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Deutsche Goldschmiede Zeitung

Sind

Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt verboten

18. Januar 1919.

Sind wir noch ein Volk? Hat Deutschland noch eine Zukunft? Wirtschaftspolitische Betrachtungen für Deutschlands Goldschmiede.

ind wir noch ein Volk? Haben wir noch eine Zukunft? Das waren einst die Fragen, die aus dem Munde deutscher Männer erschallten, als unser Vaterland, nach der Zertrümmerung des alten Kaiserreichs 1806 unter der Gewaltherrschaft des Korsen schmachtete und den Nacken unter dem Joch dieses Glücksritters beugen mußte. Sind wir noch ein Volk? Es schien, als ob diese bange Frage mit einem Nein zu beantworten sei. Überall in deutschen Landen wucherte der französische Einfluß. Der Rheinbund, dessen Bestand allezeit einer der dunkelsten Flecke auf dem Schilde deutscher Ehre und deutschen Ruhmes bleiben wird, zu dessen Protektor sich der Gebieter Frankreichs gemacht hatte, wurde ein Ableger französischer Kultur, und es schien tatsächlich, als ob Deutschland seine Rolle im Rate der Völker ausgespielt habe. Kleinmut, Verzagtheit oder Gleichgiltigkeit taten das ihre, dem kühnen Eroberer die Pfade zu ebnen, und Deutschland war nichts mehr als ein geographischer Begriff. Aber es gab auch in dieser Zeit der Erniedrigung Deutschlands patriotisch gesinnte Männer, die das Beschämende der Lage Preußens und der übrigen deutschen Staaten erkannten und lauter und immer lauter zu energischem Aufraffen mahnten. Unablässig schürten sie die Glut, die seit jenem würdelosen Abkommen mit dem französischen Machthaber von 1805 fortglimmte und nur eines kräftigen Hauches bedurfte, um den seither von allen Seiten aufgehäuften Zündstoff zur lichten Flamme auflodern zu lassen. Das Volk, das zum ersten Mal unter der Herrschaft der Römer sich glorreich erhob und seine Freiheit sich wieder erkämpfte, überwand auch diesen zweiten tiefen Fall und stieg wieder empor zur Sonnenhöhe seines alten Ruhmes. Reichsfreiherr vom und zum Stein, Scharnhorst, der deutschen Nation Waffenschmied", Gneisenau, Fichte, Jahn, Arndt, Schenkendorf, Rückert und viele andere brachen den Bann, der auf unserem Vaterland lastete, und bereiteten die glorreiche Erhebung vor, die mit den Siegen bei Leipzig und Waterloo Deutschland wieder in den Sattel hob, von dem man es hinunter in den Staub der Straße gestoßen hatte. Wir waren wieder ein Volk geworden. Wir hatten wieder eine Zukunft. Zum zweiten Male im Laufe der Geschichte hatte deutsche Kraft triumphiert. Aber wir brachten uns selbst um unseren Lohn. Reiche Früchte, hoffte man, würden uns beschieden sein. Ein gewaltiges, nationales Aufblühen sollte uns zu Ansehn und Machtfülle verhelfen und ein einiges deutsches Volk von der Etsch bis zum Belt schaffen. Es war ein Traum. Eine öde, verzehrende Reaktion setzte im Deutschen Bund ein und ein trostloser Partikularismus führte dahin, daß die deutschen Staaten jeden, der jenseits ihrer in den Landesfarben prangenden Schlagbäume wohnte, als einen „Ausländer" betrachteten.. Deutschland war zum dritten Male zu politischer Ohnmacht herabgesunken. Und zum dritten Male erhob es sich wieder in stolzer Majestät! Der alte deutsche Bund zerfiel, der Norddeutsche Bund raffte einen

