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Verhältnisse und die Tapeten eine künstlerische Farbwirkung besitzen. Wir lehnen die damalige überreiche Ausstattung des Frauenkleides mit Falbeln, Rüschen, Spitzen und Bändern ab und suchen großzügige Linien und Farbwirkungen. Schwerer wird es uns wohl, an dieser Stelle Kritik zu üben an der verhältnismäßig reichen Schmuckausstattung jener Tage. Aber wir dürfen jedenfalls sagen: Was heute an Schmuckausstattung geleistet wird, ist künstlerisch höherstehend als die Schmuckleistungen jener Zeit. Damals war die Zeit der „Prachtwerke" im Buchverlag. Der Einband mußte möglichst reich verziert, womöglich mit einem farbigen Druckbild ausgestattet sein; im Innern war eine Überfülle von Abbildungen und reich verzierten Anfangsbuchstaben und Kapitelüberschriften unerläßlich. Man vergleiche heute damit die Vornehmheit und Schlichtheit unserer Kunstbuchbände und Druckausstattungen. Es ist durchaus bezeichnend, daß man damals „Prachtband" sagte, wo man heute vom „Kunstband" spricht.

Jene Zeit des überreichen Schmückens war zugleich auch die Zeit des Nachbildens der historischen Stile. War vielleicht dieser Umstand die Veranlassung, daß man den Maßstab des Schmückens verlor, daß man nur das geschmückte Werk als Kunstwerk ansah? Zum Teil ist das sicher der Fall, wenn auch nicht ausschließlich, Man muß sich nur vergegenwärtigen, in welcher Weise man sich die historischen Stile aneignete. Man kannte ja aus jenen Zeiten doch eigentlich nur Prachtwerke und Prunkausstattungen. Die Erzeugnisse einfacher und schlichter Werktätigkeit waren entweder im Laufe der Zeiten verloren gegangen, oder sie spielten in unseren Museen und Lehrsammlungen keine Rolle. So mußte das studierende und lehrende Kunsthandwerk ganz von selbst in die Richtung reichen Schmückens hineingedrängt werden. Und da die Schmuckformen alle fertig dalagen, nicht erst erarbeitet zu werden brauchten, so war die Versuchung, sie in übertriebenem Maße anzuwenden, eine große, und man ist ihr in vielen Fällen erlegen.

Daß das Studium und die Anwendung fertig vorhandener Stile aber nur zum Teil die Schuld an überreicher Ausstattung trug, das zeigte sich, als man sich von ihnen loszulösen versuchte. Auch der Jugendstil ging nicht vom Werk, von der Sachform aus, sondern von der schmückenden Zutat; in den Formen der organisch belebten Natur suchte er die Quelle, um das Kunstgewerbe in eine Formensprache zu kleiden, welche dem Geiste der gegenwärtigen, nicht der vergangenen Zeit entsprechen sollte. Damit hatte man den Hebel, wenn man sich so ausdrücken will, verkehrt angesetzt, und die ganze Entwickelung nahm den falschen Weg, daß die naturalistisch gewordene Zierform die Sachform zu sehr belastete. Erst als man anfing, die neuzeitliche Schönheit der reinen Sachform zu empfinden und zu studieren, mußte man auch diesen Naturalismus ablehnen. Und damit fand man auch den richtigen Maßstab für die Anwendung der Zierform. Da man die Sachform als künstlerische Aufgabe anfaßte und durchführte, da man ihre Schönheit auf der Basis neuzeitlicher Technik und Geschmacksempfindung mit neuem Leben zu füllen wußte, so drängte dieses neuerwachte künstlerische Interesse die Bedeutung der Zierform ganz von selbst und ohne weiteres zurück. Heute sehen wir eine neueste Richtung am Werk, welche ausschließlich, auch im Kunstgewerbe, nur noch Technik und Zweckmäßigkeit wertet, welche die Zierform grundsätzlich ablehnt und höchstens noch die farbige Behandlung als Ziermittel zuläßt. Nachdem wir also kaum geglaubt hatten, den richtigen Maßstab für die Anwendung der Zierform gefunden zu haben, will man uns jetzt einreden, daß dieser Maßstab überhaupt überflüssig sei, weil es nichts mehr zu messen gebe.

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Theoretisch beweisen kann man das natürlich nicht, ebensowenig als man das Gegenteil nachweisen kann. Man kann sich aber fragen und man darf der Beantwortung dieser Frage eine gewisse Bedeutung beimessen: Hat es schon

einmal eine menschliche Kultur gegeben, welche kein Bedürfnis nach der Zierform gehabt, oder welche, schärfer ausgedrückt, die Notwendigkeit der Zierform nicht empfunden hätte? Darauf kann es nur eine Antwort geben: Soweit wir eine Menschheitsgeschichte kennen und zurückverfolgen können, hat jede menschliche Arbeit niemals nur Nutz-, sondern immer auch Zierformen geschaffen. Verschieden und stark wechselnd war immer nur der Maßstab, nach welchem man der Sachform die Zierform hinzufügte.

