als die stärkere betrachten können, als bei der Massenfabrikation. Sind es doch hier die verschiedenartigsten Tätigkeiten, welche beherrscht und geübt sein müssen, sind doch hier die verschiedenen Techniken nur Mittel zum organischen Zusammenbauen eines ganzen Werkes, während bei der spezialisierenden Massenfabrikation bei jedem Mitarbeiter die von ihm ausgeübte und einzig und allein beherrschte Technik fast zum Selbstzweck wird. Die Einzelherstellung wird Kunsthandwerker, die fabrikmäßige Massenherstellung wird Spezialisten erziehen, vom Handlanger bis zum Leiter kunstindustrieller Großbetriebe hinauf. Aber ihre erzieherische Wirkung dürfen wir trotzdem nicht gering einschätzen; sie geht einmal in die Breite, sie hat den ungeheuer zahlreichen Stand der kunstindustriellen Arbeiter sich herangezogen, der ganz sicher auf die künstlerische Empfänglichkeit unserer breiten Volksschichten ungemein befruchtend. gewirkt hat; dann aber ist das Spezialistentum, das die Großindustrie heranzieht, für die Entwickelung der Technik doch von einer gar nicht hoch genug zu schätzenden Bedeutung geworden. Der Spezialist für irgend eine Technik kann sich schließlich gerade so gut als ganzer Mann und Mann und Kunstgewerbler fühlen, wie der Goldschmied, der Einzelarbeiten herstellt. Er ist stolz auf seine Technik, wie dieser auf seine Erzeugnisse.

Ähnlich verhält es sich mit der Einwirkung der beiden Produktionsarten auf den Käufer.

Wer ein Erzeugnis der Massenfabrikation besitzt, der wird, vorausgesetzt, daß es künstlerisch einwandsfrei ist, an Form, Material- und Farbenwirkung, kurz, an der äußeren Erscheinung seinen Kunstgenuß haben können. Die Art aber, wie diese Formen- und Farbenwirkungen an dem Exemplar, das er besitzt, entstanden sind, ist eine mechanische; sie wird ihn technisch interessieren können, aber keinen kunstgewerblichen Genuß bereiten. Das kommt nun bei der Betrachtung des Einzelkunstwerkes noch hinzu: Der Genuß,

PROF. ERNST RIEGEL IN DARMSTADT BECHER AUS GEFASSTEM, GRÜNEM NEPHRIL IM BESITZE DES GROSSHERZOG VON HESSEN

der entsteht, wenn ich die Wirkungen der arbeitenden Menschenhand unmittelbar fühlen und verfolgen kann. Ich betone das Wort: unmittelbar, denn mittelbar kann das ja in manchen Fällen auch bei vervielfältigten Arbeiten der Fall sein, z. B. bei Abgüssen von modellierten Originalen usw.

Es geht aus dieser Darlegung nun ohne weiteres hervor, daß der Genuß an der Einzelarbeit ein höher organisiertes kunstgewerbliches Verständnis erfordert, als beim Fabrikationserzeugnis, das seinerseits teils aus diesem, teils aus noch zu erläuternden Gründen viel mehr befähigt ist, in die Breite, auf die große Masse, zu wirken. Dadurch, daß das Einzelerzeugnis ein höheres Kunstverständnis fordert, fördert es aber auch seine Entwickelung, d. h. es erzieht zu einem höheren Kunstverständnis, zu dem höchsten, das es gibt, zu einem Verständnis für den Reiz und die Schönheit der künstlerischen Originalarbeit. Nur wer die Handarbeit des Künstlers zu schätzen weiß, nur dem erschliefst sich die volle Bedeutung der geistigen Werte, welche er durch dieses Medium ausspricht.