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Teil deutscher Kraft zusammen und wurde der Vorläufer jenes neuen deutschen Kaiserreiches, dessen Proklamation in Versailles eine große Zeit für unser Volk heraufführte. Einig waren wir wieder vom Bernsteinmeer bis zur bayrischen Alp, Nord und Süd verbrüdert, ein Volk, ein Reich, ein Recht, und eine große Liebe im Herzen, die Liebe zu der wiedererwachten deutschen Kaiserherrlichkeit, deren Krone auf dem Schlachtfeld erobert wurde! Wie wir seit 1870/71 erstarkt waren, wir konnten es in dem furchtbaren Weltkrieg, der 1914 alle großen Völker Europas unter die Waffen rief und den Sturm politischer Leidenschaft auch in den außereuropäischen Nationen entfesselte, beweisen und haben es bewiesen! Gegen eine Welt von Feinden haben wir siegreich gestanden, bis uns die Übermacht erdrückte und die Kraft zum Aushalten, die Lust zum Durchhalten in der Heimat und zum Teil auch an der Front versagte und unseren Zusammenbruch herbeiführte. Wir müssen es offen bekennen, wir sind abermals zu Boden gestreckt, und das neue Reich der Freiheit ist ein Reich der Ohnmacht geworden, dessen Führer nicht einmal im Stande sind, die notdürftigste Ordnung zu halten. Unsere politische Weltmachtstellung ist zertrümmert. Aber wir sind auch in unserer wirtschaftlichen Lage auf das härteste bedrängt und gefährdet. Die Diagnose ist leicht zu stellen. Unser Wirtschaftsleben befindet sich, wie der Staatssekretär Dr. Müller sehr richtig gesagt hat, in einem chaotischen Zustand. Statt eiserner Arbeit, die die Zeit verlangt, sicherlich mehr als je eine Zeit, statt einer Vermehrung der Arbeitsstunden, die ein Gebot der Stunde ist, schreitet man zur Verkürzung der Arbeitszeit und führt den Achtstundentag ein. Statt energischer, zielbewußter Ausbeutung unserer Arbeitskraft erschüttern frivole Streiks das industrielle Gefüge, das gerade jetzt intensivster Fürsorge bedarf. Kohle und Eisen mangeln, und in den Gruben herrscht teilweise die Ruhe eines Friedhofes, weil die Arbeiter in den Tagen der höchsten Not die Hände müßig in den Schoß legen. Mit geradezu unglaublichen Lohnforderungen treten sie hervor, und wo man sie ihnen infolge der Streikandrohungen bewilligt hat, da sind die Betriebsunkosten so hoch gestiegen, daß von einer einigermaßen erträglichen Bilanz nicht mehr die Rede sein kann. Die Erhöhung der Löhne muß dazu führen, daß Deutschland in Zukunft trotz der Qualität seiner Erzeugnisse auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrieren kann. Und wir haben ohnehin im Kriege fast unsere sämtlichen Kunden im Ausland verloren. Sie müssen wieder gewonnen werden. Darum gilt es, die hohen Löhne abzubauen und erträgliche Preise für die notwendigen Rohstoffe herauszudrücken. Darum darf die Arbeitsleistung des deutschen Volkes, die Tätigkeit jedes Einzelnen von ihm, nicht sinken, sondern muß gesteigert werden, damit wir Waren bekommen, mit denen wir allmählich unseren Export wieder flott machen, denn es herrscht im Ausland Hunger nach deutscher Ware, auch

