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auferweckt hatte und mich erfüllte solche Kraft, daß ich von Fieber und Todesfurcht nichts mehr verspürte. Plötzlich vernahm man ein Getöse und sah einen gewaltigen Blitz, wie wenn ein Donnerschlag mitten aus meiner Werkstatt ausgegangen wäre. Ob dieser Erscheinung ergriff uns alle große Furcht und mich mehr als die anderen. Als aber das Getöse und der Blitz aufgehört hatten, sahen wir einander an. Ich bemerkte, daß der Deckel des Ofens geplatzt war und sich aufgerichtet hatte, so daß das Erz ausfloß; da ließ ich sofort die Mündungen meiner Form öffnen und zu gleicher Zeit die beiden Gußlöcher aufstoßen. Da jedoch das Metall nicht so schnell ausströmte, wie es sonst zu tun pflegt, bedachte ich, daß vielleicht durch das übergewaltige Feuer der Zinnzusatz verzehrt sein möchte. Darum ließ ich sofort alle meine zinnernen Teller und Schüsseln, etwa zweihundert an der Zahl, herbeischaffen und warf ein Stück nach dem andern vor die Kanäle; zum Teil ließ ich sie auch in den Ofen werfen. Und siehe da, meine Form füllte sich. Da kniete ich nieder und dankte Gott von ganzem Herzen. Dann wandte ich mich zu einer Schüssel Salat, die auf einer Bank stand, und aß und trank mit großer Lust, und mit mir schmauste der ganze Haufen. Hierauf ging ich froh und gesund zu Bett denn es war schon zwei Stunden vor Tag und ruhte so sanft, wie wenn mir niemals etwas gefehlt hätte.“

Auf diese Weise wurde das große Werk mit gutem Gelingen zu Ende geführt. Unsägliche Schwierigkeiten technischer Natur, deren Überwindung jedermann als Unmöglichkeit angesehen, waren durch psychische und physische Stärke gelöst worden. Besonders wurde an dem Herauskommen des fast rundplastischen Medusakopfes gezweifelt. Cellini selbst hegte gleiche Befürch

Die

tungen wegen des ziemlich vorstehenden einen Fußes der Statue. Es glückte jedoch alles, so daß sich nur mehr weniges Nachziselieren als notwendig erwies. Bald darauf versuchte sich der Meister auch in der Marmorplastik und schuf 1565 ein lebensgroßes Kruzifix, das sich in der Kirche des Eskurial befindet. Im Kriege gegen die Sieneser bewährte er als Festungsbaumeister von Florenz nochmals sein militärtechnisches Talent. Die letzten acht Jahre, von denen seine Lebensbeschreibung schweigt, gab der Künstler seinen unsteten Lebenswandel auf und verkehrte in seiner Mitwelt friedlicher. Er trat 1568 sogar in den geistlichen Stand, verließ ihn jedoch alsbald und heiratete in seinem 60. Lebensjahre. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor. Am 15. Februar 1571 starb Cellini in Florenz und fand in dieser seiner Heimatstadt die letzte Ruhe. Sein künstlerischer Nachlaß bestand aus einer Menge von Zeichnungen und Modellen. Von seinen Hauptwerken, die nicht alle besprochen werden konnten, ist außer dem Perseus, dem Kruzifix nurmehr das berühmte Salzfaf in Wien vorhanden.

Eine Episode, die sich am 3. November 1500 nachmittags 41 Uhr bei der Geburt Benvenutos zutrug, gab ihm den Namen. Die Eltern glaubten bestimmt an die Geburt eines Mädchens und hatten alle Hoffnung auf einen Sohn aufgegeben. Als nun Giovanni dennoch ein Knäblein auf den Armen halten durfte, rief er aus: „Herr, ich danke dir von ganzen Herzen! Dieser ist mir lieb; er sei willkommen (Benvenuto)." Darauf beschloß man, den jungen Cellini auf diesen Namen zu taufen.