Die Vervielfältigung vermag diese Wirkung nur in verflüchtigter und vergröberter Weise auszuüben; dafür ist ihr Wirkungsfeld so außerordentlich ausgedehnt worden, daß wir über jenen Mangel hinweg sehen können und müssen. Man denke sich allen, durch mechanische Vervielfältigung erzeugten Schmuck aus unserer Kultur weg: Wie viele Menschen müßten dann nicht darauf verzichten, ein vornehm komponiertes, elegant ausgeführtes Schmuckstück überhaupt näher kennen zu lernen? Denn das ist ja ohne weiteres klar, daß die Handarbeit, wenn sie irgend wie künstlerischen Wert haben soll, immer so teuer sein muß, daß sie nur für beschränkte

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Käuferkreise in Frage kommen kann. Und es muß gerade der modernen Massenindustrie zum Lobe nachgesagt werden, daß sie mehr und mehr sich bemüht, ihre Erzeugnisse durch gute Komposition und elegante Ausführung zu veredeln.

Man darf sich bei Betrachtung dieser Verhältnisse nicht etwa durch die Erwägung irre führen lassen, daß es in früheren Zeiten doch auch ohne Kunstindustrie gegangen ist und daß die Volkskunst aller Zeiten und Länder nur den Handarbeitsschmuck usw. gekannt hat. In allen höheren Kulturepochen der Vergangenheit war das Kunsthandwerk in Edelmetall Luxussache, wo nicht der vornehmen, so doch ausschließlich der begüterten Gesellschaftsklassen, welche heute starke Konsumenten von billigem Edelmetallschmuck z. B. geworden sind, trugen früher eben gar keinen. Und was den handgearbeiteten Volksschmuck anlangt, so trägt derselbe, eben infolge seiner Eigenschaft als sich immer wiederholendes, typisches Erzeugnis der Handarbeit einen primitiven und derben Charakter, der uns für unser heutiges Schmuckbedürfnis wenig mehr zusagt.

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Auch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß in einem modernen Budget die Edelmetallgeräte und der Schmuck nicht mehr dle Rolle spielen, wie in früheren Kulturepochen. Unsere Ansprüche und Ausgaben für Kulturbedürfnisse anderer Art denken wir nur z. B. an die Wohnung sind so gestiegen, haben sich so vervielfältigt, daß das Edelmetallgewerbe sich schon dadurch gezwungen sieht, billiger zu arbeiten, d. h. viel mechanisch zu produzieren, um noch in genügendem Maße in Betracht gezogen zu werden. So ist denn die Massen - Industrie eine Er scheinung, welche im Verfolg der modernen Entwickelung vollberechtigt neben die Einzelausführung tritt.

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Industrie kann ja auch die künstlerische Handarbeit gar nicht entbehren, ja sie beansprucht sie in steigendem Maße für ihre Zwecke. Allerdings nicht zur Ausführung ihrer Produkte, sondern zur Herstellung der künstlerischen Einrichtung für die Fabrikation. Hier aber, in der Herstellung der Urmodelle, der Stanzen usw. ist die kunstgewerbliche Handarbeit nicht nur noch in voller Kraft, sondern wird täglich begehrter und geschätzter. Auf eines freilich muf sie verzichten: Mit ihrem Erzeugnis unmittelbar vor die Augen des Käufers zu treten.

Einzelarbeit und Massenherstellung sind Konkurrenten im wirtschaftlichen Leben des Edelmetallgewerbes und Mitarbeiter. Wir leben im Zeitalter des Verkehrs, des aufs höchste gesteigerten Güter- und Kräfteaustausches.

Da kann eine Produktionsart unmöglich allen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht werden. Es ist ein bekanntes Wort, daß es Leute gibt, denen ihre Verhältnisse die Pflicht auferlegen, Austern zu essen; ebenso gibt es Käufer, welche die soziale und künstlerische Pflicht haben und sie empfinden sollten, ihren kunstgewerblichen Bedarf durch Einzelbestellung und Einzelausführung zu decken. Die breiten Schichten aber, deren Kunstbedürfnisse weniger individueller, als typischer Art sind, für die ist eine sorgfältig und gewissenhaft arbeitende Kunstindustrie der gegebene Lieferant. Wir brauchen nicht nur selbständige Individualitäten, sondern auch typische Einheiten, sowohl in der gewerblichen Produktion, wie in der Konsuntion. Gemeinsame Pflicht sei ihnen allen das Streben nach immer größerer künstlerischer Vervollkommnung.