nach den Erzeugnissen der Edelmetallindustrie. Darum muß man auch jetzt gegen die Vergesellschaftung der Betriebe, gegen die Sozialisierung der Produktion Protest erheben. Wir haben uns unlängst schon dahin ausgesprochen, daß sie ein Unding für das Edelmetallgewerbe ist. Aber auch in den Industriezweigen, wo sich ihre Durchführung ermöglichen ließe, ist jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt dazu gekommen. Nur ein wohlhabendes, gesichert dahinlebendes Volk darf sich derartige Wirtschaftsreformen gönnen, nicht aber eine Nation, die in bitterster, wirtschaftlicher Not vegetiert wie wir. Ohne den Wagemut der Industriellen würden wir in Zukunft verloren sein. Dieser Wagemut ist aber nur bei den einzelnen Unternehmern, die aus eigenen privaten Betrieben ihren Nutzen ziehen, zu finden, niemals bei den massigen Staatsbetrieben, wie sie die Vergesellschaftung erzeugt. Als der Krieg 1914 ausbrach, sah der deutsche Volkswirtschaftler ein Land und Volk vor sich, das sich in blühendem Zustand befand. Finanzen, Banknoten - Umlauf, Valuta, Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft, Schiffahrt, alles war gesichert und bewegte sich in gesunden Bahnen. Heute ist durch die lange Dauer des Krieges und durch den unglücklichen Ausgang desselben Alles heruntergewirtschaftet. Absperrung vom Export, Ernährungsnot, Hochstand der Preise und Löhne, Tiefstand unserer Valuta die Mark gilt im Weltverkehr nur noch 48 Pf., teilweise noch weniger, Mangel an Rohstoffen und ein Milliardenaufwand für Beschaffung derselben, enorme Verluste am Nationalvermögen in fremden Ländern (England, Amerika, Frankreich, Rußland, Bulgarien, Türkei, Österreich-Ungarn), Niederbruch unseres Verkehrswesens, neue immense Steuerlasten, Besetzung deutschen Gebietes durch feindliche Völkerschaften, denen wir zum Teil, wie den Polen, erst zu ihrer Freiheit verholfen haben, alles das gibt uns wohl Anlaß, mit ernsten Augen in die ungewisse Zukunft zu blicken. Ja, Deutschland liegt wieder einmal am Boden, und die Schwingen des deutschen Adlers sind gelähmt. Von schweren Wolken ist unser Horizont bedeckt, und wieder schwebt auf den Lippen deutscher Patrioten die bange Frage: Sind wir noch ein Volk? Haben wir noch eine Zukunft?

Und wir dürfen trotz aller Widerwärtigkeiten, welche uns gegenwärtig bestürmen, den Mut nicht verlieren, wir müssen den Kopf oben behalten und ein ehrliches, hoffnungsvolles, Ja" auf jene Fragen als Antwort geben. Wir wollen uns, Mann für Mann, das Wort Friedrich Naumanns ins Herz schreiben:

Erst dann sind wir wirklich verloren, wenn wir aufhören, an die deutsche Zukunft zu glauben. Je schwächer die materiellen Grundlagen unseres Daseins geworden sind, desto wichtiger war der Idealismus des Charakters. Wir müssen nochmals das Volk des Geistes werden, um wieder jung, zäh, hoffnungsvoll in die veränderte Welt zu gehen. In diesem Sinne greifen wir in der Nacht dieser Gegenwart zu den großen Propheten unserer Nation, zu den unvergänglichen Verkündigern der Pflicht, der Freiheit und der Gemeinsamkeit, zu Kant, Schiller und Fichte! Jetzt stehen sie auf aus ihren Gräbern, um uns zu helfen! Niemals mehr als jetzt galt der Zuruf: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr!" Das ist das Gebot der Stunde! Sind wir ihm nachgekommen? Ein Nein ist die Antwort! Als die Stunde der Freiheit für Deutschland schlug, maßte sich ein Teil des deutschen Volkes die Herrschaft an und übte eine Tyrannei aus, wie wir sie unter dem alten Regime nicht erlebt haben. Die Arbeiterschaft trat dem Bürgertum feindselig gegenüber und schloß es von der Regierungsgewalt aus. Das ist die große Errungenschaft der neuen

