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lingua und das Vexilla regis find weder vor noch nach ihm übertroffen worden und werden unsterblich sein und bleiben. Sind die anderen Dichtungen Fortunats vor= wiegend kulturhistorisch interessant, so halten diese wenigen. Festgefänge dagegen seinen Ruhm als Dichter in ehrenvollster Weise aufrecht.

Als den vollendetsten Hymnus des Dichters können wir wohl das bilderreiche und schwungvolle Vexilla regis betrachten:

Nr. 9.

Hervor des Königs Banner geh'n,
Das Kreuz erglänzet wunderbar,
Dran wir im Fleische hangen seh'n
Ihn, der des Fleisches Schöpfer war.

Die Händ' durchbohrt vom Nägelpaar,
Die Arme weithin ausgestreckt,
Bracht' er sich selbst als Opfer dar,
Die Schuld zu fühnen, die ihn deckt.

Aus seiner Seit', die obendrein
Durchstach der schweren Lanze Stoß,
Zu waschen uns von Sünden rein,
So Blut als Wasser sich ergoß.

Erfüllt ist nun, was im Gedicht
Einst David prophezeite, der
Weissagend zu den Völkern spricht:
Vom Holz regieren wird der Herr."

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Baum voll Zierde, dessen Ast

Der Purpur eines Königs schmückt,
Welch' eine heilig süße Last

Zu tragen ward dein Stamm beglückt.

Heil dir, das du die Wage bist,
Darauf der Menschheit Lösegeld
Und aller Wert gewogen ist
Des Raubes aus der Unterwelt.

Aus deinem Holz hervor sich drängt
Ein Duft, dem selbst der Nektar weicht,
So prangst, mit heil'ger Frucht behängt,
Als Sieger du, dem keiner gleicht.

Dich grüß ich, Altar, Opfer, dich
Im Strahlenglanz der Passion,
Durch die dem Tod das Leben wich,
Durch Leben ward des Todes Lohn.

(L. D.)

Auch dem Pange lingua fönnen wir unmöglich an diesem Orte seine Stelle versagen. Mit dem Vexilla regis hat es sich bis heute im Gebrauche der Kirche erhalten, sowohl als Hymnus zu den Tageszeiten als auch als Prozessionshymnus bei den erhabensten Feiern der Charwoche:

Nr. 10.

Sing', o Zunge, des erhab’nen
Kampfgefechtes Waffengang,
Singe von der Kreuzesfahne,
sing vom Sieg, den sie errang,
Singe, wie der Welt Erlöser

sterbend selbst den Tod bezwang.

Schon bei jenes ersten Paares
überliftung voller Leid,
Jenes, das der Sünde Apfel

tostend sich dem Tod geweiht,
Stellte Gott dem Baum des Abfalls
diesen Baum der Gnad' zur Seit.

Also war's im Plan der Rettung

vorbestimmt durch Gottes Hand,
Daß die Lift des argen Feindes
werd' durch höh're List zu Schand',
Daß die Heilung dort erscheine,
wo die Wunde einst entstand.

Als nun endlich der Erfüllung
heil'ge Zeit herangenaht,

Sandte Gott den Sohn hernieder,
der die Welt erschaffen hat,
Der aus einer Jungfrau Schoße
Fleisch geworden zu uns trat.

Wimmernd lieget da das Knäblein,
in die enge Kripp' gebannt,
Seine Glieder hüllt die Mutter
ein mit jungfräulicher Hand,
Seine Füße, seine Hände

zwängt das feste Wiegenband.

Als die Zeit nun war gekommen,
da verflossen dreißig Jahr',
Bot er, weil dazu geboren,
willig sich dem Tode dar,
Ward als Opferlamm gehoben

auf des Kreuzes Sühnaltar.

Schau die Gall', das Rohr, die Nägel,
auf dem Haupt der Dornkranz ruht,
Aus der Seit vom Speer durchstoßen
wallt hervor sein heilig' Blut,
Erd' und Meer, Gestirn' und Weltall
wird gereint in dieser Flut.

Baum des Glaubens, einzig edler
Unter allen Bäumen hier,
Welchem andern ward beschieden
Laub und Blüte gleich wie dir?

Süßes Holz, o süße Nägel,
füße Bürde traget ihr.