Goldschmiedearbeiten von Prof. Ernst Riegel-Darmstadt.

IE Notwendigkeit, für die Industrieprodukte Absatz über die Landesgrenzen hinaus auf dem Weltmarkt zu suchen, hat vielfach dahin geführt, dafs die Formen der kunstgewerblichen Arbeiten auf fast allen Materialgebieten allgemeine Typen angenommen haben, in denen nationale, künstlerische Geschmacksbetätigung kaum noch zu finden ist. Andererseits ist aber auch mit dem wiedererwachenden Verständnis für die Formenschätze eines echt nationalen Kunstgewerbes die Liebe zu solchen künstlerischen Arbeiten gewachsen, deren Formengebung, technische Arbeitsart und dekorative Ausstattung das Wesen, den Höhestand der Kunsttechnik und der Kunstgedankenwelt eines bestimmten Volkes charakteristisch wiederspiegeln. Zwar sind auch kunstgewerbliche Gegenstände von solch streng nationalem Gepräge in ihrer Wertschätzung und Verwertungsmöglichkeit nicht an die Grenzen des Produktionslandes gebunden, da wahre Kunst bei Kunstverständigen und Kunstfreudigen aller Nationen Verständnis findet. Als Beispiel hierfür sei nur die kunstgewerbliche Produktion Ostasiens erwähnt, welche trotz ihrer durchaus nationalcharakteristischen Eigenschaften bei uns Liebe und Schätzung in weiten Schichten gefunden hat. Die innigste Aufnahme wird jedoch immer ein solches national empfundenes, kunstgewerbliches Werk nur bei den eigenen Volksgenossen finden können.

Die rasche Entwickelung gerade der deutschen, am Welthandel beteiligten Edelmetallindustrie hat es mit sich gebracht, daß im deutschen Goldschmiedegewerbe die Gefahr groß wurde, über den erfolgreichen Mustern im uncharakteristischen internationalen Geschmack mit seinen wechselnden Moden den nationalen, unabhängigen Kunststil urdeutscher Eigenart zu verlieren. Da kamen noch zur rechten Zeit künstlerisch genial befähigte Goldschmiedekünstler, die in eigenen Werken und in lehrender Tätigkeit auf die Wichtigkeit und Schönheit unseres Nationalstils im edelmetallischen Kunstwerk hinwiesen und somit einer drohenden Verflachung vorbeugten. Leicht gemacht wurde diesen Künstlern ihr programmatisches Wirken von den Fanatikern der Moderne nicht und der bitteren Verkennungen gab es genug, bis Fachleute und Publikum die Notwendigkeit solcher Stellungnahme einsahen und anerkannten.

In den Reihen der Kämpfer für den national deutschen Formenstil im Edelmetallgewerbe steht der Darmstädter Professor Ernst Riegel in erster Linie. Mehr noch als theoretisch mit Lehren hat er in praktischer Betätigung bei seinen künstlerischen Goldschmiedearbeiten den Willen, deutsche Kunst zu schaffen, zum Ausdruck gebracht. Mag man Einzelwerk um Einzelwerk von ihm durchprüfen, als

sein hervorragendstes Charakteristikum in Formengebung, Arbeitsart, Materialzusammenstellung und Darstellungsthemen werden sich Wesenszüge rein germanischen Kunstempfindens offenbaren.

