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fich Nitter Artegall, indem er die prahlerische Anmaßung und elende Schurkerei des Feiglings Braggadocchio entlarvt und bestraft, der sich mit dem Verdienste anderer ein Ansehen geben will1> und selbst das kriegerische Roß, das er reitet, nur durch hinterlistigen Diebstahl erlangt hat.2)

Wie ein gerechter Schiedsrichter, der weise versteht die entgegengesetzten Ansprüche zweier Parteien in Einklang zu bringen, erscheint Artegall in dem Streite der beiden Brüder Bracidas und Amidas.) Indem er einen jeden mit dem gleichen Maße mißt,

For equall right in equall things doth stand,4)

gelingt es ihm leicht, den Streit zu schlichten und die Versöhnung der Brüder zu bewirken.")

Das Recht der Billigkeit aber vertritt der Held des Buches, wenn er dem edlen Sir Turpine gegen die Amazonen hilft,) die ihn, den Mann, dazu zwingen wollen, dem Weibe gehorsam zu sein und weibische Arbeiten zu verrichten. Wie er selbst indessen, der Repräsentant der Gerechtig= keit, in dem Kampfe gegen die Amazonenkönigin Radigund) jenen allem natürlichen Recht widerstreitenden Anspruch der Frau auf die Herrschaft über den Mann zu nichte machen will, wird er, durch Mitleid und Schönheit überwunden,8) dazu verleitet, sich seiner natürlichen Waffe, des Gesetzes (seines Schwertes Chryasor) zu entäußerno) und sich widerstandslos der Herrschaft der Frau zu unterwerfen.10) Denn auch der tugendhafteste Mann ist nicht sicher davor, daß er durch Frauenlist und Schönheit besiegt, nicht dazu gebracht werde, seinem natürlichen Rechte auf die Herrschaft über die Frau zu ent= sagen und ihr Vasall zu werden.

For never yet was wight so well aware, Nur wahre Liebe fann ihn schließlich welche das Gefeß nicht achtet, das die Natur gehorsam zu sein:

But he, at first or last, was trapt in womens snare.11) aus der tyrannischen Herrschaft einer Frau befreien, dem Weibe auferlegt hat - dem Willen des Mannes

That they were borne to base humilitie,

Unlesse the heavens them lift to lawfull soveraintie. 12)

So wird auch Artegall durch die treue Liebe der Britomart allein aus dem unwürdigen Elend seiner Knechtschaft erlöst. 18) Sie zerbricht die Verließe der Tyrannei unedler Weiblichkeit und stellt das von der Natur gebotene, gerechte Verhältnis des Mannes zum Weibe wieder her, indem sie dem Manne die Herrschaft überläßt.14)

Dadurch nun daß der Kämpfer der Gerechtigkeit an seiner eigenen Person erfahren hat, wie schweres Leid übel angebrachtes Mitleid mit sich führen kann, ist er geschickter geworden, ein Hüter des Rechtes gegenüber dem Unrecht zu sein. Denn keine Rücksicht darf den gerechten Richter abhalten, den Lauf der strengen Gerechtigkeit zu unterbrechen. Gnade und Barmherzigkeit gegen das

1) V. 3. 10 ff. (B. schreibt die Heldenthaten Artegalls sich selbst zu, weil jener mit seinem Schilde gee. kämpft hatte.)

2) II. 3. 4.

4) V. 4. 20:

6) V. 4. 21 ff.

9) V. 5. 13:

3) V. 4. 4 ff. 4) V. 4. 19.

So was their discord by his doome appeased,

7) V.,5. 1 ff. 8) V. 5. 12 und 13.

And each one had his right.
At sight thereof his cruell minded hart Empierced was with pittifull regard,
That his sharpe sword he threw from him apart.

Das soll wohl heißen: Der Mann verzichtet darauf, durch das Geseß seine Oberherrschaft über die Frau zu sichern. (Spenser wollte wohl auf den Gegensaß des Europäers zu den morgenländischen Völkern hinweisen.)

10) And to her mercie him submitted in plaine field.

So was he overcome; not overcome,
But to her yeelded of his owne accord. V. 5. 16—17.
14) V. 7. 42:

11) V. 6. 1. 12) V. 5. 25. 18) V. 7. 25 ff. And changing all that forme of common-weale The liberty of women did repeale,

Which they had long usurpt; and, them restoring To mens subjection, did true Justice deale. Die Einkehr der Britomart in den Tempel der Isis hat wohl keinen eigentlich allegorischen Zweck, wenn fie nicht zeigen soll, daß Britomart, die wahrhaft liebende Frau, sich dem Rechte der Billigkeit unterwirft, daß das Weib dem Manne unterthan sein soll. Denn unter der Isis versteht Spenser die „Billigkeit": That part of Justice which is Equity. (V. 7. 3.)

