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und unbilligen Nachfolger oder Miterben des Landesherren hundertjährige Rechte, die längst erkaufte und besessene Aufhebung alten Unrechtes, gefährden konnte. Jene beschränkte Ansicht und die aus ihr hervorgegangene unheilbringende Praxis ist einer freieren, auf den Grund der Geschichte gebaueten, von einem nicht bloss formellen Rechte durchdrungenen Ansicht für immer gewichen.

Das Urkundenbuch Hamburgs gehört dem wesentlichsten Theile nach denen an, welche das Bedürfniss eigener Selbstkenntniss freiwillig an das Licht gerufen hat. Gewiss giebt es wenige Städte, noch weniger grössere Staaten, deren Urkunden, so wie die Hamburgs seit dem Schlusse des zwölften Jahrhunderts, das anschaulichste Bild ihrer allmähligen Erweiterung, ihrer Rechtsverhältnisse und Verbindungen gestatten. Diese Urkunden sind daher nicht nur für die Geschichte Hamburgs und der mit demselben enge verknüpften Städte, Fürsten, adlichen Geschlechter und Klöster von der unmittelbarsten Wichtigkeit, sondern sie gewähren uns zugleich vorzugsweise vor ähnlichen, aber weniger vollständigen Sammlungen das Normalbild einer emporblühenden, von allen älteren Fesseln mit Einwilligung der Landesherren sich ablösenden, durch rege Betriebsamkeit im Inneren und kräftige Thätigkeit im Auslande mit jugendlicher Schwungkraft emporsteigenden Stadt. Für die frühere Zeit sind die urkundlichen Nachrichten über die Stadt höchst dürftig, und sind wir daher schon aus diesem Grunde darauf hingewiesen, ihre Geschichte aus derjenigen der übrigen Städte und Stiftungen ihrer Diöcese zu erläutern. Die Anfänge unserer Stadt sind aber mit denen des erzbischöflichen Sprengels so enge verknüpft, seitdem beide vereint aus einem der grossartigsten Gedanken des grossen Kaisers Karl entsprangen, dass auch in Beziehung auf die städtische Entwickelung Hamburgs die des Erzstiftes in seinem ganzen Umfange nicht sorgfältig genug betrachtet werden kann.

Den städtischen Urkunden sind daher in diesem Buche die des ehemaligen Erzstiftes Hamburg oder Bremen bis zum Jahre 1224, worüber unten die nähere Erörterung folgen wird, so wie die des Hamburgischen Domcapitels beigegeben. Je mannichfaltiger dadurch die Bestandtheile dieser Sammlung geworden sind, je mehr wird derjenige, welcher in ihr ein theures Vermächtniss der Vergangenheit, ein Mittel, dieselbe der Zerstörung der Zeit zu entreissen, und eine Aufforderung, sie durch allgemeine Erörterung neu zu beleben, anerkennt, auch verlangen, dass ihm eine Nachricht über die Quellen, welchen diese Documente entnommen sind, vorgelegt werde. Wir werden daher hier zunächst einen kurzen Bericht über die Urkunden der Stadt geben, sodann aber über die des Domcapitels und anderer geistlichen Stiftungen in Hamburg, so weit sie in diesem Bande abgedruckt sind, nebst dem Nachweis

über die bisherige Benutzung derselben für historische Zwecke. Es soll hernach von der dieser Sammlung, besonders in Beziehung auf die erzbischöflichen Urkunden, gewordenen Beihülfe aus fremden Archiven gehandelt, so wie deren Entstehung und Plan aus einander gesetzt werden.