Professor Riegel ist weit davon entfernt, die Grenzen nationaler Kunst so beschränkt abzumessen, daß er Anregungen und Fortschritte anderer Völker auf gleichem Arbeitsgebiet nicht beachtet und berücksichtigt. Im Gegenteil, er forscht, lernt, und verwendet von dem reichen, internationalen Studienmaterial, das Sammlungen und Literatur unserer Zeit in überreichem Maße darbieten. Aber was er an Altem wieder aufnimmt, an Neuem beachtenswert findet, was ihm beim ausländischen Kunstgewerbe technisch und ästhetisch reif, charakteristisch schön erscheint, das prüft er mit dem Feingefühl des echten Künstlers, mit der tiefgründigen Kenntnis des Fachkenners, mit der praktischen Erfahrung des vielgewandten Selbstarbeiters daraufhin, ob es sich mit den charakteristischen Einzelheiten germanischer Kunst verschmelzen oder zu diesen harmonisch umbilden läßt, ob es den von unserer Zeit für unser Volk geprägten Schönheitsanschauungen entspricht. Naiv ist Ernst Riegels Goldschmiedekunst nicht, sondern außer von warmpulsierendem Künstlergeist auch von wägendem Geiste geboren. Aber unsere Zeit ist auch nicht naiv. Der starke Wille, wahr zu sein, ist ihr eigen und dieser bestimmt auch Ernst Riegel, nur klare Formen zu finden und jedes Material aus seiner Eigenheit heraus zu entwickeln. Auch bei Verwendung reicher und kostbarer Materialien eine schlichte, ruhige, von vornehmer Kunst geadelte Wirkung anzustreben, wie Riegel es tut, das entspricht unserer Zeit, in der die führenden Geister unserer Nation bemüht sind, deutscher Charaktereigenart entsprechend, in Kunst und Leben wieder Ehrlichkeit und Einfachheit der Erscheinungen herbeizuführen.

Jede Arbeit Ernst Riegels hat daher über ihre Einzelwürdigung als erfreuliches Kunstwerk des Goldschmiedegewerbes hinaus als programmatische Arbeit des deutschen, modernen Kunstgewerbes überhaupt Anspruch auf Beachtung. Wir führen heute unseren Lesern eine Anzahl von Arbeiten dieses Darmstädter Meisters vor, die wir durch eine Anzahl Nummern fortzusetzen gedenken.

In den drei neuen Modellen zu Kaffeelöffeln, Seite 2, sucht Riegel wieder die Anregung dazu zu geben, das Tafelsilber, welches sich jetzt in wohlfeilen Schablonenmustern industrieller Massenherstellung verliert, durch künstlerische Entwurfsideen zu adeln. Ist denn die festliche Tafel, an der jedes edelmetallische Besteck, es sei noch so kostbar, mit demjenigen aller anderen Gedecke gleich ist, nicht in

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Bezug auf künstlerische Formenfreudigkeit ärmer als die, deren Silbergeschirr immer wechselnd in feinen Techniken und anderen Formen gestaltet ist? Stehen in dieser Hinsicht nicht die ästhetischen Tafelfreuden unserer Zeit denen unserer Ahnen nach, die wirkliche Besteckkunst hatten, und denen unserer nordländischen Vettern, die sie noch als Volkskunst haben und pflegen, wie die dänische und schwedische Ausstellung vergangenen Sommers es erst wieder erwiesen haben?

Dem Bestreben, auch der deutschen Goldschmiedekunst dieses fruchtbare Schaffensgebiet wieder zu erschließen und das gebildete, kaufende Publikum auf die Reize desselben hinzuweisen, danken die Riegelschen Löffelmuster ihr Entstehen. Absichtlich ist bei ihnen jede schmückende Materialzutat zu dem Silber vermieden worden, denn nicht ihre materielle Kostbarbeit, sondern die Formenschönheit und Feinheit der Arbeit sollte ihre Eigenart prägen. Riegels künstlerischer Takt hat ihn davor bewahrt, mit der alten, deutschen Technik des Silberschnitts, in welcher diese Löffel dekoriert sind, auch auf alte Mustergebungen zurückzugreifen. Die strengen Stilisierungen an den Löffeln mit den Vogelmustern und auch der realistische, lachende Putto im Rosenkranz, das Symbol lachender Tafelfreude, entsprechen vollkommen modernem Kunstempfinden, passen sich dem Stil moderner Möbel, Gewebe, Porzellane usw., mit denen sie zusammenwirken sollen, vollkommen an.

