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Deutsche

Goldschmiede-Zeitun

DAS FACHBLATT DES GOLDSCHMIEDS

Leipzig

Sitten

Nachdruck aus dem Originalinhalt nur mit Genehmigung der Schriftleitung gestattet

Geschichte des kunstgewerblichen Exports.

Von Professor R. Rücklin.

itten und Geschmacksanschauungen der Barock- und Rokokozeit bedingten in den Wohnräumen einen starken Verbrauch an Bespannstoffen und Teppichen, im Kostüm einen solchen von Spitzen. Sowohl in den Rohstoffen, als auch in Fertigwaren fand ein lebhafter Handelsaustausch zwischen den Kulturvölkern, wie auch nach und von dem Orient statt in den genannten Textilien. So wurden geknüpfte Fußbodenteppiche in Italien damals vielfach benutzt, aber wohl kaum selbst erzeugt. Alle besseren Stücke, die man z. B. auf Bildern aus der Barockzeit findet, wurden offenbar aus dem Orient bezogen, hauptsächlich wohl aus Syrien und Kleinasien, aber auch aus Persien. Es scheint sogar, daß die heute noch in italienischen Sammlungen nicht seltenen Beispiele der sogen. Polenteppiche mehr für Europa, und nicht zum geringsten für Italien hergestellt wurden, als für den eigenen Bedarf des Orients. Der Name Polenteppich ist nur darauf zurückzuführen, daß diese Teppiche besonders viel nach Polen und von da in den letzten Jahrzehnten in den europäischen Handel gelangt sind. Man hat es hier also offenbar mit besonders für den europäischen Export gearbeiteten Erzeugnissen zu tun, wie dies bei Stoffen, welche europäische Gesandtschaften mitbrachten, manchmal eigens gesagt wird. Für kleiner gemusterte Stoffe traten Italien und der Orient vielfach in Wettbewerb miteinander. Die Erzeugnisse des Orients sind aber in dieser Zeit vielfach nicht nur in Werkstätten ausgeführt, die in italienischem Besitz waren, sondern sie arbeiten auch in italienischem Geschmack. Und wenn Italien schon im 14. Jahrhundert eine lebhafte Stoffausfuhr nach dem Orient unterhält, so ist das jetzt, in der Barockzeit, in noch viel höherem Maße der Fall. Selbst noch im 18. Jahrhundert, als der italienische Export nach den andern europäischen Ländern durch die aufsteigende französische Erzeugung und die anderer nördlicher Länder schon sehr zurückgedrängt war, führte Italien und vor allem Venedig, noch große Stoffmengen nach Konstantinopel und andern Orten des Orients aus. Dieser Warenaustausch und der Austausch der Geschmackseinflüsse ist schließlich ein so enger geworden, daß man z. B. bei den sog. Skutaridecken jener Zeit nicht mehr imstande ist, zu sagen, ob sie aus orientalischen oder italienischen Werkstätten stammen. In der Herstellung des Seidenmaterials selbst übertraf Italien, wenn man von einigen Spezialitäten Ostasiens absieht, alle andern seidenbautreibenden Länder, auch Kleinasien. Die beste Seide kam aus Piemont. Aus dem Jahre 1634 erfahren wir, daß Italien nach Frankreich die verschiedensten Arten von Gold-, Silber- und Seidenstoffen einführe, obgleich ja die Webekunst in Frankreich damals schon hoch entwickelt war. Frankreich seinerseits bekämpfte die italienische Weberei

7. Januar 1922

(Fortsetzung.)

mit allen Mitteln der Gewalt, der List und der ehrlichen Arbeit, um seine eigene Industrie zur überlegenen zu machen. Im Gegensatz dazu hat Spanien eine durchaus verfehlte Volkswirtschaft getrieben und viele seiner fleißigsten Elemente vertrieben urd zur Auswanderung genötigt. Da es aber aus seinen Kolonien immer noch einen starken Zufluß an Edelmetallen hatte, so war es im 17. und auch noch 18. Jahrhundert ein Hauptabnehmer französischer, niederländischer, englischer, deutscher und anderer Webwaren. Auch von Belgien ist aus dieser Zeit bekannt, daß es für die kostbareren Stoffe auf die Einfuhr aus Italien und später aus Frankreich angewiesen war. Auch kamen sicher ostasiatische Stoffe über Holland. Seidenmaterial wurde aus Italien und Spanien bezogen.