Es gab in der Zeit der Renaissance größere Meister der freien Kunst, jedoch keinen berühmteren Edelschmied. In diesem Sinne begrüßt ihn die Kunstgeschichte heute noch mit den Worten: Benvenuto.

Vom 100 Prozent-Kaufmann.

ie Angstlichen sollen nicht erschrecken! Sie sollen weder ermuntert werden, 100 Proz. zu nehmen, noch sollen die Kaufleute hier des Wuchers beschuldigt werden. Unter einem Kaufmann ist mehr zu verstehen, als dies gewöhnlich geschieht. Kaufmann im eigentlichen Sinne ist jeder Erwerbstreibende: Der Groß-, Mittel- und Kleingewerbler wie der Groß-, Mittel- und Kleinhändler. Jeder selbständige Erwerbsmensch muß etwas vom Kaufmann in sich haben, wenn er erfolgreich sein will.

Lenin, der Oberste im Russischen Volksrat, betonte, daß man vom Kaufmann lernen solle. Nach den Zeitungsberichten sagte er sogar: „Von jenem 100 Prozent-Kaufmann muß man lernen." Wie man auch über Lenin denken mag, es scheint ihm ein Licht über den Kaufmann aufgegangen zu sein, der 100 Proz verdient. Daß er den Kern der Sache begriffen hat, zeigt eine andere Äußerung, die er in diesem Zusammenhang getan hat. Er mahnte: „Man redet davon, daß man 20 Betriebe übernommen habe, aber nicht davon, ob man einen einzigen wirtschaftlich betreibt. Wie der Bericht meldete, soll er dann mit schneidender Schärfe gesagt haben: „Die Gewerkschaften sollen keine Politik treiben, sondern lernen, was sie noch nicht können: Methoden der Produktionssteigerung."

Ein gut bürgerlicher Wirtschaftspolitiker könnte auch nicht viel anders reden, wenn er seinen Landsleuten ins Gewissen reden wollte. Bezeichnend bleibt es aber doch, daß gerade Lenin derartiges aussprach. Legt man die hier hervorgehobenen Sätze Lenins richtig aus, dann wird man zu diesen Ergebnissen

kommen:

Den 100 Prozent - Kaufmann soll man sich genau ansehen, denn er ist es wert, angesehen zu werden. Er ist aber auch wert, beachtet, ja sogar nachgeahmt zu werden. Wohl gibt es auch 100 Prozent - Kaufleute, die keine Achtung verdienen: Wucherer, Schieber und Schmarotzer; über sie braucht kein Wort verloren zu werden. Der Kaufmann, der der Volkswirtschaft keine Dienste leistet, sie nicht mitfördert und stark macht, der

muß bekämpft werden. Ein anderes aber ist es mit dem, der seine 100 Proz. rechtschaffen verdient. Viele werden keine 100 Proz. verdienen, die aber, die diesen Prozentsatz mit ehrlichen Mitteln verdienen, müssen allen andern als Vorbild gelten. Denn: Man verdient nicht so mir nichts dir nichts 100 Proz. Nur ein außerordentlich fähiger Kopf (die durch die Geldentwertung hervorgerufene Scheinblüte wird hier außer Acht gelassen) wird es auf 100 Proz. bringen. Dieses Ergebnis wird etwa zu erzielen sein durch: Besonders günstigen Einkauf, vorteilhafte Lagerung, geschickte Ausnutzung der Geldverhältnisse, eine ausgezeichnete Menschenkenntnis, (der Angestellten, Arbeiter, Kunden und der Güterhersteller) und durch ähnliche geschäftsfördernde Kenntnisse. Unwillkürlich bezeichnet der Volksmund manchesmal ganz treffend, was Suchende und Erklärende nur schwer oder umständlich auszudrücken vermögen. Er spricht in einem Falle, wo jemand die Geschäftslage sehr geschickt meistert, von einem, der den Kopf oben hat. Wer in dem hier erläuterten Sinne 100 Proz. verdient, dem seien sie gegönnt, denn er hat sie wirklich verdient. Ich will nicht sagen, daß es ungerecht wäre, sie ihm abzustreiten oder zu vergönnen, denn das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Aber es muß gesagt werden, daß es dumm oder beschränkt wäre, einem andern etwas zu vergönnen oder zu bestreiten, das dem Verbraucher doch (genau besehen) Vorteile bringt. Wer beim Ein- und Verkauf in so hohem Maße wirtschaftlich ist, daß er 100 Proz. verdient, der ist (unter den genannten Bedingungen) ein Förderer der Verbraucher. Man muß sich richtig in die Geschäfte eines solchen Kaufmanns hineindenken, um seine volle Bedeutung erkennen zu können.