Die Zierform zerfällt in die zwei Abteilungen der flächenhaften und der körperhaften Ausbildung. Damit ist schon ein gewisser Wirkungsmaßstab gegeben: Die flächenhafte Zierform wird die Sachform niemals körperlich ändern oder deren Zweckbestimmung beeinträchtigen können. Wenn ich einen silbernen Becher mit Flachstich gravierung versehe, so kann die Becherform die denkbar einfachste und zweckmäßigste sein: Die reichste Flachstich gravierung wird daran nichts ändern. Ändere ich die Zierform vom ganz flächenmäßigen in ein Flachrelief um, so wird der Umriß, die Profilierung des Bechers durch die Überschneidungen des Reliefs schon beeinträchtigt werden. Ein hochauftragendes Relief würde unter Umständen die Schönheit des Becherprofils zerstören und seine zweckmäßige Handhabung sehr beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Die plastische Zierform wird mit anderm Maßstab angewendet werden müssen als die flächenhafte. Man kann die Decke eines Zimmers plastisch verzieren, den Fußboden nicht. Man kann Schmuck auf seiner Schauseite plastisch verzieren; auf der Rückseite, wo er auf Haut und Kleidung aufliegt, nur flächenhaft. Die plastische Verzierung kann die Zweckform stören, schädigen, ja unbrauchbar machen; der Flächenzierat nicht. Daraus folgt ohne weiteres, daß die Schmucklosigkeit niemals aus Gründen der Zweckmäßigkeit gefordert zu werden braucht: Ein weiß emailliertes Gefäß ist genau ebenso zweckmäßig und reinlich, wenn am Rand eine hellgelbe Mäanderborte entlang läuft, als ohne dieselbe. Man könnte eine Lokomotive, ein Automobil, ein Flugzeug mit einer absolut wetterfesten Flächenornamentik überziehen, ohne daß die Zweckmäßigkeit im mindesten darunter leiden würde. Man tut das nicht, weil man an solchen Gegenständen aus ästhetischen, aus künstlerischen ́ Gründen keine Zierform sucht.

Wir haben oben gesehen, daß es keine Kultur gegeben hat, welche keine Zierformen gebraucht hätte. Wir haben eben Beispiele angeführt, für welche unsere Kultur Zierformen nicht wünscht und braucht. Das zeigt uns, daß der Maßstab des Schmückens eine Skala hat, welche mit der absoluten Schmucklosigkeit beginnt, und daß dieser Maßstab ebenso viele Abstufungen enthält, als es Geschmacksbedürfnisse gibt. Die erste Frage, welche heute gelöst werden muß, ist die: Wann ist es künstlerisch, bei der formalen Ausgestaltung einer Sache auf die Schmuckform zu verzichten? Die Antwort kann nur lauten: Wenn der Gegenstand so viel eigene Lebenswirkung hat, daß die Anbringung einer Zierform künstlerisch stören würde. Um sich den Ausdruck,,Lebenswirkung" zu verdeutlichen, denke man an die Maschinenformen. Eine Maschine, sie mag dienen zu welchem Zweck sie wolle, ist stets der formale Ausdruck mechanischer, unermüdbarer, über menschliche Fähigkeit hinausgehender Arbeit. Alles ist geordnete, aber gemütlose Materie: Hier wirkt die Anbringung von Schmuck- und Kunstformen als Widerspruch, und es ist durchaus künstlerisch empfunden, daß man der Maschine, auch wenn sie noch so kostbar ausgestattet ist, z. B. ein Auto, den Schmuck der Zierform versagt. Nur logisch ist es, daß man Fabriken, die doch nichts anderes als große Maschinenhäuser sind, ebenso ausstattet, formal ebenso behandelt, als die Maschinen selbst. Auch das hat mit der Zweckmäßigkeit gar nichts zu tun. Es ist gar nicht abzusehen, inwiefern die Anbringung von ornamentierten Kapitälen oder Schlußsteinen am Äußern eines Gebäudes die

Maschinenarbeit im Innern desselben stören sollte. Die Zierform hat aber zum Ziel, den Zweck einer Sache geistig zu umschreiben. Bei Maschinen und Fabriken lehnen wir aber jede Umschreibung ab, wir verlangen die klare, knappe Tatsache. Die reine Sachform ist überall am Platze, wo der Begriff der Arbeit dargestellt werden soll.

Die Zierform gehört überall dahin, wo eine gehobene, festliche, oder behaglich ruhende Stimmung beabsichtigt ist. Dabei muß allerdings die Frage erwogen werden: Gehört die Farbe auch zur Zierform? Diese Frage muß insofern bejaht werden, als durch Anwendung von Farbe eine reine Sachform zur Zierform umgeschaffen werden kann, indem sie durch die Farbe außer der Zweckerfüllung auch zierend wirkt. Man denke an eine ganz einfache Glasschale: Schon durch ihre Glanzlichter und Spiegelschatten, die doch letzten Endes auch Farben sind, wirkt sie zierend. Besitzt sie aber Farbe, etwa noch irisierender Art, so kann sie zum prächtigen, hoch künstlerisch wirkenden Ziergegenstand werden. Ein für uns noch näher liegendes Beispiel sind die Schmucksteine. Sie haben alle keine Zierformen im eigentlichen Sinn, sondern rein sachliche Formen. Durch ihr prächtiges Lichterund Farbenspiel aber wirken sie schmückend im höchsten Grade, wirken sie als Zierformen.