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Unter den nach und durch Holland eingeführten ostasiatischen Stoffen scheinen hesonders die Gazestoffe von Bedeutung gewesen zu sein. Doch werden auch andere ostasiatische Stoffarten öfters in alten Verzeichnissen erwähnt. Wenn solche Stoffe übrigens manchmal als indische" bezeichnet sind, so erklärt sich das daraus, daß viele ostasiatische Stoffe zunächst erst nach Indien und von da aus nach Europa gelangten, und von den Händlern deshalb die Bezeichnung „Indische Stoffe" erhielten, wie man heute etwa von Smyrnateppichen spricht, weil Smyrna der Stapelplat dafür ist. Aus Ostasien kamen auch die heute dort noch beliebten Webereien (bemalten oder patronierten Arbeiten), bei denen einzelne Stellen durch Seidenstickerei gehöht waren. Besonders wichtig war aber die Einfuhr bedruckter und bemalter indischer und ostasiatischer Stoffe. Die Einfuhr nach Frankreich eben über Holland war zeitweise so groß, daß sowohl unter Ludwig XIV., wie unter Ludwig XV. widerholt strenge Absperredikte erlassen worden, weil sich die französische Textilindustrie dem Wettbewerb dieser billigen ausländischen Erzeugnisse nicht gewachsen fühlte. Die Holländer ihrerseits ahmten nicht nur ostasiatische Druckstoffe im Inlande nach, sondern sie ließen Stoffe mit europäischen Mustern auf eigene Rechnung in China anfertigen, das in der Lage war, mit konkurrenzlos billigem Material und ebenso billigen Arbeitskräften zu arbeiten. Man erkennt solche Arbeiten an eigentümlichen Verzerrungen und an dem unwillkürlichen Durchschlagen ostasiatischer Formenempfindungen.

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Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die hier behandelte Zeit einen außerordentlichen Verbrauch an Spitzen gehabt hat. In einem Spitzenbuch (Züricher Spitzenbuch von Froschower) dieser Periode finden wir die Anmerkung, daß in Klöppelarbeit ausgeführte Spitzen und Einsätze erstmalig im Jahre 1536 durch die Kaufleute aus Venedig und Italien nach Deutschland gebracht wurden. In Italien wurde allenthalben, namentlich aber

in Genua und Mailand, für den Export geklöppelt. Überhaupt ist die Barockspitze im Großen und Ganzen eine Schöpfung der italienischen Industrie, besonders der venezianischen; sie nimmt eine außerordentlich wichtige Stellung sowohl im künstlerischen, als im wirtschaftlichen Leben Italiens ein und zeitigt eine Ausfuhr in gewaltigem Umfang, bis der Wettbewerb des aufstrebenden Frankreich auch hier einsetzt. Neben der italienischen hatte die flandrische Spitzenerzeugung eine große Bedeutung, namentlich was die geklöppelte Spitze anbelangt.

Darum ließ auch der französische Handelsminister Colbert, nachdem er zuerst venezianische Näharbeiterinnen berufen hatte, noch niederländische Klöpplerinnen kommen, um so die französische Spitzenerzeugung durch bessere Schulung zu heben, und von der fremdländischen Einfuhr unabhängig zu machen. Einer der Hauptorte der flandrischen Spitzenerzeugung scheint Antwerpen gewesen zu sein, das hauptsächlich für Holland arbeitete.

n

Eine sehr große künstlerische, aber auch wirtschaftliche Bedeutung hat in Frankreich die Kunstweberei erlangt. Noch im 16. Jahrhundert war sie nur geringfügig. Es waren zwar in Tours und Lyon mit Hilfe von herbeigerufenen Italienern Industrien begründet worden, die sich aber zunächst nicht so recht zu entfalten vermochten. Trotz der Bemühungen Heinrich IV. und Ludwig XIII. mußte Frankreich bis über die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus die kostbareren Stoffe aus Italien beziehen, wenn auch Tours einige Stoffsorten nach Spanien und Italien ausführte. Mit der volkswirtschaftlichen Tätigkeit des Königs Ludwig XIV. und Colberts beginnt der große Aufschwung der französischen Kunstweberei, und in der Rokokozeit steht Frankreich in der eigentlichen Weberei an der Spitze aller Länder, und zwar hat auf dem Gebiete Lyon die unbedingte Vorherrschaft. Für den Export nach dem Auslande war damals die Weberei vielleicht überhaupt die wichtigste Industrie Frankreichs. Ein zeitgenössischer Schriftsteller sagt einmal in bezug hierauf: Die deutschen Fürsten, so prachtvoll in ihrer Bekleidung, verwenden keine andern Stoffe als die von Lyon." Neben Lyon wären in der Weberei jener Zeit auch noch Paris und Tours zu nennen. Lyon war übrigens auch in der Färberei führend. Daher wurde, in Lyon sehr viel ausländisches Material besonders Seide aus Spanien und Italien - verarbeitet. Um die gleiche Zeit, im späteren 17. Jahrhundert, entwickelte sich in Frankreich auch die Fabrikation der bedruckten Stoffe, und zwar zunächst im Wettbewerb mit den massenhaft eingeführten indischen, persischen und ostasiatischen Stoffen. Diese Einfuhr wurde, um die einheimische Stoffindustrie zu schützen, wiederholt streng verboten. Im Jahre 1759 wurde sie dann freigegeben, und zwar mit Rücksicht auf ihren billigen Preis bei verhältnismäßig reicher Ausstattung, der sie den minderbemittelten Klassen unentbehrlich machte. die Stellung der französischen Textilindustrie um die Mitte des 18. Jahrhunderts ist eine Stelle des zeitgenössischen, volkswirtschaftlichen Schriftstellers Savary kennzeichnend, wo derselbe in bezug auf Italien sagt: „Es ist bemerkenswert, daß die Italiener, wenngleich Frankreich

