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Vorrede.

Der Wunsch des Herrn Verlegers dieser Sammlung, in den vorliegenden

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Band derselben eine Quelle zur Geschichte der Stadt Riga zu bringen, war die Veranlassung zu dem Abdrucke des Buchs der Aeltermänner grofser Gilde.“ Um es bei der Redaction meinerseits an nichts fehlen zu lassen, was von mir aus zur Vermehrung der Quellen zur Stadtgeschichte geschehen und geliefert werden konnte, kamen die übrigen Zugaben hinzu, welche den Inhalt dieses Bandes ausmachen. Ueber das Einzelne wird jetzt näher zu berichten seyn.

Es war unstreitig eine gute Sitte bei unsern Vorfahren, dafs sie, oft nur als Privatmänner, oft aber auch in ihrer öffentlichen Stellung, das anzeichneten, was sie miterlebt, wozu sie mitgewirkt hatten. Dieser Sitte verdanken wir manchen schätzenswerthen Aufschlufs über Begebenheiten der Vorzeit, und wenn auch Einseitigkeit und Parteilichkeit von den Berichten der Augenzeugen oder der Mitwirkenden nicht zu trennen, so giebt sich desto ungefärbter die Ansicht der damaligen Zeit, sey's auch nur von der einen Seite; dieser guten Sitte folgten auch die aus der Bürgerschaft selbst gewählten Vorsteher des städtischen Gemeinwesens an hiesigem Orte schon in alter Zeit, indem jeder derselben aus der Zeit seiner Amtsführung das ihm merkwürdig Erscheinende in einem besondern Buche verfafste, welches vom Vorgänger im Amte dem Nachfolger überliefert wurde, und unter dem Namen des „Buches der Aeltermänner grofser Gilde" bekannt ist. Obwohl man nun nicht anzugeben vermag, von welcher Zeit an diese gute Sitte hier beobachtet worden, so ist doch erweislich, dafs schon vor demjenigen Buche der Aeltermänner, das sich noch erhalten hat und mit dem Jahre 1540 beginnt, ein anderes mufs gewesen seyn, welches nunmehr fehlt. Es kommen nämlich auf ein solches Hindeutungen vor,

die daran nicht zweifeln lassen 1), und es findet sich in dem noch vorhandenen ein loses Blatt von dem Aeltermann Jaspar van Karpen, mit Anzeichnungen aus dem Jahre 1539, welches entweder ein Fragment des frühern Aeltermannsbuches oder ein Material dazu war, das noch erst hatte benutzt werden sollen 2). Mag es denn nun seyn, dafs das frühere Buch der Aeltermänner schon 1532 bei der durch eine plötzliche Feuersbrunst in des damaligen Aeltermanns Karsten Schlotmakers Hause erfolgte Zerstörung und Zerstreuung der Gildepapiere 3) mit unterging, oder dafs es sich, wie Einige glauben 4), noch später erhalten hat und dann erst verloren gegangen ist: genug, es ist jetzt von dergleichen Aufzeichnungen nur das eine Buch vorhanden, dessen Abdruck wir hier liefern. Dasselbe besteht aus einem fast eine Handbreit dicken Folio-Bande, der keinen Deckel, sondern blofs einen Umschlag von starkem, geprefstem Leder, und unter diesem am Ende ein mit lateinischen, geistlichen Gesängen und Gebeten in Mönchsschrift beschriebenes Pergamentblatt hat, worin die letzte Papierlage eingeheftet ist. Die unbeschnittenen Bogen des Papiers, das von ziemlich grofsem Format ist, sind Lagenweise zusammen- und an den ledernen Umschlag geheftet; am Ende sind (nach Zaupe's Anzeichnungen) eine Menge Blätter unbeschrieben geblieben, aber ganz am Schlusse finden sich von den letzten fünf Seiten noch einige (drei) beschrieben, auf denen die Beilegung eines Zwistes mit den Schwarzen Häuptern 1541 und Anmerkungen von den der grofsen Gilde gehörig gewesenen Scheunen und Capitalien verzeichnet sind 5). In dieses Buch nun haben die damaligen Aeltermänner der grofsen Gilde die ihnen nothwendig erscheinenden Bemerkungen aus der Zeit ihrer Amtsführung niedergeschrieben, wie es scheint, alle eigenhändig, ausgenommen Lorenz

s. Buch der Aeltermänner S. 5.

2) Wir liefern diese vereinzelten Anmerkungen unter den beigefügten Urkunden beim J. 1539. 3) s. Arndt II. 199. 200.