Wenn wir also die Farbe auch als Zierelement werten, so kommen wir zu dem Schlusse, daß die neue und neueste Zeit

nicht den Maßstab des Schmückens als solchen herabgesetzt hat, sondern nur andere Elemente desselben anwendet: Wir sind viel farbenfreudiger geworden, aber viel zurückhaltender in dem, was man unter dem Begriff „Ornament“ zusammenfaßt. Und auch da, wo wir das Ornament verwenden, haben wir uns anders eingestellt als unsere historischen Vorgänger: Das plastische Pflanzenornament, das dort eine sehr große Rolle spielt, ist in unserem neuzeitlich eingestellten Kunstgewerbe sehr stark zurückgetreten und hat fast ganz den abstrakten Zierformen Platz gemacht, die man jedenfalls, man mag sich sonst zu ihnen stellen, wie man will, als selbständige Neuschöpfung unserer Zeit bewerten muß. Das Rauschende, Lebendige, Fröhliche, Anmutige des historischen Pflanzenornamentes liegt nicht mehr in den Zielen und der Ausdrucksweise der neuen Zierkunst. Sie sucht ihren Schöpfungen mehr den Ausdruck vornehmer Eleganz und durchgeistigter Ruhe aufzudrücken und bemißt danach das Verhältnis der Zierformen zur Sachform.

Wir sehen also, daß es keinen festen Maßstab des Schmückens geben kann. Jede Kulturperiode wird ihn selbst für sich aufstellen müssen.

Maßgebend für die Entwicklung unserer Gewerbekunst wird es sein, daß sie den Maßstab des Schmückens mit höchster künstlerischer Sorgfalt zur Anwendung bringt.

Leitsätze für die Stilbildung in den bildenden Künsten und im Kunstgewerbe")

Aus einem Vortrag von Prof. Dr. G. E. Pazaurek vom 21. Nov. 1927 im Landes-Gewerbemuseum zu Stuttgart Kunstgewerbe (= Kunsthandwerk bzw. Kunstgewerbe) ist keine niedrigere Kunstgattung, sondern als ein Teil der ebenfalls zweckgebundenen Architektur in seinen Spitzenleistungen denen der anderen Künste ebenbürtig.

Unfruchtbare Experimente einerseits und andererseits weit

gehende Ratlosigkeit, ja fast Mutlosigkeit, charakterisieren unsere Zeit. Die pflichtbewußte Kunstpflege und da es sich im Kunstgewerbe ebenso auch um volkswirtschaftliche Belange handelt die Gewerbeförderung haben daher die Pflicht, mahnend und warnend einzugreifen.

Für alles brauchbare Neue müssen wir, da der in der Bildung begriffene Zukunftsstil kein konservativer sein kann, dankbar sein. Die historischen Kunststile geben uns keine unverändert herüberzunehmenden Elemente, sondern lehren uns nur, wie bestimmte Aufgaben unter wechselnden Verhältnissen in verschiedenen Werkstoffen mehr oder weniger glücklich gelöst worden sind. Wir haben uns zu bemühen, in gleicher Weise für unsere Zeit und ihre neuen Lebensäußerungen neue, neuen Zwecken und Werkstoffen entsprechende Formen zu schaffen. Falsche Romantik ist vom Übel. Auch die Volkskunst wird uns, soweit sie erstarrte frühere höfische Kunst ist, weniger befruchten können.

Die bisherigen selbständigen Schöpfungen leiden vielfach an folgenden Grundübeln:

1. Übertriebene Originalitätssucht um jeden Preis. Die Grenzen der Künste dürfen nicht verwischt werden, das Nebeneinander darf nicht mit dem Nacheinander verwechselt werden; unkünstlerische Mittel sind zu verwerfen. Auch der bildende Künstler muß wie der Dichter in der vorhandenen Sprache arbeiten und keine neuen Lautzeichen für sich erfinden wollen.

2. Bewußte Primitivität, und zwar: a) Kinderlallen, b) Stein- oder Bronzezeitkultur, c) Naturvölkerkultur.

• Die vorstehenden Ausführungen verdienen im Hinblick auf den Artikel,,Das Wesen der Gewerbekunst“ von Prof. Rücklin in Nr. 47 ganz besonderes Interesse.

3. Das deutsche Erbübel: die Ausländerei. Namentlich verschiedene Franzosen und Russen der letzten Jahrzehnte haben uns mehr geschadet als genützt, am meisten in der Malerei. Wenn wir auch alles, was um uns vorgeht, aufmerksam verfolgen sollen, haben wir es nicht nötig, in blinde Nachahmungen zu verfallen. Gerade in den oppositionellen Stilen, in der Gotik und dem Rokoko, waren die Deutschen, nachdem die ersten Anregungen von auswärts kamen, die einzigen konsequenten Weiterbildner und Ausgestalter.