Aus Lenins Bemerkungen erkennt man aber auch, daß man etwas um so mehr schätzen lernt, je mehr man dieses Etwas entbehrt. Es kommt im Wirtschaftsleben nicht darauf an, daß man etwas oder viel tut, sondern vor allem darauf, was das Getane nügt oder einbringt. Um mit Lenin in freier Ausdrucksweise zu sprechen: 20 Betriebe habt ihr übernommen! Was

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soll das heißen? Ich will wissen, was ihr damit geschafft habt! Das scheint nicht viel gewesen zu sein, sonst hätte er die Beichtenden wohl nicht so angefahren: Die Gewerkschaften sollen keine Politik treiben, sondern lernen, was sie noch nicht können, Methoden der Produktionssteigerung. Paßt das nicht auch ein wenig für Deutschland? Es wird auch bei uns zuviel politisiert und unbedacht gefordert. Wer unter den Fordernden aber denkt daran, daß zum Geben zwei gehören: Einer, der es hat, und einer, der es nimmt? Der Fordernde kann das Verlangte nur dann erhalten, wenn der Gebensollende das hat, was der Fordernde verlangt. Wenn die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dies oder jenes verlangen, so müssen sie stets bedenken, daß sie ihn selber zuvor instand gesetzt haben oder ihn rasch instand setzen müssen, ihre Forderungen bewilligen zu können. An dieser Einsicht fehlt es zwar nicht allen, aber doch sehr vielen. Der Arbeitgeber kann keine Wunder wirken, er kann kein Manna regnen lassen. Er kann seine Angestellten und Arbeiter führen, zur Arbeit anleiten und ermuntern. Er kann die vorteilhaftesten Arten der Güterherstellung oder des Gütervertriebs ausdenken. Er kann auf eine ausreichende Entlohnung bedacht sein. Wenn ihm aber seine Werks- oder Betriebsleute nicht auf diesen Wegen folgen, dann wird er die Forderungen nicht oder nur teilweise erfüllen können. Wer seine Bedürfnisse befriedigen will, muß die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung heranschaffen. Der Streik ist im allgemeinen ein ganz ungeeignetes Mittel der Bedürfnisbefriedigung. So sehr man es auch verstehen kann, daß jeder möglichst viel zum Verbrauch und zum Verzehren haben möchte, so falsch ist es, zu glauben, das sei dadurch zu erreichen, daß man wochenlang nichts arbeitet. Nichtarbeit macht, darüber kann doch gar kein Zweifel sein, den Einzelnen und die Gesamtheit ärmer. Ich weiß wohl, daß dem Streik nachgesagt wird, das sei nicht beabsichtigt. Sein Zweck sei, das Erarbeitete, das Ergebnis der Arbeit, den Arbeitsertrag gerechter zu verteilen. Nun mag ja sein, daß hierin da und dort Fehler gemacht werden. Die Fehlenden müssen allerdings auf irgendeine Art und Weise dazu gebracht werden, ihre Pflicht zu erfüllen. Ob das durch einen Streik oder besser durch andere Maßnahmen erreicht wird, mag in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Daß aber Streiks, im großen ganzen genommen, volkswirtschaftlich schädlich wirken, ist sicher. Aber wohlgemerkt: Einen Arbeitnehmer, der viel verlangt, halte ich für einen vernünftigen Menschen. Daß er viel will, ist sein gutes Recht; jedoch, er offenbart Maßlosigkeit oder Beschränktheit in dem Augenblick, in dem er etwas verlangt, was er selber nicht erarbeitet hat. Vor allen Dingen aber ist es eine Sinnlosigkeit sondergleichen, etwas zu verlangen, was noch nicht da ist.

