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Interesse der sogenannte Qualitätsbegriff, daß heißt das Vermögen, Gut und Schlecht unterscheiden zu können, sich meist soweit verstärkt, daß er auch auf neuen oder fremden Gebieten seinem Besitzer eine gewissermaßen instinktive Sicherheit verleiht, die Sicherheit des guten Geschmacks. Guter Geschmack aber, auf Basis des Gefühls für gute Qualität bedeutet bei weiter Verbreitung eine Kulturhöhe, wie wir sie noch nicht erreicht haben, wie wir sie aber nur heiß erstreben können.

Viele Anstrengungen werden heute gemacht, nach dieser Richtung hin fördernd zu wirken, aber das Erreichte ist winzig im Vergleich zu dem, was noch erreicht werden muß.

Selbst Verkäufer großer kunstgewerblicher Geschäfte, das ist bedauerliche Tatsache, besitzen in vielen Fällen nicht genügende Sachkenntnis auf ihrem engsten Gebiet, um Kunden die nötige Aufklärung geben zu können. Sie haben meist keine blasse Vorstellung, wie die von ihnen verkauften Waren entstehen, und sind für verblüffende, die Minderwertigkeit mancher Gegenstände geschickt bemäntelnde Äußerlichkeiten oft noch empfänglicher als ihre Abnehmer.

Einen Versuch der herrschenden Urteilslosigkeit entgegen zu arbeiten bildet der vorliegende Aufsatz. Er betrifft zwar nur ein kleines Gebiet des kunstgewerblichen Schaffens, aber ein Gebiet, auf dem die Urteilslosigkeit besonders ausgeprägt ist: die Bronze warenfabrikation.

Schon über das Material herrscht hier die größte Unklarheit. Messing oder Bronze? Diese Frage bildet für den Laien meist ein ungelöstes Rätsel.

Theoretisch ist der Unterschied leicht zu erklären. Bronze ist in der Hauptsache eine Legierung von Kupfer und Zinn, Messing eine solche von Kupfer und Zink. In der Praxis ist dieser Unterschied durch so zahlreiche Zwischenstufen verwischt, daß selbst vom Fachmann nicht immer ohne weiteres festgestellt werden kann, um welches Material es sich handelt. Die Grundfarbe der Bronze ist ein rötliches Gold, diejenige des Messings ein goldiges Gelb. Beide Legierungen finden in der Fabrikation Verwendung und zwar beide unter dem Sammelnamen ,,Bronze". Selbst wenn von „echter Bronze" gesprochen wird, ist dies meist im Gegensatz zu galvanisiertem Zinkguß, nicht im Gegensatz zum Messing zu verstehen.

Vielfach ist die Meinung verbreitet, daß Bronze ein bedeutend wertvolleres Material sei als Messing, demgegenüber muß aber ausdrücklich betont werden, daß dies lange nicht in dem Maße der Fall ist, wie meist angenommen wird. Der Preisunterschied, durch den verschiedenen Kupfergehalt der beiden Metalle bedingt, rechnet beim Kilo nur nach Pfennigen und fällt bei der Verwendung weniger ins Gewicht, als die besonderen technischen Eigenschaften, die jedes von ihnen für ein bestimmtes Gebiet geeignet machen.

Bronze im eigentlichen Sinn, also Kupferzinnlegierung, beherrscht heute nur noch das Gebiet der figürlichen Plastik, und zwar sowohl der dekorativen Kleinkunst, als auch der monumentalen Denkmalskunst. Hier kommen ihre besonderen Eigenschaften zur Geltung: Dünnflüssigkeit beim Guß, zähe Geschmeidigkeit bei der Bearbeitung und die Fähigkeit bei ungehindertem Einfluß der Athmosphäre eine grüne Farbe, die Patina oder den Edelrost anzusetzen.

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Bei Geräten kommt die Selbstbildung der Patina nicht in Frage, denn ein für den Gebrauch bestimmter Gegenstand darf nicht mit einer empfindlichen, wohl gar giftigen Farbschicht bedeckt sein.

Die natürliche Farbe der Bronze ist erfahrungsgemäß ein großes Hindernis bei ihrer Verwendung im Kunstgewerbe. Nicht nur das zur dauerhaften Vereinigung einzelner Teile unentbehrliche Hartlot ist von anderer Farbe, auch alle zur Herstellung eines komplizierteren Gegenstandes nötigen Produkte, wie Rohr, Blech, Draht können in einer dem Ton der Bronze entsprechenden Färbung nur selten beschafft werden. Die Verwendung verschiedener Legierungen an einer Arbeit ist natürlich nicht angängig, wenn nicht besondere Wirkungen damit erzielt werden sollen. So verbietet sich die Verwendung von Bronze schon in vielen Fällen der Farbe wegen.

