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ZEHNTES KAPITEL.

Ueber Zusammenhang und Tendenz der altchristlichen Poesie und Kunst.

I

Wie wir Prudentius aus seinen deutlichen Aussagen als einen Besucher der Stätten kennen gelernt haben, an deren Schmuck die altchristliche Kunst sich zuerst bethätigte, so haben wir einen jüngern Zeitgenossen von ihm zu nennen, der sich die Pflege dieser Kunst und ihre Anwendung zur Verschönerung der von ihm gebauten Kirchen aufs regste angelegen sein liess, den Bischof Paulinus von Nola. Es ist hier nicht der Ort, auf denselben näher einzugehen, auch hat Adolf Buse die Zeit und das Charakterbild des Paulinus von Nola ausführlich geschildert. Des Prudentius jüngerer Zeitgenosse, steht er ihm in mancher Beziehung nahe, obgleich die Natur beider Männer eine grundverschiedene ist. Ich verzichte darauf, eine Parallele zwischen beiden zu ziehen, so interessant eine solche auch wäre. Hier ist uns Paulinus um eines andern Punktes willen von Bedeutung: es ist dies seine charakteristische Thätigkeit für Bau und Ausschmückung der Kirchen, über die wir in seinen Briefen und Gedichten manche schätzenswerthe Notiz finden. Unermüdlich, den heiligen Felix von Nola, dessen Grab das Kleinod seines Bischofssitzes war, zu verherrlichen, hatte er nicht nur seine hervorragendsten Gedichte zur Feier jenes Heiligen verfasst, sondern auch mehrere Basiliken über dem Grabe desselben erbauen und dieselben

■ Ad. Buse, Paulinus Bischof von Nola und seine Zeit (Regensburg, 1856, 2 Bde.)

mit Bildern, die er in poetischen Epigrammen erklärte, ausschmücken lassen, und seine grösste Freude ist es, dieselben zu zeigen und zu beschreiben, sein ausgesprochener Zweck, durch dieselben die Gemeinde in edler Weise zu unterhalten und zu belehren.

Eine solche Neigung und Thätigkeit des Paulinus setzt immer voraus, dass derselbe nicht nur mit dem christlichen Bilderkreise, wie er bisher sich ausgebildet hatte, bekannt war, sondern sich auch geistig in denselben hineingelebt hatte, und seine Vorstellungen im allgemeinen, sowie seine Schriftbenutzung im besondern von demselben berühren und beeinflussen liess. Wir möchten es deshalb keinen Zufall nennen, dass sowol in seinen Briefen wie in seinen Gedichten sich zahlreiche Beziehungen gerade auf jene biblischen Stellen finden, die auf den altchristlichen Monumenten dargestellt sind und die wir in so eigenthümlicher Weise in die Vorstellungen und Beweisführungen des Prudentius übergehen sahen. In denselben finden sich der Sündenfall (Poëmata 4, p. 453)2, Kain und Abel als Typus Christi (Epist. 29, p. 258), Noah's Arche als Typus der Kirche (Ep. 49, p. 365), Isaak's Opferung als Bild des Selbstopfers an Gott (Poëmata 13, p. 495); der Mosescyklus: das Gesicht im brennenden Busche (Ep. 2, p. 32), der Untergang Pharao's (Ep. 38, p. 355), der Durchgang durch das Rothe Meer (Ep. 2, p. 32), das Wasser aus dem Felsen mit Bezug auf Christus als den mystischen Felsen (Ep. 32, p. 283), Moses' Gebet in der Schlacht wider die Amalekiter (Hymn. Natal. 8, p. 588), Hiob (Ep. 18, p. 186), Elias' Himmelfahrt (Poem. 4, p. 455), die Geschichte des Jonas mit Bezug auf das Schiff als Sinnbild der Kirche (De reditu Nicetae, p. 637) und mit Bezug auf die Busse der Niniviten (Ep. 38, p. 356), Daniel in der Löwengrube (Natal. 8, p. 592), die drei Männer im feurigen Ofen (Natal. 8, p. 593), Tobias als Vorbild einer würdigen Behandlung der Todten (Ep. 37, p. 337). Im Neuen Testamente treten hervor: die Anbetung der Magier (Natal. 9, p. 599), das Weinwunder zu Kana (Natal. 9, p. 599), die Speisung der Fünftausend (Ep. 33, p. 287). Daneben finden sich verschiedene biblische Scenen bei Paulinus berührt, die in dem ältesten