Republik, daß sich die Kreise des Volkes, die jetzt in rastloser Arbeit zusammenstehen sollten, als feindliche Brüder befehden! Die Nationalversammlung soll diesem Zustand, der Deutschland an den Rand des Abgrundes führen muß, ein Ende machen. Leider war das Bürgertum bei den Wahlen zu dieser verfassunggebenden Körperschaft ebenso uneinig, wie es die Arbeiterschaft ist. Dort die Mehrheitssozialisten, bekämpft von den unabhängigen Sozialdemokraten und beide Parteien wieder bekämpft von der blutrünstigen Spartakusgruppe, die ihren Namen mit Unrecht von dem Führer der römischen Sklaven, der am Silarus den Heldentod erlitt, entlehnt hat. Wäre nun das Bürgertum wenigstens einig diesen Parteien gegenübergetreten! Es wäre damit viel erreicht worden. Aber der Parteiwurm nagte auch in dieser Zeit der Not und Gefahr an dem Stande, der durch die rote Masse bedroht Die deutsche demokratische Partei, die deutsch-nationale Volkspartei, die deutsche Volkspartei und die christlich-demokratische Partei (Zentrum) sind mit eigenen Wahllisten hervorgetreten, und die Uneinigkeit und Zersplitterung, das alte Erbübel der Deutschen, feierte wieder Orgien. Die verhängnisvollen Folgen dieser kurzsichtigen Politik werden sich nur zu bald zeigen. Es ist ein geradezu beschämendes Gefühl, daß es nicht möglich war, die Bürger zu einer einheitlichen, starken Armee zusammenzufassen, die dem Arbeiterheere machtvoll entgegentreten konnte. Was diesmal versäumt ist, muß in Zukunft erreicht werden, und wir rufen es den deutschen Goldschmieden als Mahnung zu: Arbeitet an Eurem Teile mit, daß Deutschland in Zukunft ein einiges, starkes, zielbewußtes, von Liebe zum Vaterlande durch drungenes Bürgertum sein eigen nennt. Nur dann werden wir wieder ein geachtetes Volk werden, nur dann hat Deutschland noch eine Zukunft.

Wird ein kraftvolles deutsches Bürgertum Hand in Hand mit der deutschen Arbeiterschaft, die sich in langen Friedensjahren bewährt und zum Aufstieg Deutschlands in gleichem Maße beigetragen hat, ihr Tagewerk tun, dann wird das deutsche Wirtschaftsleben nach und nach wieder auf ein sicheres Fundament kommen und nicht nur die Industrie, sondern auch das Handwerk wird wieder in alter Frische aufblühen. Wir haben es im Eingang unserer Betrachtungen gezeigt, wie Deutschland sich immer wieder aus tiefster Erniedrigung zur Höhe emporgerungen hat. Wir haben es gezeigt, um Mut und Hoffnung in den Herzen der deutschen Gewerbetreibenden, insbesondere der uns nahestehenden deutschen Goldschmiede zu entzünden. Deutschland hat, unter schweren Anstrengungen und Lähmungserscheinungen, den dreißigjährigen Krieg wirtschaftlich überwunden, es hat die Aussaugung der französischen Vampyre unter dem ersten Napoleon wettgemacht, warum sollte es nicht auch nach diesem unheilvollen Weltkrieg sich wieder emporrecken, wenn ihm nur Ruhe zur Arbeit gegönnt wird und ihm die Mittel zur Arbeit nicht verkümmert werden! Deutschland will arbeiten, Deutschland wird arbeiten und seine Arbeit wird gesegnet sein, wenn der Friede im Innern erst die Weihe über seine Arbeit spricht. Dann wird sich das Wort des Staatssekretärs Dr. Müller bewahrheiten:,,Wir werden durchkommen!" Wir werden den Wiederaufbau des Wirtschaftslebens im Reiche vollenden, wie tief es auch jetzt erschüttert und ins Wanken gekommen ist, wenn uns erst die Wiederkehr von Ordnung und persönlicher Freiheit garantiert ist, wenn wir Frieden nach außen und Frieden nach innen haben, einen Frieden, der alle Arbeitskräfte, geistige wie manuelle, für ein großes Ziel zusammenrafft, das Ziel, dem deutschen Geiste, der deutschen Arbeit wieder

auf die Bahn zu verhelfen, die aufwärts zur Sonne führt. Das wird, wie es Dernburg genannt hat, ein,,Frieden der Kultur" sein!

