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Starras 4-3-28 16505

Deutsche Goldschmiede Zeitung

Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt verboten

1. Januar 1918.

Zu

Wege und Ziele an der vierten Kriegsjahreswende.

'uvor allen unseren Geschäftsfreunden, alten und neuen
Lesern und Leserinnen die

besten Glückwünsche zum Jahreswechsel. Treudeutsche Grüße fügen wir hinzu für alle, welche berufen sind, in unserem schönen Gewerbe in Werkstatt und Büro, Schule und Laden, Fabrik und Schleiferei zu schaffen und zu wirken. Diese deutschen Grüße klingen auch hinüber zu den verbündeten Kampf- und neutralen Leidensgefährten, und sie machen nicht halt vor den blutgetränkten Grenzen dort, wo kampfmüde, von gewissenlosen Machthabern irregeleitete Völker uns die Hand zu ehrenvollem Frieden bieten.

D

Dort werden auch wir auf dem Plan sein, wenn es gilt alle schweren Wunden zu heilen und unser Exportgeschäft mit neuem Unternehmungsgeist wieder aufzubauen.

Deutschland in der Welt voran!

Ist dieses Wort im Verlaufe des Weltkrieges etwa Lügen gestraft worden? Nein, ohne Überhebung dürfen wir behaupten, daß es wahrer, inhaltsreicher geworden ist und daß es fortan unser vornehmstes Ziel kennzeichnet. Wenn das Weltenschicksal über die eifern den Widersacher hinweggeschritten sein wird, wozu es bereits auf dem Wege ist, wenn der Völkerfrieden die Menschheit nicht nur im Osten, sondern ringsum erlöst haben wird, dann werden auch die erbittertsten Feinde aufhorchen und Deutschland in seiner wahren Gestalt erkennen. Kein Wirtschaftskrieg wird eine neue Blüte unseres Exporthandels verhindern können, und wir werden unseren Fabrikanten und Exporteuren immer die hilfsbereite Hand zu der notwendigen Werbearbeit bieten. Zunächst wieder mit drei Nordlands-Nummern am 9. Februar, 23. Februar und 9. März,

als bewährte Pioniere für die Geltung deutscher Edelmetallerzeugnisse auf dem holländischen, dänischen, schwedischen und norwegischen Markte.

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Der großen uns bevorstehenden Weltarbeit stellen wir die Sorge für die heimische Ertüchtigung dazu ebenbürtig

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zur Seite. Übergangswirtschaft, Neuorientierung, Wahrnehmung der Interessen aller Zweige unseres Gewerbes gönnen uns keinen Augenblick beschaulicher Ruhe. Wir nennen nur die Diamantenfrage, die Beobachtung der rüstenden ausländischen Konkurrenz, die Durchdringung der deutschen Schmuckindustrie mit allgemeiner künstlerischer Vorbildung. Unsere bisherigen Veröffentlichungen in diesen für die Zukunft unseres Gewerbes überaus schwerwiegenden Fragen bilden ein Programm, dessen Durchführung wir zielbewußt fortsetzen werden.

Über den großen Gesichtspunkten vernachlässigen wir keineswegs die vielen Einzelwege, welche zum vollendeten Aufbau des Ganzen führen. Wir werden fortfahren, alle Neuordnungen und Absichten der Gesetzgebung in ihrer Anwendung auf den Geschäftsverkehr zu erläutern, alle von staatswegen notwendigen Maßnahmen zu fordern, alle schädlichen Einflüsse und Bestrebungen zu bekämpfen; die für den Fachmann durch die Zeitverhältnisse notwendig werdenden technischen Maßnahmen und Neuerungen werden wir nach dem Stande der Wissenschaft und Praxis dar steilen; den im Kampf um die Heimat beschädigten Fachgenossen, den jungen und aufstrebenden Kräften werden wir mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Auf diese und viele andere Fachinteressen sind An

zeigen, Abbildungen, Abhandlungen und Notizen unserer Zeitschrift berechnet. Darüber hinaus bieten wir dem Aestheten, Künstler, Historiker und selbst Politiker in unseren Kreisen neben dem Fachmann des Neuen, Wissenswerten und Unterhaltenden genug, um ihnen allen unsere Zeitschrift zu einer fesselnden und notwendigen Lektüre zu machen.

Solche Wege sind schwierig und unsere Ziele groß! Ob wir sie unter dem Bann des Krieges als gute Führer verfolgt haben, das mögen unsere Abonnenten beurteilen, die sich immer zahlreicher um uns scharen. Im neuen Jahr, in endlich winkender Friedenszeit an der Spitze zu bleiben, wird unsere Aufgabe, unser Wille sein. Freunde und Leser, wollt Ihr mitarbeiten und helfen beim Wohl und Wehe der deutschen Goldschmiedekunst, dann

Willkommen!

Um die Zukunft der deutschen Diamantschleiferei.

Hanau und Idar treten auf den Plan.