Für

den größten Teil seines Seidenmaterials aus diesen Ländern bezieht, und in allen Städten Italiens ebenso schöne Gold-, Silber- und Seidenstoffe erzeugt werden, wie in Frankreich, daß, sage ich, die Italiener dennoch die französischen Manufakturen ihren eigenen vorziehen, und daß die Fürsten und Großen Italiens nicht gut gekleidet zu sein glauben, wenn sie ihre Stoffe nicht aus Tours, Lyon oder Paris bezogen haben."

Obgleich also Italien die Materialerzeugung beherrschte, hatte Frankreich in der Warenproduktion die Vorhand. Frankreich hatte eben die Vorherrschaft in der Mode an sich gerissen und brachte immer die neueren Muster. Die Neuheit des Musters war damals schon wie heute noch eine der schärfsten Waffen im Konkurrenzkampfe des kunstgewerblichen Exports. Sogar im Levantehandel, seiner eigentlichen Domäne, herrschte Italien nicht mehr allein. Wenigstens sagt der oben angeführte Schriftsteller, an einer Stelle, wo er von der Stoffausfuhr aus Italien nach Konstantinopel spricht: "Hauptsächlich sind es die Florentiner Satins, die Venezianer Tabis und Damaschette mit oder ohne Goldblumen, die geblümten Brokate mit Gold- oder Silberfäden und die geblümten Genueser Samte. Genueser Samte. Obgleich alle diese Stoffe ihre alten Namen bewahren, ist doch ein Großteil von ihnen in Lyon, Tours, Amsterdam und London erzeugt, und man verkauft sie den türkischen Kleidermachern oder den armenischen Kaufleuten als echt venezianisch oder echt genuesisch.

Mit dem Aufgeführten ist das reiche Bild des kunstgewerblichen Austausches in der Barock- und Rokokoperiode längst nicht erschöpft. Neben den Import von Porzellan- und Textilwaren aus Ostasien stellt sich der Einfuhrhandel von dort von Lackmöbeln und lackierten Geräten, von denen die chinesischen für besser, die japanischen für billiger galten. Auch sie wurden fast ausschließlich über Holland eingeführt und erzeugten, wie das Porzellan, den leidenschaftlichen Wunsch, diese seltsamen Kunstwerke nachahmen zu können. Um die Erforschung der Lackzubstanz erwarb sich der holländische Gelehrte Hugens viele Verdienste; in der Herstellung von Lackarbeiten überragte bald Frankreich die übrigen Länder und drängte dadurch, gegen das Ende des 18. Jahrhunderts, die ostasiatische Einfuhr stark zurück. Für Deutschland, besonders für Preußen, bildete Bernstein damals einen starken Exportartikel, der bis in die Türkei, selbst nach China und Persien ging, und für den Preußen das Rohstoff-Monopol hatte. Auch in Goldund Silberschmiedearbeiten exportierte Deutschland, sowohl nach Frankreich und England, als auch namentlich nach Rußland. Bis in das zweite Viertel des 18. Jahrhunderts hinein blühte besonders das Augsburger Silberschmiedehandwerk und war weithin als leistungsfähig bekannt. Kleinere Galanteriegegenstände, wie Dosen, Stockknöpfe u. dgl., kamen fast ausschließlich aus Frankreich. Aber Friedrich der Große verbot im Jahre 1740 die Einfuhr von französischen Dosen und Galanteriewaren nach Preußen, und zog fremde, namentlich französische, Goldschmiede dafür nach Berlin, so daß bald von da aus Deutschland mit solchen Waren versorgt werden konnte. (Fortsetzung folgt.)

Ein Ausländer über den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas.

