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Sicher

Zur Jahreswende.

icher ist die Behauptung der Mathematiker, dass das neue Jahrhundert erst am 1. Januar 1901 beginnen dürfe, unwiderleglich, dennoch herrscht im Volke im allgemeinen die Ansicht vor, dass mit dem Wechsel der Zahlen von 1899 auf 1900 bereits das Zeichen zu einer besonderen Feier gegeben sei, und dieses sicher nicht zu missachtende Gefühl hat wohl auch den Kaiser bestimmt, schon den heutigen Tag offiziell als den Beginn des neuen Jahrhunderts gelten zu lassen, wie ja auch Papst Leo XIII. beiden Meinungen dadurch gerecht wird, dass er sowohl den 1. Januar 1900 als den 1. Januar 1901 als wichtige Tage besonders kirchlich feiern lässt.

VII.

Tritt man nun schon bei gewöhnlichem Jahreswechsel mit gehobener Stimmung in das neue Jahr hinüber, wievielmehr bei dem Wechsel der Jahrhundertzahl, denn die Feier eines solchen Tages dürfte wohl allen jetzt lebenden Sterblichen nur einmal beschieden sein. Können wir denn nun auch wirklich in gehobener Stimmung in das neue Jahr eintreten? Mit einem ungetrübten, freudigen,,Ja" aus tiefinnerster Ueberzeugung wohl leider nicht, denn das letzte Weihnachtsgeschäft hat doch nicht nur manches, sondern vieles zu wünschen übrig gelassen. Es war lange nicht so lebhaft, wie in früheren Jahren, und wenn auch einzelne unserer Fachgenossen mit dem Ergebnis zufrieden sein mögen; ein grosser Teil kann es nicht sein und sieht schweren Herzens der Zukunft entgegen. Der Krieg in Südafrika, der unsere Interessen so wenig zu berühren schien, übt doch einen unerwartet lähmenden Einfluss auch auf den Geschäftsgang in Deutschland aus und unsere Luxusbranche ist ja, leider Gottes, immer die erste, die unter misslichen Zeitverhältnissen zu leiden hat. Es wird in der Goldschmiedewelt hauptsächlich über den Ausfall in teueren Brillant-Schmucksachen geklagt, den wir der, durch den Krieg hervorgerufenen, Preissteigerung in Diamanten zuzuschreiben haben. Zwar sind infolgedessen eigentliche Goldschmuck waren, namentlich moderne, künstlerische Arbeiten, mehr ge- und verkauft worden, indessen kann der Betrag dafür den erwähnten Ausfall bei weitem nicht wettmachen.

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Auf der anderen Seite ist es ja eine recht erfreuliche Wahrnehmung, dass das Publikum, durch die Centralstelle Schmuck und Mode" mittelst der Presse beeinflusst, immer mehr Geschmack an künstlerischem Goldschmuck gewinnt und dass dieser Geschmack sich nicht nur bei dem sogenannten bessern Publikum zeigt, sondern sich auch in Kreisen bemerkbar macht, deren künstlerische Bildung nicht so ausgedehnt ist, dass man dies hätte erwarten dürfen. Infolgedessen hat nicht nur der einzelne Goldschmied sich wieder ein schönes Feld zur Bethätigung seiner künstlerischen Fähigkeiten eröffnen sehen, sondern es ist auch an den Fabrikationsplätzen eine neue Gattung Fabrikanten erstanden, die man geradezu KünstlerFabrikanten nennen darf. Die Ausstellung im GrassiMuseum zu Leipzig hat diesen Fabrikanten zum ersten Mal Gelegenheit gegeben, mit ihren Erzeugnissen an die breitere Öffentlichkeit heranzutreten, während unsere besten einzelnen Goldschmiedekünstler auf vielen Kunstausstellungen in den grossen

Städten Nord- und Süddeutschlands mit Erfolg haben zeigen können, welch' neues Leben in unser Fach mit den neuen Stilgebilden eingezogen ist. Die excentrischen Auswüchse der neuen Bewegung gehören nun dem ,,fin de siècle" an und wir treten in das neue Jahr mit vollkommen abgeklärten Anschauungen darüber hinein, welche Wege die Goldschmiedekunst in der nächsten Zeit zu wandeln hat, um das Interesse des Publikums auch ferner an ihre schönen Erzeugnisse zu fesseln.