4. Einseitiger Konstruktivismus. Zweckform ist noch keine Kunstform, ein Ingenieur noch lange kein Künstler. Die konstruktiven Vorbedingungen sind doch schon fast Gemeingut, jedoch dürfen sie keinen Schlußstein bilden. Erst die volle Entfaltung künstlerischer Phantasie wird uns dem Zukunftsstil entgegenführen. Die Farbe ist nicht das einzige Schmuckmittel. Ornamente lassen sich nicht auf Geheiß erfinden; aber glückliche Einzelbestrebungen, die nach dieser Richtung gehen, verdienen Aufmunterung, nicht Bekämpfung. Flächenteilung und Zufallskünste können nur Übergänge bedeuten.

5. Das Kennzeichen unserer Zeit, die Brutalität, die man fälschlich mit Monumentalität verwechselt. Sie trägt die Hauptschuld, daß die Entfremdung zwischen dem Künstler und dem Publikum eine so erschreckend gewaltige geworden ist. Es ist doch ungesund, daß man so die für ästhetische Zwecke zu jeder Zeit, also selbst heute, vorhandenen Mittel der Nachahmung von Stiläußerungen vergangener Zeiten oder den stets gefälligen Talentlosigkeiten allein überantwortet. Unsere Kunstschulen haben darauf zu sehen, daß der Nachwuchs von dem, was in der Kunst lehrbar und lernbar ist, den richtigen Gebrauch macht; sonst benötigen wir keine Akademien, sondern höchstens Handwerkerschulen.

Wir werden das, was wir im letzten Menschenalter an selbständigen Kunstäußerungen geschaffen haben, vielleicht in einer großen Ausstellung oder Publikation, sichten und einer nochmaligen Revision unterziehen müssen, um manche für die Weiterbildung brauchbaren Keime, die rasch wieder

verloren gingen, zurückzugewinnen. Es ist für die Folge durchaus erforderlich, recht viele verschiedene Individualitäten nebeneinander zu Worte kommen zu lassen. Wir sind in der Stilbildung noch lange nicht so weit, um nur einzelne Richtungen, z. B. gestern die Wiener Werkstätten,

Zur

heute das Bauhaus von Weimar - Dessau allein gelten lassen zu können.

Eine Zusammenfassung des Besten bleibt einer viel späteren Zeit vorbehalten, wenn der Zukunftsstil bereits in den Hauptzügen erkennbar sein wird.

Schöpfungen der Goldschmiedekunst des Mittelalters

Von O. Reinäcker

'ur Zeit wird in Köln eine Ausstellung des Kölnischen Kunstvereins veranstaltet,,Mittelalterliche Kunst aus Kölner Privatbesitz", deren eine Abteilung Goldschmiedearbeiten, Bronzen und Emails umfaßt, wie sie in dieser Reichhaltigkeit und Erlesenheit nur in den besten Museen zu finden sind. Der Kölnische Kunstverein hat mit seiner Veranstaltung zweifellos ein Wagnis unternommen, das jedoch dank der Vorzüglichkeit der in der Leihausstellung zur Schau gestellten Stücke restlos gelungen ist. Eine andere Frage ist es freilich, ob ein weiteres Ziel der Ausstellungsleitung, den Sammeleifer zu wecken und zu fördern, erfüllt wird. Es ist gewiß: Unzählige haben sich an den Werken historischer Kunst erfreut, Kunsthistoriker, Kunstfreunde und Laien; aber zum Sammeln von derartig seltenen Stücken gehört eben mehr als der gute Wille allein. Es sind ja zumeist Stücke, die sich im Familienbesitz bereits durch Generationen forterbten und die überhaupt nicht mehr oder doch nur in einem äußerst seltenen Glücksfalle käuflich zu erwerben sind. An den Resten dieses Kunstgutes aus Privatsammlungen, das hier einmal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist denn leider sind es nur noch Überreste aus den früheren bekannten Kölner Sammlerfamilien- sieht man jedoch, daß noch so manches köstliche Stück vorhanden ist. Die einst so reichen Kölner Privatsammlungen, die geradezu Weltruf genossen, haben zum großen Teil den Besitzer gewechselt und bilden heute vielfach die Zierde städtischer und staatlicher Museen.

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Betrachtet man die einzelnen Gegenstände näher, so fällt selbst einem weniger künstlerisch geschulten Auge auf, wie sich die Goldschmiedekunst im Verlaufe der Jahrhunderte fortentwickelt hat. Aus den strengen Formen sakraler Kunstauffassung ist mehr und mehr eine lebendige Geschmacksrichtung geworden; das Hieratische, Feierliche ist im Mittelalter zum lebensprühenden Kunstwerke gewandelt. Die Gotik, deren Wesen Lebendigkeit, Anmut und Wärme bedeutet, hat sich auch in der Kunst der Goldschmiede siegreich ausgewirkt. Die Entwicklung dieser Stilperioden kann nicht nur an den rein figürlichen Schöpfungen in der Ausstellung, sondern auch an den anderen Gegenständen, wie Kelchen, Mörsern, Reliquienbehältern, Leuchtern usw. genau verfolgt werden. Bestes Material: Gold, Silber, Elfenbein, Limoger Email paart sich mit bester Verarbeitung. Man glaubt förmlich, den Künstler vor sich zu sehen in seiner Werkstatt, wie er, aufgehend in seiner Idee, nur vollendetste Kunstwerke zu schaffen, sein ganzes künstlerisches Können gibt, damit auch das Werk den Meister ehre.