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Im Schutze dieses Friedens werden auch die Arbeiten wieder aufgenommen werden, die zu dem Wiederaufbau des durch den Krieg geschädigten Handwerks schon unter der alten monarchischen Herrschaft unternommen wurden. Wiederaufbau durch Selbsthilfe, unter Mitwirkung der Staatshilfe! Die schon oft behandelte Regelung der Kreditverhältnisse auch zwischen dem Kleingewerbetreibenden und seiner Kundschaft wird zur eisernen Notwendigkeit werden. Die Löhne werden Schritt für Schritt mit dem Abbau der Kriegswirtschaft auf ein normales Maß zurückzuführen sein. Es müssen Belehrungen über neue Errungenschaften auf dem Gebiete der Technik und Ausnutzung der Arbeitskräfte, der Heizung und Beleuchtung, der Betriebs- und Transportmittel erfolgen, damit das, was in einzelnen Betrieben erprobt wurde, zum Allgemeingut wird. Die genossenschaftliche Selbsthilfe beim Einkauf von Rohstoffen, Halberzeugnissen und Ersatzstoffen und die Verteilung derselben nach rationellen Grundsätzen ist auf gesunder Basis weiter zu entwickeln. Eine einheitliche Handhabung der vom Reiche zu übernehmenden Bürgschaft für geprüfte Darlehnsgesuche der durch den Krieg geschädigten Handwerksmeister ist dringend geboten. Bei staatlichen und gemeindlichen Lieferungen, insbesondere auch bei kunstgewerblichen Arbeiten, sind Handwerksmeister, die sich dazu eignen, heranzuziehen, um die Qualitätsarbeit auf allen Gebieten zu fördern. Die bisher nur auf dem Gebiete der Unfallversicherung bestehende Möglichkeit des Kleingewerbetreibenden, sich selbst mit seinen Arbeitnehmern zu versichern, wäre auch auf das Gebiet der Kranken- und Invalidenversicherung auszudehnen.

Das sind alles große, ideale und doch zugleich eminent praktische Fragen, die in Zukunft gelöst sein wollen. Wir werden sie nur lösen, wenn wir uns so schnell als möglich aus den Wirrnissen, in die uns die Revolution gebracht hat, zum Frieden, zur Einigkeit des ganzen Volkes, Bürger und Arbeiter, durchringen und ein neues Leben im Reiche der Freiheit beginnen.,,Die Revolution hat mit dem alten Unrecht aufgeräumt“, rufen die Sozialisten, aber sie hat es durch ein neues Unrecht getan. Auch das muß beseitigt werden, indem das Dichterwort zur Wahrheit gemacht wird:

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„Wir wollen sein ein einig Volk von Brūdern!” H. Pilz.

S1

Arbeit im neuen Jahr!

o schwankend unsere gegenwärtigen Verhältnisse gelagert sind und sich die Zukunftsaussichten eröffnen mögen, eines steht fest: Nur streng aufs Ziel gerichtete Arbeit garantiert den Aufbau.

Auch die Deutsche Goldschmiede-Zeitung hat die Pflicht, das Ihrige zur Neugestaltung beizutragen und an dem gewaltigen Geschehen der neuen Zeit tatkräftig mitzuarbeiten. Große, schwierige Aufgaben treten an sie heran. Wer die intensive Tätigkeit unserer Fachzeitschrift in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, daß bereits eine Grundlage besteht, auf der in unermüdlichem Schaffen der Kreislauf der publizistischen Obliegenheiten, der Aufklärung und nicht zuletzt der Propaganda in der neuen Zeit erfolgen kann. Es ist ihm ohne weiteres klar, daß hier eine Organisation im Ausbau begriffen ist, der in Hinsicht auf Kenntnis von Markt- und Absatzverhältnissen, in bezug auf tätige Mitarbeiterschaft der Berufsgenossen, sowie auf Erfahrung im Reklame- und Inseratenwesen selbst von anderen hochstehenden Zweigen des Kunstgewerbes und der Kunst