In der Vollsitzung der Handelskammer für das Fürstentum Birkenfeld in Idar, welche am 19. Dezember stattfand, wurde folgende Entschließung gefaßt:

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Diamantschleifereien und deren Entwicklungsmöglichkeiten, welche auch wir nicht verkennen, fordert dagegen die von Dr. Eppler in seinem Buche in auffälliger Weise betriebene Propaganda für die von ihm begründete Crefelder Diamantschleiferei den ernstesten Widerspruch der bereits in Deutschland bestehenden Diamantschleifereien heraus Vor allem muß Widerspruch erhoben werden gegen die Art und Weise, wie Dr. Eppler die noch ganz in ihren ersten Anfängen steckende Crefelder Diamanschleiferei mit offenkundiger Absicht in den Vordergrund zu rücken sucht, und wie er Crefeld als dem für die Zukunft deutscher Diamanschleifereien und deutscher Diamantindustrie gegebenen Zentrum das Wort redet, indem er

die schon seit Jahren in Hanau und Idar bestehenden Diamantschleifereien und deren Entwicklungsmöglichkeiten einer abfälligen Beurteilung unterzieht. Mit unverkennbarer Absicht haben diese absprechenden Auslassungen bereits Eingang und Verbreitung in einem Teil angesehener deutscher Preßorgane gefunden. Wir halten es de ngegenüber in Wahrung berechtigter Interessen der Diamantindustrie unseres Bezirks für unsere Pflicht, die Bedeutung der Crefelder Diamantschleiferei in das richtige Licht zu stellen.

Wie hat sich denn die mit so vielen Worten gepriesene Crefelder Diamantschleiferei entwickelt, wenn von einer Entwicklung des noch in den allerersten Kinderschuhen steckenden Unternehmens überhaupt die Rede sein kann, und welche Ausdehnung besitzt dieselbe zur Zeit, da Dr. Eppler von ihr behauptet, der Versuch, eine selbständige deutsche Diamantschleiferei zu gründen, sei gelungen?

Von Idar, dessen Schleifereien Dr. Eppler nur in bedingtem Maße die Fähigkeit, auch guten Schliff herstellen zu können, zuerkennt, mußte das erst vor wenigen Jahren ins Leben gerufene Crefelder Unternehmen sich die Lehrmeister kommen lassen, um seine Lehrjungen im Diamantschleifen zu unterrichten. Die ganze Crefelder Schleiferei besteht aus 20 Schleifstühlen, von denen bei Ausbruch des Krieges nur 10 besetzt waren, und zwar drei mit ausgelernten Idarer Arbeitern und der Rest mit Lehrjungen. Das Unternehmen mußte im weiteren Verlaufe des Krieges fast ganz eingestellt werden, teils wegen Einberufung der wenigen Arbeitskräfte, teils aus Mangel an Rohmaterial. Nur durch die Überlassung von etwas Rohmaterial seitens einer Hanauer Firma im letzten Jahre, war es ihm möglich, die wenigen verbliebenen Leute zu beschäftigen. Wie man unter solchen Umständen davon reden kann, da man in der Lage war, noch anderwärtig Lohnschleifer in Deutschland mit Arbeit zu versehen und den Versuch der Gründung einer selbständigen Diamantschleiferei als gelungen hinzustellen vermag, das überlassen wir getrost der Beurteilung der Fachleute, die von der Diamantschleiferei etwas verstehen.

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Was den Wert der Crefelder Lehrwerkstätte, die übrigens mit der dortigen Schleiferei identisch ist und von der Dr. E. so viel Rühmenswertes zu sagen weiß, betrifft, so soll derselbe nicht verkleinert werden. In Idar, wo die Schleiferei schon lange Jahre heimisch ist, bedarf es einer Lehrwerkstätte nicht mehr. Die dort befindlichen, zum großen Teil mustergültigen Betriebe mit erstklassigen Arbeitern sind selbst Lehrwerkstätten in ureigenstem Sinne des Wortes, und sie erziehen sich ihren Nachwuchs in praktischer und theoretischer Hinsicht selbst. Tatsächlich ist denn auch der in den Idarer Diamantschleifereien hergestellte Schliff wegen seiner Schönheit aufs rühmlichste bekannt und kann jeden Vergleich mit dem besten Amsterdamer Schliff aushalten. Nur im Vorübergehen erwähnt Dr. E., daß die größte Diamantschleiferei in Idar selbständig arbeitet, wahrend die andern mit holländischem Kapital arbeiten. Auch das entspricht nicht den Tatsachen, denn nicht nur die größte in Idar befindliche Schleiferei, sondern noch eine ganze Anzahl kleinerer Betriebe arbeiten selbständig und für eigene Rechnung, und weitaus die meisten Arbeiter wurden in diesen Betrieben beschäftigt. Übrigens sollte der Wert der von Dr. E. so abfällig beurteilten sogenannten Lohnschleifereien nicht verkannt werden. Sie bieten doch zunächst die Gelegenheit, daß auch weniger kapitalkräftige Unternehmer sich einen Stamm von Arbeitern heranbilden können. Soweit die Lohnschleiferei in diesem Sinne Mittel zum Zwecke ist, soll sie uns willkommen sein.

Selbst die günstige geographische Lage der Stadt Crefeld muß nach Dr. E. herhalten als Beweis dafür, daß sie sich vor den andern bereits in Deutschland ansässigen Diamantschleifereien am besten eigne für das zukünftige Zentrum deutscher Diamantindustrie! Dabei ist Idar schon seit langen Jahren durch seine weltberühmte Steinindustrie ein Sammelpunkt für Händler und Fabrikanten aus aller Herren Länder. Wieviel näher liegt Crefeld denn London, Paris, Amsterdam usw., als Idar mit seinen vorzüglichen direkten D-Zugverbindungen? Ud gar erst Berlin, wohin wir uns den zukünftigen Zentralmarkt für den deutschen Rohdiamanthandel denken, falls uns unsere Kolonie Deutsch-Südwestafrika erhalten beibt, ist von Oberstein-Idar aus vielleicht schneller zu erreichen als von Crefeld.