Aus der Fülle des Gebotenen können an dieser Stelle nur

wenige Stücke in ihrer ungefähren historischen Entstehungsfolge herausgehoben werden. Da ist zunächst eine getriebene Goldplakette mit Silberfassung als Fibel,,,Mariä Verkündigung“, hergestellt in Unteritalien im 5. Jahrhundert. Weiter ein Sporn aus goldtauschierter Bronze aus dem 7.-8. Jahrhundert, gefunden bei Jülich im Rheinlande, ein herrliches Schmuckstück

mit aufgelegten niellierten Silberplättchen; aus dem 11. Jahrhundert ein sitzender Löwe, ein wahres Kabinettsstück der Goldschmiedekunst; eine Grubenemailplatte „Konstantin und Helena", angefertigt in Email in Byzanz oder Ägypten im 6. Jahrhundert. Eine Paxtafel in Silber mit der Darstellung der Anbetung der Könige als ein klassisches Beispiel des der Gotik so wesensverwandten, auf Mystik abgestimmten durchsichtigen Reliefemails (Anfang des 15. Jahrhundert); ein emailliertes Patriarchenkreuz aus Limoges aus dem 13. Jahrhundert; ein Krankenciborium in Turmform, hergestellt in Silber vergoldet um 1400 in der Gegend von Xanten am Niederrhein; weiter eine Kruzifix-Uhr mit Uhrwerk im Sockel, auf dem die Kreuzigungsgruppe steht (eine sich drehende Kugel auf der Spitze des Kreuzes dient als Zifferblatt), 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts aus Süddeutschland. Kostbar ist auch ein Becher mit Deckel, Silber vergoldet, hergestellt vom Goldschmiedemeister Rößberg zu Köln im Jahre 1609, in einer Höhe von 46 cm. Als letzte dürfen nicht unerwähnt bleiben eine silberne Madonna auf achtseitigem glasierten Sockel (Dom zu Limburg) aus dem Ende des 15. Jahrhunderts, sowie eine Silberstatuette des Hl. Jakobus um 1500, Höhe 37 cm.

In bunter Reihenfolge entzücken so Bronzen, silberne und goldene Kunstwerke das schauende Auge. Die feinen Nuancierungen des Limoger Emails laden ein zum Studium der Entwicklung dieses prachtvollen Kunstzweiges. Dazwischen einzelne Stücke, entstanden aus einer mehr derben Kunstauffassung, sowie Elfenbeinschnitzereien aus dem Mittelalter, die von sorgsamer Arbeit Zeugnis ablegen. Dann sind vertreten wundervolle Stücke, bei denen sich der funkelnde Edelstein, der klare Bergkristall, der Aquamarin in seiner feinen Farbennuancierung mit dem funkelnden Golde und dem gleißenden Silber paarten, um als Ganzes zu einer formvollendeten Einheit zu verschmelzen. Alles in allem umfaßt die Abteilung Goldschmiedearbeiten Bronzen und Emails an die 100 Nummern, von denen jede als ein ausgewähltes Kunstwerk vollendeter Schönheit sich präsentiert.

Der moderne Kulturmensch, der hier die überaus seltene Gelegenheit hat, derartige Meisterwerke früh- und spätmittelalterlicher Goldschmiedekunst der romanischen, früh- und

hochgotischen Kunstepoche auf sich wirken zu lassen, empfindet ganz von selbst die Geistesverwandtschaft mit jenen Vorfahren des lebenden Geschlechts, die in so vornehmer Weise sich zu schmücken verstanden, und deren Sinn so empfänglich war für alles Schöne und Edle in der Kunst, und zwar mehr vielleicht als jene Kreise der lebenden Generation, deren Wünsche Individualität, so bequem zu befriedigen sind. Und leicht, mit nutzlosem Kram aller Art oder mit Ware ohne jede allzu leicht drängt sich der Gedanke hervor: ist es wirklich Tatsache, daß auch die alten Meister der Goldschmiedekunst, unter deren Händen so unvergängliche Kostbarkeiten seltenster Art entstanden, aus einfachstem Material, ohne all die vielen Hilfsmittel moderner Kunst und Technik, doch

größer in ihrer Gestaltungskraft waren als ihre Nachfahren? Eine Frage, die wohl leicht gestellt, sicherlich aber weniger leicht zu beantworten ist.

Jedenfalls hat sich der Kölner Kunstverein mit der gegenwärtigen Ausstellung ein Verdienst erworben, das ihm nicht hoch genug angerechnet werden kann.

Bei

Edelmetallgewerbe

Zur Ausstellung von Emmy Roth in Berlin

ei der Goldschmiedin Emmy Roth in Berlin ist zur Zeit eine Ausstellung von Silbergerät und Schmucksachen zu sehen, die große Beachtung verdient, leider aber in ihrer Bedeutung auf dem Gebiet der Silberschmiedekunst und der künstlerischen Schmuckfassung meines Erachtens weder vom Privatpublikum noch von der Industrie nach Gebühr gewürdigt wird.