And in her person cunningly did shade

Der Zweck der Einführung der Figur des Dolon in die Geschichte der Britomart, jenes „man of subtil wit and wicked minde", der verräterischer Weise die Britomart zu töten sucht, weil er sie wegen ihres

Verbrechen zu üben ist allein dem Herrscher auf dem Throne vorbehalten, dort soll aber auch deren eigentlicher Siß sein: die Königin Mercilla ist die Repräsentantin der Merch.

Schrecklich ist es, wenn nicht barmherzige Gerechtigkeit auf dem Throne sigt, sondern die Ungerechtigkeit selbst dort ihre Stätte hat. Denn die Ungerechtigkeit zu überwinden, wenn sie mit der höchsten Macht gepaart ist, ist menschlicher Gerechtigkeit allein nicht möglich, weil sie nicht heranreicht an den Herrscher auf dem Throne. Schlimmer ist sie daher als der Tiger unter den Tieren des Waldes, denn frei und ungehindert kann sie Böses thun.

What Tygre, or what other salvage wight,

Is so exceeding furious and fell
As wrong, when it hath arm'd it selfe with might?1)

Doch auch sie entgeht schließlich nicht ihrer wohlverdienten Strafe. Wenn Menschenkraft nicht reicht, richtet Gott selbst den hochmütigen Verächter seiner Gebote. Wenn daher auch Prinz Arthur der hier ebenfalls die Tugend der Gerechtigkeit darstellt (entsprechend der speziellen Allegorie des Buches) - sich zuerst vollständig ohnmächtig zeigt im Kampfe gegen den tyrannischen Sultan,2) den Genoffen der grausamen Adicia, er überwindet ihr endlich doch mit Hilfe der Gnade Gottes, indem er seinen wunderbaren, mit übernatürlicher Kraft begabten Schild enthüllt. Vor der göttlichen Macht vergeht menschliche Gewalt und Stärke, und das Unrecht schlägt seinen eigenen Herrn: der Sultan stirbt unter den Hufen seiner entsseßt davonfliehenden Rosse.

How worthily, by heavens high decree, Justice that day of wrong her selfe had wroken.3) Darauf geht der Dichter dazu über, in den nächsten drei Gesängen (Canto 9, 10 und 11) jene Ungerechtigkeit auf dem Throne des Nähern aus der Geschichte seiner Zeit zu veranschaulichen,*) indem er sie zugleich der Gerechtigkeit und Milde seiner eigenen Herrscherin gegenüberstellt. Die rein moralische Allegorie verschwindet vor jener zweiten, der historischen, die die ganze Handlung der näch-. ften Gesänge füllt.

Der neunte Gesang3) zeigt in Duessa die Königin Maria Stuart als die Personifikation aller Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit und giebt in dem Gericht, das vor dem Throne der Mercilla - der Königin Elisabeth über sie gehalten wird, den Gefühlen Ausdruck, von denen ganz Eng= land damals beherrscht war. Der gerechte Eifer (Zele) klagt sie des schlimmsten Verbrechens an, des Hochverrats gegen die Königin Mercilla, die sie des Thrones zu berauben gesucht habe. Sorge für das Reich, Autorität und Völkerrecht, Religion, die Stimme des Volkes und das Verlangen des ParIamentes (Commons sute), die Gerechtigkeit selbst vereinigen sich mit ihm und fordern ihre strenge Bestrafung. Vergebens erheben sich für sie Mitleid und Rücksicht auf ihr Geschlecht, Adel der Geburt und die Gefahr, die aus ihrer Verbindung mit fremden Mächten entsteht, vergebens spricht auch der Kummer für ihr tragisches Geschick, der Eifer beginnt, als er die Herzen weich werden sieht, seine Anflage zu verstärken, indem er noch Mord und Aufruhr, Zügellosigkeit und Gottlosigkeit, schließlich den Ehebruch selbst gegen sie vorführt. Da ist die Sympathie aller für sie dahin:

Begleiters Talus für Artegall ansieht, ist uns ganz unklar. Der Dolus im juristischen Sinne die böse Absicht bei einer gesezwidrigen That — kann unmöglich damit gemeint sein, denn dann könnte Dolon ja nur als Nebenfigur, zu einer andern gehörig, auftreten. Eher scheint uns Spenser darunter die Arglist darstellen zu wollen, welche im Geheimen Böses zu thun bestrebt ist und edle Ritter zum Verrat zu verleiten sucht. Darauf deuten wenigstens die Worte V. 6. 32:

for he was nothing valorous,

But with slie shiftes and wiles did underminde

All noble Knights, which were adventurous,
And many brought to shame by treason treacherous.