Jeder vernünftige Arbeitgeber würde es verstehen, wenn ein Angestellter oder Arbeiter vor ihn hintreten und sagen würde: Ich will mehr von dir haben; das kannst du aber nur, wenn ich dir mehr leiste. Du läßt mich aber nicht mehr leisten, du arbeitest unwirtschaftlich, darunter muß ich leiden. Erlaube mir, dir den rechten Weg zu zeigen, dabei werden wir beide gut fahren. Eine solche Sprache würde vielleicht den einen oder andern Arbeitgeber stutzig machen (aber doch wohl nur die Beschränkten unter ihnen), die allermeisten aber würden denken: Donnerwetter, was ist in dieses Menschen Gehirn gefahren, daß er eine solche Sprache führt? Die verständigen Arbeitgeber würden darauf erwidern: Rede, lieber Freund, alles soll dir gewährt werden, was dir und mir Vorteile bringt. Ich bin zur Verständigung bereit, sprich dich über deine Vorschläge aus. So ist es aber wohl meistens nicht. Es ist bedauerlich, daß solche herzhafte Zwiegespräche selten geführt werden. Sie kommen vor, aber mehr auf die Art, daß der wohiverständige Arbeitgeber sich einen oder den andern Arbeitnehmer heranholt und ihm klarzumachen sucht, wie beide vorwärts kommen können.

Einige Tage vor dem Niederschreiben dieses Aufsatzes hörte ich gerade von dem Arbeiter eines größeren Betriebes, wie verständig und einleuchtend ihm sein Direktor das unsinnige Streiken und Bummeln während der Arbeitszeit erklärt hätte. Der Direktor ging mit ihm durch den Betrieb und zeigte ihm die Mängel, die durch die Widerspenstigkeiten der Arbeitnehmer entstanden waren. Wie mir der Arbeiter erklärte, leuchtete es ihm ein, daß ein solcher Betrieb nicht erhalten,

geschweige denn vorwärts gebracht werden könnte, und daß dies doch einmal zum Schaden der Arbeiter selber ausschlagen müsse.

Die Folgerung aus diesen Erörterungen kann nur sein: wenn die Arbeitnehmer nicht zum Arbeitgeber kommen (manche getrauen sich nicht), so muß eben der Arbeitgeber zu ihnen kommen. Dabei vergibt er sich, wenn er es richtig anpackt, gar nichts. Zum 100 Prozent-Kaufmann gehören, wie hier schon angedeutet wurde, eben Menschenkenntnisse Die Fähigkeit, Menschen anzuspornen, ist ein sehr kostbares Gut. Mit Vorwürfen wird kaum etwas erreicht. Der Betriebsinhaber und die leitenden Personen müssen sich immer wieder von neuem in die Denk- und Handlungsweise der Arbeitnehmer hineinversetzen, wenn sie die etwaigen Widerspenstigkeiten und Nachlässigkeiten überwinden wollen. Geduld und Ausdauer ist hierzu nötig und Geschick in der Menschenbehandlung. Und wenn es auch noch so aussichtslos erscheint, so eine Art von Vertrauensverhältnis muß angebahnt werden. Jedenfalls, die Betriebsleitung muß zeigen, daß sie führen kann und führen will. Wenn das zu keinem Vertrauensverhältnis führt, dann wird doch die Erkenntnis, daß eine zielbewußte Leitung vorhanden ist, Achtung abnötigen. Die braucht nicht gerade offen gezeigt zu werden; sie wirkt schon, wenn sie manche oder viele insgeheim hegen.

