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selbst ist es in die Hand gelegt, das Gewerbe wieder zu dem zu machen, was es sein muss, zur Handarbeit. Strengt Euch an und greift zu und klagt nicht am unrechten Orte, an Euch selbst liegt es, diejenigen aus dem Gewerbe fern zu halten, die Eurer Ansicht nach nicht herein gehören, lasst Ihr aber die Hände im Schosse liegen, so wundert Euch nicht, wenn andere das Gebiet betreten, das Ihr unbenützt liegen lasst, wenn sie Euch das wegnehmen, was Ihr selbst vor ihnen erhalten könnt, wolltet Ihr Euch ebenso fleissig rühren wie jene!

Das Geschäft in Goldwaren und Juwelen in Berlin.

Der von der Freien Vereinigung des Gold- und Silberwarengewerbes zu Berlin an den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller erstattete Jahresbericht über die Geschäftslage im Jahre 1899 hat folgenden Wortlaut:

An dem allgemeinen Aufschwunge der Industrie des ganzen deutschen Reiches hat auch schon seit 1898 die GoldwarenIndustrie und der Juwelenhandel einen regen Anteil gehabt. Man hoffte daher für das verflossene Jahr eine weitere Steigerung auf beiden Gebieten verzeichnen zu können.

Wenn nun auch in den ersten Monaten 1899 diese Steigerung wirklich eingetroffen ist, so ist doch für den Rest des Jahres entschieden eine Verflachung des Geschäftes zu verzeichnen. Am Platze haben im Laufe des vergangenen Jahres die Arbeitsgeschäfte und selbstständigen Werkstätten vollauf zu thun gehabt. Es hat sich das Bestreben nach neuen Formen, nach eigenen Motiven namentlich in den ersten Geschäften des Platzes weiter Bahn gebrochen und ist im Laufe des in Frage kommenden Zeitabschnittes in den Ausstellungen der Abteilung für Kunstgewerbe zum regen Ausdruck gekommen, wie es auch die übrigen Gebiete des Kunsthandwerkes und die Industrie anderer Fächer ergriffen hat.

Die überall auch auf den Ausstellungen gebotenen Vorbilder, ferner die Agitationen in allen Zeitschriften haben ein Uebriges gethan, um bei dem grossen Publikum den Sinn für den Goldschmuck anzuregen und den Geschmack, der in den letzten Jahren zu veröden schien, neu zu beleben. In diesem Bestreben

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O. M. Werner-Berlin.

Ziervase.*)

Die im vergangenen Jahre erzielten Umsätze dürften im wesentlichen, was den reinen Goldschmuck betrifft, in sogenannter kouranter und mittelfeiner Ware erreicht worden sein. Die gefassten Juwelensachen, welche in der ersten Hälfte des Jahres noch regen Zuspruch fanden, haben namentllch in hohen Preislagen, in der zweiten Hälfte und besonders während des Weihnachtsgeschäftes nicht in dem erhofften Masse am Umsatz teilgenommen. Die Ursache für diesen Rückgang des Verkaufes an teueren Stücken dürfte einesteils in der anhaltenden Preissteigerung liegen, welcher die Brillanten besonders unterworfen waren,

*) Sämtliche Entwürfe zu den in dieser und der vorigen Nummer abgebildeten Kunstwerken O. M. Werners sind gesetzlich geschützt, die Abbildungen sind der Deutschen Kunst und Dekoration" entnommen. Anm. d. Red.

anderenteils darin ihre Ursache haben, dass durch den Rückgang der Staatspapiere und die damit in Verbindung stehende Steigerung des Diskontes und Versteifung des Geldmarktes die Gewinne und infolge davon die Kauflust der sonst für grosse Juwelen in Frage kommenden Kreise eingeschränkt eingeschränkt worden sind.

Auch das Ladengeschäft kleineren Umfanges hat in Berlin, nachdem die erste Hälfte des Jahres gute Früchte zeitigte, schliesslich nicht den erhofften Aufschwung erfahren, weil durch lang andauernden Streik im Baugewerbe ein grosser Teil des sonst in billigen Goldwaren viel verbrauchenden Publikums in seinen Einnahmen wesentlich beschränkt worden ist, und die sehr früh einsetzende strenge Winterkälte so manchen abgehalten haben dürfte, Schmuck zu kaufen an Stelle von Wollund Pelzwaren.