Ein besonderes Interesse nimmt Ernst Riegel auch an der Gestaltung des edelmetallischen Deckelpokals, den unsere Zeit zu Gunsten anderer Trinkgeschirre zu vergessen schien und der doch einst das gepflegte Lieblingskind altdeutscher Goldschmiedekunst war. Auch heute hat er seine hygieni

schen Vorteile noch nicht eingebüßt. In unseren Abbildungen zeigen wir neuere Deckelpokalschöpfungen Riegels. Die Verschiedenheit ihrer Einzelformen, ein rühmendes Zeugnis von der reichen Erfindungskraft ihres Herstellers, täuscht nicht über die Gemeinsamkeit ihrer Eigenart hinweg, die kleinliche Überzierlichkeit in Grundform und Dekor verschmäht, die groß und stark aufbaut, die kräftige Farbenspiele aus unverkünstelt behandeltem Edelmaterial schöpft.

Das Bechergefäß auf Seite 4 besteht im Grundteil aus grünem Nephrit, auf welchen die schnurartigen Ziermontierungen aus Gold von ausgezeichneter Wirkung sind. Beachtenswert ist ferner im Deckelteil die Formenausbildung des edelsteingeschmückten Griffknopfes und die traubenartige Anordnung der Ziersteine in der Deckelkuppel.

Der Pokal auf Seite 3 hat ein aus Kokosnuß geschnitztes Bechergefäß in Altsilbermontierung von großzügigen Metallformen, die in kleineren Partien mittels Gravier- und Hammertechnik meisterlich dekoriert sind.

Endlich bringen wir noch einen wunderschönen Halsschmuck für eine Dame aus Gold, Silber, Saphiren und Topastropfen. Dieser Damenschmuck greift in seinen Formen und in seiner Technik auf bäuerliche Filigranarbeit zurück, die über vergoldete Silberplatten verzierend Drahtmuster legte und diesen farbige Edelsteinzentren gab. Freilich, diese feine Verteilung der Massen in einzelne, bewegliche Schmuckglieder, ihre lineare Gegenbewegung, wie sie Riegels reifes Kunstverständnis hier findet, ist sein eigenstes, aus unserer Zeit geborenes Formeneigentum, ebenso wie die Zutat von Abschlußgehängen aus tropfenartig verschliffenen Topasen, welche die Schmuckform so trefflich vollenden und welche die alte Filigrankunst in gleicher Art nicht kannte. H. v. H.

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DELSTEIN, Bernstein, Marmor und andere wertvolle Erzeugnisse der Natur werden nur zu gern mit Edelmetallen zu Schmuckgegenständen verarbeitet und erfreuen das menschliche Auge. Zigarrenspitzen aus Bernstein mit leichtem Goldreif werden von Rauchern begehrt; Bernsteinketten als Hals- oder Armschmuck enthalten Verbindungsstücke aus Edelmetall; feinere Papiermesser versieht man mit Heften aus Bernstein mit Goldverzierung; wo man größere Bernsteinstücke zu mancherlei Prunkgeräten verarbeitet, darf der sinnige Schmuck aus Edelmetall nicht fehlen.

Ich möchte deshalb den verehrlichen Leser etwas näher mit dem Bernsteingewinn und der Bernsteinindustrie bekanntmachen. Danzig ist mit ein Hauptsitz dafür; interessant ist ein Einblick in das Getriebe der Bernsteinbearbeitung und des Handels. Alle solche Schmucksachen haben sich von altersher der Gunst der Menschen erfreut. Schon die Phönizier sollen des Bernsteins wegen nach dem Baltenmeere gesegelt sein, und gegenwärtig befördern Dampfroß und -Schiff die Bernsteinwaren nach Nordamerika, Süd- und Nordafrika, Japan, China, Kleinasien und nach dem Orient. Ein großer Teil bleibt in der Heimat. Die Bernsteinindustrie ist ein an

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