Vielleicht dachte Spenser an die verräterischen Umtriebe zu Gunsten der Königin Maria Stuart, die ja später (als Duessa) in dem Buche auftritt. Immerhin ist aber die Verbindung des Dolon mit der Geschichte der Britomart unangebracht.

1) V. 9. 1. 2) V. 8. 25 ff. 3) V. 8. 44.

4) Vorher indeffen schildert er noch die Verfolgung des in den verschiedensten Gestalten auftretenden Betruges (in der Person des verschlagenen Malengine) durch die Gerechtigkeit und die Vernichtung desselben durch die Staatsgewalt (Talus), die alle Schliche und Kunstgriffe ́des Betruges zu Schanden macht (Canto 9. 4—19.)

) Canto 9. 38 ff.

All which when as the Prince had heard and

[seene,

And from her partie eftsoones was drawen [cleene:

His former fancies ruth he gan repent, So was she guiltie deemed of them all.1) Sie wird von allen schuldig gefunden, und der Eifer verlangt ihren Tod als gerechte Strafe für ihre Übelthaten. Wohl sucht die Barmherzigkeit und das Mitleid der Königin den Tod der Verbrecherin aufzuhalten, Thränen vergießend über das Geschickihrer Feindin, wendet sie sich ab, statt das Urteil zu sprechen aber sie muß schließlich nachgeben gegenüber dem Zwang der öffentlichen Meinung, welche strenge Gerechtigkeit verlangt:

Till strong constraint did her thereto enforce.)

Der zehnte Gesang und die erste Hälfte des elften (st. 1-35) schildern darauf allegorisch die grausame und ungerechte Bedrückung der Niederlande (Lady Belge) durch den König Philipp (G er ioneo) und seine Statthalter, zugleich aber auch die schließliche Befreiung derselben von dem Joche der Spanier und der Wut der Inquisition, dem schrecklichen Ungeheuer,

Prinz Arthur

Whose dreadfull shape was never seene of none
That lives on earth; but unto those alone

The which unto him sacrificed bee:

Those he devoures, they say, both flesh and bone.3)

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der von der Königin Elisabeth zu Hilfe gesandte Lord Leicester besiegt den Seneschall Gerioneos wie diesen selbst und erschlägt das Ungeheuer. Er verläßt die unglückliche Lady Belge nicht eher

Untill he had her settled in her raine

With safe assuraunce and establishment.1)

Der Rest des 11. Buches giebt in den Worten des gerechten Sir Artegall den Gefühlen Ausdruck, die das englische Volk wie alle Protestanten ergriffen haben mögen, als Heinrich von Navarra von der protestantischen Religion abfiel, um leichter die Herrschaft über Frankreich zu gewinnen. (Sir Burbon hat den erprobten Schild fortgeworfen, den ihm einst der Rotkreuzritter gegeben hat, um eher die Liebe der Dame Flourdelis (d. i. Frankreich) zu erwerben.)"),,Fie on such forgerie !" ruft Artegall aus, als Burbon sich deswegen zu entschuldigen sucht und meint, er könne ja zu geeigneter Zeit den Schild wieder aufnehmen;") wie gerecht auch seine Sache sei, nimmer dürfe ein edler Nitter so schmähliches Unrecht auf sich laden, durch Unehre Herrschaft zu erringen:

Dye, rather then doe ought that mote dishonour yield.")

Die gerechte Sache Heinrichs selbst aber siegt gegenüber dem höchsten Unrechte im Volke, der Rebellion (Grantorto). Heinrich wirft sie schließlich mit Hilfe Englands (dargestellt durch Sir Artegall) nieder.8)

Mit dem zwölften Gesange kommt nun der Dichter endlich zu der Aufgabe zurück, die dem Träger der Gerechtigkeit, dem Kämpfer gegen Unrecht und Ungerechtigkeit zugefallen ist, der Vernichtung des höchsten Unrechtes der Rebellion. Aber auch hier handelt es sich nicht um einen allgemeinen, rein theoretischen Fall, sondern um eine besondere, historische Allegorie. Artegall ist Lord Grey of Wilton, der Vicekönig von Irland, als dessen Sekretär Spenser selbst nach Irland kam, und sein Kampf mit Grantorto, dem Riesen, der das Erbe der schönen Irena in Besig hält, ist sein Kampf gegen die irische Rebellion, die er mit Hilfe seines eisernen Dieners Talus - der

1) V. 9. 49.

