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Sache erlange, sondern müsse nöthigen Falles Opfer bringen, um ihre Manufacturkraft zu entwickeln, und müsse sogar um dieses Zweckes willen eine Zeit lang theuer im Inlande einkaufen, wenn ihre Manufacturkraft noch nicht genug erstarkt sei, um mit dem Auslande concurriren zu können. Der Staat habe auch in diesem Falle, wenn auch zum Nachtheil der Consumenten, so lange die Erziehung dauert, Schutzzölle zu errichten. Jedoch gesteht er zu, dass nur die Länder der gemässigten, nicht aber die der heissen Zone zur Errichtung von Manufacturen berufen sind.

Das Wichtigste bei dieser Streitfrage ist, den Kernpunkt zu kennen, um den sie sich dreht. Ad. Smith geht offenbar von der Idee aus, dass mit dem Uebergang von der Naturalwirthschaft zur Gütercirculation nicht blos die Selbstständigkeit einer jeden Privatwirthschaft ihr Ende genommen, und nicht blos das Aggregat der Privatwirthschaften der einzelnen Nationen sich in ein Wirthschaftsganzes, einen Wirthschaftsorganismus umgewandelt, sondern dass auch dieser Prozess mit allen den Einzelwirthschaften aller in Handelsverbindung stehenden Nationen vorgegangen ist. Er glaubt offenbar, dass die Wirthschaften aller Nationen zusammen einen Universal-Wirthschaftsorganismus bilden und darum müsse eine Nation jetzt, wie ein sparsamer Privatwirth, sich der Gütercirculation, anstatt der eigenen Production bedienen, wenn sie sich die Güter dadurch wohlfeiler aneignen kann. List dagegen ist offenbar der Meinung, die Einführung der Gütercirculation habe blos das Wesen der Privatwirthschaften, aber nicht das der Nationalwirthschaften ergriffen. Nach ihm sollten jetzt blos die Wirthschaften der Privaten zusammen, aber nicht die der verschiedenen Nationen einen Wirthschaftsorganismus bilden. Im Gegentheil meint er, dass die nationalen Wirthschaften nur dann als vollkommen zu betrachten seien, wenn sie ein Aggregat von Wirthschaften

bildeten und jede einzelne ihre eigene Manufacturkraft be

sässe.

Nach dem Vorausgegangenen kann über die Unrichtigkeit der List'schen Ansicht kein Zweifel herrschen. Die Wirthschaften der einzelnen Nationen haben in der Jetztzeit, sowie die der Privatpersonen, ihre Selbstständigkeit eingebüøst. Sie bilden nicht, wie List meint, eine Wirthschaftsunion, sondern einen Wirthschafts- Organismus. Jedes Land, jede Zone, jedes Gebirg und jedes Thal sind in ihren Productionen von andern Gegenden abhängig; jedem Lande ist folglich nicht die Manufactur, sondern nur diejenige Production natürlich, wozu seine Lage, sein Boden und seine Geschicklichkeiten es bestimmen. Noch weniger stichhaltig sind List's historische Beweise, dass nur durch Schutz der Manufacturen die meisten Länder reich und gross geworden.*)

§. 21.

Von der Geldcirculation im Allgemeinen.

Die Geldcirculation ist die Bewegung des Geldes in seiner Function als Zahlmittel für erworbene Sachen oder Rechte oder für empfangene Dienste. Sie ist der stete Begleiter und Hebel oder Vermittler der Gütercirculation; sie ist nicht Selbstzweck, functionirt nicht als selbstständiges, sondern nur als Hilfs-Circulationsorgan, indem sie einem andern Organ, nämlich dem der Gütercirculation, in seiner Function zur Unterstützung dient. Das Geld selbst, das als solches für die Nation keinen andern Gebrauchswerth als zu dieser Circulation hat, nannten wir deshalb ein Circulationsgut.

Während die selbstständige Gütercirculation durch Vervollkommnung der Production und Vervielfachung der Con

S. Hildebrand a. a. O. S. 75,

sumtion (§. 19) direct nützlich auf die Volkswirthschaft einwirkt, thut dies die unselbstständige Geldcirculation nur indirect, indem sie als Hilfscirculationsorgan durch Vervollkommnung der Gütercirculation darauf einwirkt.

Die Gütercirculation in ihrer frühesten Entwicklung geht durch den unmittelbaren Tausch von Consumtionsgütern vor sich. Erst bei fortgeschrittener Culturstufe, besonders durch das Entstehen des Handels als Gewerbe, bildet sich das Bedürfniss einer allgemein beliebten Waare, die weithin überall als Tauschmittel sich bewährt, die überall geltend ist, also das Bedürfniss eines Geldes. Das Geld war deshalb jedesmal ursprünglich selbst ein Consumtionsgegenstand oder eine Geldwaare. Die Frage des Sohnes des berühmten Gengis Khan's an den französischen Abgesandten Karpino: ob es in Frankreich viele Schafe und Rinder gäbe? hatte in dem Munde dieses Tartarenhäuptlings, in dessen Heimath heute noch diese Hausthiere die Stelle eines Geldes vertreten, keine andere Bedeutung, als wenn die ersten Entdecker Amerikas bei den Indianern sich erkundigten, ob viel Gold und Silber da zu finden sei.*)