Mit dem alten Jahre dürfen wir nun auch wohl den Kampf um die Zwangsinnung begraben wähnen; sie ist in verschiedenen Städten Deutschlands zur Thatsache geworden und ihre Gegner werden sich nun mit dem Spruche trösten: Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist. Wenn die Freunde der Zwangsinnung sie wirklich zu dem ausbilden, was sie sein kann und sein muss, wenn sie dabei, wie sie versprechen, sich nicht die alten Innungseinrichtungen zum Vorbild nehmen, sondern diese im modernen Geiste um- und ausgestalten, so kann die Zwangsinnung auch an ihrem Teil segensreich zur Entwickelung unseres schönen Faches beitragen, namentlich auch nach der Richtung, dass sie der für die neuzeitigen Goldschmiedearbeiten so notwendigen technischen und künstlerischen Ausbildung der Lehrlinge und Gehilfen ihre volle Aufmerksamkeit zuwendet, denn der Mangel an geschulten Arbeitern, die nicht nur mechanisch mit der Hand, sondern auch denkend mit dem Kopfe arbeiten, macht sich in jetziger Zeit des Aufschwunges unserer Kunst empfindlich bemerkbar.

In den nord- und süddeutschen Silber- und Gold warenfabriken hat sich im letzten Jahre der Geschäftsgang recht erfreulich lebhaft gezeigt und nicht nur im Inlande, sondern auch nach dem Auslande ist der Absatz ein recht befriedigender gewesen und wir dürfen hoffen, dass wir dies auch in der nächsten Zeit werden feststellen können. Ganz besonders ist der Absatz unserer Erzeugnisse nach England und Frankreich gestiegen und wir zweifeln nicht, dass die Vorführung unserer gesteigerten Leistungsfähigkeit in technischer und besonders künstlerischer Hinsicht auf der diesjährigen Pariser Weltausstellung uns eine ganze Reihe neuer Kunden zuführen wird; die Franzosen sehen unseren bezüglichen Anstrengungen ja schon lange mit grosser Beklemmung entgegen, es wird ihnen aber wohl nichts helfen, zu jammern, wenn sie sich nicht auch aufraffen und mit derselben Energie, wie wir, die Hebung ihrer Fabrikation in Goldschmuck in die Hand nehmen. Wir selbst erhalten von Frankreich noch immer dankenswerte Anregungen zu neuem Schaffen, machen die Vorbilder aber nicht mehr, wie früher, sklavisch nach, sondern passen sie unserem und dem Weltmarkte verständnisvoll an und machen das Geschäft.

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Wenn wir nun zum Schluss noch ein Wort über die Thätigkeit unseres Blattes, welches mit dem neuen Jahr als

Deutsche Goldschmiede-Zeitung

bei ihrem ausgedehnten Leserkreise erscheint, sagen dürfen, so haben unsere Freunde auch im abgelaufenen Jahrgange wohl die Beobachtung machen können, dass auch wir mit der Zeit fortschreiten und allen Erscheinungen auf dem Gebiete des

Gold- und Silberwarengewerbes in Wort und Bild ausreichend gerecht geworden sind. Das neue Gewand, in welches wir unsere Zeitschrift kleiden, und der neue Name, den wir ihr gegeben haben, soll unser Streben besser als bisher zum Ausdruck bringen. Es ist uns von interessierter Seite oft der Vorwurf gemacht worden, dass wir nur für den Grossbetrieb in Fabrikation und Handel eintreten; dies ist nicht der Fall gewesen und wird es auch nie sein, wie der unparteiische, ohne Vorurteil unsere Bestrebungen verfolgende Leser zugeben wird. Abgesehen von der Begründung der Centralstelle,,Schmuck und Mode", deren segensreiche Wirksamkeit sich immer mehr fühlbar und bemerkbar macht und über die wir unsere Leser stets eingehend auf dem Laufenden erhalten haben, haben wir fast in jeder Nummer volkswirtschaftliche und kaufmännische Aufsätze gebracht, weil wir der festen Meinung sind, dass der moderne Goldschmied nur dann konkurrenzfähig bleiben kann, wenn er auch dieser Seite des Geschäftslebens seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Wir werden daher auch künftig diesen Teil unserer Zeitung von bewährten Kräften ausgiebig bearbeiten lassen und ausserdem, wie bisher, dem Goldschmiede in Bild und Wort die Kenntnis neuer Stilformen, hervorragender moderner Goldschmiedearbeiten und Kunstgegenstände vermitteln und ihm dadurch stets neue Anregung zu eigenem, künstlerischem