1 Ad. Buse, a. a. O., Bd. 1, 14. Buch, S. 68 fg.

2 Die Citate sind nach der antwerpener Ausgabe von 1622 angeführt.
Brockhaus, Prudentius.

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christlichen Bilderkreise, soweit er uns bekannt ist, gar nicht, oder doch nur selten sich finden, und die auch in den Gedichten des Prudentius, mit Ausnahme des Dittochäon, fehlen; so die Gestalten des Josua (Natal. 8, p. 588, De advent. Nicet., p. 613), der Rahab (Natal. 8, p. 589), des betenden Hiskia (Natal. 8, p. 590), das bittere Wasser von Mara (De reditu Nicetae, 634). Ausserdem finden sich die allgemein bekannten christlichen Bilder des guten Hirten (Ep. 4, p. 63), der vier Paradiesesströme (Ep. 24, p. 213), der Tauben, als Symbole der Seelen (Ep. 10, p. 130), der Apostel (Ep. 12, p. 150), des Heiligen Geistes (Ep. 12, p. 152), und endlich das Kreuz mit Bezug auf die Kreuzesform, die beim Schiffe aus der Stellung der Raaen zum Maste entsteht (Ep. 4, p. 65), und als das Böse abwehrendes Zeichen (Natal. 10, p. 620). Von ganz besonderm Werthe für uns ist es aber, dass Paulinus nicht nur häufiger in Briefen und Gedichten die biblischen Vorstellungen wiederbringt, die wir schon bei Prudentius übereinstimmend mit dem christlichen Bilderkreis gefunden haben, sondern dass er, wie schon erwähnt, einen Kreis von Bildern selbst in den von ihm erbauten Kirchen malen liess. Er erwähnt desselben in dem neunten und zehnten Natalis auf den heiligen Felix, die die neugebauten Kirchen poetisch schildern, und zwar als einer neuen Ausschmückung:1

Nunc volo picturas fucatis agmine longo
porticibus videas, paulumque supina fatiges
colla, reclinato dum perlegis omnia vultu.
Qui videt haec, vacuis agnoscens vera figuris,
non vacua fidam sibi pascet imagine mentem,
omnia namque tenet serie pictura fideli,

quae senior scripsit per quinque volumina Moyses,

quae gessit Domini signatus nomine Jesus,

quo duce Jordanis, suspenso gurgite, fixis

fluctibus, a facie divinae restitit arcae.

Forte requiratur quanam ratione gerendi

sederit haec nobis sententia, pingere sanctos

raro more domos animantibus assimulatis (Natal. 9, p. 614).

Die Bilder scheinen demnach vor dem 5. Jahrhundert an den Wänden der Kirchen nicht gemalt worden zu sein. Auch Prudentius erwähnt solche daselbst nicht, sondern nur den Schmuck des Marmorgetäfels und der Metallverzierungen (Perist. 11, 185 sq.; 12, 51 sq.).

Vis nova divisit flumen: pars, amne recluso,
constitit, et fluviis pars in mare lapsa cucurrit,
destituitque vadum; et validus qua forte ruebat
impetus, astrictas alte cumulaverat undas,

et tremula compage minax pendebat aquae mons,
despectans transire pedes arente profundo,

et medio pedibus siccis in flumine ferri
pulverulenta hominum duro vestigia limo.

Jam distinguentem modico Ruth tempora libro,
tempora judicibus finita, et regibus orta,
intentis transcurre oculis: brevis ista videtur

historia, at magni signat mysteria belli,

Quam gemine scindunt sese in diversa sorores!

Ruth sequitur sanctam, quam deserit Orpha, parentem.

Perfidiam nurus una, fidem nurus altera monstrat:

praefert una Deum patriae, patriam altera vitae (Natal. 9, 511 sq.).