Wenn auch das Durchschnitts-Ergebnis des ganzen Zeitabschnittes ein gutes zu nennen ist, so geben diese wirtschaftlichen Ereignisse, die durch die politischen (Transvaal) eine weitere Zuspitzung erfahren, dem vorsichtigen Geschäftsmanne Fingerzeige für die nächste Zukunft. Es zeigt sich ferner in Berlin, dass Geschäfte, welche dem Publikum mit genügenden Mitteln reiche Auslagen bieten können, denen gegenüber im Vorteil sind, die nur in althergebrachter Weise mit bescheidener Ausstellung ihrer Waren ein Geschäft erzielen wollen. Es macht sich auch hier eine Zusammenziehung der verschiedenen, miteinander verwandten Geschäftszweige stark bemerkbar, und während früher der Goldschmied allein sein Geschäft als solcher zu betreiben versuchte,

finden wir in letzter Zeit mehr und mehr die Zusammenlegung von Uhren, Gold-, Alfenide- und Silberwaren in einer Hand vertreten. Es ist diese Erscheinung vielleicht auf den Einfluss der Warenhäuser zurückzuführen und es wird Sache des Goldschmiedes sein, sein Gewerbe dadurch hoch zu halten, dass er einen tüchtigen Nachwuchs bildet.

Hierzu soll die nun inzwischen zur Thatsache gewordene Zwangsinnung verhelfen. Ob sie dies thatsächlich zu leisten ver

mag, muss die Zukunft lehren. Die Freie Vereinigung des Gold- und Silberwaren Gewerbes, welche neben der Zwangsinnung die Interessen des Faches vertritt, sucht das Verständnis im Publikum für den Goldschmuck rege zu machen und sucht den Nachwuchs mit den Kenntnissen in kaufmännischer Beziehung auszustatten, welche die heutige Zeit mit ihren erhöhten Anforderungen von jedem Einzelnen verlangt. Es würde durch Zusammenwirken beider Körperschaften etwas Vollkommenes erreicht werden können.

Dies ein ungefähres Bild vom Stande des Geschäftes in unseren offenen Verkaufsläden, mit denen innig zusammenhängen die Werkstätten, welche für diese Ladengeschäfte arbeiten.

Eine weitere Art von Geschäften, die für das Fach am Platze in Frage kommen, sind die Gross-Handlungen. Einige Veränderungen, die innerhalb verschiedener Firmen vorgegangen sind, haben im grossen und ganzen einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des Geschäftes nicht gehabt. Der Grosshandel geht dem kleinen Geschäft vorauf, er hat seine Massnahmen vorausschauend zu treffen und hat demgemäss im ganzen letzten Jahre tüchtig Bestellungen in die Fabriken ausgeben können.

Der Verkehr sowohl in der Stadt wie nach der Provinz ist gegenüber dem bereits recht regen Jahre 1898 wiederum ein lebhafterer gewesen und die erzielten Erfolge dürften befriegende sein.

Wenn auch infolge der Geldversteifung der Nutzen des einzelnen ein immer kleinerer wird, und die Gewährung eines langen Zieles im Fache vielfach zur Notwendigkeit geworden ist, weil die Ansprüche an die Lagerhaltung der Kundschaft immer bedeutender werden, so sind doch grosse Verluste nicht zu verzeichnen gewesen.

Die Ausdehnung des Geschäftes von Berlin beschränkt sich überwiegend auf Deutsche Reich, Dänemark und Norwegen; der Verkehr nach Russland und den Ländern der österreichischen Krone ist ein verhältnismässig sehr geringer und stehen ihm immer noch die Fabrikations-Vorschriften jener Länder, Umständ

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lichkeit der Einfuhr, Schwierigkeit der Punzierung entgegen, sodass vom Lager nur ein kleiner Teil an die Kundschaft dieser Länder verkauft werden kann; die Sonderanfertigung aber verteuert den einzelnen Artikel.