Auch bisher wußten die geschulten Wirtschaftsführer und Wirtschaftspolitiker schon, daß es nicht darauf ankommt, wer Betriebsinhaber ist (z. B. Genossenschaften oder Gewerkschaften oder Private), sondern daß einzig und allein der erzielte volkswirtschaftliche Erfolg maßgebend ist. Ob der Betriebsinhaber wirtschaftlich vorgeht, und ob er nach Methoden der Produktionssteigerung sucht, das sind Lebensfragen für ein Volk. Noch mehr ist erforderlich: Ob soviel Güter hergestellt werden, daß ein Volk ein menschenwürdiges Dasein führen kann, und ob dabei auch Fürsorge für die Zukunft getroffen wird, das alles gehört zu einer gewissenhaften Volkswirtschaftspolitik. Diese Fragen sind so unendlich wichtig, daß sie gar nicht oft genug gestellt und beantwortet werden können. Von ihrer richtigen Beantwortung und von der Durchführung der richtigen Erkenntnis hängt das Gedeihen der Volkswirtschaft ab. Zurückgeworfene und eingeengte Volkswirtschaften müssen sorgfältiger, wirtschaftlicher, gewissenhafter mit ihrem Volksgut umgehen als solche, die in ihrer Vollkraft sind. Die Mittel des Wiederhochkommens sind: Verbesserungen in der Güterherstellung und größere Wirtschaftlichkeit. Die größere Wirtschaftlichkeit besteht in einer zweckmäßigeren Ausnutzung der Stoffe und Kräfte, des Bodens und der Verkehrsanstalten, der Arbeitskräfte und des Personals.

Es handelt sich aber um noch etwas ganz anderes im Wettbewerb der Weltwirtschaft als um Produktionssteigerungen. Im Weltwirtschaftsverkehr werden Mengen von Gütern in einer bestimmten Beschaffenheit ausgetauscht. Streng genommen: Nur Werte um Werte. Auf die Massen kommt es weniger an als auf die Werte der hergestellten Güter und auf die Fähigkeit, für die ausgeführten Waren möglichst wertvolle Güter für die Einfuhr zu erhalten. Die Verbesserung der Qualität darf nicht vergessen werden. Dazu braucht man selbstverständlich Qualitätsmenschen. Der 100 Prozent - Kaufmann ist das Kennzeichen eines solchen Qualitätsmenschen. Dieser Mann bringt auch manches darniederliegende gewerbliche Werk wieder in die Höhe. Wo die Techniker trotz der Produktionssteigerungen keinen auskömmlichen Ertrag schaffen können, da ist der 100 Prozent-Kaufmann oft noch imstande, einen angemessenen Überschuß herauszuwirtschaften. Nur mit Überschüssen kann die wünschenswerte Vorratslagerung geschaffen werden. Der 100 Prozent-Kaufmann (wie er in diesem Aufsatz beschrieben wurde) ist ein nützliches Glied in der Warenvermittlung und in der Güterherstellung. F. A. B.

Berichtigung.

m Kunstteil unserer Nummer 19, der einige Ergebnisse des von uns veranstalteten Schmuckwettbewerbes vorführte, ist eine bedauerliche Verwechselung eingetreten. Auf Seite 38 sind die zwei obersten Entwürfe vertauscht worden. Der Entwurf mit der Unterschrift Franz und Hermann Wandinger stammt von Karl Scheu und der mit der Unterschrift Karl Scheu von Franz und Hermann Wandinger.