Schaffen geben, woran sich interessante Berichte über die Entwickelung unseres schönen Faches im In- und Auslande schliessen werden. Auch technische Fragen werden künftig, wie bisher, von berufenen Federn ausgiebig behandelt werden, so dass wir auch ferner sowohl den Goldschmieden, wie den Fabrikanten und Händlern mit unserer Zeitung ein reichhaltiges, nach jeder Richtung interessantes Blatt bieten, das stets wie bisher, ein gerngesehener Gast in Werkstatt und Kontor sein wird; zu den alten Freunden hoffen wir uns im neuen Jahrhundert noch viele neue Freunde als dauernde Abonnenten zu erwerben und werden uns nicht, wie andere ältere Blätter, an dem langsamen Fortbewegen in ausgetretenen Bahnen genügen lassen, sondern stets alle unsere Kräfte daransetzen, unsere ,,Deutsche Goldschmiede-Zeitung" zu einem wirklich hervorragenden, allen Ansprüchen gerecht werdenden Blatte zu gestalten.

Indem wir nun allen unseren lieben Lesern und Mitarbeitern bei der Jahreswende ein

Glückliches Neues Jahr zurufen, bitten wir sie alle, uns auch ferner treu und geneigt bleiben zu wollen, und wünschen wir allen im neuen Jahr bleibende und gute Erfolge.

Redaktion und Verlag

der Deutschen Goldschmiede-Zeitung.

Moderner Schmuck in Paris.

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erstrahlen und bis zum Jahresschluss mit eifersüchtiger Sorge in demselben unterhalten werden.

Welch angenehme Zerstreuung finden wir gegenwärtig in einem Abendspaziergange durch die Hauptverkehrsadern der Stadt, bei dem wir unsere Blicke neugierig forschend über die zum Teil mit fast unermesslichen Werten angefüllten, frisch dekorierten Schaufenster gleiten und soweit als möglich in die Magazine dringen lassen. Fenster und Verkaufsräume werden von vielen elektrischen Lampen hell erleuchtet, oft sogar zu grell, aber dies nicht ohne Absicht, da die betreffenden Geschäfte das verführerische Glitzern der Juwelen auf die grossen Massen wirken lassen wollen. Sie kennen ihre Leute und erzielen mit den weniger geschmackvollen als reichhaltigen Auslagen ihrer grossen und zahlreichen Schaufenster, die mit Gold- und Silberschmuck, Taschenuhren, Wanduhren und dekorativen Bronzestücken aller Art angefüllt sind, den gewünschten Erfolg. Das in dichten Gruppen promenierende Publikum häuft sich vor diesem Gemisch von billigem und wertvollem, oft geschmack

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losem, vielfach aber auch künstlerisch ausgeführtem Tand, welcher (um uns der treffenden Worte Uhlands zu bedienen) „glänzt und gleisst, dass mir's wie Wetterleuchten noch in den Augen beisst". Man unterhält sich vor diesem Fenster über die Grösse eines Brillanten, vor jenem über die Preiswürdigkeit einer silbernen Bonbonniere oder daneben über die Wirkung eines Bronzekronleuchters, auch wohl einer vergoldeten Kamingarnitur, bestehend aus einer Standuhr und zwei Kandelabern. Sämtliche zur Schau gestellten Gegenstände sind in diesen bazarähnlichen Magazinen mit leicht zu behaltenden Namen wie: ,,Zum goldenen Apfel",,,Zum Neger ",,,Zur Versuchung", Zur Versuchung", Zur goldenen Garbe", Zum Porte-Bonheur" etc. mit Preisen versehen und bisweilen erscheint auf der Schwelle des Ladens ein Angestellter, der die schöne Auswahl in dem vom Beschauer zum Objekt der Betrachtung gemachten Artikel mit beredter Zunge anpreist und in ausgesuchter Höflichkeit zum Eintritt auffordert.

Ebenso wie nach Aussen, ist im Laden der Hauptwert auf gedrängte Anhäufung von Waren vor dem Auge des Käufers gelegt; sie sollen weniger durch die Gesuchtheit des Arrangements, als durch ihre Fülle und den Eindruck der Billigkeit zum Kaufen anregen.