Von den städtischen Urkunden vor dem Jahre 1189 ist gar wenig bekannt und keine vor diesem Jahre, dem des in der Originalausfertigung noch vorhandenen grossen Freibriefes des Kaisers Friedrich I. uns erhalten. Seit dieser Zeit sind jedoch viele Privilegien auf uns gekommen, deren Originale noch im Jahre 1267, in welchem sie in das älteste, uns bekannte Copialbuch eingetragen würden, vorlagen, jedoch in vielen Fällen schon lange untergegangen sind. Vermuthlich wurden sie schon früher, wie wir vom Jahre 1310 wissen, in der Stadtkiste, Lade oder Schrein (cista, latula, scrinium) aufbewahrt, ') in welcher auch einzelne Bürger ihre von den Holsteinischen Grafen erlangten Kaufbriefe niederlegen durften. Der Zutritt zu den Urkunden blieb den Eigenthümern frei. 2) Die Aufsicht über diese Kiste hatten vermuthlich zwei ältere Mitglieder des Rathes, welche den Namen der Kämmerer führten. Von einem besonderen Rathsamte, welches in der Aufsicht über die Documente bestand, wie in Lübeck, wo die Rücksicht auf die dort aufbewahrten Documente der Hansestädte eine besondere Sorgfalt erheischte, findet sich in dem älteren Hamburg keine Spur. Eine Aufbewahrung von städtischen Urkunden in einer der Kirchen hat nur selten stattgefunden; wenigstens nicht in der Domkirche, da die Domherren sehr häufig in Hader mit den Bürgern lebten. Als die Zahl der Freibriefe und Verschreibungen anwuchs, ward die Lade in einen Schrank, die Threse (thesauraria) genannt, verwandelt, dessen einzelne Fächer eine Aufschrift zur Bezeichnung ihres Inhalts trugen. Die Threse wurde in ein wohlverschlossenes Zimmer die Thresekammer gestellt, in welchem auch andere werthvolle Gegenstände, welche der Stadt oder einzelnen Bürgern gehörten, aufbewahrt wurden. Von letzteren gewährt der an Friedrich von Gheldersen verpfändete Kopfschmuck der Gemahlin Herzog Erich des Jüngeren

1) Cista civitatis, ubi privilegia reponuntur, heisst es im Liber hereditatum Petri fol. 26, auf Anlass der ums Jahr 1310 von Herrn Heinrich Ridder (Miles) daselbst niedergelegten, von den Grafen von Holstein ihm ausgestellten Urkunden. 2) Eine Urkunde der Hamburgischen Bürger Jobann, Gotfried und Friedrich, genannt von Hude, d. d. 1341, Convers. S. Pauli sagt: Literae et privilegia super dictis sex chororum siliginis redditibus (aus der oberen Mühle zu Hamburg) data posite sunt sub custodia dominorum consulum Hamburgensium et illis nos et nostri testamentarii necessitatis tempore perfruemur. Diese Worte lassen über die Erklärung der folgenden Worte obiger Eintragung des Rathes vom Jahre 1310 keinen Zweifel: privilegia sua posuit unum super sacrarium et duo in cistam nostram, quibus uti debent fratres et mater Henrici de Stendal, quibus hec privilegia vendidit.

von Sachsen-Lauenburg ein auffallendes Beispiel.") Die Aufschriften eines solchen im Jahre 1783 auseinandergenommenen Schrankes waren: 1. An der obersten Leiste des Gesimses, in einer Länge fort: anno LXXXII sint der Stadt privilegia vnde breue hir ingelecht registreert vnde men schal hir nenerley breue inleggen de en sint den erst registrert. 2. An dem mittelsten Brette zwischen den beiden Thüren in kurzen Absätzen: Gestlicker personen. der keiser vnde koningh. anderer heren vnde forste. kopbreue etlicher lande. tohopesate mennygerlei.

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der stede

Die Schlüssel zu diesem Schranke waren in den Händen der Bürgermeister, und es vergingen, sehr zum Nachtheile der Documente, zuweilen zehn Jahre, ohne dass das mit 'vielen Schlössern versehene Gewölbe auf dem Rathhause, in welchem die Threse stand, geöffnet wurde.

Erst im Jahre 1783 wurden die in jenem Schranke befindlichen Documente in grössere, bereits im Jahre 1744 zu diesem Zwecke verfertigte Kisten gelegt, auch, wie es scheint, im Jahre 1792 auf das Archiv gebracht und der alleinigen Aufsicht des Archivars überlassen.