4) z. B. Brotze, der im Vorberichte zu seiner Abschrift des Aeltermannsbuches von „dem noch älteren Altermannsbuche No. 1., das ich bisher noch nicht zu Gesichte bekommen," spricht, und Sonntag, der davon in den Rig. Stadtbl. 1826. S. 75. sagt: „Wer weifs, vielleicht liegt es noch irgendwo auf einem unserer alten Hausböden, und dient den Ratten und Mäusen zur Ruhestätte."

5) Wir haben diese vereinzelten Anzeichnungen den Notizen des Aeltermanns Jaspar van Karpen, in den beigefügten Urkunden beim J. 1539, angehängt.

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Zimmermann, welcher durch einen geschickten Schreiber seine Notizen hat eintragen lassen. Man kann sich denken, dafs die Handschriften oft sehr grofse, bisweilen nicht zu beseitigende Schwierigkeiten darbieten, so dafs nur ein geübtes Auge sich darin zurecht finden kann. Dabei ist die Sprache das alte Plattdeutsch, welches sich gegen das Ende hin immer mehr verhochdeutscht; jeder hat aber nach seiner Aussprache und dem Dialecte seines Vaterlandes geschrieben, daher die gröfseste Unregelmässigkeit und Verschiedenheit in der Orthographie obwaltet, welche oft ganz sonderbar, ja mitunter possirlich ist und leicht zu Mifsverständnissen verleiten kann. Veraltete Ausdrücke, ungewöhnliche Redewendungen kommen oft vor und machen Erklärungen nothwendig. Es erstrecken sich nun die vorhandenen Anzeichnungen über die Jahre 1540 bis 1566. 1568-1573 und 1590-1611, und ist dabei nichts mehr zu bedauern, als dafs die wichtige Periode der endlich vollzogenen Unterwerfung unter Polen, und der bald darnach ausgebrochenen Kalenderunruhen nicht mit dargestellt ist. In dem aber was wir hier vor uns liegen haben, finden wir ein reiches Material zur Stadtgeschichte, wie es sich die ehrlichen Männer jener alten Zeit in ihrer einfachen, treuherzigen, mitunter leidenschaftlichen Auffassungsweise gedacht und oft mit ermüdender Umständlichkeit und mit Wiederholungen, oft mit bedauernswerther Kürze und Weglassung. wichtiger Umstände aufgezeichnet haben. Die Wichtigkeit des Buches für die rigische Geschichte insbesondre, wie für die livländische im Allgemeinen, erkannte der fleifsige Erforscher unsers vaterländischen Alterthums, der sel. Prof. Brotze, nahm eine genaue Abschrift von demselben, die jetzt auf der rig. Stadtbibliothek mit seinen übrigen 'Sammlungen in einem ziemlich starken Foliobande aufbewahrt wird, und theilte daraus Einzelnheiten theils in den Neuen nord. Miscell, theils in den Rig. Stadtblättern mit, was in diesem Abdruck angemerkt worden. Von der Brotzeschen Abschrift hatte Herr Stadtbibliothekar Rath Tielemann in frühern Jahren eine saubere Copie genommen, welche zum Behufe des Abdruckes, der darnach gemacht wurde, durch den Herrn Verleger von ihm erstanden worden war. Zur Erklärung der veralteten Sprache hat Brotze seiner Abschrift ein kleines Wörterbuch beigefügt, das auch von Tielemann seiner Copie angehängt worden; uns schien aber beim Abdrucke es bequemer für die Leser, die erforderlichen Worterklärungen gleich in den Text zwischen [] einzuschalten oder unter dem Texte in Anmerkungen zu geben. Aufserdem wurde in diesen noch

Mon. Liv. ant. IV.

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an litterärischen, historischen oder topographischen Nachweisen so viel geliefert als zweckdienlich erschien 1). Sollte übrigens Jemand meinen, dafs es gerathe ner gewesen wäre, nur Auszug und Uebersetzung, nicht das oft schwer z verstehende, oft wenig erquickliche Original hier zu liefern, so müssen wi bitten zu bedenken, dafs es in dem Plane dieses Werkes ganz eigentlich liegt Monumenta zu liefern, nicht Bearbeitungen von solchen, welche ja den Man von Fach, den tiefern Forscher nicht befriedigen können.