Ebenso verdanken die Edelmetalle ihrem Gebrauchswerth als Schmuckgegenstände, also ihrer Eigenschaft als Consumtionsobjecte, dass sie ursprünglich eine Geldwaare geworden sind, d. h. ein Geld, das nur darum ein solches ist, weil sein Stoff als Consumtionsobject gesucht ist. **) Erst mit der Ausbildung der Gütercirculation und mit der Entwicklung eines Gütermarktes, wo die Güter überhaupt nicht mehr nach dem Grade ihres Gebrauchswerthes, sondern nach dem Verhältniss ihrer Nachfrage zur Ausgabegrösse, d. h. nach dem Grade ihres Tauschwerthes geschätzt werden, erst von diesem Augenblicke an ist auch der Gebrauchswerth, die

*) Ad. Smith, Bd. IV. Ch. I.

**) S. mein Buch: Die Natur des Geldes, Kap. I.

Consumtionsfähigkeit der Materie des Geldes ein unwesentliches Moment desselben geworden, und es können jetzt Gegenstände selbst, deren Stoff, wie Papiergeld, ganz nutzlos ist, sehr gut als Geld circuliren, und man wählt nun als Geld nicht mehr eine Materie, die einen allbeliebten Gebrauchswerth, sondern einen allgemein anerkannten und stetigen Tauschwerth besitzt. Die Edelmetalle sind heutigen Tages nicht mehr darum ein beliebtes Geld, weil sie in eine beliebte consumirbare Waare, in Gold- und Silbergeschirre umgewandelt, sondern weil diese Materien nicht leicht sehr vermehrt werden können und sie darum den stetigsten Tauschwerth aller Güterarten besitzen. Die Edelmetalle, die ursprünglich für die Nation ein Geld wurden, weil sie schon früher ein Consumtionsgut waren, sind es heutigen Tages, weil sie die besten, d. h. die werthstetigsten Circulationsgüter sind.

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Mit der Ausbildung des Geldes und der Geldcirculation hat sich das Wesen der Gütercirculation selbst verändert. Vorher war jedes Tauschgeschäft eine in sich abgeschlossene und fertige Operation. Mit dem Tausche war der Zweck der beiden Contrahenten erfüllt. Dies ist nicht mehr der Fall im Stadium der Geldwirthschaft, selbst nicht mehr in dem primitiven Wirthschaftszustand, wo das Geld eine Geldwaare ist. Wer hier sein Leder gegen Rinder hergibt, um sich gegen Rinder Wein zu kaufen, der ist mit diesem ersten Tausche noch nicht zum Ziele gekommen, er muss erst noch ein zweites Tauschgeschäft vornehmen.

Wenn auch schon mit dem Entstehen einer Geldwaare der unmittelbare Tauschhandel sich in zwei Tauschgeschäfte zerlegt, so sind sie beide wenigstens zwei vollkommene Tauschgeschäfte, d. h. solche, wo jeder Contrahent eine consumirbare Sache als definitives Aequivalent für seine hingegebene Sache empfängt; mit dem Uebergang von einer Geldwaare aber zu einem nicht consumirbaren Circulationsgut werden

jene beiden Tauschgeschäfte zu unvollkommenen, oder zu einem Verkauf und einem Einkauf, und zwar in der Weise, dass jeder Verkäufer mit der Geldzahlung nur ein provisorisches Aequivalent, das definitive aber erst bei der zweiten Tauschoperation erhält, wenn er nämlich mit dem empfangenen Gelde wieder consumirbare Güter einkauft. Das erhaltene Geld ist also jetzt für das Individuum, für den einzelnen Verkäufer nur ein Geldzeichen, eine Anweisung, dass er bei einem andern Verkäufer die definitive Zahlung empfangen soll. Mit der Einführung des Geldzeichens ist also dieselbe Revolution im Tauschhandel, wie durch die Einführung des gezogenen Wechsels in den internationalen Zahlungen vorgegangen. So wie jetzt der inländische Schuldner seinen auswärtigen Gläubiger nicht mehr direct durch eine Geldsendung bezahlt, sondern ihn durch einen Wechselbrief anweist, von einem Dritten seine Zahlung zu empfangen, ebenso weist jetzt jeder Käufer durch seine Geldhingabe seinen Verkäufer an, von einem Dritten, von einem andern Verkäufer, die definitive Zahlung zu empfangen.

Darum sagt man auch nicht von dem Geldempfänger, er kaufe Geld, und nicht von dem Zahler, er verkaufe Geld, wie man dies von dem Empfänger und von dem Hingeber der consumirbaren Sache sagt. Man nimmt Geld. ein, gibt Geld aus, man löst Geld, man wechselt es ein, oder verwechselt es, man kauft es aber nicht. *)

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Eine besondere Beachtung verdient der nationale. Nutzen des Geldes. Das Edelmetallgeld dient der Nation nicht wegen seines Gebrauchswerths als Consumtionsgut,

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*) In der Revue des Deux Mondes (vom 15. Januar 1865) kritisirt Laveleye (Les crises commerciales, p. 446) sehr richtig: La ,,plupart des chapitres écrits sur la circulation monétaire ne sont que ,, le développement de l'axiome fameux formulé par Turgot: toute mar" chandise est monnaie, et toute monnaie est marchandise."

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