Tatsächlich ist das Messing in all diesen Fällen ein voll

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Die germanischen Staatenbildungen beim Untergange des weströmischen Reiches. Das Frankenreich unter den Merowingern.

Aus: Der Schmuck von Ernst Bassermann-Jordan.*)

Jahrhundertelang war es das Ziel germanischer Völker, im römischen Reiche Wohnsitze zu gewinnen. Der Zug der Cimbern und Teutonen war der erste Vorstoß, und in der römischen Kaiserzeit wurden die Pausen in den germanischen Völkerbewegungen immer seltener und kürzer. Bei diesen Wanderungen kamen alle nach Süden drängenden Stämme mit ihrer vorgeschichtlichen germanischen oder keltischgermanischen Kultur in enge Berührung mit der überlegenen römischen oder römisch-provinzialen Kultur, die von ihnen ebenso aufgenommen wurde, wie es bei den Kelten und Germanen nach der römischen Okkupation geschehen war. Hierbei ging die eigenartige germanische Kunstübung zum größten Teil verloren und zwar um so leichter, als stets nur Teile der Volksstämme wanderten, während die Unfreien und Unkriegerischen, die Handwerker, zumeist in ihren alten Sitzen verblieben. Zuerst werden die klassischen Ornamente unverstanden und zerstückt wiedergegeben, besonders die einfache Kerbschnittornamentik versucht, die in der mittleren und späten Kaiserzeit die Mantelschließe des Legionärs geschmückt hatte, der an den Grenzen vor dem andrängenden Feinde stand. Auch den Germanen früher ganz unbekannte Techniken werden aufgenommen und zuerst in primitiver Weise geübt, so die Zellenverglasung der griechisch-pontischen Länder, der oströmische Edelsteinschmuck und das Filigran, sowie die vorderasiatische Tauschierarbeit. Der große Hunneneinfall unter Attila verursachte die erste allgemeine und gleichzeitige germanische Völkerbewegung und einen engeren Anschluß der gedrängten Stämme an die Römer. Erst als im 6. Jahrhundert die Völker des Westens langsam zur Ruhe kamen, wurden die germanischen Stilreste selbständiger weiter entwickelt und mit antiken Elementen verschmolzen, unter der noch lange dauernden direkten Einwirkung römischer Kunstübung, die durch die Völkerwanderungen in den Hauptzentren der Kultur wenigstens keineswegs hatte unterbrochen werden können.

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Einen wichtigen Anteil an der Aufnahme und Verbreitung römischer Kunst unter den Germanen haben die Goten

genommen, die um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. von der Ostsee an die Nordküste des Schwarzen Meeres und an die untere Donau vordrangen, von da mit Raubschiffen die Küsten selbst des mittelländischen Meeres unsicher machten, im 5. Jahrhundert in Pannonien und in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts in Italien herrschten, während die Westgoten Spanien und den Süden Galliens besetzten.

Die ostgotische Schmuckkunst ist uns durch Erschließung zahlreicher Gräber in Südrußland und in Italien vertraut und interessiert durch die besonders in Italien geübte verständige Anwendung der antiken Ornamente. Die Linienornamantik gewinnt allmählich an Selbständigkeit, und das Hinzuziehen von Tierkopfmotiven, schon in der Hallstatt-Zeit bemerkbar, wird jetzt, wohl auch durch Berührung mit sassanidischpersischem, für den neuen Stil charakteristisch. Nördlich der Alpen hat diese flache Band- und Tierornamentik ihre schönste, reichste und selbständigste Entwicklung erfahren, und dieser im frühesten Mittelalter wurzelnde Stil hat in der irischen Buchornamentik, an den Holzbauten und am Schmucke der Küstenländer von Ostsee und Nordsee bis ins hohe Mittelalter eine bedeutende Rolle gespielt und, wie der Goldschmuck von Hiddensöe auf Rügen (Abb. Nr. 1, S. 19) beweist, durch den arabisch-baltischen Handel, der durch Hacksilberfunde von 6981012 belegt ist, auch den Einflußz arabischer Stoffmuster erfahren.