Dr. E. spricht der Idarer Diamants hleiferei aus sich heraus eine großzügige Entwicklung ab. Diese Tendenz ist in bezug auf die Lobrede, die er der winzigen Crefelder Schleiferei spendet, nur allzu durchsichtig, und sie zeugt von ebenso viel Unwissenheit über die wirklichen Idarer Verhältnisse als von einseitiger Propagierung der Crefelder Schleiferei. In Idar und allernächster Umgebung waren vor dem Kriege bereits annähernd 350 Diamantarbeiter bes häftigt, während die Crefelder Schleiferei es bis damals nur a if 10 Arbeiter gebracht hatte. In Idar ist heute ein vorzüglich ausgebildeter Stamm von Diamantarbeitern vorhanden, der ohne große Schwierigkeiten erheblich vermehrt werden kann. Die Güte des Idarer Schliffes ist in allen einschlägigen Kreisen, so weit es nicht schon vor dem Kriege der Fall war, durch die Einfuhrverbote fremder Erzeugnisse erst recht in Deutschland bekannt geworden. Mit dem Auftreten der reihen deutschen Diamantenfunde in Deutsch-Südwestafrika hat sich auch in Idar die Erkenntnis von der Wichtigkeit und volkswirtschaftlichen Bedeutung, welche der Entwickelung einer deutschen Diamantindustrie im allgemeinen und deutscher Diamantschleifereien im besonderen beizumessen sind, Bahn gebrochen. Gerade der hiesige Plat aber mit seinen vielen, seit langen Zeiten mit dem gesamten Edelsteinhandel verknüpften kapitalkräftigen und leistungsfähigen Firmen, in Verbindung mit seiner für die Ausübung der Steinschleiferei besonders geeigneten und veranlagten Bevölkerung, dürfte die Vorbedingung für die Shaffung eines Zentrums deutscher Diamantindustrie in sich bergen.

In gleicher Sache wird uns aus Hanau geschrieben: Die Eigenbrödelei ist ein alter deutscher Fehler, der uns politisch und wirtschaftlich schon unendlichen Schaden gebracht hat. Wollen wir nicht auch ihn jetzt endlich aolegen, die wir doch aus den Kriegserfahrungen so viel gelernt zu haben meinen? Wollen wir nicht zur Förderung der deutschen D a nantschleiferei lieber dafür sorgen, daß Jeder an seinem Platz seine volle Schuldigkeit tut, mag er nun in Hanau, Idar oder Crefeld wirken, als eine Stadt gegen die andre ausspielen? Raum für alle wird die deutsche Heimat haben, sobald erst die Friedensarbeit wieder voll in ihre Rechte treten kann, und wenn die verschiedenen Heim- und Pflanzstätten der deutschen Diamantschleiferei in Wettbewerb treten wollen, dann mögen sie um höchstes technisches Können ringen, sollen aber nicht einander ihre Existenzberechtigung streitig machen! Die von außen drohenden Schwierigkeiten werden überdies so groß sein, daß wir uns wahrlich nicht durch Zwiespalt im Innern das Leben und Schaffen nach dem Kriege noch schwerer zu machen brauchen. Und schließlich noch eins: man verurteilt in anderen Industriezweigen die zwangsweise angeordneten Syndizierungen, weil sie örtliche Verschiebungen und Konzentrationen verursachen, welche für das Gesamtgewerbe schädlich seien, und da handelt sich's doch nur um Notmaßnahmen und Übergangsmittel: will die Diamantschleiferei etwa ohne Grund und Zwang über sich selbst Maßregeln verhängen, die auf die Dauer nur üble Folgen bringen können?

Nach alledem meinen wir: der Streit um den passendsten Ort ist unangebracht in jeder Beziehung. Hanau zum Beispiel, seit 1874 Sitz der Diamantschleiferei, hat die Tradition und den Ruf für sich und am Plate selbst eine blühende Juwelenbijouterie Industrie und einen bedeutenden Steinhandel; Idar besitzt in seiner Bevölkerung einen bestgeschulten Stamm von Arbeitskräften gerade für das Edelsteingewerbe; aber auch Crefeld soll uns von Herzen willkommen sein, zumal es an Herrn Dr. Eppler einen so hervorragenden Kenner des Faches hat und über eine so tüchtige Lehranstalt verfügt.

Die Ortsfrage ist es auch ganz und gar nicht, von deren Lösung die Zukunft der deutschen Diamantschleiferei abhängt, Sie mag für andere Gewerbe, welche mit Frachtrelationen oder Paritätspreisen zu rechnen haben, wichtig sein. Wir haben unser Augenmerk auf ganz andere, wesentlich bedeutsamere Fragen zu richten.

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und vielleicht zugleich Geldgebern, wird und kann sie nicht
berufen sein, die Selbständigkeit der deutschen Diamant-
schleiferei begründen und erhalten zu helfen. Dazu ist sie zu
abhängig von jeder Konjunkturschwankung, dazu ist ihre ge-
schäftliche Struktur zu wenig nach kaufmännischen Gesichts-
punkten orientiert. Wie ganz andere Möglichkeiten sich hin-
gegen dem kapitalkräftigen Unternehmer bieten, kommerziell
wie technisch seinen Betrieb zu fördern, geschäftliche Möglich-
keiten auszunutzen, auf Konjunkturen ausgleichend einzuwirken,
seiner Arbeiterschaft eine stetige Verdienstmöglichkeit zu bieten
- das alles braucht im Kreise kundiger Fachmänner nur an-
gedeutet zu werden. Aber die erste Vorbedingung für ein
Gedeihen der deutschen Diamantschleiferei und das kann,
auch unter Fachleuten, nicht nachdrücklich genug betont werden
ist, Kapital und mit ihm Selbständigkeit in die Industrie zu
bringen.

