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Ja man hat darum und nicht ohne Grund behauptet, dass die Nachtheile dieser Anstalten ihre Vortheile überwiegen, wenigstens bei der lediglich auf schleunige Realisirung des Cursgewinnes gerichteten bisherigen Tendenz derselben. Denn, unbekümmert um die nachhaltige Lebenskraft der unterstützten Unternehmungen, wie diese Institute bisher waren, haben sie auch viele unsolide Projecte ins Leben gerufen, auf welche das speculirende Publikum, dem der Verwaltungsrath von kenntnissvollen Fachmännern als Autorität galt, vorzugsweise sein Geld verwendet hat, während die Actien, einmal untergebracht, keine Käufer mehr fanden. Dabei gingen nicht blos grosse Vermögen Einzelner zu Grunde, sondern auch das Gemeinwesen nahm beträchtlichen Schaden dadurch, dass ungeheure Kapitalien der soliden Production entzogen und Geld und Arbeit in unvortheilhaften Unternehmungen vergeudet wurden. Auch ist, selbst wenn zu hoffen, dass die Unterstützungen nur der soliden Grossindustrie zugut kämen, die Gefahr nicht ausser Acht zu lassen, dass dies in unverhältnissmässiger Ausdehnung geschehen und die Kleinindustrie dadurch beeinträchtigt werde, was in der That im Jahr 1856 geschehen ist.

Der sanguinischen Ueberschätzung der Mobiliaranstalten steht anderseits die übertriebene Schwarzseherei entgegen. Wenn die Mobiliar-Anstalten selbst ihr Ideal erreichten und nur solide Unternehmungen unterstützten, so drohe, heisst es, der Kleinindustie die Gefahr, in der Grossindustrie, dem Actienwesen ganz aufzugehen, dergestalt, dass die Gesellschaft in drei Klassen: Actionäre, unselbstständige Arbeiter und beschäftigungslose Bettler sich eintheilen würde, was wahrlich kein beneidenswerther Zustand wäre.*)

Aber mit Recht wird als gefährlich, schädlich und ungerecht das dem Pariser Crédit mobilier eingeräumte, bereits

*) Karl Grün, Gefahren des Bankfiebers, S. 8.

erwähnte Privilegium, den zehnfachen Betrag seines Stammkapitals (= 600 Millionen) in unkündbaren Obligationen und den doppelten Betrag (= 120 Millionen) in kündbaren emittiren zu dürfen, allgemein getadelt. Man setze den Fall, sagt man, dass dieses Privilegium vollständig ausgenützt, d. h. für 720 Millionen Obligationen emittirt würden, und es entstünde eine wirthschaftliche Krisis, in deren Folge die für jenen Betrag eingethanen Werthpapiere nur um 8 Procent im Curse zurückgingen. Schon damit wäre das ursprüngliche Stammkapital, also die Garantie des Crédit mobilier vernichtet; bei einer Baisse von 10 Procent wäre aber die Anstalt bankerott, während andere Creditanstalten einen solchen Cursverlust kaum merklich fühlen. Wie wollte nun gar die Anstalt die emittirten aufkündbaren Obligationen einlösen, wenn die bei der Emission dafür als Sicherheit angenommenen Werthpapiere um 20 oder 30 Procent plötzlich gesunken wären. (Die Mobiliaractien sind im Jahr 1852 von 1785 auf 830 gesunken und stehen jetzt unter 200 Franken.) Da könnte die Anstalt sogar ihren augenblicklich fälligen Zahlungsverbindlichkeiten nicht nachkommen; und in Folge dieses Monopols würde, wie Tellkampf *) sehr richtig bemerkt, eine solche Gesellschaft ungestraft in einem Falle Bankerott machen können, wo das preussische Rechtsgesetz die Privatpersonen mit einem Monat bis zwei Jahren Gefängniss bestraft.

Die schwärzeste Seite des Treibens dieser Anstalten aber ist der Vorschub, den sie der Agiotage leisten. Wir können dasselbe nicht besser als durch folgende Stelle schildern, wodurch ein französischer Gerichtsbeamte das Treiben des Pariser Crédit mobilier in öffentlicher Gerichtssitzung charakterisirte:,,Ne faut-il pas à chaque liquidation 30 au 40 millions de reports pour sauver les joueurs en les exitant?

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*) Ueber die Entwicklung des Bankwesens in Deutschland, S. 81.

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Et le jour où ce moyen périlleux de vivre et de marcher ,, manquerait un instant, le jour où l'arc trop tendu se briserait, que de pertes, que de deuils de famille; que de morts et de blessés, puisqu'un des administrateurs du Crédit mobilier lui-même est tombé récemment sur le champ de bataille? Voilà le bilan moral et financier que vous oubliez, et que la parole impartiale dú ministère public doit jeter dans la balance du passif, quand on vante sans ,, réserve les merveilles de vos opérations."*)

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B. Von den die allseitig unbestimmte Geldleihe vermittelnden Creditinstituten.

Anstalten, welche die empfangenen Einlagen verzinsen, aber die Rückzahlung von dem Eintreffen eines gewissen Umstandes abhängig machen, sind solche, bei denen entweder die Einzahlungs- oder Auszahlungsgrösse und auch der Tag der Verfallzeit nicht voraus bestimmt werden kann; sie sind deshalb die allseitig unbestimmte Geldleihe vermittelnden Creditinstitute. So z. B. gehören die Staatslotterien, wo die Einlagen den Spielern verzinst, aber die Rückzahlungen von der Ausziehung des Lotterielooses abhängig gemacht werden, wo also die Zeit und die Grösse der Rückzahlung für den Gläubiger unbestimmt sind, zu dieser Hauptart. Es ist allen diesen Leihcontracten eigenthümlich, dass sie, wenn auch nicht für die borgende Anstalt, doch für den einzelnen Creditgeber aleatorischer Natur sind, d. h. ebenso gut mit Gewinn als mit Verlust verbunden sein können.