Während in früheren Jahren der Berliner Grosshandel durch die Treff lichkeit der postalischen Einrichtungen imstande war, nach allen Punkten des Deutschen Reiches die verlangten Waren innerhalb 12-24 Stunden zu versenden, haben die Einschränkungen der Auflieferungszeiten, namentlich an den Bahnhöfen, diese Möglichkeit nunmehr ausgeschlossen, mindestens stark eingeschränkt. Es ist dadurch den Berliner Grossisten unbedingt ein grosser Nachteil erwachsen. Das Goldwaren Grossgeschäft liegt nun einmal so, dass die einlaufenden Bestellungen, die häufig telegraphisch erteilt werden, unter allen Umständen am gleichen Tage erledigt werden müssen, weil der Gegenstand am nächsten Tage zu einem Gelegenheitsgeschenk gebraucht wird. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass es nicht,

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Wir

wie anscheinend von der Postbehörde angenommen wird, böser Wille ist, wenn die Auslieferung der einzelnen Sendungen erst in den Abendstunden erfolgt. Diese ist vielmehr dadurch bedingt, dass die einzelnen Bestellungen vielfach einer Anfertigung bedürfen, deren Vornahme im Laufe des Tages erst möglich ist. möchten daher gegen eine etwa weiter geplante Einschränkung der Auflieferungszeiten energisch Protest einlegen, wohl aber anheim geben, ob es nicht ratsam wäre, den grösseren Geschäften im Interesse der Sicherheit und der ruhigen Abwickelung der Auflieferung gesonderte Räume auf den Postämtern anzuweisen. Die Auflieferung an den Sonntagen scheint uns auch nicht ganz den Bedürfnissen des Publikums zu entsprechen. Wenn die Geschäfte an den letzten Sonntagen vor Weihnachten bis um 8 Uhr geöffnet sein dürften, so wäre es gewiss nicht unbillig, wenn auch die Postbehörde eine spätere Auflieferungsstunde, als die Zeit von 12-1 Uhr wählen würde. Die grosse Zahl der an den letzten Sonntagen eingehenden Aufträge ist nicht in der kurzen Zeit bis 10 Uhr zu bewältigen. Da von 10-12 Uhr nicht gearbeitet werden darf, kommt auch eine wesentliche Arbeitszeit von 12-1 Uhr nicht mehr in Betracht, weil die Auflieferung nicht in der letzten Minute vor 1 Uhr erfolgen darf, sondern möglichst schon gleich um 12 Uhr geschehen muss, wenn auf pünktliche Beförderung gerechnet werden soll. Wir würden die alte Zeit von 5-6 Uhr für diese Sonntage empfehlen können. Vor allem aber ersuchen wir die Postbehörde, in den Bekanntmachungen in den Zeitungen und auf den einzelnen Aemtern gleichlautende Vorschriften zu erlassen; es herrschte vielfach Unklarheit über Annahme und Ausgabe und mehrfach erschwerte Widersprüche zwischen den Bekanntmachungen und den Thatsachen den ordnungsmässigen, zuverlässigen Betrieb.

Die Beförderung der Postsendungen nach Berlin ist so vielfach bereits gerügt worden; die völlige Unzulänglichkeit der Einrichtungen für den Weihnachtsverkehr hat so manche Weihnachtsfreude in diesem Jahre zunichte gemacht, dass es nicht nötig ist, an dieser Stelle nochmals darüber Klage zu führen.

Es ist selbstverständlich, dass auch unser Fach unter den unzulänglichen Einrichtungen für die Beförderung des Weihnachtsverkehrs schwer gelitten hat.

Der Juwelenhandel zeigt ungefähr das gleiche Bild in seiner Entwickelung, wie wir es schon bei den Gold waren vorführten. Der Handel in Brillanten nahm zuerst einen regen Verlauf. Die etwas anziehenden Preise erschienen nicht so bedeutend, dass sie das Publikum abschrecken würden. Die im Laufe des Jahres in allen Zeitungen verbreiteten Notizen über die ständig steigende Tendenz der Preise der Rohware veranlasste aber schliesslich beim Publikum eine allgemeine Abneigung vor dem Erwerbe der hochpreisigen Ware, sodass, wie wir schon eingangs erwähnten, der Ankauf grosser Stücke meist unterblieb. Der Vertrieb der Mittelware wird keine Einbusse erlitten haben. Die Umsätze halten sich auf der Höhe des Vorjahres.

