Page images
PDF
EPUB

de

und politischer Hinsicht der Nation von grossem Werthe. Durch sie wird der Mittelstand in seinem Range aufrecht erhalten, die Wittwen und Waisen nicht der öffentlichen Unterstützung preisgegeben und in Ländern, wie England, die Nachgeborenen nicht mehr die Untergebenen der Erstgeborenen. Nicht weniger wirkt wohlthätig auf die allgemeine Moralität das Bewusstsein, zur Versicherung seiner Wittwe oder Waisen, zur späteren Zahlung seines Gläubigers, zu seiner Unabhängigkeit von der Familie seines Compagnons, im Falle derselbe stirbt, sich so manchen Lebensgenuss versagt zu haben. In politischer Hinsicht wirken diese Anstalten wohlthätig, weil die Zahl der Armen und die der öffentlichen Unterstützung Bedürftigen gemindert, die Steuerkraft erhöht und die Ausgaben für Justiz und Polizei beschränkt werden, und indem für Wittwen und Waisen mehr gesorgt, auch für einen kräftigeren Militärstand vorgesehen wird.

Als Nachtheile der Versicherungsanstalten überhaupt hebt man hervor, dass sie zu vielem Betrug und Verbrechen, wie zu Brandstiftung, vorsätzlicher Strandung morscher Schiffe, Veranlassung gegeben. So z. B. steht nach französischer Beobachtung fest, dass während einer Handelskrisis und schlechter Zuckerconjuncturen mehr Fruchtspeicher und mehr Zuckerfabriken abbrennen.*) Gegen die Lebensversicherungen insbesondere hebt man hervor, dass sie das Menschenleben in Gefahr setzen. Es sei noch nicht lange her, dass der englische Arzt Palmer das Leben seines Freundes versicherte und ihn bald darauf mit Strychnin vergiftete. von dem Arzte La Pommerais an seiner Maitresse, der Madame de Paw, verübte Mord zeige, dass jener Fall nicht vereinzelt dastehe. Aber sehr richtig erwidert About auf jene Einwendung, dass es keine nützliche Sache gäbe, von der man nicht einen Missbrauch machen könne, und dass der

Der

*) About, Les questions d'argent, S. auch Roscher, II. §. 165.

gemachte Missbrauch darum noch nicht den Nutzen einer wichtigen Anstalt zu verwischen vermöge.

§. 53.

c. Die Glücksspiel-Anstalten.

Diese sind die dritte und letzte Art der, die allseitig unbestimmte Geldleihe vermittelnden Creditinstitute, und bilden den Schlussstein des Creditinstitut-Systems.

Der Zweck des Creditgebers bei den Glücksspielen ist durchaus verschieden von dem, welchen der Creditgeber bei der Versicherung sich vorsetzt. Dieser opfert sofort und ohne Aussicht auf Wiedergewinn einen kleinen Theil seines Vermögens, um sich den grössern Theil desselben zu erhalten, der Spieler dagegen bringt ein Opfer von seinem Vermögen, um es eventuell zu vergrössern; jener bringt ein Opfer, weil er die Chance einer Vermögensveränderung vermeiden will; dieser aber kauft die Chance, weil er mit seinem Vermögensstand nicht zufrieden ist.*)

Der Glücksspiele gibt es sehr viele: Roulette, Trenteet-Quarante, Pharao, Lotteriespiel u. s. w. **) Nur solche

*) Um bei den Glücksspielen einem eventuellen Verluste zu entgehen, hat man zuweilen eine Versicherung mit denselben verbunden. So z. B. verassecurirt sich das sogenannte Promessengeschäft gegen den Verlust der mit dem geringsten Gewinn herauskommenden Loose. (Bleibtreu, Politische Arithmetik, S. 164 u. 165.)

**) Von den drei, ihren Grundzügen nach allgemein bekannten Arten der Lotterien, nämlich der Klassen- und Zahlenlotterien und der Lotterieanlehen, scheint erstere eine holländische Erfindung aus der Zeit des Krieges mit Spanien zu sein, wo sie als ergiebige Finanzquelle sich erwies. (S. Justi, System des Finanzwesens, §. 1021.) Von den früheren englischen Lotterien ist die vom 11. Januar bis ,,6. Mai 1569 Tags und Nachts gezogene Lotterie von 400,000 Loosen ,,zu 10 Schilling, deren Plan die antiquarische Gesellschaft in London ,,noch besitzt, besonders berühmt geworden." (Johann H. Bender, Die Lotterien, S. 10.) - Die Zahlenlotterie oder das Lotto ist in Genua

[ocr errors]

Glücksspiel-Anstalten können den Gegenstand unserer Untersuchung bilden, die zugleich Creditinstitute sind, nämlich die Lotterie-Anlehen. In der That sind sie insofern Creditinstitute, als die einbezahlten Lotterieeinsätze Zinsen und Zinseszinsen (Interusurium) ertragen. Sie vermitteln auch die allseitig unbestimmte Geldleihe, weil die Rückzahlung der Einsätze sowohl der Verfallzeit, als auch dem Betrage nach unbestimmt ist. Dem Verfalltag nach, weil der Spieler den Tag der Ziehung des einzelnen Looses, wo er seine Geldleihe zurück erhält, nicht kennt, und dem Betrage nach, weil er nicht zum voraus weiss, ob sein Loos einen kleinen oder einen grossen Gewinn trifft.