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Die zweite Frage ist die der Rohstoffbeschaffung nach dem Kriege. Sie ist ernst und schwer. Denn wenn wir auch im übrigen das Gespenst des Handelskriegs nicht fürchten, weil alle großen Länder sowohl als Käufer wie als Verkäufer

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Von

Die Lage der deutschen
Edelsteinschleiferei.

folgende interessante Aufschlüsse: Wohl keine Industrie Deutschlands wurde durch den Ausbruch des Krieges so schwer betroffen, wie die Idarer Edel-, Halbedelstein- und Perlenindustrie. Waren doch die Hauptabsatzgebiete feindliche Länder und Amerika. Die Zufuhr nach dem letzteren wurde durch die rücksichtslosen Maßnahmen Englands fast ganz unterbunden. Wenn es auch gelang, mit Hilfe des neutralen Auslandes noch einige Sendungen auf Umwegen nach Amerika zu befördern, so waren diese doch im Verhältnis zu den früheren Geschäftsverbindungen mit Rücksicht auf das große Risiko recht gering. Daß die Geschäftsverbindungen mit dem feindlichen Auslande recht erhebliche waren, geht daraus hervor, daß als Forderungen an das feindliche Ausland von den Industrien des Kammerbezirks (einschließlich der Obersteiner Uhrketten- und Metallwarenfabrikation) ein Betrag von über 5 Millionen Mark angemeldet wurde.

naturnotwendig aufeinander angewiesen sind, so ist doch nichton maßgebender Seite in Oberstein-Idar erhalten wir zu verkennen, daß für die Diamantindustrie sich besondere Erschwerungen und Gefahren herausgebildet haben. Sie drohen namentlich von England: England bemüht sich nicht nur, uns den Bezug von Rohdiamanten so vollständig wie möglich zu sperren, es ist auch energisch daran, im eigenen Lande wie in Nordamerika eine Schleifereiindustrie größeren Maßstabs ins Leben zu rufen. Angeblich sollen in England schon ungefähr 2000, meist kriegsbeschädigte Schleifer arbeiten, und, wie wir hören, betrachtet man z. B. in Holland die Entwicklung einer solchen Konkurrenz nicht ohne Sorge. Andrerseits dürfen wir aber nach dem siegreichen Verlauf des Krieges für uns die feste Zuversicht haben, daß wir unser Deutsch-Südwestafrika im Frieden zurückerhalten werden, und außerdem ist, wie kaum ein anderer Zweig, das Edelsteingewerbe so eminent international entwickelt, daß wir uns nicht vorzustellen vermögen, wie ein Land gerade diesen Rohstoff absolut zu monopolisieren und den anderen Ländern vorzuenthalten imstande sein sollte. Doch sind dies zunächst bloß Hoffnungen und Erwartungen; ihnen gegenüber steht das reale und sehr energische Bestreben Englands. Darum müssen wir die Frage der Rohstoffversorgung mit vollem Ernst erfassen, und die beteiligten deutschen Kreise sollten mit aller Anstrengung daran arbeiten, daß wir nicht verdrängt werden. Hierher gehört z. B. auch die Forderung, daß nicht etwa aus übertriebenen Valutasorgen während der Übergangswirtschaft die Einfuhr von Rohdiamanten verboten bleibt; mindestens für die Zwecke der Exportindustrie muß sie vielmehr sofort freigegeben und damit unsrer deutschen Diamantschleiferei namentlich angesichts der englischen Gegenoperationen die Möglichkeit gewährt werden, wieder an die Arbeit zu gehen und aufzubauen, was ihr der Krieg niedergerissen hat.

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Die dritte Frage endlich ist die des technischen Fortschritts. Auch sie ist wichtig, aber nicht schwer. Wenn die letzten Jahre im Weltkrieg wie in unsern inneren Zwistigkeiten uns so deutlich wie möglich den Unwert der hergebrachten Schlagworte gezeigt und uns das eigene Können und Wollen hochschätzen gelehrt haben, so wollen wir doch auch den Mut haben, die Konsequenz auf uns selbst anzuwenden! Der Deutsche Schliff", der „Hanauer Schliff" galt lange Zeit als minder gut; das stimmt nicht mehr, schon seit Jahren nicht mehr. Wer im Auslande reist, kann täglich finden, daß dort für bestimmte Artikel die Hanauer Schleifart durchaus bevorzugt wird. Sie ist nach sachverständigem Urteil dem Antwerpener Schliff entschieden überlegen (was aber nicht verhindert hat, daß sich in Antwerpen in den letzten 25 Jahren eine sehr bedeutende Schleifereiindustrie entwickelt hat, ungeachtet der älteren und technisch höherstehenden Amsterdamer Industrie). Was zur Vervollkommnung der deutschen Technik noch zu geschehen hat, läßt sich unseres Erachtens ohne besondere Schwierigkeit mit Hilfe von Fachschulen erreichen; handelt es sich ja doch im Grunde genommen um nichts anderes als um die bessere Ausbildung in einem Handwerk nach richtigen Grundsätzen. Wir begrüßen daher mit voller Anerkennung die Errichtung der Crefelder Fachschule; in Hanau bestand bekanntlich eine solche bereits vor dem Kriege, aber

Die natürliche Folge des Kriegsausbruches war, daß in den -ersten Monaten das Geschäft in Edel- und Halbedelsteinen fast vollständig ruhte. Im Jahre 1915 begann sich allmählich die Nachfrage aus dem neutralen Auslande, namentlich Amerika, wieder einzustellen, doch waren die Beförderungsmöglichkeiten gering und sehr schwierig, bis es im Jahre 1916 durch Vermittlung der Handelskammer gelang, die Handelstauchboote auch der Edel- und Halbedelsteinindustrie dienstbar zu machen. Hierdurch war die Möglichkeit gegeben, einesteils die alten, noch hier lagernden Aufträge zu befördern, sowie an die Ausführung neuer Aufträge zu denken. Leider war dieser Zustand nur von sehr kurzer Dauer, da die Vereinigten Staaten sich auf die Seite unserer Gegner stellten. Für Amerika lagen im besonderen große Aufträge vor auf Maschinensteine aus Achat. Die Ausfuhr wurde im Interesse der Heeresverwaltung von einer Ausfuhrbewilligung abhängig gemacht, die auch in den meisten Fällen erteilt wurde.

