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I. Kapitel.

Von dem Kapital.

§. 1.

Begriff des Kapitals.

Ueber den Begriff, der mit dem Ausdruck Kapital zu verbinden, herrscht unter den Nationalökonomen grosse Meinungsverschiedenheit. Wir können das wahre Chaos entgegengesetzter Erklärungsversuche dieses anscheinend so einfachen Gegenstandes nicht besser veranschaulichen, als mit den Worten eines neuern Schriftstellers. *)

,,Wollen die Einen", sagt er, „Vermögen und Kapital ,, nur auf körperliche Gegenstände beschränkt wissen, so ,, rechnen Andere unter Vermögen auch den Credit und das ,, innere Gut der persönlichen Erwerbsfähigkeit, welches sich ,,weder ansammeln noch vertauschen lässt, während ihnen ,, als Kapital auch nicht werbendes Vermögen, auch aller Ge,,brauchsvorrath gilt. Andere fassen auch die Arbeitskraft als Kapital auf und sprechen von einem persönlichen und ,, einem geistigen Kapital, unterscheiden wohl auch hier ,,wieder zwischen angeborenen und erworbenen Fähigkeiten. Viele endlich begreifen nur denjenigen Theil des Gebrauchs

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*) Die vortreffliche Abhandlung von Kumpf: Die wirthschaftl. Natur des Darlehens; in der Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft, herausgegeben von Volz, Schütz, Tollati u. s. w., XI. Jahrgang. 1855. S. 456.

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,,vorraths, welcher nicht sofort durch den erstmaligen Genuss verzehrt wird, sondern dem Besitzer zu öfterem Gebrauch sich darbietet und so ihm öfter unmittelbare Nutzung ge,,währt, gleichfalls unter Kapital, etwa als Nutzkapital im Gegensatz zu einem Zehrkapital und zu einem Erwerbs,kapital, welches letztere nicht blos für den unmittelbaren Genuss, einmaligen oder oftmaligen, dient, sondern vielmehr , neue Vermögensbestandtheile herbeischafft, oder dazu hilft. Grund und Boden, das natürliche oder Bodenkapital, wird wegen seiner Besonderheiten häufig wieder als beson,, dere Art werbenden Vermögens vom übrigen, nicht ursprünglichen, sondern erst ersparten, also dem abgelei,,teten Kapitale, ausgeschieden und demselben entgegen,, gestellt, u. s. w."

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Dies bunte Vielerlei von Ansichten wurzelt schliesslich doch nur in zwei Grundanschauungen, von welchen die eine in den bezüglichen Ausführungen von Ad. Smith, die andere in denen von J. B. Say enthalten ist, welche aber beide, wie wir sogleich zeigen werden, an innerer Unvollständigkeit und an Inconsequenzen leiden. Ad. Smith*) theilt die Gütervorräthe eines Individuums, sowie die der Nation überhaupt in drei Arten ein; nennt denjenigen Gütervorrath, den eine Person oder eine Nation zum eignen Verbrauch oder zur Verzehrung bestimmt, Consumtionsvorrath; denjenigen Gütervorrath aber, den sie den Gewerben widmen, um dadurch einen Gewinn, einen Profit zu beziehen, nennt er Kapital. Das Kapital, oder den werbenden Gütervorrath, theilt er selbst wieder in zwei Arten, nämlich in circulirendes und fixes Kapital. Unter ersterem versteht er einen solchen werbenden Gütervorrath, der, um seinen Dienst zu leisten, nothwendig veräussert werden muss, wie z. B. das Leinengewebe des Webermeisters. Fixes Kapital aber

*) Inquiry into the nature of the wealth of nation. Bd. II. K. I.

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