Neig' die ste, hehrer Baumstamm, werde biegsam und gewandt, Mild're alle spröde Rauheit,

die mit dir Natur verband, Daß des höchsten Königs Glieder sanfter seien ausgespannt.

Würdig warst du, den zu tragen,

der das heil der Welt gebracht,

Du, die Arche, die uns schüßet
vor den Fluten finst'rer Nacht,
Du, der Pfosten, den das heil'ge

Blut des Lammes kenntlich macht.

(L. D.)

Erwähnen wir aus der Reihe der dichtenden Zeitgenossen noch des Eugenius von Toledo, des dritten dieses Namens († 658), des Sohnes des Evantius, eines edlen Goten. Kleriker an der Palastkirche zu Toledo, floh er, sich der Welt zu entziehen und den Studien zu widmen, nach Zaragoza, wo er im Kloster der hl. Engratia in die Schar der Mönche aufgenommen wurde. Nachdem er schon vorher Erzdiakon von Zara= goza geworden, ward er 647 nach dem Tode Eugenius II. gegen seine Neigung vom Könige Chindaswinth auf den bischöflichen Stuhl von Toledo erhoben. Obschon schwächlicher Konstitution und von häufigen Krankheiten heimgesucht, wußte er neben den Obliegenheiten seines Amtes noch Muße für wissenschaftliche Studien, ja für dichterische Betätigung zu finden. So überarbeitete er auf Anregung Chindaswinths das Heraemeron und die Satisfactio bes Dichters Dracontius. Er starb den 13. November 658.

Obschon uns von Eugenius berichtet wird, daß er dem Kirchengesange besondere Pflege angedeihen ließ und daß er die kirchlichen Officien neu geordnet habe, sind uns doch kirchliche Hymnen unter seinem Namen nicht überliefert. Da der Bischof Protasius von Troragona sich mit dem Ersuchen an ihn wandte, er möge eine Messe zu Ehren des hl. Märtyrers Hippolytus verfassen, was Eugenius versprach, so könnte vielleicht auch der Hymnus der mozarabischen Liturgie auf diesen Heiligen (Anal. hymn. XXVII, 183 u. f.) von ihm herrühren, um so eher, da derselbe noch metrischen Bau aufweist. Unter den übrigen Poesien des Eugenius, befinden sich nur wenige gebetartige Dichtungen, die der Hymnenpoesie

im weiteren Sinne zugezählt werden können, so besonders ein Gebet zu Gott, ein Hymnus auf den Frieden, ein Abendgebet und ein Gebet für den König.

Neben Venantius Fortunatus ist der hervorragendste Dichter des uns beschäftigenden Zeitabschnittes wohl Beda der Ehrwürdige, wenngleich seine Poesien selbst nicht den Einfluß auf die dichtende Nachwelt ausgeübt haben, den sein Werk de re metrica (über die Dichtkunst) auf das ganze, namentlich auf das frühe Mittelalter gewinnen sollte. Geboren im Jahre 672 (oder 73) im späteren Territorium von WearmouthAbbey, das bei seiner Geburt noch nicht gegründet war, kam Beda, eben sieben Jahre alt, als Oblat in diese Abtei, in der er bis an sein Lebensende verblieb. Mit 19 Jahren zum Diakon, mit 30 zum Priester geweiht, beide Male durch die Hand des hl. Johannes von Beverley, ward er vom Papste Sergius I, der ihn zu sehen verlangte, nach Rom berufen, scheint aber die Reise dorthin, vermutlich wegen des vorher erfolgten Ableben des Papstes, niemals angetreten zu haben. Der Rest seines Lebens verfloß nach wie vor in der Einsamkeit der Zelle und in der Freude am literarischen Schaffen. Im Jahre 731 konnte er, 59 Jahre alt, sein bedeutendstes Werk, die Kirchengeschichte Englands" vollenden; 733 (oder 34) hatte er einige Tage im Kloster seines Ordens_zu York und in der Gesellschaft seines Freundes, des Erzbischofes Egbert verbracht, mußte aber 734 eine erneute Einladung mit Rücksicht auf seine geschwächte Gesundheit ablehnen. Zu Anfang April 735 ward er von Atembeschwerden befallen, welchen er am 26. Mai desselben Jahres erlag.

Es kann natürlich nicht dieses Ortes sein, die ausgebreitete literarische Tätigkeit Bedas im einzelnen zu verfolgen und zu würdigen. Bei aller scheinbaren

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