Neben jenem Thresenschranke wurde bei Einrichtung des jetzigen Archivs ein Archivschrank eingerichtet, der viele Documente vom höchsten Alter enthält, welche jedoch lediglich ein historisches Interesse zu besitzen schienen. Zahlreiche alte städtische und hansische Documente wurden mit alten Briefschaften, Fehdebriefen und Urfehden im Jahre 1824 auf dem Boden des Archivgebäudes gefunden, welche nie geordnet und den Katalogen eingetragen waren. Sehr viele städtische Urkunden, besonders die in der Threse aufbewahrten, sind leider in sehr schlechtem, durch Nässe herbeigeführten, Zustande; halb vermodert und der gänzlichen Auflösung nahe. Hieran mag der Aufbewahrungsort in dem am Wasser belegenen, kellerlosen, feuchten Archivgebäude seine Schuld tragen; doch darf aus der Vergleichung mit anderen, bald zu erwähnenden, besser erhaltenen Urkunden der Klöster und Hospitäler nicht zu viel gefolgert werden, da von letzteren auf das Stadtarchiv nur gelangt ist, was noch wohl erhalten war und die vorhergegangenen Ortsveränderungen überstanden hatte, während die städtischen Urkunden, gleich Heiligthümern, an derselben Stelle bleiben konnten, selbst wenn sie schon in Fetzen und Staub aufgelöset waren.

Die ältesten Kataloge der Threse, welche in Fragmenten noch vorhanden sind, gehören dem vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderte an. Sie enthalten kein Document, welches nicht wenigstens in den alten Copialbüchern noch vorhanden wäre.

) Laurent das älteste Hamburgische Handelsbuch. S. 52.

Ueber den Inhalt der Threse ist ein zwiefacher Katalog angefertigt vorhanden; einer, welcher den Inhalt jedes Kastens oder Capsel angiebt, der andere ein chronologischer.

Ein besonderer Katalog ist über den Inhalt des Archivschrankes vorhanden. Dieser führt zugleich diejenigen Documente auf, welche in den alten Copialbüchern verzeichnet sind. Ein dritter Katalog, der Liber Omnium betitelt, ist bestimmt, sämmtliche in der Threse, so wie im Archivschranke vorhandene Urkunden, in Beziehung auf die Fürsten, Städte und Klöster, von denen sie ausgingen, zu verzeichnen. Leider ist diese für den Geschichtsforscher so sehr förderliche Arbeit unvollendet geblieben, und in neuerer Zeit sie wieder aufzunehmen, wäre zwecklos gewesen, bis sämmtliche, auf dem Archive wieder aufgefundene und die an dasselbe noch von anderen Behörden abzuliefernden Documente geordnet waren. Der mit Registern versehene Abdruck der Urkunden macht jetzt diesen Katalog entbehrlich.

Ausser den eigentlich städtischen Urkunden befinden sich schon seit längerer Zeit auf dem Stadtarchive manche Urkunden des ehemaligen Cistercienserinnen-Klosters Harvstehude, dessen der Dominicaner zu St. Johannis und dessen der Franciscaner zu St. Marien Magdalenen, so wie auch des Heil. Geist- und des St. Georg-Hospitals. Seit einigen Jahren ist jedoch von den betreffenden Behörden auch die übrige Anzahl werthyoller Documente, welche sich vorzüglich auf das ehemalige Landgebiet jener Stiftungen beziehen, dem Stadtarchive eingeliefert, so dass dasselbe jetzt, mit der geringfügigen Ausnahme einiger, vielleicht noch bei Privatpersonen irrthümlich vorhandenen, alle alten, vom Zahne der Zeit verschonten, Documente unseres Staates aufbewahrt. Freilich ist bei den Urkunden dieser Stiftungen, welche nur gar zu häufig den Händen von Unkundigen anvertraut waren, mancher Verlust zu beklagen, welcher durch die vor nicht gar vielen Jahren aufgenommenen Kataloge nicht gerechtfertigt wird. Von den zahlreichen Harvstehuder Urkunden fehlen gar manche. Der Urkunden der Dominicaner und Franciscaner sind nur wenige vorhanden, theils wohl, weil sie keinen Grundbesitz erwerben durften, theils weil die Documente, welche sich auf kirchliche Verhältnisse bezogen, seit der Zeit der Kirchenreformation mit Gleichgültigkeit betrachtet sind und daher schon damals den Mauern ihrer Klöster entfremdet seyn können. Ein Necrologium der Minoriten befindet sich auf der kaiserlichen Bibliothek zu Wien: es ist unbekannt, ob es schon zu eben angedeuteter Zeit, oder durch den aus Hamburg dahin gewanderten katholischen Glaubensgenossen, den Bibliothekar Peter Lambeck, dorthin gelangte. Dass jedoch, wie zuweilen gesagt worden ist, durch Otto Sperling oder durch Andere, wie den Domsyndicus Dr. Detenhof, alte Hamburgische Documente nach Kopenhagen gelangt seyen, muss ich sehr bezweifeln. Sperling brachte viele Abschriften und Excerpte derselben nach Kopenhagen, deren genaue Durchsicht durch