In grossem Kontraste hierzu stehen die in der Nähe der Oper, dem Zentrum des eleganten Strassenverkehrs, gelegenen feinen Juwelierläden. Hier sehen wir kein Gemisch von Waren verschiedener Art, kein zu grelles Licht und weder Ueberfülle noch viele Preiszettel. Die meist reichen Geschmeide präsentieren sich in streng getrennter, wundervoll harmonischer Anordnung und luxuriösem oder vornehm einfachen Rahmen.

Die dort in grosser Zahl, hauptsächlich in der Rue de la Paix vorhandenen Geschäfte wetteifern in Entfaltung guten Geschmackes nach allen Richtungen hin, denn sie wollen feine, verwöhnte Käufer anziehen, die den Kunstwert des Schmuckes zu würdigen wissen und die Preisfrage nur beiläufig in Betracht ziehen.

Zwischen beiden Kategorien steht die nach vielen Hunderten zählende Menge der mittleren und kleinen Geschäfte, wie sie ähnlich allerorts zu finden sind.

Unter den in all diesen grossen und kleinen, distinguierten und gewöhlichen Läden zur Schau gestellten Artikeln fallen dem Beobachter zunächst die unzähligen Variationen von Berloques auf. Dieselben machen seit einigen Monaten Furore, und je näher wir dem Jahresende kommen, desto reichhaltiger wird die Auswahl. Neben den bekannten Münzen, Herzchen und Kleeblättern finden wir ein Kunterbunt der verschiedensten Gegenstände en miniature aus Gold, Silber, Email oder auch wohl Krystall und Achat mit Edelmetallfassung, zum Beispiel: einen Fingerhut, einen eingetriebenen Cylinder, einen Buckligen, eine Euie, cinen Frosch, eine Kuh, einen zerbrochenen Topf, eine Feige, einen Holzschuh, einen Schiebkarren, das grosse Rad (der Ausstellung), ein Paar Reiter-Stiefel, einen Schleifstein, eine Börse, ein Kameel, natürlich auch einen Hampelmann, sogar die getreue Nachbildung des intimsten der Porzellangefässe mit einem in Email gemalten Auge auf dem Boden, den unvermeidlichen gallischen Hahn etc. etc.

Jedes Anhängsel bildet ein Emblem mit scherzhafter oder ernstlicher Bedeutung, viele gelten als Talisman. Man hat sogar gewisse dieser kleinen Geschenksobjekte zu einer doppeltglückbringenden Gruppe, derjenigen der dreizehn Fetische, vereinigt, welche von den Sammlerinnen mehr als von den Sammlern zu erreichen gesucht wird. Die Damen tragen sie rund um ihr im vorigen Jahre in Mode gekommenes Sautoir, oder auch in einem dicken Bündel an demselben in Taillenhöhe angebracht; die Herren schmücken hier und da ihre Uhiketten mit denselben.

Allerhand Tierformen nehmen als Motive zu diesen Berloques einen hervorstechenden Rang ein. Wir finden solche auch vielfach auf Broschen, Cravatten- und Hutnadeln zum Teil

in köstlicher Juwelierarbeit angewendet. Brillantenbesetzte: Pudelhund, mit einem Knäuel spielende Katzen und blumenbeladene Maultiere tauchen häufig vor unserem Auge auf, ebenso wie graziöse Schmetterlinge und Libellen, deren zarte Flügel unter künstlerisch geschickter Verwendung von durchschimmerndem Email mit allen ihren schmeichelnden Farbenreflexen der Natur täuschend nachgebildet sind.

Die im verflossenen Jahre eingeführten schweren ChimärenBroschen, Ringe, Knöpfe und Nadeln behaupten noch ihren Platz, werden jedoch von dem später nach den ausdrucksvollen Schöpfungen Rotys, Cherets, Verniers und anderer entstandenen Medaillenschmuck mehr oder minder auf die Seite gedrängt. Das Ganze aber überragen die herrlichen, gleichsam plötzlich in grosser Fülle erschienenen Neuheiten im ,,Jugend-Stil". Sie bringen eine gefällig überraschende Abwechslung, einen kräftigen, bisher unbekannten Farbenton in das seit Jahren ziemlich gleichförmige Gesamtbild. Wie prächtig heben sich die meist dem Pflanzenreich entlehnten Formen der kunstvoll cisilierten Gürtelschnallen aus Gold und Silber, ohne oder fast ohne Steine, mit ihren verschiedenen Goldfärbungen oder Ziervergoldungen in weichen Tönen, die Anhänger nebst dazu passenden Halsketten in ähnlicher Bearbeitung, bereichert durch geschickt verteilte Emailleaffekte, die von Blumengebilden anmutig umrankten: Ziervasen, weissen oder vergoldeten Silberservice, goldenen Taschenspiegeln u. s. w. von dem gewohnten Edelsteinfunkel des kostbaren Geschmeides, oder dem ewigen Louis-Quinze-, Renaissance-, Louis-Seize-Stil des Silbergeschirres ab. Die Gold- und Silberschmiede haben, ihre Vorbilder mit vollen Händen aus der Natur schöpfend, dem Metalle einen lebendigen Ausdruck zu geben gewusst, auch ohne dass viel feurige Steine dazu. nötig waren.

