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II. Kapitel.

Von dem Credit.

A. Von dem Credit überhaupt.

S: 11.

Begriff des Credits.

Der Credit ist der gute Glaube, welchen man in das Zahlungs- oder Lieferungsversprechen einer Person setzt. *)

Geschäfte, welche den Credit zur Voraussetzung haben, heissen Creditgeschäfte. Dahin gehören zunächst diejenigen, bei welchen Waaren geborgt oder Geld geliehen wird, die mit andern Worten überhaupt eine Werthleihe zum Gegenstand haben; sodann alle, bei welchen man auf die Leistungsfähigkeit des Mitcontrahenten rechnet, wie z. B. die Zeitkäufe und Lieferungsverträge, wo beides, Leistung und Zahlung, erst später stattfinden soll.

Die nützliche Wirkung des Credits besteht für den Creditgeber darin, dass er dadurch ein Zinseinkommen zu erwerben vermag, und für den Creditnehmer im Bieten des Mittels zu der freiwillig eingeräumten Befugniss, über fremde Güter

* Nebenius, Der öffentliche Credit, Kap. I. §. 1.

gegen das blosse Versprechen der Gegenleistung zu verfügen. *)

Bei den Creditgeschäften kommen in Betracht:

1) Der Creditgeber. Derselbe muss guten Glauben in das Zahlungs- oder Lieferungsversprechen des Creditnehmers

*) Andere, von der unserigen abweichende Definitionen des Credits sind:

1) Die von Roscher (Die Grundlagen, §. 89): ", Credit ist die „freiwillig eingeräumte Befugniss, über fremde Güter gegen das blosse ,,Versprechen des Gegenwerthes zu verfügen." Derselben Ansicht ist Abrial (Etudes économiques du crédit et des institutions de crédit. Paris 1862. p. 33). Nun ist aber der Credit, wie wir soeben gezeigt, nur das Mittel zu dieser eingeräumten Befugniss. Auch bildet diese Befugniss, über fremde Güter zu verfügen, gar nicht das Wesen der Creditgeschäfte; denn die Lieferungsgeschäfte bedürfen gewiss auch des Credits und doch kommt bei ihnen keine solche eingeräumte Befugniss vor. Ferner ist auch die postulirte -Bedingung,,gegen das Versprechen des Gegenwerthes" nicht wesentlich, denn es gibt vielartige Creditgeschäfte, wo dem Gläubiger ein Gegenwerth gar nicht versprochen wird und nicht versprochen werden kann, z. B. bei den Creditgeschäften der Väterlichen Kassen (caisse paternelle), bei den Tontinen u. s. w., wo nur eventuell eine Zahlung versprochen wird. 2) Eine allgemein als zu eng anerkannte Definition des Credits ist die von Cieszkowsky (Du crédit et de la circulation, p. 5): „Le ,, crédit est la métamorphose de capitaux stables et engagés en capitaux circulants ou dégagés." Dies ist nicht der Credit selbst, seine Mission ist auch eine viel grössere.

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3) Allgemein als unrichtig anerkannt ist die Ansicht von Pinto, wonach der Credit das Mittel zum Nationalreichthum sei und dass England durch seine Nationalschuld reich geworden. (S. Uebersetzung: Sammlung von Aufsätzen. Leipzig und Liegnitz. I. S. 13 und 46.)

4) Eine einseitig mehr nur auf den Staats credit sich beziehende Definition ist die von Simonde de Sismondi (Etude sur l'Econ. Pol. T. II. p. 311). Er nennt den Credit eine Anticipation: „Ici nous com,,mençons à reconnaître ce qu'il y a de vraiment créateur dans le pou,, voir du crédit; il dispose de l'avenir et il le donne en échange contre le passé. Ce qu'il échange contre le capital national c'est une ,, anticipation au revenu national, créé par le travail humain, dont ,,il se fait fort de disposer."

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hegen, was nicht umgekehrt der Fall zu sein braucht.

Es gibt sehr viele Creditnehmer, die ihrem Creditgeber nicht immer Credit geben würden, z. B. die Sparkassen. Bei andern Creditinstituten sind die Creditgeber auch zugleich Creditnehmer, z. B. bei den Schulze-Delitz'schen Genossenschaften oder Volksbanken und bei allen auf Gegenseitigkeit gegründeten Creditinstituten. In Betreff des Lieferungsversprechens bei dem Lieferungsvertrage ist einerseits der Lieferungspflichtige der Creditnehmer; in Betreff des geschenkten Zahlungsvertrauens aber ist er dem Lieferungsnehmer gegenüber Creditgeber. Nicht blos einzelne Personen, auch ganze Gesellschaften erscheinen bald als Creditgeber, bald als Creditnehmer; so z. B. ist ein Consortium zur Uebernahme einer Staatsanleihe eine Gesellschaft von Creditgebern; dagegen constituirt die Aufnahme eines Prioritäts-Anlehens von Seiten der Eisenbahn-Actionäre dieselben zu einer Gesellschaft von Creditnehmern.

