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rung, durch eigene Circulation. Eine Circulationskraft wird durch persönliche Eigenschaften erzeugt, Circulationsgüter aber werden durch Rechtsgeschäfte im Handel und Wandel erworben.

Die Creditkraft, die blos durch ihre Dienste (nicht durch eigene Circulation) nützt, hat zwei verschiedene Functionen: einen Leihdienst und einen Assecuranzdienst, zu verrichten. Der Creditgeber, der blos ein Leihkapital darreicht, verrichtet einen Leihdienst; der Bürge, z. B. der Acceptant eines Wechsels, einen Assecuranzdienst. Beide Arten der Creditdienste werden belohnt. So ziehen die Bankiers aus ihren geleisteten Wechselacceptationen ein erkleckliches Einkommen, die sogenannte Provision, so wie die Rentner aus ihrem Leihdienst ein Zinseinkommen ernten. Der Bankier, der für Andere einen Wechsel acceptirt, leistet nur einen einzigen Creditdienst, einen Assecuranzdienst, so wie der Leiher auf Immobilien oder auf Faustpfand blos einen Leihdienst verrichtet; derjenige dagegen, welcher auf persönlichen Credit einem Dritten eine Werthleihe anvertraut, leistet beide Arten der Creditdienste zugleich.

Die Creditkraft in ihrem Assecuranzdienste hat das mit vielen andern, namentlich mit den mechanischen Kräften gemein, dass sie sich durch Verbindung verstärkt, potenzirt. Hierauf beruht die grössere Beliebtheit oder leichtere Verkäuflichkeit der mit vielen Giros versehenen Wechselbriefe. Auch haben die Volksbanken, sowie die Pfandbriefe der landschaftlichen Creditvereine wesentlich der Solidarität der Vereinsmitglieder ihren Credit zu verdanken.

§. 13.

Grundlagen des Credits.

Der Credit beruht auf erworbenen Eigenschaften des Culturmenschen, auf seinen äusseren Verhältnissen und end

lich auf der Verkehrsentwicklung des Staates, in dem er lebt. Der Credit kann sich deshalb auch nur in civilisirten Staaten entfalten und zur Blüthe gelangen.

Das Entstehen des Credits, oder des guten Glaubens in die Zahlungsversprechungen, ist von vier Bedingungen abhängig:

1) von der Zahlfähigkeit des Schuldners;

2) von dem Zahlungswillen desselben;

3) von dem Zahlungszwange, ob der Schuldner nöthigen Falles zur Zahlung gezwungen werden kann;

4) von dem Glauben, dass man die Forderung in guter Valuta bezahlen werde. *)

1) Die Zahlfähigkeit beruht auf den äusseren Verhältnissen des Schuldners als erste Voraussetzung, nämlich darauf, dass er das entsprechende Vermögen besitzt. Wenn auch manche Personen mit geringem oder gar keinem Vermögen einen bedeutenden Credit geniessen, z. B. bei ausserordentlich einträglichem industriellen Talente, oder wenn ihre Einnahmen im Vergleich zu ihren Ausgaben gross sind, oder wenn ihr Geschäft sehr im Schwunge ist, so ist und bleibt die Grundsäule des Credits, bei sonst gleichen Verhältnissen, der entsprechende Vermögensstand des Schuldners. Schon die Ungewissheit über die Zahlungsfähigkeit einer Person beeinträchtigt deren Credit. In dieser Beziehung geniesst der Staats credit, namentlich in constitutionellen Staaten durch die periodische Veröffentlichung der Finanzlage, einen grossen Vorzug vor dem Privatcredit. **)

*) Zacharia, Aus dem Gebiete der Staatswirthschaftslehre, S. 133. **) S. von Hock a. a. O. S. 295. Niemals wird also durch eine Association ganz vermögensloser Arbeiter, durch eine sogenannte Kapitalisirung persönlicher Eigenschaften ganz Unbemittelter, ein naturwüchsiger Credit geschaffen werden können, sondern nur ein solcher, der, wie eine Treibhauspflanze, ungewöhnlicher Pflege und Umsicht bedarf und sich doch nur zwerghaft entwickelt.

Die Zahlfähigkeit setzt disponible Zahlmittel voraus; engagirtes Vermögen oder solches, das nicht sofort verkäuflich ist, macht noch nicht zahlfähig. Zum Attribut der Zahlfähigkeit gehört auch die Pünktlichkeit; jeder saumselige Zahler wird schon als weniger zahlfähig betrachtet. Umstände, die eine Person ihres Vermögens berauben, können deren Credit untergraben, und selbst die Voraussicht, dass solche Umstände, wie z. B. Verluste durch eintretende Insolvenz von Debitoren des Schuldners, eintreffen werden, wirkt nachtheilig auf den Credit des Creditnehmers. Der Credit beruht lediglich auf der Meinung und darum ist er nur ein Schatten, wie eine flüchtige Wolke, die der leiseste Luftzug verscheucht. *)

2) Der gute Willen zu zahlen. Derselbe beruht auf der Rechtlichkeit und dem moralischen Charakter des Schuldners. Prozesskrämer und Chikanenmacher werden verhältnissmässig einen schwachen Credit geniessen. Desgleichen waghalsige Speculanten mit entliehenem Gelde, oder gar solche, die man für fähig hält, durch betrügerischen Bankrott ihre Gläubiger um die Befriedigung ihrer Ansprüche zu bringen.