Wir haben aus den vorhergehenden Ausführungen ge

sehen, daß der Wiederaufbau Europas sich eigentlich um die Interessengemeinschaft Englands, Deutschlands und Rußlands drehen muß. Ich habe absichtlich vermieden, Beispiele anderer Nationen heranzuziehen, weil ich nicht die Absicht habe, mit Freund oder Feind Aus

(Schluß.)

einandersetzungen zu haben, welche sich auf Gebieten bewegen, die nahe an persönliches Empfinden rühren. Wir wollen aber auch den großen Welthandel nicht vergessen, wie er ebenfalls zum wirtschaftlichen Wiederaufbau von größter Bedeutung ist. Außer der enormen Produktivkraft Sibiriens, die der deutschen Industrie die

.

so nötigen Rohstoffe liefert, würden noch Indien, Südund Zentralamerika und Australien zu nennen sein. Ich sehe davon ab, die Möglichkeiten betr. die Vereinigten Staaten nochmals zu beleuchten. Es dürfte den wenigsten Fabrikanten bekannt sein, daß gerade Indien ein großes Interesse zeigt, deutsche Waren zu kaufen. Nach den mir zugehenden Berichten und täglich einlaufenden Anfragen öffnet sich hier ein Feld, welchem man das größte Augenmerk zuwenden sollte. Man hat vielfach englische Waren boykottiert und fragt nach solchen mit dem Aufdruck Made in Germany. Indiens Läger an Rohprodukten sind ebenfalls sehr enorm. Australien mit seinen Lägern an Wolle ist ein anderer Faktor, der auf den europäischen Wiederaufbau mit einwirken muß, zumal sich die australische Regierung jetzt zu entschließen scheint, auch den deutschen Fabrikaten wieder die Tore zu öffnen. Die Wollager Australiens sind so groß, daß selbst bei ganz normaler Bezugskraft die Welt das an alten Lägern aufgesammelte Material nicht rasch genug abnehmen kann, um die neue Schur auf den Markt bringen zu können. Bedenken wir den Mangel an Wolle in Deutschland, so müssen wir diese ungleiche Verteilung quasi als ein Unglück für die deutsche Industrie bezeichnen. Weitere Länder, die Europa mit Rohmaterialien versehen können, sind Südamerika, teilweise auch Zentralamerika. Kurz, wohin wir auch blicken, überall das gleiche Bild- ungeheure Ansammlungen von Rohstoffen, aber kein Absatz infolge von Valutaspekulationen und Valutaunterschieden. Aber auch hier läßt sich ein Ausweg schaffen und dieser muß von deutscher Seite erfolgen, da Deutschland mehr als jede andere Nation Interesse hat, diese Rohstoffe zur Aufrechterhaltung seiner Industrie heranzuziehen. Dieser Ausweg ist die Wiederaufnahme des früheren Tauschhandels. Um ein Beispiel zu bringen, will ich annehmen, daß eine indische Firma einen großen Posten Rohhäute liegen hat. Seit Monaten schon liegen diese Häute aufgestapelt und bedeuten ein ungeheures Kapital, was sich nicht nur nicht verzinst, sondern welches sich in Wirklichkeit verringert. Der Indier hat sein ganzes Vermögen in den Häuten festliegen und ist vielleicht längst schon gezwungen gewesen, Darlehen aufzunehmen, welche er sehr hoch verzinsen muß; er möchte unter allen Umständen seine Häute verkaufen. Er kann es aber nicht, weil sein deutscher früherer Abnehmer solch schlechte Valuta besitzt, daß er einfach nicht kaufen kann. Der gute Wille zum Geschäft ist beiderseits da, aber man steht vor scheinbaren Unmöglichkeiten. Die Lösung wäre zu finden, indem der Indier seine Häute, sagen wir, nach Hamburg sendet und sie hier in treuen Händen einer Bank halten läßt. Um eine Basis zu schaffen, wird der Posten im Werte von x Pfundsterling Gold angenommen und der Verkaufspreis zu 20 Mark Gold das Pfundsterling umgerechnet. Es werden nun von deutschen Gerbern und Häutehändlern einzelne Posten abgenommen und die Zahlungen in Mark Goldwert bei der Bank deponiert. Der indische Häutehändler hat aber gleich von Anfang an unter seinen Freunden und Geschäftsbeziehungen umgefragt, welche deutsche Waren sie kaufen wollen, und er unternimmt es für diese, Aufträge auf deutsche Fabrikate zu plazieren, die sicherlich gern angenommen werden, da er in Deutschland über einen Goldkredit verfügt. Auf diese Weise wird es beiden Teilen leichter, Werte zu realisieren.