2) Der Creditnehmer. Dieser ist ein solcher, welcher den guten Glauben eines Dritten zum eignen Nutzen in Anspruch nimmt. Rechtshandlungen daher, die blos Zutrauen voraussetzen, sind darum noch kein Creditnehmen und bilden an sich noch keine Creditgeschäfte; Cautionsgelder z. B., oder Depositen, welche einer Girobank oder einer Depositenbank zur Aufbewahrung anvertraut werden, sind noch kein gegebener Credit und ein solches Geschäft noch kein Creditgeschäft. Der Charakter desselben ist vielmehr grundverschieden: denn für gegebenen Credit wird ein Zins bezahlt, während der Depositor umgekehrt der Bank einen Aufbewahrungslohn bezahlen muss. Darum ist auch ein gegebenes Pfand zur Sicherstellung des Gläubigers noch kein Act des Credits. *) Die Fähigkeit der Creditnahme

*) Siehe von Hock, Die öffentlichen Abgaben und Schulden, §. 35, S. 269.

setzt eine Person nicht blos in den Stand, von Andern zu borgen, sondern auch selbst wieder Creditgeber von Andern werden zu können. Es ist vorzüglich diese Fähigkeit, welche den grossen Bankiers zu Nutzen kommt.

3) Das Creditobject. Als solches können sehr verschiedene Gegenstände dienen, wie Geld, Güter, Werthpapiere und Dienstleistungen. Alle Creditobjecte werden veräussert und gehen der Materie nach in das Vermögen des Borgers über. Pachtgüter, Miethhäuser, überhaupt alle nicht vertretbaren Sachleihen können deshalb keine Objecte des Credits werden. Da nun auch die vertretbare Sachleihe im Stadium der Geldwirthschaft selten vorkommt, so können wir sagen, dass die Creditwissenschaft und die Creditgeschäfte nur mit der Werthleihe und nicht mit der Sachleihe sich befassen. *)

§. 12.

Natur des Credits.

Der Credit oder die Creditfähigkeit ist eine Kraft, und zwar eine Circulationskraft. Durch den Besitz des Credits ist man befähigt, Geld, Güter oder sonstige Creditobjecte aus dem Bereiche Anderer zu sich herüber zu ziehen. Der Credit trägt daher insoweit die Natur des Geldes an sich; er dient dazu, Geld, Güter u. s. w. in Circulation zu setzen und ist eine Circulationskraft, wie das Geld einCirculations gut. **)

*) Nicht so Rau, Grundsätze der Volkswirthschaftslehre, §. 278 und Hock a. a. O. S. 266 und 267.

**) So sagt auch Storch (Cours d'Econom. Pol. T. III. Part. I. Liv. VI. Ch. I. p. 150): „,. Ainsi le crédit est exactement comme la „monnaie, un instrument pour opérer les échanges, une roue dans ,, le mécanisme de la circulation, qui facilite et accélère son mouve,,ment."

Der Credit kann folglich auch oft die Function des Geldes versehen und auch als Substitut für dasselbe dienen. Wer Credit hat, bedarf keines Geldes. Länder, in denen der Credit in Blüthe steht oder bei denen die Creditinstitute und Creditmittel weit mehr als bei andern ausgebildet sind, bedürfen weit weniger Geld, als andere Länder.

Der Creditnehmer bezahlt die gekauften Objecte nicht, sondern er gibt nur ein Zahlungsversprechen. Das mündliche oder schriftliche Zahlungsversprechen dient dem Verkäufer oder Gläubiger als vorläufige Befriedigung oder als Mittel, wodurch er sich später die definitive Geldzahlung erwirbt. Durch diesen Umstand nun tritt zwischen dem Gelde und dem Credit noch eine weitere Analogie ein: wie nämlich das Geld den rohen Tauschhandel überflüssig macht und die ursprüngliche Güterzahlung in zwei Operationen, in eine provisorische und eine definitive zerlegt, so thut dasselbe seinerseits wieder der Credit in Beziehung der Geldzahlung. So wie nämlich der Waarenverkäufer in der Geldzahlung noch nicht die wahre Güterzahlung, noch nicht das definitive Aequivalent für seine hingegebene consumirbare Waare empfängt, und er diesen erst vermittelst dieses Geldes durch dessen Verwendung zum Wiedereinkauf von Waaren oder Gebrauchsobjecten erwirbt, ebenso empfängt der Gläubiger in dem schriftlichen Zahlungsversprechen nicht die wahre Geldzahlung, nicht das definitive Aequivalent, sondern erst vermittelst desselben, nach der Erfüllung des Versprechens.

Der Credit unterscheidet sich aber von dem Gelde darin, dass er eine Kraft ist, während das Geld ein Gut, ein Circulationsgut ist. Als eine Kraft ist der Credit eine persönliche Fähigkeit, welche nur durch ihre Benutzung oder Anwendung wirkt, und als solche unveräusserlich ist. Das Circulationsgut aber klebt nicht an der Person, wirkt nicht durch seinen Dienst, sondern blos durch seine Veräusse

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