3) Der Zahlungszwang, oder die Möglichkeit selbst einen böswilligen Schuldner zur Zahlung zu zwingen. In dieser Hinsicht entscheidet die mehr oder weniger prompte, gute und wohlfeile Justiz des Landes, wo der Schuldner wohnt, wie die Einführung strenger Wechselgesetze, guter Hypotheken-Cataster u. s. w.

4) Geordnete Geldverhältnisse am Wohnorte des Schuldners. In dieser Hinsicht hat der Gläubiger nicht sowohl darauf zu sehen, ob sein Schuldner überhaupt,

*) So sagt Steuart (An inquiry into the Principles of Pol. econ. B. IV. P. I. p. 2):,,The cause of confidence has had nothing in it but opinion, and when this is the case, credit is but a shadow, a thin vapour, which may be dissipated by the smallest breath of wind."

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als vielmehr darauf, ob er in der convenirten Valuta bezahlen kann, ob er nämlich von seinem Schuldner, wenn auch in gleicher nominellen Geldwerthgrösse, in der er geliehen, nicht factisch in geringerem realen Geldwerthe bezahlt werde. Eine solche Gefahr besteht für die Gläubiger besonders in solchen Ländern, wo die Metallmünze oft im Gehalt verringert oder das circulirende Papiergeld nachhaltig in seinem Werthe deprecirt wird, oder wo die Forderungen besteuert werden. Aus dergleichen Ursachen war z. B. der Credit in Frankreich zur Assignatenzeit auf niedriger Stufe und die zahlfähigsten Schuldner mussten wegen der unsichern Valuta einen wucherischen Zins bezahlen. *)

Demnach hängen von den vier Bedingungen des Credits zwei (Zahlungsfähigkeit und Zahlungswillen) von den Eigenschaften des Schuldners selbst, und zwei andere (Zahlungszwang und Zahlungsvaluta) von dem Staate, von seinen guten Gesetzen und guten Regierungsmaassregeln ab.

Damit ist aber nicht gesagt, dass wenn die eine oder die andere dieser Bedingungen ganz oder theilweise fehlen, der Credit auch schon ganz und gar null wäre, sondern er würde alsdann nur Noth leiden, d. h. der Schuldner würde wucherische Zinsen sich gefallen lassen müssen. **)

Obwohl nun der Credit eine Kraft, so ist diese doch nicht messbar und nicht schätzbar; der Credit ist folglich keine messbare und keine schätzbare Grösse. ***)

§. 14.

Arten des Credits.

Die von Vielen beliebte Unterscheidung zwischen einem persönlichen und einem Realcredit oder demjenigen, der auf

*) S. Rizy, Die Wuchergesetze, S. 140 und 144. Anm. **) Montesquieu, De l'esprit des Lois, Liv. V. Ch. XV. ***) Nicht so v. Hock, a. a. O. §. 35.

blossem persönlichen Zutrauen und dem der auf Unterpfändern beruht *), ist nicht zutreffend, da sie nicht das Wesen des Credits im Allgemeinen, sondern nur eine seiner Functionen, nämlich den Assecuranzdienst, zum Fundamente hat.

Wir halten die Unterscheidung des Credits und zwar in Staats- und Privatcredit schon deshalb praktisch von Bedeutung, weil, wie gleich gezeigt werden soll, die oben genannten Grundlagen des Credits bei dem Staate, als Creditnehmer, andere Gesichtspunkte als bei dem Privatcreditnehmer bieten.

1) Der Privatcredit ist wegen seiner frühern Zahlfähigkeit ein älteres Kind der Civilisation. Der Staatscredit konnte während Jahrtausenden wegen Mangel an regelmässigen und dauernden Staatsrevenuen sich nicht geltend machen. Im Alterthume, wo die Staatsmittel hauptsächlich durch Plünderung des Feindes und die Tribute unterworfener Völker, also in zufälligen und nicht regelmässig wiederkehrenden Ereignissen angesammelt wurden, konnte man nicht mit Sicherheit auf Zahlungsfähigkeit des Staates rechnen. Kaum in höherm Grade kann von einem regelmässigen Staatseinkommen im Mittelalter die Rede sein, wo viele mächtige Vasallen durch Trotz oder Schmeichelei sich den, überdies nur in Naturalleistungen an den Lehensherrn bestehenden Prästationen zu entziehen und auch noch der Abgaben ihrer Dienstleute sich zu bemächtigen wussten. Erst seit Einführung der stehenden Heere im 15. Jahrhundert, zuerst unter Carl VII. von Frankreich, die natürlich eine regelmässige Geldsteuer erforderten und die sie nöthigen Falles auch zu erzwingen wussten, ist der Staatscredit von Bedeutung geworden. **)

*) Nebenius, a. a. O. K. I. §. 3.

**) Ganilh, Essai politique sur le revenu public. Wie schlecht es noch im Mittelalter mit dem Staats credit aussah, lässt sich aus folgenden Thatsachen entnehmen: Im Jahr 1192 wurde der englische

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