Von Farbsteinen haben nach wie vor Rubine und Smaragde als gesuchte Steine ihre Preise behauptet. Trotzdem der Saphir für feineren Geschmack weniger begehrt ist, ist ein Nachlassen des Preises nicht zu verspüren. Der Umsatz dürfte ein wenig zurückgegangen sein und an Stelle des Saphirs hat ein Halbedelstein, der Opal, das Feld erobert und behauptet.

Perlen sind im vergangenen Jahre, als Schnüre gereiht, ganz besonders stark begehrt gewesen, auch hierin ist eine Preissteigerung unausbleiblich geworden. Der grossen Nachfrage hält die Fischerei nicht Stich, daher wird auch in absehbarer Zeit ein Sinken der Preise nicht möglich, sondern eine Steigerung denkbar sein.

Der Versuch, von Paris aus dem Türkise und der Koralle wieder aufzuhelfen, dürfte für gescheitert zu betrachten sein. Der Verkauf des Korallen-Schmuckes beschränkt sich auf ganz billige Ware für das kleine Publikum, das gleiche trifft für den einst so beliebten Granatschmuck zu.

Der Verbrauch an Silberwaren war in Deutschland nicht in dem Masse befriedigend, als wie im vorhergehenden Jahr, namentlich waren grössere Stücke wenig gefragt. Das hat wohl seinen Grund darin, dass das Geld äusserst teuer wurde und dadurch die Kauflust in den dafür massgebenden Kreisen hemmte.

In Façons war Empire sehr gefragt und fand in kleineren Gegenständen willigen Absatz. Die speziell Berliner Fabrikanten haben sich mit den vom Düsseldorfer Platz geworfenen Preisen für Bestecke noch nicht völlig ausgesöhnt, was nicht befremdet, da vom Berliner Fabrikanten beste Arbeit bei gleich billigen Preisen verlangt wird, während bei Düsseldorfer Fabrikat gute Arbeit weder gefordert wird, noch gegeben werden kann. Die Preistreiberei hat zur Folge, dass auch über unsere Branche bald gesagt wird:,,Billig und schlecht".

Der Export nach Italien war befriedigend, ebenso nach Schweden-Norwegen. Nach Russland dagegen wird es von Jahr zu Jahr weniger, da der im verflossenen Jahr erst wieder erhöhte Zoll jedes Geschäft fast zur Unmöglichkeit macht. Es ist äusserst bedauerlich, dass uns dieses Absatzgebiet vollständig verloren geht. Rumänien ist sehr faul und kann nur äusserste Vorsicht selbst bei den Firmen angeraten werden, die sonst zweifelsohne waren. Nach der Türkei war der Export etwas belebter und liesse sich dahin ein sehr gutes Geschäft bei tüchtiger und gewissenhafter Vertretung erzielen. Mit Oesterreich-Ungarn war der Export nur schwach, was wohl seinen Grund in den parlamentarischen Wirren hat. Der Verkauf nach Frankreich entwickelt sich immer mehr und ist ein sehr schönes Geschäft zu erzielen, wenn man sich dem dortigen Geschmack richtig anpasst.

Eine grosse Erleichterung für uns Fabrikanten würde es bedeuten, wenn das Feingehalt der Waren höher hinaufgesetzt werden könnte, man würde dann nicht gezwungen sein, das Rohmaterial in verschiedenen Graden vorrätig halten zu müssen.