Der größte Teil der von Holland, Schweden, Norwegen und der Schweiz bestellten Waren nahm wohl seinen Weg ins feindliche Ausland. Auch hier wurden im Interesse der Landesverteidigung für Heereszwecke geeignete Artikel, wie Kompaßhütchen und sonstige Achatlager, sowie Achatplättchen, aus denen solche Lager hergestellt werden können, mit einem Ausfuhrverbot belegt. Im Inlande wurden anfänglich viele größere Perlen und feine außergewöhnliche Edelsteine verlangt, sodaf die vorhandenen Lager bald geräumt waren. Schnürperlen, gute Rundperlen und Boutons sind wohl so ziemlich ausverkauft. Das Gleiche gilt für gute Ceylon- und australische Saphire, Smaragde und sonstige feine Edelsteine. Neuerdings werden auch billigere Waren viel verlangt, namentlich ovale gemuggelte Steine in allen Farben für Broschen u. dergl., Im allgemeinen ist die Nachfrage nach Erzeugnissen der Edelund Halbedelsteinschleiferei recht lebhaft, und die wenigen noch vorhandenen Schleifer sind kaum in der Lage, die eingehenden Aufträge auszuführen. Außer diesem Arbeitermangel leidet die Industrie sehr unter dem außergewöhnlichen Preise des zum Schneiden der Steine nötigen Diamantes und anderer für die Verarbeitung erforderlichen Hilfsmittel, zum Beispiel Öl, Schellack usw. So kostet Bord zum Schneiden heute 27 bis Nr. 1-2

30 Mark p. Kt. gegen früher 31, bis 5 Mark. Größere Achatwaren, wie Falzer, Löscher, Schalen, Petschafte können aus den angeführten Gründen zurzeit gar nicht mehr angefertigt werden. Eine Reihe von Firmen ist augenblicklich mit Aufträgen der Heeresverwaltung auf Herstellung sog. technischer Steine beschäftigt.

Nach dem Kriege wird eine rege Nachfrage nach allen Artikeln eintreten, und das Hauptaugenmerk der Industrie wird darauf zu richten sein, die nötigen Rohstoffe zu beschaffen, um dieser Nachfrage genügen zu können.

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Da

Ein Blick in die Zukunft

bei uns und in England.

as Geschäft behält noch immer den zufriedenstellenden Gang bei, über den wir zu unserer Freude schon in vielen aufeinander folgenden Monaten berichten konnten. Wir erhalten tatsächlich von fast allen Seiten Berichte, daß die Dinge so günstig liegen, wie man nur wünschen kann. Die Ladengeschäfte haben so fortdauernd gute Geschäfte gemacht, daß einige von ihnen schon wieder anfangen, zu murren, wenn das Geschäft ein bischen nachläßt, obgleich wir gerechter Weise sagen müssen, daß sie zugeben, eigentlich gar keinen Grund zur Klage zu haben. Es ist keine Frage, daß die Mehrzahl der Juweliergeschäfte während der letzten Jahre sehr gute Umsätze erzielt hat, und es zeigen sich noch keine Anzeichen eines Abflauens. Wir glauben, daß die einzige wahrscheinliche Hemmung für das Geschäft die Warenknappheit sein wird, und dies ist nicht so unwahrscheinlich, wie einige unserer Leser wohl denken. Bis jetzt haben die großen vorhandenen Läger und die emsigen Bemühungen unserer Fabrikanten es ermöglicht, daß der Gang der Dinge ein zufriedenstellender war, aber es kann nicht geleugnet werden, daß wir in den nächsten Monaten ein vollständiges Aufhören der Fabrikation erleben werden, wenn nicht etwas Unerwartetes eintritt. Wir haben mit der ständig wachsenden Knappheit an Arbeitskräften und Gold zu rechnen und dazu mit dem Aufhören der Zufuhren aus dem Auslande. Diese Umstände müssen notwendig den Warennachschub auf fast nichts einschränken im Laufe der nächsten Monate. Es ist möglich, daß einige unserer Leser nicht an unsere Voraussage haben glauben wollen, daß wir schon im vergangenen Herbst Schwierigkeiten mit der Warenbeschaffung haben würden, aber wir haben recht behalten, und so wird es auch mit der heutigen Voraussage sein. Unzweifelhaft werden jede Woche immer noch für einige Tausend Mark Waren angefertigt, aber schließlich ist das alles nur ein Bruchteil der früheren Fabrikation und er vermindert sich sehr schnell. Wir glauben, daß im Großen und Ganzen die Warenbestände der Ladengeschäfte noch bis zum Schluß des Krieges ausreichen werden, aber wie es die Grossisten und Fabrikanten machen wollen, über die nächsten Monate hinwegzukommen, ist uns ein Rätsel."