Dem Zuge nach dem Neuen und Schönen folgend, sind wir, ohne uns dessen zu versehen, in die Gegend der Oper geraten, denn die besprochenen Neuheiten im Jugendstil treten weder in den bazarähnlichen noch in den gewöhnlichen Läden so offen in den Vordergrund wie hier. Der liebe Leser wird sich dies auch schon selbst gesagt haben. Verweilen wir noch eine kurze Spanne Zeit in diesem bezaubernden Viertel, um einige der vor uns liegenden Kostbarkeiten etwas näher zu betrachten. Bei Hamel, Avenne de l'Opéra, bildet die Reproduktion einer reizenden, im diesjährigen Salon ausgestellten Irisbrosche (1) den Gegenstand des Begehrs einer neben uns stehenden, offenbar vornehmen Dame in wertvollem, bis über die Hüften hinabreichenden Pelzumhang. Blumenkrone und Blätter der Brosche sind mit den Naturfarben der Schwertlilie in mattem Email äusserst wirkungsvoll bemalt, während der in der Blüte ruhende Kopf mit seinem wallenden Haare, Schulter, Arm und Hand in weisslich-hellem Mattgold fast wie belebt erscheinen. Eine andere von modern-weitem Mantel umgebene feine Frauenerscheinung weiss nicht, ob sie sich für die in demselben Fenster befindliche Brosche mit vier zufrieden lächelnden Kinderköpfchen, oder für einen von Deberghe ausgeführten Nelkenkamm entscheiden soll. Die Plakette der Brosche (II) ist geprägt und von leichtrötlich-matter Färbung; sie wird durch einen schmalen Glanzstreifen von ihrer eigentümlichen, gleichfalls rötlich-matten Umrahmung getrennt. Das seitlich angebrachte Hagerosensträusschen mit seinen zart bemalten Blättern und Blüten stimmt trefflich zu den freundlichen Gesichtern, die es umgiebt. Trotz der verführerischen Reize, welche in dem abwechslungsreichen Bilde der Broschen liegen, zieht die Dame den einfacheren, aber deshalb nicht minder kunstvollen Kamm aus blondem Schildpatt vor, denn sie kann dessen formvollendetem Nelkenbouquet mit grüngoldenen Blättern und weiss emaillierten Blumenkronen nicht widerstehen. Wir selbst wählen uns unterdessen einen weissgoldenen, patinierten Frauenkopfring von wunderbarer Plastik aus. Ueber der Stirn schimmert ein kleines, von dem in dichten Wellen rechts und links herabfallenden Haar halb verdecktes Diadem

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aus winzigen Brillanten. In das Haar sind an der rechten Schläfe und dort, wo es links den Anfang der Brust erreicht, zwei wilde Rosen eingeflochten. In der Auslage Bomdiers, Rue du Quatre Septembre, finden wir ein Paar mattgoldene, durchbrochene Manschettenknöpfe, in Ciselierarbeit einerseits einen Schwan im Schilf und andererseits eine Schwertlilie darstellend, ganz nach unserem Geschmack.

Aucoc, Rue de la Paix, zeigt uns einen mit sieben wasserhellen Brillanten besetzten Falter aus schwarzem Stahl. Derselbe wird seine spitzenartig durchbrochenen Flügel wahrscheinlich bald auf einer hellen Abendtoilette verschönernd ausbreiten. Nicht weit davon fällt uns bei Coulon, an einem reichen Sautoir hängend, ein goldener Tannenzapfen auf, der auf seiner ganzen Oberfläche mit platingefassten Brillanten bedeckt ist. Die an und für sich einfache Kette wird abwechselnd von drei zu drei Centimetern von erbsengrossen Perlen und Brillanten unterbrochen. Dem Tannenzapfen als Geschenk legt man die Bedeutung eines Beschützers vor Krankheiten bei (VII).