Diese Hauptart umfasst drei Unterarten: die Vor- und Fürsorgeanstalten, die Versicherungs- und die GlücksspielAnstalten.

*) Villiaumé, Nouveau traité u. s. w., T. I. p. 370.

§. 51.

a. Die Vor- und Fürsorgeanstalten.

Es sind dies solche Creditanstalten, die gegen eine oder mehrere Einzahlungen die Fürsorge, beziehungsweise die Befriedigung gewisser periodischen Geldbedürfnisse der Creditgeber oder der Zuversorgenden übernehmen; so z. B. die Alterskassen (caisse de retraite pour la vieillesse), die Krankenvereine (les sociétés de secours mutuels, die friendly society), die Knappschaft- und Bruderkassen-, die Brautkassen, väterlichen Kassen (caisse paternelle), Leibrenten-Anstalten, Kloster-Einkaufskassen, Tontinen u. s. w.*)

*) Sehr alt ist das Institut der Leibrente, das schon früher von den Päpsten als Geldquelle zur Errichtung von Pfandhäusern benutzt wurde. Marberger (Leih-Assistenz, Kap. I., auch S. 134), der Gegner dieser Leibrenten-Anstalten ist, sagt deshalb von jenen, dass man solche montes pietatis Berge der Impietät nennen könne und schon Luther habe diese Finanzquelle unter die sonderbaren politischen Griffe des römischen Hofes gezählt. Auch Spuren von Ausstattungs-Anstalten zeigt die päpstliche Finanzgeschichte, indem, zur Umgehung des Zinsnehmenverbots, Geldeinlagen bei der Geburt eines Kindes unter der Zusage angenommen wurden, nach 18 Jahren das Doppelte zurückzuzahlen. (Marberger, Kap. IX; Neumann, Kap. V.) Im Jahr 1759 existirte schon in Erfurt eine Heiraths- und Sterbesocietät (Bergius, Artikel: Brautkassen) und im Jahr 1712 gründete unter Direction des Predigers Gertraut der Joh. Haumann eine Brautkasse zu Berlin. Die Tontine, eine besondere Art Leibrente, wurde zuerst im Jahr 1653 von dem Italiener Lorenz Tonti in Frankreich eingeführt. Die Krankenvereine der Arbeiter haben ihr Vorbild in den älteren Freundschaftskassen des Zunftwesens. (Fenneberg, Sparkassen- und Versicherungswesen, S. 46.)

Neu ist aber die in England durch Parlaments-Acte vom Juli 1833 getroffene Einrichtung, dass jeder Arbeiter, der von seinem zwanzigsten oder dreissigsten Lebensjahre an monatlich fünf Schillinge Einlage in eine Sparkasse macht, von erreichtem sechszigsten Lebensjahre an auf eine Leibrente von 20 Pfund Sterling Anspruch zu machen hat, während, wenn er vorher stirbt, dennoch seine Erben die Einlage zurückerhalten. Auch in Frankreich soll nach einem Gesetz vom Jahr

Nur solche Vor- und Fürsorgeanstalten, welche die empfangenen Geldeinlagen verzinsen, die also zugleich Creditanstalten sind, gehören in den Bereich unserer Betrachtung; solche aber, deren Einnahmen, wie bei den Sterbe- und Begräbnisskassen, zu klein sind, um auf Zinsen ausgeliehen zu werden, oder die nach ihrer Einzahlung bald zur Verwendung kommen, also nicht eines Zinses theilhaftig gemacht werden können, sind keine Creditinstitute und sind unserer gegenwärtigen Untersuchung fremd.

Obwohl diese Anstalten unter den allgemeinen Begriff von Creditinstituten fallen und also mit dem Creditgeben sich befassen, so sind sie doch, gerade wie die Sparkassen, weitaus weniger im Interesse der Credit nehmer, als in dem der Creditgeber gegründet. Die Leihdienste sind nur accessorischer, die Versorgungsdienste aber Hauptzweck dieser Anstalten, d. h. sie leihen nur ihre Gelder aus, damit der Hauptzweck der Versorgung um so wohlfeiler und vollkommener erreicht werden kann. Sie unterscheiden sich aber von den Sparkassen darin, dass sie bei ihren Einzahlungen bestimmte Zwecke und nicht das Sparen als Selbstzweck vor Augen haben. Die Gegenleistung ist darum von Eintritt der besondern Bedürfnisse abhängig, für welche die Vorsorge getroffen werden soll, also von besondern Bedingungen, z. B. dem Leben des zu versorgenden Kindes zur Zeit seiner Grossjährigkeit. Die Leistungen der Sparkassen dagegen müssen unabhängig von jeder Bedingung und jederzeit auf Verlangen des Berechtigten erfolgen.

Fürsorgeanstalten sind, wie gesagt, nur dann eigentliche

1850 jeder Arbeiter durch regelmässige Einlagen sich eine Altersrente bis zu 600 Franken, und nach einem spätern Gesetz vom Jahr 1864 bis zu 1500 Franken erwerben können. Desgleichen bestimmt ein kaiserliches Decret vom Jahr 1866 die Errichtung von VersorgungsAnstalten für invalid gewordene Arbeiter und deren Wittwen. (Marisy in der Revue des Deux Mondes vom 1. Februar 1867, p. 557.)

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