Um diesen Plan auszuführen, bedarf es entweder einer besonderen Bank, oder eines aus mehreren Banken oder Großindustriellen bestehenden Syndikats, das nicht nur eine Zentrale in Deutschland unterhält, sondern in

den Teilen der Welt, die speziell für diesen Tauschhandel in Frage kommen, Filialen errichten muß, oder zum wenigsten Agenturen bei bereits bestehenden Lokalbanken zu eröffnen hat, um das außereuropäische Geschäft in jeder Weise kontrollieren zu können. Dieses Syndikat müßte ein ziemlich bedeutendes Kapital gezeichnet haben, ohne jedoch die Einzahlung desselben zu benötigen, da es ja keine Kapitalgeschäfte macht, sondern nur Kreditverrechnungen vornimmt. Seinen Verdienst zieht das Syndikat aus einer Umsatzprovision. Ich bin gern bereit, an anderer Stelle über dieses Projekt nähere Auskunft zu geben.

Wir haben gesehen, in welcher Weise wir Möglichkeiten besitzen, an dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas zu arbeiten und wir haben die Hauptpunkte herausgezogen, die alle dahin deuten, daß bei sicherer Steuerung auf das allgemeine Ziel hin es nicht nur möglich, sondern höchst wahrscheinlich ist, das europäische Gleichgewicht durch den Einfluß des Großhandels wieder herzustellen. Wir dürfen es uns aber auch nicht verhehlen, daß sehr viel von deutscher Seite gesündigt und so mancher Hemmschuh angelegt wird, was leicht verhütet werden könnte, wenn man großzügigere Handelspolitik treiben würde und sich nicht beengen ließe durch kleintiche Erwägungen. Wer die ellenlangen Listen von Fragen durchgelesen hat und weiß, welcher Apparat in Szene gesetzt werden muß, um ein Dutzend Puppen nach dem Ausland zu senden, der wird begreifen, warum das Auslandsgeschäft so erschwert ist. Es ist doch längst erwiesen, daß Deutschland nur durch unendlich gesteigerten Export wieder hochkommen kann. Heute ist der exportierende Fabrikant zu sehr der Willkür solcher Schemen und Institutionen ausgesetzt. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die deutsche Kaufmannschaft geschlossen vorgehen würde, um diesem Übel abzuhelfen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einen Fingerzeig für deutsche Fabrikanten und Exporteure anfügen bezüglich der Spedition von Waren. Ich habe diesen Punkt schon oft berührt, aber es kann nicht genug betont werden, wie wichtig das Kapitel Spedition ist. Die meisten Fabrikanten beauftragen ihren Spediteur, sagen wir, eine Sendung nach Buenos Aires abzuholen, was schließlich geschieht, nachdem sie den Spediteur 8-10 mal angerufen haben. Damit sollte eigentlich die Sorge des Fabrikanten enden. Wenn Sie aber wüßten, wieviel große Geschäfte durch mangelhafte Spedition zerschlagen worden sind, so würden Sie alle in Zukunft eine weit strengere Kontrolle über ihre Spediteure ausüben lassen. Der größte Zeitverlust entsteht in den Umladeplätzen und speziell in den Häfen. Ich will gar nicht etwa die deutschen Spediteure allein tadeln. Nein, ich habe seit 21 Jahren ganz kuriose Erfahrungen auch mit englischen Spediteuren gemacht, und es ist gar nicht selten, daß Waren in kleineren Häfen, wie Hull, Newcastle usw., viele Wochen liegen, ehe man sie weitersendet. Unlängst lag eine Anzahl Klaviere in Hull von April bis Anfang August, und der Empfänger soll dem Irrenhaus nahe gewesen sein, ehe er seine Instrumente bekam, für die er nebenbei gesagt, Kasse und Order bezahlt hatte, also noch mit einem Zinsverlust von März bis August rechnen mußte. Die Ursache dieses Übels mögen wohl zunächst Transportschwierigkeiten infolge Eisenbahnwaggons- und Schiffsmangel sein, aber ich habe mehrere Dutzend dieser Fälle persönlich untersucht und gefunden, daß es oft Mangel an Kenntnis war. Es sind eben nach dem Kriege so viele neue Speditionsfirmen entstanden, die wenig oder keine Erfahrung haben, oder alte Firmen waren gezwungen, DEUTSCHE GOLDSCHMIEDE-ZEITUNG Nr. 1

neue Leute einzustellen, daß die ganze Speditionsmaschi-
nerie aus der Fasson kam. Also ich rate den Herren
Fabrikanten, nicht nur mit guten und bekannten Firmen
zu arbeiten, sondern ihre Waren auch, soweit es geht,
bis an den Bestimmungsort zu kontrollieren. Das kann
leicht dadurch geschehen, daß der Spediteur zu berichten
hat, wann die Sendung in dem Verschiffungshafen ein-
traf, wann und mit welchem Dampfer sie weiterging
und wann sie am Ziele ankam. Wenn die Spediteure
wissen, daß man ihnen nicht blindlings die Waren über-
gibt, sondern eine gewisse Kontrolle ausübt, dann werden
sie auch vorsichtiger werden.