industrie nichts annähernd so Hochwertiges an die Seite gestellt werden kann. Ebenso klar aber erscheint es, daß all das bisher Geleistete nur als Grundlage anzusehen ist, wenn die Deutsche Goldschmiede-Zeitung ihrem Ziel, ein lebendiger Mittelpunkt der Interessen des gesamten Edelmetallgewerbes zu werden, auf kürzestem Wege zuschreiten will.

Das Arbeitsfeld ist ja ein so ungemein großes und vielgestaltiges! Die Edelschmiedekunst, die Kunstindustrie, die Ladengeschäfte, Kleingoldschmiede und Reparateure, die Technik, die wirtschaftlichen Interessen, die Kunstund Geschmackserziehung, die Mode, die Werbegruppen, alle diese Abteilungen und vieles andere, stellen sich, jedes für sich allein genommen, als mächtige Förderungsgebiete heraus. Da jedem unserer geehrten Leser und Freunde in Zukunft die Zeit noch mehr mangeln wird als früher, so wird außerdem von uns noch weitere Konzentration bei noch schärferer Erfassung des Wesentlichen die erwünschte Richtschnur sein müssen. Es gehört ferner keine Prophetenweisheit dazu, vorauszusagen, daß sich, wenigstens für die nächste Zeit, häufig ein Wandel der Anschauungen nur zu rasch ergeben wird und daß wir einem früher noch nie gekannten Suchen in den verschiedensten Richtungen gegenüberstehen werden. Diese Erscheinungen fordern von uns ein rasches Auge und ein ebenso rasches Einstellen unserer Tätigkeit auf den jeweiligen Brennpunkt.

Im Verlauf der Kriegsjahre ist es uns gelungen, das Bedeutsamste an neuen Schöpfungen und das Beste von den Wettbewerben in Wort und Bild trotz der übergroßen Hemmnisse, welche durch die veränderten Adressen, den Papier- und Materialmangel und die allgemeine Zeitnot hervorgerufen wurden, zu veröffentlichen und durch erstklassige Aufsätze über die wichtigsten Vorgänge in unseren Gewerben, sowie über die markantesten Kunstanschauungen zu unterrichten. Wir haben keine Mühen und Kosten gescheut, Zeitbilder über das jeden „Barbarismus“ am besten widerlegende Schaffen während des Krieges zu registrieren, um die Verbindung der Einzelgruppen in den Edelmetallgewerben in der Heimat aufrecht zu erhalten, ferner um den Kontakt zwischen Beruf und Feldgrauen aufrecht zu erhalten, ganz besonders aber, um den heimkehrenden Feldgrauen eine Überschau über das Geleistete während ihrer Abwesenheit darzubieten, damit sie rasch ins Bild kämen. Auch darin werden wir fortfahren, soweit noch Ergänzungen nötig sind.

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Auch in Zukunft wollen wir von unserem Bestreben nicht ablassen, die hervorragendsten Schöpfungen der Goldschmiedekunst aller Richtungen in Wort und Bild zu veröffentlichen. Als eine unserer vornehmsten Aufgaben erscheint uns aber jene, auch die jüngeren Goldschmiede zu fördern und ihnen mit Rat und Tat beizustehen. Es soll sich keiner (und keine) von ihnen aus irgendwelchen Rücksichten abhalten lassen, Arbeiten zur Veröffentlichung einzusenden. Die Erneuerung unserer künstlerischen Erscheinungen kann nur von der Jugend kommen. Mit teilweise illustrierten Aufsätzen sei dann auf mustergültige alte und neue Techniken verwiesen, die zur Belebung der künstlerischen Ausdrucksmittel beizutragen vermögen. Aufsätze über hochstehende Meisterwerke, über Kunstanschauungen und Kunsterziehungsfragen, Arbeitsmarkt, Wettbewerbe und Ausstellungen sollen den gegebenen Überblick vervollständigen.