Im Jahre 554 wurde das Reich der Ostgoten durch den oströmischen Feldherrn Narses zerstört; 568 brachen die Langobarden in Italien ein, besetzten etwa zwei Drittel des Landes und behaupteten es bis auf Karls des Großen Zeit. Mit der völligen Romanisierung der Langobarden bricht auch die Geschichte ihrer Schmuckkunst ab.

Wie aus den reichen Grabfunden besonders bei Castel Trosino, Nocera Umbra, in Cividale und Civezzano geschlossen werden kann, war der Schmuck der Langobarden mit dem ostgotischen Schmucke vielfach verwandt. Bei den

*) Leipzig, 1909. Verlag von Klinkhardt & Biermann.

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nördlichen Fundstätten, wie in Civezzano, können Beziehungen zum alemannisch-fränkischen Schmucke erkannt werden. Enger Zusammenhang mit dem römisch - byzantinischen Schmucke verleugnet sich nirgends. Auch die Kreuze aus dünnem Goldblech, die in vielen langobardischen Männergräbern gefunden wurden und diesen allein eigentümlich zu sein scheinen, sind byzantinischen Ursprunges. Sie sind zum Aufnähen auf das Gewand bestimmt und mögen lediglich Grabschmuck gewesen sein. Die Art ihrer Herstellung deutet auf einen ganz geläufigen Brauch. Sie sind, oft ohne Rücksicht auf die gepreßten Verzierungen, wenig sorgfältig aus einem größeren Stücke Goldblech ausgeschnitten. Als Prägestock für die Verzierungen sind manchmal einfach Münzen benutzt. An sorgfältig gearbeiteten Stücken sind Buchstaben angehängt wie an weströmischen Votivkronen.

Ein solches Goldkreuz fand sich auch in dem Doppelgrabe, das 1881 bei Wittislingen in Schwaben geöffnet wurde. Hierdurch sind wenigstens Beziehungen der Bestatteten zu den Langobarden wahrscheinlich gemacht, die sonstigen Schmuckbeigaben weisen aber eher auf die fränkischalemannische Kunst und sollen deshalb mit dieser besprochen werden.

Die nördlich der Alpen seßhaft gewordenen germanischen Stämme, besonders die Alemannen und Bajuwaren, dann auch die Franken, die unter den Merowingern, Karl Martel und den Pippinen allmählich das ganze heutige Frankreich, Belgien, die Schweiz und Süddeutschland unter ihre Herrschaft gebracht hatten, hielten an germanischem Wesen zäher fest, auch in der Tracht. Der Schmuck, wenigstens des Mannes, war reiner Gebrauchszweckschmuck: Schließen, Schnallen und Riemenzungen für das zahlreiche Band- und Riemenwerk, eine Fibel für den Mantel, alles in guter Metallarbeit, groß, stark und praktisch gebildet, von kriegerischer Wirkung wie die Waffen. Das Wort des Sidonius Apollinaris hat seine Geltung: Ihr Schmuck ist zugleich ihre Wehr. Die Tauschierarbeit, bei der stilistisch eine westliche alemannische und eine östliche bajuwarische Gruppe deutlich unterschieden werden können, wird zu großer Fertigkeit gebracht und entspricht vorzüglich dem Streben nach flacher Bandornamentik. Die urgermanischen Schenkelriemen, die auch von den Langobarden der späteren Zeit gebraucht wurden, hatten an einem Ende, beim Knie, einen zungenförmigen Metallbeschlag, hierzu tritt oft ein besonderes Knieband unterhalb des Knies mit eigener Metallzunge. Der Gürtel war vorn verhakt, später stets durch eine große Metallschnalle geschlossen.

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Die germanische Spangenfibel entwickelt sich aus der Fibel der mittleren und jüngeren römischen Kaiserzeit. Die Germanen vergrößern die Flächen noch weiter, um ihre Ornamentik entfalten zu können, besonders an den Endigungen, da hier der Stoff des Gewandes am wenigsten überquellen und verdecken kann, und vor allem am Fibelkopfe, bei der Federhülse. Ursprünglich war die Federung der Fibeln sichtbar, mit dem Anfange des 2. Jahrhunderts n. Chr. aber tritt zur Anbringung von Ornamenten die Federhülse auf, dann tritt die Platte darüber. Die Stifte am Kopf germanischer Fibeln sind eine Verzierung, die sich offenbar aus der Erinnerung an die früher sichtbaren Federrollen gebildet

Das gleiche Streben nach Vergrößerung der für das Ornament sich bietenden Flächen ist auch an den Gürtelschnallen zu bemerken.