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Wir kommen nun zum letzten Punkte, und zwar zu
dem mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas so
eng verknüpften Kapitel der Reparationszahlungen. Seit
einiger Zeit gehen Gerüchte durch die Presse, daß
England und die Vereinigten Staaten auf jede Zahlungen
verzichten wollten. Der Gedanke ist gut und wäre eine
schöne Lösung des Wirrwarrs, in dem wir uns alle be-
finden. Daß er ausführbar ist, ist sicher, ob er aber
ausgeführt wird, entzieht sich noch unserer Beurteilung.
Dies hängt lediglich davon ab, ob man sich in England
oder in den Vereinigten Staaten über alle Parteipolitik
emporschwingen kann. Lesen wir den Manchester
Guardian", so sieht der Plan leichter aus; lesen wir
aber die „Daily Mail“, dann wird er hoffnungslos. Darum
wollen wir den Mittelweg wählen und auf einen guten
Mittelweg rechnen. Wir wissen, die Vereinigten Staaten
ersticken im Gold und England ruiniert seine Industrie
durch die deutschen Reparationszahlungen. Frankreich
ist insofern besser daran, als es erstens lange keine so
stark entwickelte Industrie wie England hat, und zweitens
haben gerade seine Industriebezirke durch den Krieg
schwer gelitten. Dadurch wirkt die Massenzufuhr deutscher
Waren mildernd auf die Bevölkerung, ohne schädigend
für die Industrie zu sein. In England liegt es jedoch
ganz anders, und noch 2-3 Monate, wie die letzten
4 bis 6 Monate es waren, und England wird es be-
grüßen müssen, wenn Deutschland überhaupt nichts
mehr zahlen kann. Aber nicht allein direkt wirken die
deutschen Reparationszahlungen auf die englische In-

dustrie lähmend, sondern auch indirekt, indem deutsche

Waren auf internationalen Märkten der englischen Kon-

kurrenz den Rang ablaufen. Darum haben wir auch

englische Staatsmänner in letzter Zeit den Rat erteilen

hören: Cut the loß and be done with, d. h. sehr frei

übersetzt: Machen wir einen großen Strich und fangen

wir neu an!

Ich weiß nicht, ob ich mit meinen Ausführungen meinen

Zweck erreicht habe, denn es war sehr schwer, in De-

tails einzugehen, da die Grenze, welche zwischen National-

politik und Wirtschaftspolitik zu ziehen ist, uns oft auf

beiden Seiten zu sehr auf Gebiete zieht, die wir nicht

betreten dürfen oder betreten wollen. Ich möchte aber

nur noch einmal meine Auseinandersetzungen inhaltlich

zusammenfassen und erkläre ganz positiv, daß ich an

einen Zusammenbruch Deutschlands oder Europas nicht

glaube. Es kann ein deutscher Bankrott kommen, aber

kein Zusammenbruch. Der Unterschied erklärt sich daraus,

daß in der folgenden internationalen Gläubigerversamm-

lung die Vernunft siegen wird. Der Vertrag von Ver-

sailles, der Erlaß betr. Oberschlesien, sind künstlich auf-

gebaute Produkte internationaler Juristerei und in Mo-

menten entstanden, die wohl zu solchen Resultaten

führen mußten. Aber wir leben heute schneller denn

je, und schon morgen können Momente kommen, die

die gestern stipulierten Regulierungen unmöglich machen.

Ich bleibe fest auf meinem Standpunkte, daß die Suppe

lange nicht so heiß gegessen wird, als man sie serviert.

Ich habe die feste Überzeugung, daß nach einiger noch

notwendiger Klärung der Dinge eine neue Aera be-

ginnen wird und daß der wirtschaftliche Wiederaufbau

Europas uns allen noch einmal geordnete Staatsverhält-

nisse bringen wird. Lassen wir alle an diesem Werke

mithelfen, aber lassen wir uns durch kleinliche Partei-

politik nicht zersplittern, sondern haben wir nur das eine

große Ziel im Auge, ein besseres Europa zu gründen.

Ich bin persönlich überzeugt, es wird in der Form einer

Interessengemeinschaft England-Deutschland-Rußland

kommen, und es sind auch bereits genügend Anzeichen

am Horizont, daß die Dinge nach dieser Richtung hin

sich zu entwickeln beginnen.