Diese Sätze sind nicht etwa für die Leser der „Deutschen Goldschmiede-Zeitung" geschrieben, sondern stehen in der November - Nummer des englischen Fachblattes: "The Watchmaker, Jeweller etc." In demselben Blatte wird aus Birmingham berichtet, daß die Fabriken noch immer unter der Gold- und Materialknappheit zu leiden haben und unter den Wucherpreisen für das Wenige, das erhältlich ist. Man wundert sich, daß die Vorräte noch so lange gereicht haben, man glaubt aber doch, daß sie nun bald zu Ende gehen werden. Es ist ein vollständiges Geheimnis, woher die Goldmengen für die Waren gekommen sind, die in den letzten Monaten noch auf den Markt gelangten aber man kann es sich denken. Die

deutscher Arbeit in jenen Ländern erreicht haben, läßt sich nicht in ein paar Monaten vernichten, um so weniger, als die Engländer schon immer sehr schwerfällig darin gewesen sind, sich dem Geschmack und den Anforderungen fremder Länder anzupassen. Dieses Gefühl haben sie auch selbst, denn an einer anderen Stelle schreibt der „Watchmaker and Jeweller", daß Regierungshilfe, wie die oben erwähnte, zwar sehr schön sei, daß man dafür aber im praktischen Leben stehende Männer brauche, keine Professoren oder Bureaukraten. Mit diesen hat man jetzt im Kriege schon genug üble Erfahrungen gemacht, und man möchte lieber die deutschen Methoden nachahmen, die unseren Fabrikanten zu ihren großen Erfolgen im Ausfuhrhandel verholfen haben.

In seinem Leitartikel schreibt der „Watchmaker and Jeweller" allerdings sehr abfällig über die deutschen Methoden. Er nennt uns „Hunnen“ und meint, daß Europa sich nicht nach des Kaiser's Wort so sehr vor der „gelben Gefahr" zu fürchten habe, als vor der deutschen und ruft seine Landsleute auf, sich schon jetzt zu rühren, ehe noch der skrupellose Wettbewerb der deutschen Barbaren wieder einsetzt, der sich vor Ausbruch des Krieges auf Kosten der Engländer einen so wesentlichen Teil des Weltmarktes erobert hat; übrigens die in jeder Nummer wiederkehrende perfide Formel.

Um dem deutschen Wettbewerb zu begegnen, sollen die englischen Fabrikanten mehr auf Qualitätsware halten, weniger sich auf billige Massenfabrikation werfen und das ist es eben, was einsichtige Leute auch bei uns in Deutschland wünschen, nämlich, daß wir nach dem Kriege unsern Absatz im Auslande wieder dadurch auf die frühere Höhe zu bringen trachten, daß wir die größte Sorgfalt auf Solidität und Geschmack der von uns erzeugten Waren verwenden und das kann uns bei dem Fortschritt, den wir in den letzten Jahren in dieser Hinsicht in der Schmuckerzeugung getan haben, nicht schwer fallen. Sind wir doch ohnehin den Engländern in der Ausbildung unseres Nachwuchses durch unsere Fachschulen so weit voraus, daß wir den bevorstehenden Kampf um die Wiedereroberung unserer ausländischen Absatzgebiete vertrauensvoll aufnehmen können.

Wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird uns das kommende Jahr den langersehnten Frieden bringen; viele unserer Fachgenossen, die jetzt noch im Schützengraben kämpfen, werden zurückkehren und ihre friedliche Arbeit wieder aufnehmen, und wenn wir auch auf mancherlei Schwierigkeiten, besonders bei der Materialbeschaffung, noch gefaßt sein müssen, eins ist sicher: Unsere Helden, die sich draußen im Felde so glänzend bewährt haben, werden ihre Tatkraft auch im Frieden ausüben zum Wiederaufbau unserer Schmuckindustrie. Hierbei gilt auch für uns der Vers, den der „Watchmaker and Jeweller" an die Spitze seines Leitartikels als Mahnung nicht nur für den Soldaten, sondern auch für den Zivilisten stellt:

Er schaut nach vorn, ausdauernd bis zum Schluß,
Er übertrifft sich selbst, weil Bess'res folgen muß
Auf Gutes, findet Trost in seiner guten Sache.
Was er am meisten schätzt, winkt ihm am Ziel
Als köstlicher Gewinn in dieses Lebens Spiel.

Aus der französischen Schmuckwarenindustrie.

Diesem Bericht ging der erste Teil einer von Dr. Kaesemacher übersetzten Denkschrift von Dr. Berthoud „Die französische und deutsche Schmuckwaren - Industrie" (Vergl. Nr. 43,44, 45/46, 47/48, 49/50, 51/52 des Jahrgangs 1917) vorauf; der zweite Teil der Denkschrift und die aus derselben zu ziehenden Folgerungen werden in den kommenden Ausgaben unserer Zeitschrift zur Veröffentlichung kommen. Die Schriftleitung.

einzige Gewißheit ist, daß diese Quellen nicht mehr lange Nader Vorsigende der Chambre Syndicale de la Bijouterie, Nach ach der „République Française" vom 18. November d. J. hat

fließen können, und es wäre kein Wunder, wenn sie eines schönen Tages ganz versiegen.