A

Das 75jährige Jubiläum der Firma Wilh. Müller in Berlin.

m 23. Mai ds. Js. haben sich drei Vierteljahrhunderte vollendet, seit die in Deutschland und über des Reiches Grenzen weit hinaus bekannte Firma Wilhelm Müller in Berlin gegründet wurde. Der gegenwärtige Seniorchef der Firma, Herr Oskar Müller, hat aus diesem Grunde eine Denkschrift verfaßt, in der ein Bild der Entwicklungsgeschichte der Firma entrollt wird, das jeden fesseln muß, der Interesse für die deutsche Edelmetallindustrie hat. Verfasser dieses hat die Schrift mit immer wachsender Anteilnahme gelesen, denn sie wächst über die Darstellung der Ziele und Erfolge eines Unternehmens unserer Branche hinaus und gestaltet sich zu einem Bilde der wirtschaftlichen und künstlerischen Entwicklung der Edelmetallkunst in den letzten 75 Jahren überhaupt. Die Wirkungen der Zeitereignisse auf den wirtschaftlichen Stand, die Wandlungen des Zeitgeschmackes in den letzten Jahrzehnten werden mit kurzen treffenden Strichen gezeichnet, so daß das Festbuch einen literarischen Genuß für die Angehörigen unserer Branche bietet.

Wer die Schrift mit Aufmerksamkeit durchliest, wird wohl den Eindruck gewinnen, daß die Firma Wilhelm Müller vom Glück begünstigt gewesen ist; aber dieses Glück wurde ihr nicht mühelos in den Schof gelegt, sondern es wurde durch rechte, treue, zielbewußte Arbeit herbeigerufen und durch streng rechtliche, auf Treue und Glauben basierte Geschäftsgrundsätze festgehalten.

Der Begründer der Firma, Friedrich Wilhelm Müller, stammte aus Guglingen im Schwabenlande, wo er 1817 geboren wurde. Er hat ursprünglich in der Kolonialwarenbranche gelernt und war später als als Reisender darin tätig gewesen. Im Jahre 1839 tat er den bedeutsamen Schritt vom Mate

zu lesen, wirkt wahrhaft erquickend. Im Jahre 1857 wurde als einziger Sohn der jetzige Inhaber Oskar Müller geboren, der berufen war, dereinst das Haus Wilhelm Müller noch weiter auszubauen. Das Lager der Firma befand sich nach und nach in der Königstraße, Grünstraße und schließlich in der Gertraudtenstraße, wo sich noch heute das imposante Geschäftshaus befindet. Sehr bald konnte der Inhaber der Firma die Geschäftsreisen nicht mehr selbst-bewältigen. Es mußten Reisende eingestellt werden, unter denen sich auch der spätere Kommerzienrat und Hofjuwelier J. H. Werner befand. Neben dem Reisegeschäft bildete sich im Laufe der Jahre auch ein ausgedehntes Auswahlgeschäft" heraus, das ein größeres Lager und ein größeres Personal erforderte. Der Krieg von 1866 brachte eine neue Stockung

Oskar Müller i. Fa. Wilhelm Müller-Berlin.