A.: Die Herstellung des Drahtes.

raht nennt man im allgemeinen jene Form der dehn-
baren Metalle, welche bei großer Länge einen gerir gen
Querschnitt aufweist. Man stellt für gewöhnlich Eisen-,
Stahl-, Silber-, Gold-, Kupfer-, Messing-, Tombak- und
Neusilberdraht, für besondere Zwecke auch Platin-, Alu-
minium-, Magnesium-, Zinn-, Zink- und Bleidraht her.
Die Herstellung des Drahtes erfolgt im allgemeinen
durch Ziehen, bei stärkeren Sorten durch Walzen, bei
Blei- und Zinndraht durch Pressen. Die Ziehbarkeit der
Metalle, d. h. ihre Fähigkeit, sich in Draht verwandeln
zu lassen, ist in absteigender Reihe die folgende: Gold,
Silber, Platin, Eisen, Kupfer, Zink, Zinn, Blei, Nickel.

Die Herstellung des Drahtes beginnt mit dem Gießen
der Drahtplanche, d. h. mit dem Herstellen eines Metall-
stückes, welches handlich und werkgerecht geformt ist,
um zu Draht verarbeitet werden zu können.
massiven Draht, der aus einer gleichmäßigen Masse oder
Legierung besteht und doublierten Draht (Doublédraht), der
aus einem Kern von geringem Metall und einem auf-
geschweißten Überzug von hochwertigem Metall sich zu-
sammensetzt. Endlich gibt es auch hohlen Draht oder
Charnier. Um eine zweckmäßige Werkform für die Draht-
herstellung zu erhalten, gießt man das fertig geschmolzene

"

von Unedelmetall (Kupfer, Tombak, Bronze) herumgelegt in irgendeiner der üblichen Legierungen und Feingehalte. Dieses umwickelte Kernstück wird mit eisernen Preßbacken umgeben und das Ganze in einem Glahofen bis auf die zum Schweißen notwendige Temperatur erhitzt. Die Prefbacken sind so eingerichtet, daß sie, in einer geeigneten Matrize in einer hydraulischen Presse eingespannt, einen allseitigen Druck auf das Kernstück ausüben. Dadurch tritt eine vollständige Verschweißung des Kernes mit dem umgebenden Golde ein. Eine andere Art, welche mit einem runden Metallkern arbeitet, befestigt die Goldhalle, indem sie dieselbe samt dem Kern durch einen Ziehring zieht, und schweißt nachher.

Solcher doublierter Draht wird unmittelbar zu weiterer Verarbeitung in die Walze gebracht. Goldner, silberner und kupferner massiver Draht wird vorher noch geschmiedet. Das Schmieden kann von Hand oder mit einem hydraulischen Hammerwerk vorgenommen werden. Es muß dabei die ganze Oberfläche gleichmäßig gehämmert werden, um sie dicht und gleichmäßig zu machen. Jede Ungleichmäßigkeit macht sich später beim Walzen in vergrößertem Maße bemerkbar.

Nunmehr folgt das Walzen des Drahtes. Die Walzenrollen für das Drahtwalzen sind mit eingedrehten Riefen versehen; in jede Walzenrolle ist die Hälfte des für den Draht beabsichtigten Querschnittes eingraviert, so daß die obere und die untere Kerbe zusammen jeweils eine stumpfviereckige Öffnung bilden. Diese Riefen sind genauestens ausgeschliffen und poliert. Die ganze Fläche der Walze ist mit Riefen bedeckt, die von der einen Seite zur anderen fortlaufend kleiner werden. Die stangenförmige Drahtplanche wird, geschmiedet und geglüht, in eine entsprechend große Kerbe oder Riefe eingeführt; ist der Draht durch die erste Riefe hindurchgewalzt, was gewöhnlich mehrere Male geschehen muß, so folgen die kleineren, bis die gewünschte Drahtstärke erreicht ist. Vor allem muß man dabei die Entstehung eines Grates sorgfältig verhüten. Zu diesem Zweck dreht man den Draht erst jedesmal um, ehe man ihn erneut durch die Walze laufen läßt. Bildet sich trotzdem ein solcher Grat aus, so muß er sofort durch Abfeilen oder Abscheren entfernt werden. Unter keinen Umständen darf man weiterwalzen, wenn einmal ein Grat entstanden ist, weil sonst das Material absplittert und der Draht unbrauchbar wird. Besonders bei Doublé muf das Entstehen eines Grates mit größter Sorgfalt

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verhütet werden.

Zur Anfertigung von Eheringen gebraucht man starken Draht von oben halbkreisförmigem, unten flachem Querschnitt. Zur Herstellung desselben hat man eine besondere Eheringwalze konstruiert, welche den Draht gleich in dem gewünschten Querschnitt liefert. Dieselbe hat verschiedene Walzenrollen, von denen die obere halbkreisförmige, von der einen Seite zur andern kleiner werdende Einkerbungen trägt, während die untere glatt ist. Mit dieser Walze kann man Draht walzen, welcher sofort zu Eheringen verarbeitet werden kann.