An ihrer seidenrauschenden und farbenreichen Kleidung erkennen wir vor dem Magazine Bourdiers, Place Vendôme, eine Demi-Mondaine. Ihr rücklings nachlässig an das Schaufenster gelehnter Begleiter weigert sich anscheinend, eine egyptische Halskette mit Talismananhänger von zweifelsohne fabelhaft hohem Preise zu erstehen (VIII). Diese Kette reicht im Gebrauch, wie es die neueste Mode will, bis zur Brust, auf die sich der Anhänger lose auflegt. Sie wird in Abständen von etwa drei Zoll ringsum von Zwischenteilen, bestehend aus Perlen und in Käferform geschnittenen Turkisen, durchsetzt, bis sie sich an einem von zwei Brillanten flankierten Türkiskäfer, etwa doppelt so gross als die anderen, nahe bei ihren Enden

vereinigt. Zwischen diesem Schieber und dem Anhänger legt ein Geier in abwärts gerichtetem Fluge seine Fittiche auf die Kettenenden auf. Der ausnahmsweisse grosse, flache Türkis in seiner Fassung von phantastischen Vogelgebilden ist goldgraviert, und den Abschluss bildet eine grau schillernde Perle, als Panpille angebracht. Das ganze in bleich grünlichem Altgoldton gehaltene Stück sieht aus, als ob es einem antiken Grabe entstamme.

XI.

Die kräftigen, klaren Linien von zwei bei Vever ausliegenden Agraffen, die eine mit Schneeglöckchen-, die andere mit Iris-Motiv offenbaren ohne weiteres die Arbeit von Deberghe, welche uns schon durch den vorhin beschriebenen Kamm in die Augen fiel. Die Schneeglöckchen-Phantasie bildet den Hauptteil eines Gürtelbeschlages, während die beiden Schwertlilien mit zwei in graziöser Biegung ineinandergreifenden Blättern sinn

reich zu einem Mantelschluss verwendet sind. Da Emailverzierungen auf diesen, dem praktischen Gebrauche gewidmeten Zirraten nicht lange standhalten würden, sind sie weggeblieben, eine grünliche Nüancierung der Blattformen lässt die rotpatinierten Blumen vorteilhaft hervortreten.

Aus den bei Lacloche frères prunkenden Schätzen greifen wir eine etwa fünfundzwanzig Centimeter hohe Vase aus Galléschem Kristall heraus (XI). In lebhaft naturkolorierter Gravierung heben sich aus der Erde spriessende Disteln von dem unten granatroten, nach der Mitte ins durchscheinend bläuliche übergehenden und von oben her rubinfarben gewölkten Glase ab. Gleichsam aus der Vase herauswachsend, lässt ein goldener Brombeerstrauch seine fruchtbeladenen Zweige auf das Gefäss herniederhängen. Dadurch, dass einige der kleineren, bis zur Mitte hinaufreichenden Disteln, ebenso wie ihr ganzer Boden, in starkem Goldrelief aufgelegt sind, kommen Hals und Fuss der Vase in harmonischen Einklang.

Wir erreichen Fontana gegenüber gerade noch zeitig genug, um die Einzelheiten einer anderen lieblichen Vase mit raschem Blick zu erfassen. Eine silberne, von zwei Libellen besuchte Seerosen

knospe mit Vergoldung der schlanken Insektenkörper sowie der stark ausgebildeten Staubgefässe und mit Emailmalerei auf den übrigen Teilen. Auf den Knospenblättern ist der Uebergang vom Grünen ins Weisse ausgedrückt, indess die Flügel der Libellen dunkelglänzend violett in die Luft ragen (XII)*).

Es ist sieben Uhr. Die Herren Goldschmiede der Rue de la Paix räumen ihre Fenster aus und lassen die schweren Blenden vorlegen. Ihre Kundschaft bekommt und will auch

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heute nichts mehr.

Hector.

*Weitere Abbildungen mussten Raummangels wegen für nächste Nummer zurückgestellt werden, wo also die Nummern ausfallen, finden sich die betr. Stücke in No. 2 abgebildet.

D. Red.

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