6) V. 11. 56:

7) V. 11. 55.

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8) V. 11. Schluß. Die ersten beiden Verse des Argum. zu Canto XII: „Artegall doth Sir Burbon aide, And blames for changing shield stehen offenbar an unrechter Stelle, denn der 12. Gesang enthält davon nichts, sondern vielmehr der 11.

Gewalt der Waffen

zu Boden wirft, und die er vollständig vernichtet haben würde, wenn er nicht zu frühe abberufen worden wäre:

But, ere he coulde reforme it thoroughly,

He through occasion called was away
To Faerie Court, that of necessity

His course of Justice he was forst to stay,
And Talus to revoke from the right way

In which he was that Realme for to redresse.1)

Wenn Spenser zum Schlusse noch Neid und Verläumdung (Detraction) gegen Sir Artegall auftreten läßt, die scheußlichen Heren, die alles Gute hassen und in den Staub ziehen, und die sich verbunden haben, um ihn ins Unglück zu stürzen, indem sie seine edlen Thaten herabzuwürdigen und zu entstellen suchen und ihm vorwerfen, daß er nur durch schmähliche Hinterlist, durch Trug und Verrat die Rebellion überwunden und das Schwert der Gerechtigkeit mit unnötiger Grausamkeit befleckt habe, so wollte er darauf hinweisen, daß die Entfernung des Lord Grey aus seiner hohen Stellung nur den niedrigen Intriguen am Hofe und der Gehässigkeit seiner Feinde zuzuschreiben wäre2).

Damit schließt das fünfte Buch, indem es leicht hinüberführt zu dem sechsten, das unter dem Titel der Courtesy den Kampf der Tugend gegen die Personifikation der Bosheit und Verläumdung das Blatant Beast - behandelt.

Von vornherein ist klar, daß der Dichter nur die Gerechtigkeit im beschränkten Sinne zeichnen will, die es mit dem Recht und Unrecht in Bezug auf die bürgerlichen Verkehrsverhältnisse zu thun hat, nicht etwa jene Tugend im weitern Sinne, welche alle andern Tugenden in sich schließt. Auffallend ist dabei aber, daß ihm ein klarer, bestimmter Plan für die Zeichnung dieser Tugend gar nicht vorgeschwebt zu haben scheint. Allerdings weist er ja gleich zu Anfang auf das Ziel hin, das der kämpfenden Gerechtigkeit nach seiner Meinung als höchstes gegeben ist die Niederwerfung der Rebellion im eigenen Lande; allerdings haben wohl die verschiedenen Abenteuer Artegalls den Zweck, den Ritter, der sich als der Tugend der Gerechtigkeit im höchsten Maße teilhaftig zeigen soll, durch Übung im gerechten Handeln geschickt zu machen darin, das Recht zu verteidigen und auszuführen auch in den schwierigsten Lagen; aber in dieser Schule, die der Träger der Tugend durchmacht, liegt absolut kein System, wenigstens sind wir nicht imstande, ein solches zu erkennen. Erst kämpft er gegen geseglose Willkür und tyrannische Bedrückung, macht dem thörichten Socialismus ein kurzes Ende, als derselbe vernünftigen Vorstellungen sich absichtlich verschließt, um darauf über gemeinen Diebstahl zu richten und zwischen zwei Parteien als Schiedsrichter zu fungieren. Nachdem er aus der Knechtschaft einer herrschsüchtigen Frau befreit ist eine Episode, die eigentlich nicht in rechtem Einklang mit dem sonstigen Inhalt des ganzen Buches steht hilft er dem Prinzen Arthur, der gleich ihm ein Repräsentant der Gerechtigkeit ist, die Ungerechtigkeit auf dem Throne bestrafen (in der Gestalt der Adicia und ihres Gemahls, des Sultans) was gewissermaßen auf die folgende historische Allegorie hinzudeuten scheint — um gleich darauf in der Person des listigen Malengine den Betrug zu verfolgen. In der That, ein bestimmter Plan läßt sich darin kaum erkennen. Von einer Steigerung der Aufgaben vom Leichtern zum Schwereren, die man doch erwarten sollte, ist nicht die Nede. Auch ist die Darstellung der Gerechtigkeit einseitig, insofern es sich fast überall um die strafende Gerech= tigkeit oder doch wenigstens die ausgleichende allein handelt, die austeilende Gerechtigkeit dagegen gar nicht zur Erscheinung kommt. Ebenso ist Artegall auch eigentlich nur Träger des gesetzlichen Rechtes, während das natürliche Recht der Billigkeit, das doch einen eigenen Gerichtshof in England be

1) V. 12. 27.