Es tritt uns in dieser Künstlerin eine für Silberkunst ganz besonders befähigte, wie auch in Form- und Farbenwahl, im Gefühl für Schmucklinie und in der Zusammenstellung von Steinmaterial außergewöhnlich feinsinnige Persönlichkeit entgegen, die immer von neuen Ideen erfüllt ist, sowohl im zeichnerischen Entwurf ihrer Arbeiten, wie auch in der durchdachten und bis aufs kleinste durchgeführten praktischen Verwendbarkeit.

Es läßt sich die Frage aufwerfen, ob die künstlerische Bestrebung, Schmuck in modernen, vom Hergebrachten abweichenden Formen zu schaffen bei der Masse des Publikums Anklang findet, ob die moderne, nach neuestem Modeschick gekleidete Frau zu diesen aparten, nicht alltäglichen, aber vom Standpunkt des Goldschmiedes aus vornehmen, distinguierten und künstlerisch wertvollen Schmuck greifen wird, oder ob die Menge nicht die Schmuckstücke bevorzugen wird, wie sie auch Frau Emmy Roth, aus vorhandenem Material umgearbeitet, in sehr beachtenswerter Weise oft aus Wenigem Ansehnliches zu schaffen, in ihrer Ausstellung zeigt. Es geht von diesem Schmuck der künstlerische Wille und das sichere Verständnis dafür aus, das Schmucktragen in neue Bahnen lenken zu wollen, indem Halbedelsteine und weniger kostbares Steinmaterial verwendet werden und damit künstlerischinteressierten, kulturellen Menschen ermöglicht wird, Schmuck kaufen und tragen zu können. Es ist dies der Ausgangspunkt und Zielpunkt des modernen Juweliers und nicht nur bei uns, wie wir aus vielen Berichten ersehen haben, auch in anderen Ländern, wo mit Schmuck nicht nur Besitz und Reichtum ausgedrückt werden soll.

Frau Roth verwendet z. B. Topase in verschiedenen Färbungen für Ringe und Anhänger und erzielt mit diesem gelblichen Feuer in Gold- und Silberfassungen ausgezeichnete Effekte. Hier seien ein Ring mit einem spanischen Topas, ein Anhänger mit einem Weintopas-Tropfen erwähnt, ein schwarzer Opal und ein an einem aparten alten Jadestück hängender birnenförmiger Chrysopras. Die Anhänger und Ringe sind der modernen Formengebung angepaßt und dabei voller Originalität in der Auffassung.

Das Wertvollste scheint mir Frau Emmy Roth aber auf dem Gebiet der Silberschmiedekunst zu leisten, da die ausgestellten Arbeiten das ästhetische Gefühl wie das Auge gleicherweise befriedigen. Ihre Teeservices in getriebener Handarbeit sind in so harmonischen und vom Tagesklischee abweichenden Formen gehalten, daß es erstaunt, daß die Industrie Frau Emmy Roth nicht zur Mitarbeit heranzieht, um die sattsam bekannten, aus dem Empire oder dem Rokoko herangeholten, dem lang gesehenen Louis XVI. oder den englischen Platedmustern nachempfundenen Formen neu zu beleben. Abgesehen davon, daß hier eine Hausfrau einmal Geräte geschaffen hat, die wirklich praktisch verwendbar sind, z. B. beim Teeservice, zum Wasserkessel eine Extraktkanne mit einem heraushebbaren Teesieb, das das Ziehen des Tees regulieren läßt, mit einem für dieses Teesieb bereitstehenden originellen Abtropfer, sind diese Kannen und Geräte einschließlich des handlichen Tabletts mit ausgetriebenen, nicht angelöteten Henkeln, von solcher Ruhe und Vornehmheit der Linien, kommt die helle Leuchtkraft des gedämpften Silbers so vorbildlich zur Geltung, daß man nur mit Wehmut seine eigenen, nach Stanzen und immerwiederkehrenden Modellen entworfenen Silbergeräte ansieht und bedauert, sich nicht sofort zum Einschmelzen und Umarbeiten entschließen zu können. Angesichts dieser doch auch einstmals für Lebensdauer angeschafften Silbergeräte zeigt sich erst der ganze Fortschritt unserer Silberschmiedekunst, die Abkehr fordert von allen sinnlosen, Putzpulver fressenden Verschnörkelungen und angelötetem Zierat und zu der edlen, künstlerisch-empfundenen Linie der Ruhe und der Geschlossenheit hinfindet. Dabei ist die Bewegtheit in der Linie, die Frau Roth ihren Gebrauchsgegenständen wie: Kuchenkörben, Obstschalen usw. zu geben weiß, neu und bewundernswert und von reizender Handlichkeit im Gebrauch.

Hier waltet wirklich Geschmack mit künstlerischem Sinn, aber auch das Verständnis einer Frau, die Dinge des Haushalts richtig zu erfassen und nach ihrer Zweckmäßigkeit zu sehen. Selbst kleine, industrielle Gegenstände wie Zigarettendosen, Klingeln, Aschbecher, Schreibzeuge, nicht in Silber, sondern in Bronze oder Messing ausgeführt, entbehren nicht der vornehmen und originellen Form, die sich der modernen Inneneinrichtung harmonisch anpaßt.