Übrigens will die englische Regierung in der nächsten Zeit einen Kommissar nach Südamerika schicken, der den dortigen Juwelieren englische Muster vorlegen und ihre Bedürfnisse erforschen soll. Ob diese Mustervorlage jetzt im Kriege eine sehr vollständige und zum Kauf anreizende sein wird, ist sehr zu bezweifeln, und so leicht werden die guten Engländer ihren Wunsch, uns Deutsche vom südamerikanischen Markt zu verdrängen, wohl nicht erfüllt sehen. Was viele Jahr emsiger

de la Joaillerie et de l'Orfèvrerie, Templier, kürzlich in dieser Körperschaft eine Rede über ihre Tätigkeit während des Krieges und über die Aussichten gehalten, die sich nach seiner Ansicht für die französische Schmuck warenindustrie an diese Tätigkeit für die Zeit nach dem Kriege knüpfen. Diese Ausführungen verdienen daher die volle Aufmerksamkeit der deutschen Schmuckwarenindustrie, die der französischen ja in dem kürzlich in diesen Blättern gebrachten Berthoudschen Aufsatz als nachahmenswertes Vorbild hingestellt wird.

Von der Entstehung der Chambre Syndicale ausgehend, stellt Templier fest die durch sie vor dem Kriege, nach 1867, erfolgte Gründung einer Zeichenschule mit allabendlichen Kursen, 1903 die Gründung einer Tageszeichenschule mit wöchentlich drei Unterrichtskursen, 1908 endlich die Gründung einer Vorbereitungsschule für Lehrlinge und eines Unterrichtskurses für Vorgeschrittene allabendlich in der Woche. Diese Unterrichtsgelegenheiten haben nach den Ausführungen Templiers während des Krieges sehr segensreich gewirkt wegen des Schlusses zahlreicher Betriebe und der dadurch vielen jungen Leuten genommenen Möglichkeit der weiteren Ausbildung. Als weitere Veranstaltungen der Chambre Syndicale finden wir dann erwähnt eine Ausstellung von sequestrierten österreichischdeutschen Schmuck waren, die sehr wertvolle Anregung gegeben haben soll, eine gemeinsame Reise nach Havanna 1912/13, nach Rußland 1916, wohl zum Studium der dortigen Schmuckwarenmärkte, die Ausstellung in Casablanca und die bekannte Lyoner Messe 1915/16, die viel Aufsehen erregt haben soll. Aus all' diesen Veranstaltungen könne man auf den die Syndikatsmitglieder auf organisatorischem Gebiet bei ihren Arbeiten leitenden Gedanken schließen. Der Krieg hat alle diese verfolgten Fragen in ein neues Gewand gekleidet und neue Fragen aufgeworfen, so die Möglichkeit der Wiedergewinnung der verlorenen Absatzgebiete auf dem Weltmarkt, die Frage der Paralysierung der von deutscher Seite geflissentlich genährten Abneigung gegen französische Schmuck waren (?) und endlich die Frage der Änderung des französischen Stempelgesetzes. All' diese Fragen hat die Chambre Syndicale trotz anfänglich wenig ermutigender Erfolge verfolgt, um die für die französische Schmuckwarenindustrie nötige Bewegungsfreiheit zu erringen, die sich in den beiden Stichworten „Ausfuhrfreiheit“ und „Fabrikationsfreiheit" ausspricht. Die Bemühungen der Chambre Syndicale wurden denn auch schließlich von Erfolg gekrönt: Eine Ministerialverfügung vom 18. Mai 1916 gestattet für die Ausfuhr völlige Freiheit der Fabrikation von Schmuckwaren und ein Erlaß des Finanzministeriums gab der französischen Schmuckwarenindustrie endlich die langersehnte Ausfuhrfreiheit. Dieser letztere Erlaß wird eine grundlegende Änderung der Arbeitsmethode in der französischen Schmuckwarenindustrie herbeiführen und ihr nach Templiers Ansicht ein jährliches Geschäft von 200-300 Millionen bringen. Hand in Hand damit muß aber gehen die Durchführung der (ja auch in dem Berthoud'schen Aufsatz erwähnten) genossenschaftlichen Gedanken, wie der genossenschaftliche Ankauf von Maschinen, die genossenschaftliche Einrichtung von Werkstätten u. dergl. mehr. Nach den Erfolgen der seit 1855 bestehenden,. Tafelgeräte nach dem Muster eines jeden einzelnen Genossenschaftsmitgliedes herstellenden Silberwarengenossenschaft und nach den günstigen Ergebnissen eines ähnlichen seit 1865 pestehenden Unternehmens zur Verwertung der bei der Schmuckwarenindustrie entstehenden Abfälle (Scheideanstalt) glaubt Templier an die Durchiührung der angedeuteten genossenschaftlichen Gedanken die höchsten Erwartungen knüpfen zu dürfen, um so mehr als man der weitestgehenden Unterstützung der in Betracht kommenden staatlichen Stellen sicher sei. Hierauf wendet sich Templier einer gerade für die Schmuckwarenindustrie als Luxusindustrie besonders interessanten, noch heiß umstrittenen und in ihrer Lösung sehr schwierigen Frage zu, nämlich der Zentralisierung des ganzen Schmuckwarengeschäfts durch Schaffurg von einer Art Bijouteriebörse. Der Gedanke ist an sich nicht neu, er taucht alle paar Jahre mit Ansätzen zu seiner praktischen Verwirklichung auf. Es sei da nur an die in Pforzheim vor - einer Reihe von Jahren erörterte Idee der Schaffung einer Bijouteriebörse zur Unterdrückung des „Tigerns" erinnert, an das vor dem Kriege gleichfalls in Pforzheim ins Leben getretene Unternehm en eines ständigen Ausstellungslagers von Mustern und Neuheiten, an die Versuche der Angliederung einer besonderen Schmuckwarenabteilung an die verschiedenen bestehenden Exportmusterlager, Ausfuhrmuseen und ähnliches. Jedenfalls ist dieser Gedanke seiner Lösung aber in Deutschland bis jetzt noch nicht wesentlich näher gebracht und von Fachleuten noch sehr heiß umstritten. Meines Erachtens mit Recht, denn persönlichem Geschmack in so hohem Grade angepaßte und zu dienen bestimmte Luxuswaren wie Schmuckwaren ebenso zu handeln wie die Stapelartikel Baumwolle,