-

2) Ohne Rückhalt spricht Spenser dasselbe aus in seinem Essay über Irland, wo er zugleich das Verhalten feines Gönners ausführlich rechtfertigt. S. Globe ed. p. 655: Soe I remember in the late government of the good Lord Graye etc.

sigt, kaum berührt wird (s. oben Eir Turpine p. 32.) In der Person der Isis weist Spenser wohl hin auf „that part of Justice which is Equity" und bezeichnet auch später die Aufgaben derselben, To shew that clemence oft, in things amis,

Restraines those sterne behests and cruell doomes of his (b. h. des Osyris, der Gerechtigkeit);1) aber an dem Helden selbst tritt diese Art der Gerechtigkeit nicht mehr in Erscheinung, nachdem er in der Verteidigung des Sir Turpine sich nicht stark genug erwiesen hat.

Aber wenn auch die Darstellung der Gerechtigkeit die Mannigfaltigkeit vermissen läßt, die wir erwarten könnten, so bietet das fünfte Buch doch in dem engen Rahmen, den sich der Dichter gesteckt hat, eine Fülle allegorischer Gestalten, deren Zeichnung wieder mit so viel frischer Lebendigkeit und reicher Abwechselung ausgeführt ist, daß das fünfte Buch sich in dieser Beziehung dem ersten und zweiten ebenbürtig an die Seite stellt. Und gerade dadurch daß der Dichter den Begriff der Gerechtigkeit so eng gefaßt hat, ist es ihm leichter geworden die Einheit zu wahren, die der Dichtung als Epos notwendig ist. Allerdings wird ein Dritteil des Buches von rein historischer Allegorie angefüllt, aber dieselbe paßt hier so vollständig in den Rahmen der moralischen Allegorie hinein, daß die Einheit der Handlung dadurch nicht im mindesten gestört wird. Überdies fließt die romantische Erzählung, die als Untergrund der allegorischen Handlung dient, so gleich und ebenmäßig fort und ist in sich so harmonisch abgerundet, daß das Buch wie aus einem Gusse gearbeitet erscheint und das Interesse des Lesers vom Beginne bis zum Schlusse in gleicher Weise gefesselt wird.

Sechstes Buch,

enthaltend die Geschichte von Sir Calidore oder der Liebenswürdigkeit.2)

Nachdem der Dichter in der ersten Stanze des Buches eine kurze Definition der Tugend der Courtesy, der feinen höfischen Sitte oder, wie wir vielleicht mit einem Worte sagen könnten, der Liebenswürdigkeit gegeben hat,

Which of all goodly manners is the ground,

And roote of civill conversation,

führt er sofort den Helden des Buches, Sir Calidore, ein als den in jener Tugend am meisten hervorragenden Ritter des Hofes der Feenkönigin und bezeichnet zugleich als seine Aufgabe, d. h. die Aufgabe der Courtesy überhaupt, den Kampf gegen das „Bellende Tier" (the Blatant Beast), die Lügnerische, boshafte Schmähsucht, den ärgsten Feind höfischer Sitte,

which often hath annoyd Good Knights and Ladies true, and many else destroyd.$) Denn wie die wahre Liebenswürdigkeit darin besteht, nicht bloß äußerlich höflich zu scheinen, sondern auch von Herzen freundlich und nachsichtig gegen jeden zu sein, da

Vertues seat is deepe within the mynd, And not in outward shows, but inward thoughts defynd,4) so ist die Eigenschaft des Blatant Beast, der Schmähsucht oder Verläumdung, gerade die, mit schamlosen, giftigen Worten alles Gute zu verlästern und jeden kleinen Fehler von der schlimmsten Seite darzustellen.5)

1) V. 7. 22.
3) VI. 1. 7.
Into this wicked world he (i. e. the B. B.) forth was sent
To be the plague and scourge of wretched men,

2) contayning the Legend of Sir Calidore, or Courtesie".
4) Widmung zu VI. st. 5. 5) VI. 1. 8:

und VI. 6. 12:

This hellish Dog, that hight the Blatant Beast,
A wicked monster, that his tongue doth whet
Gainst all, both good and bad, both most and least,
And pours his poysnous gall forth to infest

Whom with vile tongue and venemous intent
He sore doth wound, and bite, and cruelly torment.

The noblest wights with notable defame:
Ne ever Knight that bore so lofty creast,
Ne ever Lady of so honest name,

But he them spotted with reproch, or secrete shame.

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