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Zeit der frühesten historischen Kenntniss. Der eigentliche Handel und Verkehr aber, oder die Gütercirculation überhaupt, entwickelt sich erst mit der fortgeschrittenen Kultur, und selbst dann ist die Circulation in ihrem Umfange, nach Verschiedenheit der Länder und Zeiten verschieden. Maassgebend ist hierbei der grössere oder geringere Reichthum eines Volkes, das mehr oder weniger Vorhandensein von Tauschmitteln oder Zahlungsobjecten, was bei der Verkehrsentwicklung einen grossen Factor bildet. Jäger- und Fischervölker, die selbst an den ersten Bedürfnissen, der Erhaltung des nackten Lebens, Mangel leiden, bieten der Gütercirculation keinen Boden, weil es ihnen an Objecten gebricht, die sie im Tausch hingeben könnten, und wenn in dem sogenannten Aventürhandel auch, nach Procenten gerechnet, grosser Gewinn gemacht wird, so bleibt er doch wegen der Geringfügigkeit des Umsatzes nicht lohnend.*)

Bei den Hirtenvölkern, die schon reicher sind, trifft man zwar schon eine Art von Activ- und Passivhandel an, so z. B. bezahlen die Beduinen und Indusnomaden fast alle fremden Waaren mit Butter und führen auch selbst Güter als Handelsartikel aus, welche, wie Salz in der Sahara oder Gummi in der Induswüste, oder wie Pelzwerk in Sibirien, leicht durch occupatorische Arbeit zu gewinnen sind **); jedoch kann auch bei ihnen wegen der allzu dünnen Bevölkerung, der Unstätigkeit der Wohnsitze und weil jeder Einzelne nur dasselbe Product wie der Andere an Zahlung zu geben hat, keine innere, keine binnenländische Gütercirculation sich ausbilden.

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*) Carey (The credit system, p. 5 und 6): The trapper thus obtains but about one third, one fourth, or one fifth of the value ,, of the commodities produced by his labour while the trader obtains ,, but small returns for the use of his capital, on occount of the large ,, proportion of it, that he is obliged to retain concealed and unproductive. The Indian and the trapper remain in a state of poverty, ,, and the trader is but moderately compensated for his toils and his ,, risks." S. auch Roscher, Nationalökonomie des Ackerbaues, §. 11. **) Roscher, Nationalökonomie des Ackerbaues, §. 13.

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Selbst in dem Stadium der Naturalwirthschaft, wo der Mensch feste Wohnsitze hat, die Bevölkerung schon dichter ist und oft auch grosse Zahlmittel existiren, gibt es noch keinen entwickelten Marktverkehr, keinen Kleinhandel, weil jeder seinen Güterbedarf noch meistens selbst erzeugt. In den meisten Kulturländern ist also der auswärtige Passivhandel älter, als der inländische Activhandel. Eben darum bewegt sich der inländische Grosshandel zuerst nur auf Messen und Märkten und ist fast nur auf den Verkehr mit Luxusartikeln oder wenigstens solchen Waaren, die in jüngern Civilisationsstadien als Luxus galten, beschränkt, weil fast jeder mit den eigentlichen Bedürfnissartikeln von Haus aus schon versehen ist. *)

Selbst bei ansässigen Völkern, welche in der Kultur schon weit vorgerückt sind, ist die Gütercirculation oft gehemmt. Sie war es bei den hochkultivirten Völkern der alten Welt durch das Institut der Sklaverei, schon weil die Sklavenarbeit die Circulation oder den Kauf der Güter überhaupt sehr beschränkt; sodann wegen der der productiven freien Arbeit dadurch gemachten Concurrenz. **) Die Gütercirculation konnte darum damals hauptsächlich nur Consumtionsgüter und nur im geringfügigsten Maassstabe Gewerksgüter zum Gegenstand haben.

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*) Karl Andrée, Geographie des Welthandels (Kap. V).

**) Böckh, Der Staatshaushalt der Athener, Buch I. §. 8 und 9; auch Blanqui, Histoire de l'Econom. Pol. Ch. VI. Lassalle (Bastiat-Schulze-Delitzsch, S. 162): „Der antike Boden- und Sklavenbesitzer lässt zunächst vorherrschend Gebrauchswerthe seines eignen Wirthschaftsbedarfs produciren. Den Ueberfluss derselben, oder in,, sofern er, was schon die Ausnahme bildet und nur bei Bürgern ge,, ringen Standes der Fall ist, durch seine Sklaven Fabrication betreiben lässt, die so gewonnenen Industrieprodukte verkauft er. Für das ,, erlöste Geld tauscht er die Luxusprodukte aller ihm zugänglichen Zo,,nen, Purpur und Bernstein, zu seinem Consum ein. Tausch und Handel sind bereits entwickelt und ausgebreitet. Aber das Gold, das

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Erst in der Periode der Industriewirthschaft, da wo sich die Ackerbaubevölkerung von dem freien Gewerbsstand scheidet, vermag also die Gütercirculation sich zu vervollkommnen und zu entwickeln. Erst wenn sich das Handwerk von der Scholle trennt und die Stadt und das platte Land zwei verschiedene Wohnsitze für zwei verschiedene Arten von Producenten bilden, wird es anders; dann muss Jeder nicht blos Luxusgüter, sondern auch seine Bedürfnissgüter von Andern kaufen; dann erst wird ausser der Circulation der ausländischen Producte auch die der inländischen zum Bedürfniss. Nicht allein die Consumenten, auch der Gewerbsmann muss jetzt Güter kaufen; es müssen folglich neben den Consumtionsgütern auch Gewerksgüter circuliren. Da ferner die Gewerbe sich in verschiedene Zweige theilen, so müssen nicht blos Gewerksgüter überhaupt, sondern auch verschiedene Arten ihrer Vervollkommnung umlaufen; mit andern Worten: sowohl Rohstoffe, als Halbfabrikate, wie auch fertige Gewerksgüter. Periodische Messen und Jahrmärkte reichen für das Bedürfniss nicht mehr aus, sondern nur an. sässige stetige Circulationsvermittler. Die Gütercirculation ist dann nicht blos nützlich, sie ist zu einer Bedingung der menschlichen Coexistenz, also zur wirthschaftlichen Nothwendigkeit geworden.

