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fie es so gar böse nicht gemeint haben, um so mehr, da sie in der Bundesakte selbst ihren ehemaligen Mitbürgern ims mer noch einige, obgleich sehr beschränkte, politische Existenz gelassen haben, und der - auch auf die innere Ruhe des ganzen Staatensystems gerichtete Zweck des Bundes - von dem Zwecke eines einzelnen Souverains ist hier nicht die Frage gar wohl und vielleicht noch weit sicherer und besser erreicht werden kann, wenn man den Mediatisirten noch ein politisches Leben läßt.

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Nach allem dem, was mir hier in Abrahamsschoos von dem Zustande 'Deutschlands, kurz vor Schließung des rheinis schen Bundes, zu Ohren gekommen ist, kann ich mir gar wohl denken, daß manche der armen unmächtigen kleinen Reichsstände die Mediatisirung versteht sich unter billigen und festen, nicht schwankenden und der willkührlichen Auslegung des Stärkeren überlassenen Bedingungen für eine wahre Verbesserung ansehen konnten; denn Immer besser ist zinsbar seyn, als vogelfrey!

Da Sie, lieber Herr Geheimerrath! das Glück haben, einem guten biederen Souverain zu dienen, dessen erhabener Gerechtigkeitsliebe und konftitutionellen Denkart wie ich

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in Winkopp's Journal Heft 6. S. 477. gelesen habe· die Ortenauische Ritterschaft, als sie ihm förmlich übergeben wurde, es noch laut verdankte, daß er sie bis auf den leßten Augenblick in dem Besiß ihrer Unmittelbarkeit gelassen, und ihr dasjenige, was er nun in Gefolg förmlicher Staatsvers träge an sich ziehen könne, vorher nicht durch den Gebrauch wireicher Gewalt habe nehmen wollen; so wissen Sie viel leicht gar nicht, wie es manchen kleinen Reichsständen vor der Mediatisirung ergangen ist.

Die wenigsten konnten ihrem neuen Souverain so, wie die Ortenauische Ritterschaft dem ihrigen, danken. Wenn manche, wie ich "wohl selbst weiß, viel Mühe und Kosten vergeblich aufgewendet haben, um auch noch die Gnadens

pforte zum Eingang in den Souverainitäts- Himmel aufges schloffen zu erhalten, so könnte ich Ihnen doch auch man: che nennen, die in den lehten Zeiten, wo sie ihre Auflösung herannahen sahen, auf weiter nichts hinarbeiteten, als daß folche nur sanft und selig erfolgen, und ihr künftiger Mediat: Himmel nicht ein Fegefeuer, oder wohl gar eine Hölle werden mögt.

Sie wählen nun S. 50. einen Mittelweg, auf welchem allein die Wahrheit liegen soll, und stellen die Regel auf:

»Die Absicht der Bundesstaaten war eine künftige Staatsregierung zu gründen und zu sichern; da nun »der Zweck jeder gerechter Regierung seyn muß, das Pris »vateigenthum und die Lebens annehmlichkeiten »jedem Staatsbürger möglichst zu gewähren; so können sie »nicht gewollt haben, daß irgend etwas, was seiner Naz »tur nach Privatgut ist, und was zu vernünftigen Les »bensannehmlichkeiten der Standesherren in der Eigens »schaft als Privatpersonen gereichen mag, ihnen ents zogen werbe, wo es nicht ein unvermeidlicher Kollisionsfall »mit dem Wohl des Ganzen nothwendig machte; hiegegen »müssen sie hinwiederum gewollt haben, daß alles, was seis »ner Natur nach Staatsbefugniß ist, und zu der künftigen »und ungestörten Wirksamkeit der Staatsgewalt einen beförs »derlichen Bezug hat, in die Hände der neuen Souverains »übergehe, wenn nicht zusammentreffende Spezialumstände weine Abweichung, und zu deren Begründung eine ausdrücks »liche Stipulation im Vertrag herbeiführten.<<

Im Allgemeinen bin ich zwar hierinnen mit Ihnen gan; einverstanden, aber wir kommen dem ungeachtet immer wieder auf die alten Hauptfragen zurück: Wenn und wo ist ein unvermeidlicher Kollisionsfall mit dem Wohl des Ganzen vorhanden? Was heißt hier das Ganze? Ist dies jeder eins zelne Bundesstaat oder das ganze Staatensystem? Ser ents scheider denn, ob nicht in dem Vertrage selbst entweder aus:

Grücklich oder nach einer richtigen Analogie schon eine Aus: nahme von der Regel liege, wenn die dabei interessirten Theile verschiedener Meinung sind?

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ganz das

So ganz unbedingt und ohne nähere Bestimmung kann auch jene Regel nicht wohl auf die Mediatisirten angewens det werden. Von diesen kann und, darf doch der Souverain nicht in allen Fallon auch nicht einmal um der allgemei: nen Wohlfahrt seines einzelnen Staates willen nämliche fordern, was er allenfalls von seinen übrigen Uns terthanen aus diesem Grunde zu fordern berechtigt wäre. Sie haben sich nur unter Bedingungen unterworfen und be: finden sich immer noch im rechtlichen Besike vieler vor und beibehaltener, vom Bundesprotektor garantirter Rechte, wel che doch eigentlich wahre Hoheitsrechte, wahre Staatsbefug: uisse sind, ob sie gleich jeht als Privatrechte, als Eigenthum, besessen werden, aber als ein solches Eigenthum, als solche Privatrechte, welche in der Regel ein anderer, gewöhnlicher und gemeiner Unterthan nie haben und befihen kann.