Wie gesagt, es ist erstaunlich, daß man einem Talent, wie dem von Frau Emmy Roth, nicht ein größeres Wirkungsfeld gibt, sich ihr Können nicht für große und großzügige industrielle Unternehmungen sichert. Dies ist meine Privatmeinung. Fr. V.

Der Juwelier, das Schaufenster und die Frauen

Von Frieda Vallentin

Die Frau stellt bekanntlich den bedeutendsten Faktor dar

als wirtschaftlicher Verbraucher im Umtausch von Geld und Gütern. Der Frau liegt es ob, die Einkäufe und Anschaffungen für den Haushalt und für die Familie zu tätigen, wozu für den Mann im Berufsleben weniger oder gar keine Zeit bleibt. Die Frau kommt auch vorwiegend als Spaziergängerin in Betracht, während der Mann voll Eile zu seinen Berufspflichten Fahrgelegenheit wahrnimmt. An die Frau An die Frau wendet sich also in erster Linie das Schaufenster. Schaufenster anzusehen bedeutet im Leben mancher Frau eine amüsante Zerstreuung. Durch die Straßen schlendern, ohne bestimmten Vorsatz, ohne bestimmtes Ziel gehört mit zu ihren Unterhaltungen, wie Kunstgenüsse, Theater und Kino.

Das Schaufenster hat nicht nur einen zerstreuenden und ästhetischen Einfluß. Es ist auch gleichzeitig ein Lehrmeister

für Warenkunde und Preisverhältnisse; ein Lehrmeister, der über neue Bestimmungen, neue Gebräuche, neue Einrichtungen, neue Moden unterrichtet, da ja die Auslagen stets eine Übersicht auf allen Gebieten der Wirtschaft und Industrie bieten, auf allen Zweigen der Kunst wie auf denen des Konsums.

Wie die Bühne und Kino durch optische Darstellung eindringlicher wirken als das gelesene Wort, so auch der Eindruck des Schaufensters gegenüber der noch so guten Reklame durch Beschreibung, daher der große Aufschwung, den die Schaufensterdekoration nimmt, die bedeutenden Anstrengungen, die dafür gemacht werden.

Immer gehörte und gehört der Juwelierladen zu den besonderen Anziehungspunkten für die Frauen. Selbst die Frauen, die niemals an die Verwirklichung eines Besitzes von

Schmuckstücken denken können, lassen sich von dem glitzernden Schein und dem Glanz der Farben anziehen und verlocken, stehen zu bleiben. Mit dem Schaufenster des Juweliers mit seinen Kostbarkeiten und der großen Masse erlesener Seltenheiten an Steinen, Schmuckstücken, Uhren, Tafelgerät, ist es wie ein Blick in das Schlaraffenland. Der Juwelier hat es eigentlich von allen Schaufensterdekorateuren am leichtesten, auf die Masse zu wirken und den Zweck des Schaufensters zu erfüllen. Der Juwelierladen ist fast immer von Schaulustigen umlagert, besonders aber von Frauen, die im Anblick dieser ausgestellten Waren ihren Wünschen folgen, ihre Ideen zur Umfassung von eigenem Schmuck mit neuen Modellen in schneller Phantasie umformen, die Gegenstände für Geschenke finden oder Gegenstände des Haushalts.

Kaum einem Schaufenster eines anderen Industriezweiges wohnt solche suggestive Kraft inne, wie dem des Juwelierladens. Es ist selbstverständlich, daß unsere Frauen, in Geldmitteln beschränkter und auf bestimmte Summen eingestellt, Schmuck nicht kaufen und kaufen können, wie Gegenstände des täglichen Bedarfs, daß der Schmuck erst als Wertgegenstand hinter den Dingen des Alltags kommt und zu den Gegenständen des Geschenks gehört und weniger zu denen der eigenen Anschaffung. Die Frau wird nicht in den Juwelierladen gehen wie sie ein Konsumgeschäft aufsucht, auch nicht nach Preisen fragen, wie in Geschäften der Mode. Daher ist das Schaufenster des Juweliers das Ausschlaggebende. Auch ist es wichtig, besonders anziehende Stücke auszustellen und nicht ängstlich gehütet im Laden zu belassen, denn das Gesehene, wenn es den Wünschen und dem Verlangen der Frau entspricht, wird durch die optische Wirkung hervorgehoben und wachgehalten, und sie wird bestimmt bei passender Gelegenheit Mann oder Freund aufmerksam machen, wo sie das Schönste und Begehrenswerteste gesehen hat oder sich merken,

Es

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wo sie selbst als Schenkende bei Bedarf einzukehren hat. Unendlich wichtig ist der Verkehr des Verkäufers mit der Frauenwelt. Der Verkäufer ist nicht nur Berater, auch ein wenig Verbündeter, der die Wünsche der Frauen dem Mann als Käufer gegenüber unmerklich unterstützen muß, denn die Frau ist ja eigentlich Käuferin, jedenfalls Trägerin und Verwenderin des Gekauften, wenn auch der Mann als Zahler gilt. Wie oft begegnet es den Verkäufern der Juwelierläden, daß Frauen schon bei einem vorherigen Besuch durch Liebenswürdigkeit, Augenaufschlag, Koketterie den Juwelier oder seinen Vertreter zu beeinflussen suchten, um ihn auf den etwaigen Kauf vorzubereiten und auf das Eingehen ihrer speziellen Wünsche hinzuarbeiten, ein wahres Freimaurerzeichen gegenseitiger Verständigung. Die Frauenpsyche und "Frauenart schnell zu erfassen, hier den Kontakt zu finden und herzustellen, ist von einer weitgehenden Bedeutung für das Geschäftsleben der Juweliere.