rialwaren- zum Goldwarenfach. Für die Firma Schwärzle & Co. in Bregenz, eine Zweig firma der Goldwarenfabrik von Karl Galich in Pforzheim, bereiste er Österreich, und sämtliche Reisen durch Tirol, Steiermark, Deutsch-Österreich, Böhmen usw. mußten mit Pferd und Wagen zurückgelegt werden. Nach drei Jahren trat Wilhelm Müller dann in die Goldwarenfabrik von C. H. Stein & Co. in Stuttgart ein, die ihn für den Kundenbesuch innerhalb Deutschlands ausersah und auch zur Leipziger Messe entsandte. Hier lernte er beim Juwelier Karl Keuhl seine spätere Lebensgefährtin Marie Poetsch kennen, die er 1847 heimführte. Als die Firma Stein & Co. eine Vertretung in Berlin begründete, wurde diese Wilhelm Müller übertragen, und so kam er nach der preußischen Hauptstadt, die seine zweite Heimat werden sollte. Mit dem Stein'schen Lager verwaltete er auch das Lager von Ott & Co. in Schwäbisch Gmünd. Freilich konnte er sich nur kurze Zeit der Erfolge erfreuen, denn das Revolutionsjahr 1848 drückte das Geschäft auf den Nullpunkt herunter und brachte zahlreiche Verluste. Um so kräftiger blühte der Großhandel mit Goldwaren in den fünfziger Jahren wieder auf, und Wilhelm Müller nahm infolgedessen weitere Gmünder und Berliner Erzeugnisse zum Stein'schen und Ott'schen Lager hinzu. Als diese Lager zurückgezogen wurden, kaufte und verkaufte Wilhelm Müller nur noch für eigene Rechnung und erlangte dadurch volle Bewegungsfreiheit. Er unternahm zahlreiche Reisen zur Erweiterung des Kundenkreises, entzog sich aber dabei dem Zauber eines echten deutschen Familienlebens nicht, und was darüber in der Schrift

in den Handel mit Edelmetallwaren, von der auch das Haus Wilhelm Müller nicht verschont blieb. Die Verbindung mit den Württembergischen und Badischen Fabrikstädten war unterbrochen. Aber nach dem Friedensschluß lebte der Geschäftsverkehr wieder auf, und das Gleiche war in noch höherem Maße nach dem Kriege von 1870/71 der Fall, der einen Milliardentaumel über das geeinte Deutschland brachte.

Um sich zu entlasten, nahm Wilhelm Müller zwei seiner ältesten erprobten Mitarbeiter, Herrn Otto Mudra und Herrn Hermann Frank, als Teilhaber auf, sicherte aber im Gesellschaftsvertrag dem Sohn Oskar Maller ebenfalls den Eintritt als Teilhaber in das väterliche Geschäft. Oskar Müller verließ deshalb als Obersekundaner das Realgymnasium, legte eine kaufmännische Lehre zurück und arbeitete dann praktisch in Pforzheim, wo er später auch die Vertretung der Firma mit

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übernahm.

Nach seiner Rückkehr nach Berlin übernahm er die Führung des Silberlagers, und nachdem er sich 1882 in Pforzheim verheiratet hatte, trat er als Teilhaber in das Geschäft ein, das er, nach dem Ausscheiden Otto Mudras, mit dem Vater und Hermann Franke tatkräftig weiterführte. Zwölf Jahre standen die drei dem Geschäft vor, da folgte 1894 Wilhelm Müller seiner ihm im Tod vorangegangenen Ehefrau nach. Im Jahre 1898 wurde das jetzige Geschäftshaus in der Gertraudtenstraße erbaut und bezogen. Die Einrichtung einer groß angelegten Edelsteinabteilung hatte dem Geschäft neue Impulse gegeben. Der soziale Geist, der den Begründer auszeichnete, offenbarte sich in einer Marie Müller-Stiftung, die von Oskar Müller und seiner Schwester Frau Anna von Reclam zu einer Friedrich Wilhelm und Marie Müller-Stiftung ausgebaut und dazu bestimmt wurde, unschuldig in Not geratenen oder erkrankten Angestellten oder den Familiengliedern Beihilfen zu gewähren. Gelegentlich des 50jährigen Jubiläums wurde von Oskar Müller und Herrn Franke noch ein Pensionsfonds ins Leben gerufen.

Die Edelmetallindustrie hat in der Zeit des Bestehens der Firma Wilhelm Müller manche Wandlung erlebt. Oskar Müller schreibt darüber folgendes: Unser Fach mit seinem starken, kunstgewerblichen Einschlag hat in den 75 Jahren, die die Firma durchmessen hat, einen ungeheuren Umschwung durchgemacht. Bald waren die Naturformen, bald die geometrischen, dann wieder gezogene Charniere und Ringe, Kleeblatt, Halbmond und der Jugendstil tonangebend, die strengen

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