Hier muß also eine feste, unwandelbare Bestimmung, das heißt: eine auf Grundverträge und Grundgeseke gebaue: te, gehörig verwahrte, bewachte und beschüßte Konstitution ins Mittel treten, wenn nicht in der Folge einmal aus wich: tigen, handgreiflichen Gründen herausdeducirt werden soll, daß die in der Bundesakte gegründeten großen Vorzüge der Mediatisirten sich schlechterdings nicht mit dem Wohle des Ganzen, nämlich des einzelnen -die Deduktion gut bezahs lenden Bundesstaats, vertrügen; daß die Umstände, die in den jeßigen Zeiten ja täglich und, stündlich wandeln, sich gänzlich geändert hätten, mithin die Bundesakte, der Unter: werfungsvertrag, alle ergangene Deklarationen, Verordnun: gen, pragmatische Geseke, Freiheiten, Privilegien, Zusiche rungen, und wie die Namen weiter seyn mögen, aufgehos ben, aufgelößt und unverbindlich seyen; und daß endlich die Mediatisirten, als eine privilegirte Klasse, welche vor andern

Staatsbürgern, die doch natürliche Ansprüche auf Einärno tung gleicher Vortheile machen könnten, allzuviele erhebliche Rechte voraus habe, mit allen übrigen Staatsbürgern und Unterthanen unumgänglich in völlige Gleichheit gescht wer› den müßten.

Doch, wie ich höre, so haben meine braven Landsleute jezt Hoffnung, eine solche Konstitution durch den Friedens: stifter in Europa, durch den großeu Napoleon zu erhalten. Ihn, und alle für Ordnung und Recht, für Gesek und Freiheit fühlende, mit und unter ihm arbeitende Män ner, sie feyen Gallier oder Germanen, segne Cott dafür!

Ein Regent besißt herrliche Vorzüge, und die Untertha: nen, ein jeder nach seinem Stande, theure Gerechtsame. Wenn diese beiderseits unangefochten bleiben, so machen sich Herr und Unterthanen ihr zugefallenes Loos unter einer Eis nigkeit, die Macht und Ansehen giebt, recht zu' Nuge. Der Herr, welcher nichts anders verlangt, als was ihm zukommt, hat alles, wenn Noth und Umstände seine Hoheit, Ehre und Ansehen zu vertheidigen gebieten; denn die Liebe waget mit frölichem Muthe das Leben, zerbricht die stärksten Thore und Riegel, und reisser die Schlösser der Geizigen auf. Verfassungen im Gegentheil, durch welche die Menschen ih rer Sicchte beraubt, oder durch welche ihre Besihungen von der Willkühr ihrer Obern abhängig gemacht werden, haben die Wirkung, in dem Souverain Tyranney und Uebermuth, in den Unterthanen einen sklavischen Geist und Niederträch tigkeit hervorzubringen; jedes Gesicht mit Blässe zu bedecken, und jedes Herz mit Muthlosigkeit und Eifersucht zu erfüllen,

Die größte und sich am weitesten erstrecken: de Wohlthat, welche einzelne Menschen ihrem Geschlechte erweisen können; ist die Errichtung oder Erhaltung weiser Staatsverfassungen A sagt Ferguson.

Inzwischen aber, und bis die gehoffte Konstitution, bis

der Messias der Deutschen kommt, weiß ich nichts bessers zu sagen, und zu rathen, als was Math. 7, 12. geschrier ben steht:

»Alles, was ihr wollt, das euch die Leute thun sollen; das thut ihr ihnen: das ist das Gesetz und die Prophes »ten.«

Und, mit SENECCA, hac praecepti mei summa >>est: sic cum inferiore vivas, quemadmodum tecum >>superiorem velles vivere. Quoties in mentem vene»rit, quantum tibi in servum liceat: veniat în mentem, >>tantundem in te domino tuo licere.

>>At ego, inquis, nullum habeo dominum. Bona »aetas est. Forsitan habebis. Nescis qua aetate He»cuba servire coeperit, qua Croesus, qua Darii ma»ter, qua Plato, qua Diogenes? Vive cum servo >>clementer. Comiter quoque et IN SERMONEM ADMITTÉ,

>>ET IN CONSILIUM.«

19.

Noch einige Gedanken über den rheinischen Bund die etwa als Nachtrag zu der im neunten Hefte S. 337. und folg. abgedruckten Abhandlung angesehen werden können.

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Eigentlich sind diese wenige Gedanken für diejenigen nicht

bestimmt, die sich in der deutschen Reichs; und Konstitus tionsgeschichte nicht, oder nicht hinlänglich umgesehen haben.

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