Wolle, Kaffee usw. ist doch nicht so einfach und setzt Bedingungen voraus, die für Schmuckwaren sicher noch nicht gegeben, wohl auch niemals erwartet werden könner. In Frankreich scheint jedoch, nach Templiers Ausführungen zu schließen, diese Frage unmittelbar vor ihrer praktischen Lösung zu stehen. Die Chambre Syndicale hat sich mit ihr in stiller Vorarbeit befaßt und ein Grundstück erworben, in dessen zweitem Stockwerk zehn Räume für den Empfang von Schmuckwareneinkäufern und für die Abwicklung der einschlägigen Geschäfte bestimmt und mit allen zweckmäßigen Einrichtungen ausgestattet werden sollen. Durch diese Neuerung soll der auch in Paris heimische "Tiger" seiner Lebensbedingungen beraubt und das ganze Schmuck warengeschäft in würdigere Formen übergeführt werden. Schon aus diesem Grunde wäre der Neuerung Gelingen zu wünschen. Leider bringt aber der Zeitungsbericht keine weiteren Einzelheiten, aus denen auf das Gelingen dieser Neuerung, etwa auf Grund dafür geschaffener besonderer günstiger Vorbedingungen, ein Schluß gezogen werden könnte. Immerhin verdient dieser Versuch die Aufmerksamkeit auch der deutschen Schmuckwarenindustrie, die hinsichtlich ihrer Konzentration an einigen wenigen Plätzen ähnliche Verhältnisse wie die französische aufweist. Schon jetzt wird aber selbst bei einem guten Gelingen des Pariser Versuchs vor einer einfachen Nachahmung bei uns ganz abgesehen von sonstigen Schwierigkeiten zu warnen sein. Dazu sind doch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der französischen Schmuckwarenindustrie zu verschieden von denen der deutschen; ihre Zentralisierung und Organisation, schon in dem Vorhandensein der Chambre Syndicale, ist eine viel straffere, und ihre Absatzverhältnisse sind, schon wegen der geringeren Meeresferne und größeren Beliebtheit des französischen Volkscharakters als solchem, in Übersee wesentlich günstigere. Wenn trotzdem die deutsche Schmuckwarenindustrie auf dem Weltmarkt die Erfolge erreicht hat, die Berthoud veranlassen, sie seinen Landsleuten als Vorbild hinzustellen, so beruhen sie, wie gleichfalls Berthoud und andere Wirtschaftspolitiker (Schwob, Williams usw.) erkannt haben, auf wesentlich anderen Ursachen, und nicht zum letzten auf dem deutschen Handlungsreisenden. Mit diesen anderen zur Hebung des Absatzes nötigen Reformen befaßt sich aber Templier mit keinem Wort. Es erscheint dies um so bemerkenswerter, als Templier den Berthoudschen Aufsatz sicher gekannt hat und in diesem gerade den kaufmännischen Reformfragen große Aufmerksamkeit zugewendet wird. Berthoud befaßt sich mit der französischen Schmuckwarenindustrie als Ganzem, als einem Zweig der französischen Volkswirtschaft, während Templier, als Vorsitzender der Pariser Chambre Syndicale, vor allem die Pariser Schmuck warenindustrie im Auge hat und die französische nur insoweit meint, als sie in Paris ansässig ist. Selbstverständlich berührt Templier auch die finanzielle Seite der von der Chambre Syndicale angestrebten, vor allem der Ausfuhrförderung zu dienen bestimmten Reformen der französischen Schmuckwarenindustrie. Seine Ausführungen sind in dieser Richtung aber etwas mager, befriedigen nicht und bewegen sich nur mehr auf Gemeinplätzen. Denn dafj eine Reihe von Banken oder bankähnlichen Unternehmungen, wie das Comptoir Lyon Alemand, Marret Bonin & Lebe! u. a., seit langem auf dem Gebiet des Materialkredits in engen Beziehungen zur französischen Schmuckwarenindustrie stehen, ist bekannt und sicher kein besonderes Verdienst der neuesten Reformarbeiten der Chambre Syndicale. Mit Materialkredit allein schafft man aber einer Industrie keine Ausfuhrmöglichkeit. Dazu bedarf es auch regelrechten Bankkredits in Geld, in bankmäßiger Bevorschussung der vielfach recht langfristigen Ausfuhrgeschäfte, namentlich aber überseeischer, mit inländischen Banken in engsten Beziehungen stehender Banken. Über diese überaus wichtigen Fragen gleitet aber Templier mit einigen leichten Redewendungen hinweg: „Man muß sie untersuchen", man gedenkt sich mit einigen, Zweigstellen im Ausland besitzenden, Banken in Verbindung zu setzen“, „man hat schon der Französisch-Argentinischen Bank seine einschlägigen Wünsche übermittelt". Das ist alles, was Herr Templier den Mitgliedern seiner Körperschaft über diese für die Förderung der Ausfuhr schlechthin wichtigsten Fragen mitzuteilen hat. Möglich, daß der Pressebericht sich aus gewissen Gründen bei der Wiedergabe der Ausführungen des Herrn Templier Beschränkungen auferlegen zu müssen glaubte. Möglich aber auch das Gegen

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