Noch in andern Punkten trifft das Gebahren der Lotterieanlehen mit dem der Fürsorge- und LebensversicherungsAnstalten überein. Keine dieser Anstalten bezahlt periodisch die Zinsen der Einzahlungen, sondern sie legen dieselben wieder auf Zinsen an und schlagen sie zu den Gewinnsten; denn auch dem Spieler ist es nicht um Zinsen, sondern nur um Gewinn zu thun. Auch ist die Eigenschaft eines Creditinstituts bei den Spielanstalten nur ein secundäres Merkmal; Hauptzweck ist das Spielunternehmen.

Sowie die Fürsorge- und Lebensversicherungs-Anstalten, haben auch die Lotterieanlehen-Unternehmer dreierlei Geldquellen. Zwei derselben, nämlich die Einsätze der Interessenten und die Zinsen davon, haben sie mit jenem gemein. Eine dritte ist ihnen eigenthümlich (wie jenen die Erbanfälle und die Gewinnste an den über die Wahrscheinlichkeit bezahlten Prämien). Diese ist der aus der Verschiebung der grösseren Ziehungen auf spätere Spieljahre fliessende Gewinn.

entstanden und heisst darum auch die genuesische Lotterie. Der Lotteriegewinn bestand früher ausser Geld noch in anderen Gegenständen; so konnte man bei der im Jahr 1768 in Würtemberg errichteten Geld- und Rentengesellschaft eine Leibrente als Lotterietreffer gewinnen. (S. Bergius, a. a. O. Bd. VI, Artikel: Lotterien.)

Indem die Lotterieunternehmer in den ersten Spieljahren nur eine kleine Zahl von Loosen ziehen, wird dadurch der Betrag der Zinsen und Zinseszinsen bis zu den letzten Ziehungsjahren angehäuft und können später grössere Lotterietreffer bewilligt werden. In Folge davon können die Lotterieunternehmer auf zwei Wegen die Lotterietreffer vergrössern: entweder dadurch, dass sie einen grösseren Theil der Spieleinsätze oder der Zinsen derselben als Lotterietreffer benutzen, oder indem sie die grösseren Ziehungen auf die letzten Spieljahre verschieben und die Zahl der Spieljahre vermehren.*) Ein Beispiel, wie die Aufschiebung der grösseren Ziehungen oder, was dasselbe ist, die der Loosenauszahlungen ausgebeutet werden kann, bietet das im Jahr 1825 von dem Grossherzogthum Hessen bei Rothschild im Betrage von sechs und einer halben Million negocirte Lotterieanlehen. In den ersten zehn Ziehungen wurden zwar jedesmal 2000 Nummern gezogen, aber nur 1000 Partialobligationen wirklich vollständig eingelöst. ,,Jedes der übrigen 1000 Loose erhält blos eine Prämie von 10 Gulden und ist bei den folgenden Ziehungen noch ferner betheiligt.“**)

[ocr errors]
[ocr errors]

Auf diesen verschiedenen Geldmitteln zur Bildung von Lotterietreffern fussend, unterscheidet Nebenius***) vier Arten der Lotterieanlehen und zwar solche, wo die Gefahr des Verlustes trifft:

1),, Nebst den Zinsen auch einen Theil des Kapitals;
2),,Oder die Zinsen, aber nicht den Hauptstock; jene

*) Die Ziehungen der beiden österreichischen Lotterieanlehen vom Jahr 1820 (20 Millionen) und des von 1821 (37 Millionen zu 4% in Loosen zu 250 fl.) waren beide nach zwanzig Jahren vollendet; dagegen wird das vom Jahr 1858 (42 Millionen) erst im Jahr 1924, also nach 61 Ziehungsjahren getilgt.

**) Unger, Handbuch der Staatslotterien, S. 254.

***) a. a. O. S. 345. Auch Baumstark, Staatswissenschaftlicher Versuch, S. 290,

aber in ihrem vollen Betrage für kürzere oder längere ,, Perioden;

[ocr errors][ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

3),,Oder nur das Interusurium unter Verschiebung der Auszahlung der einfachen Zinsen in eine Reihe von Ziehungsperioden;

[ocr errors]

4) Oder nur einen Theil der Zinsen nach dem anzunehmenden Zinsfusse, indem der übrige Theil allein oder nebst dem Interusurium zu Gewinnsten verwendet wird."

Heutigen Tages sind die Lotterieanlehen letzterer Art die gewöhnlichsten. Sie erscheinen dadurch neben den andern Lotteriearten in einer analogen Stellung wie die der Lebensversicherungen neben den andern Versicherungsarten, indem nicht, wie bei den andern Lotterien, der ganze Einsatz, sondern nur ein Theil der Zinsen und die Zinseszinsen als Material zur Trefferbildung geopfert wird. Der Haupteinsatz aber bildet hier für den Spieler, wie für den Versicherten, ein Ersparniss, das er später, durch Zinsen vergrössert, wieder zurück empfängt. Die Lotterieanlehen-Anstalten sind daher, wie die Lebensversicherungen, wahre Sparkassen, indem sie die Prämiengewinnste um den Betrag der angewachsenen Zinsen jährlich erhöhen.

Die Lotterienanlehen-Anstalten haben in Folge davon vor den andern Glücksspiel-Instituten das voraus, dass bei ihnen das Gewagte, das Aleatorische aus dem Glücksspielvertrag im Wesentlichen ausgeschieden ist, da der Spielinteressent nur den einen Theil der Zinsen des Einsatzes wirklich opfert, der zweite Factor der Treffer aber, nämlich die Zinseszinsen, bei den meist kleinen Beträgen, die nicht auf Zinseszinsen angelegt werden können, nicht in Betracht kommt.

Wie für die Creditgeber, die Spieler, so bieten dergleichen Anstalten auch für die Creditnehmer mancherlei Vortheile, nämlich;

« PreviousContinue »