einen Kenner der Hamburgischen Specialgeschichte nicht ohne Gewinn seyn dürfte, auch sind von den verschleuderten literarischen Schätzen der Dombibliothek viele für die Bibliotheken zu Kopenhagen angekauft: doch die dort vorhandenen, Hamburg mitbetreffenden Urkunden sind nur aus den Schleswig-Holsteinischen Archiven zu Gottorf oder denen der ehemaligen Klöster und der Aemter in Holstein dahin gewandert.

Viele interessante Urkunden hat das Hospital des Heil. Geistes uns geliefert: vermuthlich jedoch, wenn wir nach den dasselbe betreffenden Eintragungen in den Stadt-Erbe- und Rentebüchern urtheilen dürfen, nur eine geringe Zahl der einst vorhandenen. Die älteste Urkunde des Conventes, deren Original mein Vorgänger, Dr. Stampeel, noch vor sich hatte, *) ist nicht länger aufzufinden. Das Hospital zu St. Georg kann seiner Bestimmung nach nicht reich gewesen seyn, doch hat es einige interessante Urkunden abgeliefert, welche indessen jünger als der in unserem ersten Bande umfasste Zeitraum sind: die älteren scheinen seit Jahrhunderten verloren zu seyn. Von Urkunden der Pfarrkirchen haben sich keine gefunden, als im Archive des Domcapitels, wenn jene kirchliche Gegenstände, oder im Stadtarchive, falls sie das Kirchenschulwesen oder andere der Verwaltung der Kirchgeschwornen obliegende Gegenstände betreffen. Ueber besondere Archive der Pfarrkirchen vor der Reformation ist keine Nachricht aufzufinden gewesen.

Nicht wenige wichtige städtische Urkunden sind uns lediglich in Abschrift, durch ein treffliches altes Copialbuch erhalten, welches als liber privilegiorum quadratus bezeichnet zu werden pflegt. Dasselbe enthält zunächst in acht unbezeichneten Blättern die erste Lage mit dem Verzeichnisse der Urkunden, unter Nachweisung der Seitenzahl. Sodann XCV foliirte Blätter' von denen noch die Lage I, bezeichnet ist, die nächste nicht; die folgenden aber sind es durch die roth gemalten Zahlen II-V, sodann mit schwarzer Dinte VI, jede Lage von acht Blättern - die folgenden Lagen sind wiederum nicht numerirt. Am Schlusse ist eine unfoliirte und unnumerirte Lage, die siebenzehnte des ganzen Buches. Blatt I b und XVII a, beginnen die Urkunden der Päpste und der Kaiser mit zwei prächtigen Initialen A(lexander) und F(redericus). Die Urkunden der ältesten Hand haben alle rothe oder blaue Initialen zu Anfange derselben, zuweilen auch bei einzelnen Sätzen in denselben. Die Ordnungszahlen der Urkunden sind roth. Jene enthalten jedoch einige Lücken, und hat daher schon einer meiner Vorgänger richtige Zahlen beigefügt, welche zu meinen Citaten benutzt sind. Das Pergament ist durchgängig liniirt. Die von der ersten Hand geschriebenen Urkunden, welche sich durch roth

4) S. unten No. DLXXXIX.

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