Der Dichter schildert hier in der Reihenfolge der biblischen Bücher einen Cyklus von Bildern des Alten Testaments, deren Prudentius theilweise ebenfalls gedenkt, des Josua (Dittoch. 57 sq.), der Ruth (Hamart. 777 sq.) u. s. w. Welche weitern Abbildungen in jener Kirche vorhanden waren, lässt sich aus dem Schlusse des genannten Gedichts des Paulinus abnehmen:

De Genesi, precor, hunc orandi collige sensum:
Ne maneam terrenus Adam, sed virgine terra
nascar et exposito veteri, nova former imago.
Educar tellure mea, generisque mei sim
degener, et sponsae festinem ad melle a terrae
flumina, Chaldaei servatus ab igne camini.
Sim facilis tectis, quasi Lot, fore semper aperta,
liberer ut Sodomis; neque vertam lumina retro
ne salis in lapidem vertar, sale cordis egenus.
Hostia viva Deo, tamquam puer offerar Isac:
et mea ligna gerens sequar almum sub cruce patrem,
inveniam puteos; sed ne, precor, obruat illos
invidus, et viventis aquae caecator Amalec.
Sim profugus mundi, tamquam benedictus Jacob
fratris Edom fugitivus erat; fessoque sacrandum
supponam capiti lapidem, Christoque quiescam.
Sit mihi castus amor, sit et horror amoris iniqui:
carnis ut illecebras velut inviolatus Joseph
effugiam vinclis exuto corpore, liber

criminis, et spolium mundo carnale relinquam.

Tempus enim longe fieri complexibus; instat

summa dies, prope jam Dominus, jam surgere somno

tempus, et ad Domini pulsum vigilare paratos.
Sit mihi ab Aegypto bonus exitus, ut duce lege
divisos penetrans undosi pectoris aestus

fluctibus evadam rubris, dominique triumphum
demerso Pharaone canam. Cum supplice voto

exultando tremens, et cum formidine gaudens,

ipsius pia dona, meos commendo labores (Natal. 9, 606 sq.).

Paulinus hat in den diesen vorhergehenden Versen den Zweck, den er mit seinen Bildern verfolge, besprochen, und aus dem ganzen Zusammenhang kann sich die hier ausgesprochene Betrachtung nur auf dergleichen Bilder beziehen. So also hätten wir Adam, Lot1, Jakob und Esau, Joseph, den Untergang Pharao's, die Gesetzgebung Mosis, die drei Männer im feurigen Ofen ebenfalls unter den von Paulinus angewandten Darstellungen zu nennen; hierzu treten noch laut dem folgenden zehnten Natalis Tobias, Hiob, Judith und Esther, die den Anfang einer doppelten Reihe historischer biblischer Darstellungen an den Wänden der Basilika bildeten, und von der die vorzugsweise männlichen Gestalten sich an der Seite der Männer, die vorzugsweise weiblichen Gestalten sich an der der Frauen im Schiffe (vgl. Constit. Apost., II, 57) befanden. 2 Dazu kommt aber bei Paulinus noch eine Art von Bildern, die den Kreis der ältesten christlichen Darstellungen, die wir bisher kennen gelernt haben, bereits überschreiten, und zwar werden dieselben bei Uebersendung von Epigrammen zur Erläuterung derselben erwähnt3 (Epist. 12, 144 sq.). Es ist das namentlich der Versuch einer Darstellung der Trinität, die Paulinus in der Apsis einer Basilika des heiligen Felix hatte malen lassen. Er wählt dazu die Taufe Christi, in der die drei Personen der Dreieinigkeit

1 Auch die Geschichte des Lot wird von Prudentius ausführlich benutzt (Hamart. 723 sq.).

2

At geminas quae sunt dextra laevaque patentes,

binis historiis ornat pictura fidelis.

Unum sanctorum complent sacra gesta virorum,

Jobus vulneribus tentatus, lumine Tobit.

Ast aliam sexus minor obtinet, inclyta Judith,

qua simul et regina potens depingitur Esther (Natal. 10, 22 sq.). 3 Wir gewinnen durch diese, namentlich als erläuternde Inschriften zu den Bildern gekennzeichneten Verse einen neuen Anhalt dafür, auch in dem Dittochäon denselben Zweck, einer solchen Bilderreihe zur Erklärung zu dienen, anzunehmen.

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