Der Nutzen einer solchen socialen Veränderung und der Einführung der Gütercirculation äussert sich für die Gesammtheit auf zweierlei Weise. Erstens durch die Vervollkommnung der nationalen Production. Früher musste jeder Wirth alle und jedes seiner Bedürfnissgüter selbst und hierdurch theurer und unvollkommener erzeugen; er musste selbst sein Feld bebauen, seine Kleidungsstücke

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ihm nach Befriedigung seines Luxusconsums übrig bleibt, hebt er, sofern er es nicht für neuen Ankauf von Grundeigenthum und Skla,, ven, also wieder für Vergrösserung seiner Naturalwirthschaft ver,, wendet, vorherrschend für späteren Luxusconsum auf.“

anfertigen, sein Haus oder seine Hütte selbst errichten u. s. w.; jetzt aber kann er sich einer einzigen Productions- oder Gewerbsart widmen und hierdurch alle Güterarten weit wohlfeiler und weit vollkommner erwerben. Mit der Gütercirculation entwickelt sich in steter Wechselwirkung die Theilung der Arbeit und hierdurch die Vereinfachung und Vervollkommnung der nationalen Production. Denselben Nutzen geniesst jetzt das Inland, wenn es vom Auslande gewisse Güterarten wohlfeiler kauft, als es sie selbst zu produciren vermag.

Eine zweite Art Nutzen zeigt sich durch die Vervielfachung der nationalen Consumtion. Früher konnte jeder einzelne Producent, jede Oertlichkeit und jedes Volk nur die ihm eigenthümlichen Erzeugnisse verzehren; jetzt aber kann jeder Gewerbtreibende und jedes Land auch die besseren Producte anderer Länder und die anders gearteten anderer Zonen geniessen. Der Nutzen der Gütercirculation ist also ein doppelter und besteht in der Vereinfachung der nationalen Production und in der Vervielfachung der Consumtionsgüter.

Die Gütercirculation vermehrt aber nicht direct die Güter der Nation, sie ist keine besondere Güterquelle, sondern sie verbessert blos die im Stadium der Naturalwirthschaft gebotene primitive Productionsweise und wird also nur indirect, oder im Vergleich mit der früheren unvollkommenen Productionsmethode ein Vermehrer der Güter überhaupt.

Die mangelnde Erkenntniss dieser Wahrheit war der Grund zu dem sogenannten Mercantilsystem und seinen bekannten verhängnissvollen Irrthümern, nämlich dass wesentlich nur der auswärtige Handel zur Bereicherung des Inlandes und zur Vermehrung seiner Bevölkerung zu dienen vermöge. Man glaubte darum die Güterausfuhr durch Prämienzahlung und sonstige Mittel begünstigen, wie die Güter

einfuhr auf alle mögliche Weise verhindern, die Fabrication, deren Erzeugnisse sich mehr für den Export eignen, auf Kosten der Agriculturproduction hegen und pflegen zu müssen, dagegen den inländischen Handel zu Gunsten des auswärtigen vernachlässigen zu dürfen. Man scheute selbst blutige Kriege nicht, wenn man dadurch neue auswärtige Märkte und neue Colonien gewinnen zu können glaubte.

Zugleich mit der Gütercirculation und ebensowohl als deren Quelle, als deren Product entsteht der Handel oder das Gewerbe der Circulations-Vermittlung durch den Handelsstand; denn mit der Ausdehnung der Gütercirculation von Ort zu Ort und von Land zu Land reichte der unmittelbare Tauschverkehr nicht mehr aus. *)

Von da an gibt es für das Individuum, ausser der Production, noch andere wirthschaftliche Thätigkeiten, die ihm als Nahrungsquelle zu dienen vermögen.

Diese verschiedenen Wirkungen nun haben eine andere Erscheinung zur Folge, die einen Markstein in der Geschichte der Civilisation, insbesondere in der wirthschaftlichen Entwicklung bildet. Es hört nämlich auch alle und jede wirthschaftliche Selbstständigkeit des Einzelnen, des Individuums auf. Der Consument wird von dem Producenten und die Producenten selbst werden unter sich von einander abhängig und zwar sowohl die Individuen, wie die Oertlichkeiten und Völker. Die europäische Baumwollzeug-Fabri

*) J. B. Say (Cours, Part. II. Ch. XIII), der die Production überhaupt nicht sowohl als ein Erzeugen, vielmehr als eine, mit dem Producte vorgenommene werthvolle Veränderung, werth volle Modification ansieht, glaubt deshalb, weil der Handel das Product von dem Producenten zu dem Consumenten hinführt, also auch eine werthvolle Modification an den Gütern vornimmt, dass das Handelsgewerbe eine Art Production sei und spricht deshalb von einer production commerciale. Diese Ansicht widerspricht allen Thatsachen. Der Handel ist keine productive, sondern eine Circulationsthätigkeit und die Handelsleute sind keine Producenten, sondern Circulationsvermittler.

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