Wie hier die Anregung als ein grundlegender Faktor erscheint, so auch in der Kunstindustrie und in der Gruppe der Ladengoldschmiede. Auf alles Wichtige, das auf dem Gebiete des Entwurfs, des Modells und Musters, des Ziselierens, Gravierens, Montierens, Fassens, Emaillierens, Gießens, Ätzens, Oxydierens usw. hervortritt, soll eingegangen werden. Doch gehen in dieser Beziehung unsere Ziele noch weiter. Es wird sich darum handeln, Geschmack, Absatzverhältnisse und wirtschaftliche Verhältnisse im In- und Ausland zu beobachten. Unsere so erfolgreichen Auslandsnummern noch weiter auszubauen, desgleichen die Modeberichte, die Rohstofffrage zu beleuchten, wird die Aufgabe erster Fachleute, die uns zur Verfügung stehen, sein.

Was nur immer Anregendes auf dem Gebiete des Silber- und Goldschmuckes, der Juwelenerzeugnisse, der Klein- und Großsilberwaren, der Elfenbeinschnitzerei und der Ersatztechniken auf dem Markte erscheinen soll, wir werden es im Kunstteil und im Text würdigen. Mustergültige Entwürfe, die wir veröffentlichen, sollen als Ausgangspunkt zu neuer Formerfindung hinleiten."

Auch die Kunsterziehung und die Erziehung des Nachwuchses im Edelmetallgewerbe, über die wir uns in den letzten Nummern eingehend geäußert haben, wird uns weiterhin am Herzen liegen. Vor allem befürworten wir, daß in den Fachschulen die Unterschiede zwischen „Deutsch“ und „Export" etwas stärker hervortreten. Die Goldschmiedeklassen, die sich an allgemeinen Kunstgewerbeschulen befinden, müßten in werkstattmäßigen Kontakt mit den Klassen der angewandten und freien Plastik treten. Auch müßte durch Einrichtung von Kursen jenen, die fernab von einem Kunstzentrum ihren Wohnsitz haben, Gelegenheit zur Weiterbildung gegeben werden. In bezug auf die übrigen Gebiete der Fachzeitschrift, besonders was Technik und wirtschaftliche Fragen betrifft, werden wir wie bisher das bestmögliche leisten.

Ohne starke Wechselbezeichnungen mit unseren Lesern wird die Arbeit nur halb sein, deshalb bitten wir um rege Anteilnahme und tatkräftige Mitarbeit! Prof. L. S.

Die Buchführung

bildet den Schlüssel zum Gewinn
und zeigt den Weg zum Wohlstand.

Kann der Großhandel mit Erfolg

Unter

verstaatlicht werden?