Adlerfibeln in einer von Ostrom direkt übernommenen Stilisierung werden nur in reicher ausgestatteten Männergräbern gefunden und scheinen Rangabzeichen gewesen zu sein. Den Germanen war der Adler ursprünglich die Verkörperung finsterer Mächte, der Antike aber Götterbote,

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Bei den Frauen sind statt der Spangenfibel Rundfibeln üblich, dazu zwei Fibeln am tiefsitzenden Gürtel. Auch sind. auf einer Schulter manchmal Gewandnadeln mit großem rundem Kopfe gefunden worden.

Zu diesem Gebrauchszweckschmuck der Frauen tritt wenig reiner Zierschmuck. Der Halsring erhält sich noch im Frauenschmucke, im Norden länger, wo die Erinnerung an den alten Schwurring Ullers Ring lange lebendig blieb. Dazu kommen einfache Armreife. Ganz gewöhnlich sind Halsgehänge aus Glas- oder Tonperlen, Amethystzylindern oder Bernsteinkügelchen, alles einfach auf Schnüre gereiht und manchmal von goldenen Zwischenstücken und Anhängern unterbrochen. Der Bernstein hat durch die Verbesserung der Handelswege seinen Wert als Schmuckstein zum großen Teil, nicht aber als Amulett verloren. Bergkristallkugeln werden als Amulett von der Antike übernommen und ins spätere Mittelalter, ja bis in die neuere Zeit hinübergeführt. Schneckenhäuser des Indischen Ozeans finden sich in fränkischen Gräbern noch ebenso wie in vorgeschichtlichen.

Die Goldanhänger an Halsbändern gehen meist von Münzen aus. Entweder sind es römische oder byzantinische Münzen oder Nachahmungen solcher Gepräge in filigranierter, getriebener oder geprägter Arbeit, eigens hergestellte Zierbrakteaten, die immer mehr nordischen Charakter annehmen und die unverstanden kopierten Inschriften durch Runen ersetzen. Später überwiegen phantastische Figuren, besonders Tiere, wie Elefanten, Greifen, mit Augen aus Almandin in Kastenfassung, das Ganze vom Osten beeinflußt.

Unter den ermüdend gleichartigen Grabfunden, deren Schmuckstücke über ein bescheidenes Maß von Können selten hinausgehen, ragen in Deutschland die Funde aus dem erwähnten Doppelgrabe von Wittislingen weit hervor. Besonders die große Spangenfibel des Mannes und die Rundfibel der Frau zeichnen sich durch Feinheit und Schönheit der Arbeit vor allen verwandten Beispielen aus, es sind wahre Prachtstücke und um so interessanter und für uns wertvoller, als es die ersten von sicher germanischem Ursprunge sind.

Die große Spangenfibel des Männergrabes ist aus Silber gegossen, zum Teil vergoldet und in Einzelheiten nielliert, die Vorderseite mit Filigran verziert und mit Almandinen und grünem Glas auf gegitterten Goldfolien cloisonniert. Der Fibelkopf war mit zehn Knöpfen aus vergoldetem Kupfer besetzt, von denen jetzt sechs fehlen. Auf der Fußplatte ist rechts und links ein durch die starke Stilisierung kaum mehr kenntliches Vogelkopfmotiv angebracht. Die niellierte und mit der Fibel gleichzeitige Inschrift auf der Rückseite besagt, daß Uffila die Fibel zur Erinnerung an seine verstorbene Frau Tisa hat fertigen lassen. Wahrscheinlich nennt sich am Schlusse auch der Goldschmied Wigerig, ein Beispiel deutscher Künstlerinschrift, das jetzt nicht mehr vereinzelt bleibt und darauf hinweist, daß auch in ihrer Zeit die Uffilafibel als eine außergewöhnliche Arbeit galt, auf der sich der Künstler mit Stolz nennen kann. Die Scheibenfibel der Frau (Abb. Nr. 1, S. 19) bestand ursprünglich aus einer runden Bronzescheibe, die vorn mit Goldblech verkleidet war. Diese wichtigere Vorderseite ist vollkommen erhalten. Sie wird gegliedert durch vier sternkreuzförmig angeordnete Bänder, die hoch über die Unterlage vorragen, da sie getrieben und dann noch mit Kastenfassungen für Almandine besetzt sind. Die Enden der Bänder sind einander

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