Die Querschnitte der Trauringreifen sind je nach Wunsch und Mode verschieden. Man unterscheidet die halbrunde Form, bei welcher der Querschnitt einen Halbkreis darstellt, die gewölbte und die flache Form, bei, welcher ein mehr oder weniger hoher Kreisabschnitt zugrunde liegt, und die flachgewölbte Form, bei welcher die Krümmung zunächst steil ansteigt, und eine flache Oberlinie hat. Die Breite des Trauringdrahtes wechselt von 3 zu 10 mm.

Durch das wiederholte Durchlaufen durch die Walze wird der Draht, je nach dem Metall, aus dem er be

steht, spröde und hart. Er muß aber durch Glühen wieder geschmeidig gemacht werden. Als Regel für das Glühen des zu walzenden Metalles gilt, daß Legierungen bis zu 700/000 Feingehalt Gold vor dem Walzen, sowie während desselben geglüht werden müssen. Legierungen von 700/000 Feingehalt Gold aufwärts darfen vor und während des Walzens nicht geglüht werden. Es kommt dies davon her, daß Gold von diesem höheren Feingehalt weicher und dehnbarer ist, als geringeres, und daß es durch das Walzen ohne Glühen eine größere Dichtigkeit und Geschmeidigkeit erhält. Für Silberlegierungen gilt diese Regel nicht. Soweit der Draht während des Walzens geglüht werden muß, kann man als Regel annehmen, daß man jedesmal wieder glüht, so oft der Draht um einen Millimeter im Durchmesser heruntergewalzt wurde.

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Die Walzen werden meist aus sogen. Krupp'schen Goldwalzenstahl hergestellt, und glashart gehärtet. Sie sind auswechselbar aufmontiert. Für die Bearbeitung von Doublédrähten werden sie mit den eingravierten Riefen in glanzpolierter Ausführung geliefert. Für Ketten- und Ringfabriken, welche häufig faconierte Drähte mit eingewalztem Muster gebrauchen, werden die Drahtwalzen so geliefert, daß das Muster in die Riefe gleich eingraviert ist.

Die Walzenrollen sind entweder auf einem vierfäßigen Ständer oder auf einem Säulenfuß aufmontiert und entweder für Handantrieb mit einer oder zwei Kurbeln (Triebel) eingerichtet, oder bei größeren Anlagen für Riemenantrieb oder auch für direkten elektrischen Antrieb mit eingebautem Elektromotor gebaut. Eine besonders zweckmäßige Drahtwalze für Handbetrieb ist für zwei verschiedene Geschwindigkeiten eingerichtet. Sie besitzt ein innenverzahntes Vorgelege, also eine Übersetzung. Die Welle dieses Vorgeleges befindet sich in der Kopfplatte des Säulenfußes. Die Antriebskurbel läßt sich nun abwechselnd auf die Vorlegewelle aufstecken oder auf den Zapfen der unteren Rolle. Sollen dicke Drähte heruntergewalzt werden, so steckt man die Kurbel auf die Vorlegewelle. Dadurch wird die Übersetzung eingeschaltet, und man kann langsam, aber mit großer Kraftentfaltung arbeiten. Beim Übergang auf die kleineren Riefen wird die Kurbel auf den Zapfen der unteren Rolle gesteckt, wodurch sich die Übersetzung ausschaltet, und die dünneren Drähte mit wesentlich erhöhter Geschwindigkeit gewalzt werden können.

Beim Drahtwalzen ist es sehr wichtig, daß die Walzenlager genau in Ordnung sind und ein ruhiges Laufen der Walzen gewährleisten, sowie daß die Riefen genau aufeinander laufen. Ist das nicht der Fall, so kommt es vor, daß der durch die Walze laufende Draht „umfällt", d. h. umkippt, oder daß seine Durchschnittsform während des Walzens sich verschiebt und scharfe Gräte entstehen. Derartige verdorbene Drähte reißen beim Ziehen regelmäßig ab.

Auf der Drahtwalze kann der Draht nur bis zu einer gewissen Feinheit etwa bis 0,81 mm Durchmesser, gewalzt werden. Auch ist die Anzahl der möglichen Querschnitte sehr beschränkt. Zu weiterer Umformung und Bearbeitung wird der Draht deshalb durch ein. Zieheisen gezogen. Die Zieheisen sind länglich-viereckige Platten von gehärtetem Stahl, die mit reihenweise angeordneten Löchern oder Durchbrüchen von abnehmender Größe versehen sind. Diese Öffnungen sind nicht zylindrisch, sondern in der Form eines doppelten Konus angelegt, dessen engste Stelle dem Querschnitt des Drahtes nach dem Ziehen entspricht. Da die Zieheisen sehr stark in Anspruch genommen werden, muß

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