Wie oft schon wurde im letzten Augenblick noch ein raffiniert vorgezeigtes Schmuckstück, das gar nicht beabsichtigt war, gekauft, nur weil ein Verkäufer mit unwiderstehlicher Beweiskraft auf die besondere Wunscherfüllung der Begleiterin des Käufers hinwies und der Kunde nicht nein sagen wollte oder konnte. Viele Fäden also laufen zusammen, die der Juwelier zu beachten hat; der stärkste Faden: das Schaufenster, um die Frau anzuziehen und den Wunsch in ihr erstehen zu lassen, die Inspiration zum Kauf zu geben, bei der Tätigung des Kaufs sich als feiner Psychologe zu erweisen und durch Liebenswürdigkeit die Käuferin oder Kundin als Empfehlung zu benutzen, auch wo sie selbst eigene Wünsche zurückstellen muß. Schon durch das resignierte oder vorwurfsvolle Eingeständnis: „Ich wüßte schon einen Schmuck, den ich mir wünschen würde!" ist sie beste Verbreiterin und Reklamemacherin für ein Geschäft.

Poiret in Neuyork

's war vor etwa eineinhalb Jahren, als der deutsche Modeprofessor Haas - Heye in einem seiner Vorträge darauf hindeutete, daß die Weiterentwicklung der Mode in dem damals angedeuteten und von Paris aus begünstigten Sinne unweigerlich dahin führen würde, daß der Schmuck nicht mehr wie bislang zur Ausschmückung, Betonung oder Kontrastierung des Anzugs der Frau dienen, sondern daß das Kleid der Zukunft selbst zum Schmuck würde. Hatte man bis dato in reich ausgestatteten Revuen versucht, mit Hilfe von viel Metall und Seide, dem Publikum ein prachtvolles Juwel vorzuzaubern, so hatten bereits jene Versuche vollen Beifall gefunden und gezeigt, welcher Weg bei der Entwicklung neuer Möglichkeiten eingeschlagen werden konnte. Das Kleid der Frau ein einziger, strahlender Schmuck! Oder die vormals schmückende Beigabe so vergrößert, daß sie hinfort das Auge mehr fesselt als der Stoff, oder daß jener seine Anziehungskraft mit dem Rivalen teilen muß. (Siehe die Anmerkung der Schriftleitung.) Haas-Heye mit seinen zwei Dezennien Pariser Erfahrung mußte fühlen, was da im Gange war, und es konnte ihm damals nicht allzuschwer fallen, den endlichen Schnittpunkt zu sehen. Interessant, die Frage aufzuwerfen, was wohl der eigentliche Grund, der durchdachte Anstoß zur Popularisierung der neuen Mode gewesen sein mag und Mode heutigentags ist keineswegs mehr Produkt des Zufalls, wie dies in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten der Fall gewesen sein mag, sondern baut, scharf kalkulierend, auf gegebenen Tatsachen und Stimmungen auf

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was es war, das dem Juwel, dem Juwelenkleid oder Kleidjuwel den Platz an der Sonne eingebracht hat. Wenn eben gesagt wurde, daß die Mode-Industrie scharf kalkuliert, so muß sie dies doppelt im Hinblick auf ihr Hauptabsatzgebiet. Und das liegt, wie Poiret, der Pariser Modekönig, kürzlich

bei seiner Ankunft in Neuyork ausgesprochen hat, in der Neuen Welt, in der Welt, die das nötige Geld besitzt, um die teuren Schöpfungen der Champs-Elysées und Rue de la Paix erwerben zu können. Beklagenswert, wie Monsieur Poiret meint, daß, trotz wiederholter Inspiration von Paris aus, die Mode als Ganzes während der letzten Jahre mit Ausnahme vielleicht der immer weiteren Verkürzung der Röcke in den United States kaum einem Wechsel

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unterworfen

war, daß alles modern war, daß sogar das ehemals absolut unterscheidende Alter hinfällig geworden war. Alle Frauen hierzulande sind jung, haben wohlgeformte Beine, und alle haben, echt demokratisch, das Recht, sich so zu kleiden, wie die vornehmste Dame von Welt! Allright then! Wer in Paris weiß nicht den amerikanischen Geschmack einzuschätzen, wer kennt nicht nach all den Jahren engen Konnexes mit den Damen vom Yankeeland die Vorliebe dieses millionenstrotzenden Besuches für äußeren Glanz, für reichen Schmuck, für strahlende Diamanten, Rinestones und glimmerndes Metall: Geben wir ihnen, was sie lieben, in Fülle, und versuchen wir unser Bestes in der Verknüpfung unserer einheimischen Juwelierkunst und unserer Industrie in Lyon. Und so erhielten die Kollektionen für die Wintersaison

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