feuen Reichsregierung aufgeworfen worden sind, steht die [nter den zahlreichen wirtschaftlichen Fragen, die von der Frage der Verstaatlichung geschäftlicher Großbetriebe obenan. Hatte man anfänglich sich beschieden, daß eine solche Sozialisierung nur bei produzierenden Betrieben Erfolg haben könne und überhaupt durchführbar sei, so ist man bald darauf einen Schritt weiter gegangen, denn der Appetit kommt erst recht beim Essen, und hat auch eine Verstaatlichung des Großhandels ins Auge gefaßt. Die sozialdemokratische Partei hatte die Frage der Sozialisierung der Großbetriebe schon in ihrem bekannten Erfurter Programm und heute glaubt man, daß der große Augenblick gekommen ist, wo mit dieser Verstaatlichung praktisch begonnen werden kann. Dabei gehen die sozialistischen Wirtschaftspolitiker allerdings nicht einmütig dieselbe Straße. Die einen wollen alle größeren Betriebe verstaatlichen, die andren wollen eine Auswahl treffen, da sich die Verstaatlichung nicht für alle Betriebe eignet. Die letztere Anschauung ist die richtige, und wir haben bereits früher gezeigt, daß z. B. eine Verstaatlichung auf dem Gebiete der Edelmetallindustrie eine schwere Schädigung derselben bedeuten würde. Weiter werden, Stimmen laut, welche die Sozialisierung so lange noch hinausgeschoben wissen möchten, bis genügend Rohstoffe im Lande sind. Wieder andre glauben, daß sich eine erfolgreiche Verstaatlichung nur bei solchen Industriezweigen werde ermöglichen lassen, deren Rohprodukte im Inlande beschafft werden können, da die Beschaffung aus dem Auslande zurzeit noch gar nicht zu bewerkstelligen ist und überdies gar nicht feststeht, in welcher Weise wir auch nach erfolgtem Friedensschluß werden mit Rohmaterial versorgt werden. Wird diese Versorgung eine ausreichende sein? Wann wird sie beginnen? Unter welchen Bedingungen wird sie einsetzen? Alles das sind schwerwiegende Fragen für einen verstaatlichten Betrieb. Wir sind also, das muß jeder ruhig überlegende Wirtschaftspolitiker einsehen, zur Stunde noch nicht so weit, um mit den Verstaatlichungen den Anfang machen zu können.

Wenn man nun auch zugeben muß, daß die Verstaatlichung bei einzelnen Massenbetrieben durchführbar ist, man braucht nur an den Bergbau zu erinnern, der sich gewiß dafür eignet, so muß man andrerseits doch davor warnen, nur auf's Geratewohl hin zu handeln und als ausschlaggebenden Faktor für die Sozialisierungsmöglichkeit lediglich den erzielten Gewinn anzusehen. Das könnte zu ganz unheilvollen Katastrophen führen.

ם

Vor allem würde eine Verstaatlichung des Großhandels ein nationales Unglück werden. Unser gesamter Handel leidet heute infolge der völlig ungeklärten, unsicheren Verhältnisse schwer. Das gilt von den inneren wie äußeren Verhältnissen. Die Unternehmungslust ist wohl da, auch die Unternehmungskraft, aber Niemand kann ausführen, was er geplant, denn er weiß nicht, was der nächste Morgen ihm bringen, ob er die Früchte dessen noch ernten wird, was er unternehmen will. Dieser ungewisse Zustand lähmt gegenwärtig das Geschäft. Wenn er aber überwunden sein wird, wenn der Alp, der unser Wirtschaftsleben drückt, von uns genommen sein wird, und wieder geordnete Verhältnisse im deutschen Reiche herrschen, dann wird die Stunde geschlagen haben, wo der deutsche Großhandel einsetzt, um den Güteraustausch wieder im Inland und Ausland zu beleben, unsern Export wieder zu erwecken und zu stärken und unsrer Produktion neue Impulse zu geben.

ם

Man soll doch nicht mit dem alten Märchen kommen, als ob der Großhandel ein unnützes Zwischenglied im Wirtschaftsleben der Völker wäre. Der direkte Verkehr des Produzenten mit dem Verbraucher wird immer etwas Schleppendes, Ungeschicktes an sich tragen, weil der Produzent naturgemäß seine volle Kraft auf die Erzeugung verwenden muß. Der Großhändler soll die Erzeugnisse auf die Weltmärkte leiten. Und unser Großhandel hat vor dem Kriege in dieser Hinsicht eine glänzende Tätigkeit entfaltet. Ihm ist zum grossen Teil der wirtschaftliche Aufstieg Deutschlands zu verdanken gewesen. Ihn verstaatlichen, hieße ihm den Lebensnerv unterbinden und Deutschland kommerziell dem Untergang zuführen. Man kann

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