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Zu dem Inhalte des Aeltermannbuches schien mir die von dem Rigische Bürgermeister Melchior Fuchs 1654 verfafste ,,Historia mutati regiminis e privilegiorum civitatis Rigensium" passend, aus welcher J. C. Schwartz eine Auszug geliefert hat 2); sie wurde daher dem Aeltermannsbuche angereihet und ganz so abgedruckt, wie sie sich unter den von Schwartz aus dem Raths Archive in die Stadtbibliothek übertragenen und dort unter dem Titel: ,,Manu scripta ad historiam Livonicam," bewahrten Schriften, Vol. XIII., vorfindet Ohne Zweifel hat Schwartz eben diese Handschrift auch für seinen Auszug benutzt. Sie ist eben nicht allzudeutlich, noch sehr sorgfältig gemacht: daher ich mich gezwungen sah, an einigen Stellen in den unzusammenhängenden Context durch leichte und sich von selbst ergebende Aenderung oder Einschiebse Ordnung und Haltung zu bringen. Ich enthielt mich aber aller Anmerkungen zu diesem Stücke, um nicht Wiederholungen zu geben, oder gar weitläuftig zu werden, wenn ich einen fortlaufenden Commentar hätte liefern wollen. Doch auch so wird die Arbeit des achtungswerthen Patrioten Fuchs, den unsere Stadt seit bald zwei Jahrhunderten für die von ihm mitbegründete Wasserkunst 3) als ihren Wohlthäter eben so sehr zu ehren Ursache hat, wie sich seine Zeitgenossen seiner amtlichen Wirksamkeit erfreueten, für Forscher der Geschichte hoffentlich nicht unwillkommen seyn und gleichsam als ein Resumé der politi

1) Noch bemerken wir hier, dafs auch Sonntag (in den Rig. Stadtbl. 1826. S. 74 ff) auf den Werth dieses Buches aufmerksam gemacht und davon eine Nachricht und ein Paar kleine Auszüge gegeben hat.

2) freilich an einem Orte, wo man denselben nicht so leicht suchen wird, nämlich in seinem Aufsatze: Noch ein Beitrag zu Gadebuschen's livl. Bibliothek oder zur Gelehrtengeschichte Livlands, in den Nord. Miscell. XXVII. XXVIII. 252–277.

3. Buch der Aeltermänner S. 218. in der Anm. **).

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schen Geschichte unsrer Stadt während des zwanzigjährigen Zeitraums ihrer Freiheit von einer Oberherrschaft (1562–1581) und dessen, was die Stadtobrigkeit zu ihren Privilegien rechnete, neben den vereinzelten, abgebrochenen, lückenhaften und mit Anderartigem vermischten Anzeichnungen der Aeltermänner angesehen werden können.

unsere

Um den urkundlichen Vorrath für die Geschichte Riga's zu mehren, gedachte ich noch eine Anzahl von Urkunden hinzuzufügen, welche sich insbesondre auf das innere Leben der Stadt, auf alte Einrichtungen, auf die Stadtund Gemeindeverfassung beziehen. Während ich schon mit der Sammlung desselben beschäftigt war, wurde mir im Herbst vorigen Jahres von Seiten der hiesigen litterärisch-practischen Bürgerverbindung die Aufforderung, im Winter 1842-1843 einige Vorlesungen über die Geschichte der Stadt zu halten. Da ich nun um des damit verbundenen guten Zweckes willen dieser Aufforderung folgte, arbeitete ich Behufs der zu haltenden Vorlesungen eine kurze Uebersicht der älteren Geschichte der Stadt Riga von ihrem Ursprunge bis zu ihrer Unterwerfung unter die polnische Herrschaft (1200-1581) aus, welche, wie ich glaube, als eine passende Einleitung in diesem Bande der Monumenta vorangestellt und als Commentar zu den gesammelten Urkunden für die Stadtgeschichte betrachtet werden kann. Sie gebe ich daher hier, als einen Versuch, ältere Geschichte gründlich zu behandeln; aber auch nur als einen Versuch, indem ich mich der Schwäche meiner Darstellung, namentlich in manchen Perioden, z. B. der so sehr verwickelten Sylvesterschen, und in Betreff mancher Gegenstände, z. B. der Handelsbezüge, nur zu gut bewufst bin. Da aber diese Uebersicht ursprünglich Behufs der vor einem gemischten Auditorium zu haltenden Vorlesungen ausgearbeitet wurde, so wird diefs zur Erklärung so mancher darin vorkommenden Wendungen und Ausdrücke eben sowohl, wie zur Entschuldigung derselben dienen. Die darin beobachtete Sonderung der politischen Geschichte von der Erzählung des Bemerkenswerthen in Betreff der Gesetze und Verfassung, der Religion und des Kirchenwesens, der Sitten und des Handels bei jeder der angenommenen Perioden wird hoffentlich von Sachkundigen nicht gemifsbilligt werden und einen zureichenden Grund in dem vorwaltenden Bestreben finden, von jeder Periode ein möglichst sprechendes Bild zu entwerfen. Wie fern diefs neben der stets und gewissenhaft berücksichtigten, urkundlichen Gründlichkeit gelungen sey, mögen Kenner der Sache

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