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Grobe Veruntreuungen eines Angestellten gegen seinen Arbeitgeber kamen bei der Verhandlung einer Anklage zur Sprache, die kürzlich den Reisenden Max Vogel unter der Beschuldigung des Diebstahls, der Urkundenfälschung und des Betruges vor die neunte Straf kammer des Landgerichts I in Berlin führte. Neben ihm hatten sich der Handelsmann Otto Binder und die separierte Amanda Ruthenberg geb. Müller wegen gewerbs- und gewohnheitsmässiger Hehlerei zu verantworten. Der Angeklagte Vogel war fast zwei Jahre lang in der Silberwarenfabrik von Pausch & Pohl in der Ritterstrasse als Reisender thätig und erwarb sich in solchem Masse das Vertrauen seines Chefs, dass die durch Notierung bewirkte Kontrolle der von ihm aus dem Lager entnommenen Muster bald aufhörte. Vogel hat das Vertrauen in der schnödesten Weise missbraucht: er hat aus dem Silberwarenlager der Fabrik, welches in Zimmern er Wohnung seines Chefs in grossen unverschlossenen Schiebeschränken untergebracht war, und zu dem er als Angestellter ungehinderten Zutritt hatte, sich nach und nach Waren im Gesamtwerte von etwa 10 000 Mark widerrechtlich angeeignet. Einen Teil dieser gestohlenen Waren hat er bei einem Pfandleiher versetzt beziehungsweise verkauft, ein anderer Teil ist noch in seiner Wohnung vorgefunden und mit Beschlag belegt worden. Den Hauptteil aber haben die Angeklagten Binder und Frau Ruthenberg verkauft. Vogel hat ferner in zahlreichen Fällen Silberwarenmuster, die ihm zum Vorzeigen bei den Kunden übergeben worden waren, sich angeeignet und seinem Chef wahrheitswidrige Angaben über angebliche Kunden, die die Muster empfangen haben sollten, gemacht. Er erschwindelte sich ferner auf Grund gefälschter Bestellscheine seiner Firma von einer Gold- und Silberwaren firma Waren im Werte von etwa 500 Mark. Ausserdem erschlich er sich noch unter der falschen Angabe, er wolle für einen Bekannten Wertsachen zum Engrospreise besorgen, von seinem Chef die Unterschrift auf einen an die Goldwaren-Grosshandlung Wilh. Müller gerichteten Bestellschein. Er liess sich darauf Waren geben, die er schleunigst zu eigenem Nutzen verkaufte. Nach Entdeckung seiner Strafsachen ist er flüchtig, später in der Schweiz ergriffen und von dort ausgeliefert worden. Binder und die Ruthenberg, die seit Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen, haben mit ihm in ausgedehnter Geschäftsverbindung gestanden und die gestohlenen und unterschlagenen Sachen an den Mann gebracht. Das Urteil lautete gegen Vogel auf eine Gefängnisstrafe von drei Jahren sowie fünfjährigen Ehrverlust. Die Angeklagten Binder und Frau Ruthenberg wurden freigesprochen, da die belastenden Umstände nicht für ausreichend zu erachten waren.

Von welch weittragender Bedeutung für das gesamte Fach und von welch bedeutenden Nachteilen in wirtschaftlicher Beziehung Vorkommnisse der durch die angeführte Gerichtsverhandlung geschilderten Art sind, ergiebt sich erst, wenn man bedenkt, dass die auf diebische Weise erworbenen Gegenstände auf einem Wege an den Mann gebracht wurden, der angethan ist, den reellen Händler in schlimmer Weise zu schädigen, wie aus der nachfolgenden Eingabe der ,,Freien Vereinigung für das Gold- und Silberwaren-Gewerbe" dargethan ist. In der

Hoffnung, dass das Kgl. Polizeipräsidium zu Berlin der betr. Eingabe ein möglichst weitgehendes Interesse entgegenbringt, lassen wir dieselbe zu Nutz und Frommen unserer Leser hier folgen:

Eingabe der Freien Vereinigung zu Berlin

An das
Königl. Polizei-Präsidium

Berlin.

Die Verhandlung am 16. d. Mts. vor der neunten Strafkammer des Königl. Landgerichts I gegen Vogel, Binder und die separierte Ruthenberg wegen Diebstahls, Unterschlagung und Hehlerei hat ergeben, dass in dem Schanklokale ,,Zum grossen Seidel", Neue Friedrichstrasse, nicht nur gelegentlich Waren verkauft werden, sondern, dass sogar nach Aussage der Frau Ruthenberg von dieser selbst dort auf einem Tische Silberwaren zum Kaufe ausgestellt worden seien. Infolge früherer Vorstellungen seitens der Berliner Juweliere und Goldschmiede hatte ein hohes Königliches Polizei-Präsidium den Verkauf in genanntem Lokale verboten, was allseitig mit Dankbarkeit begrüsst und anerkannt wurde.

Wenn die ergebenst Unterzeichneten auch nicht verkennen, dass der Verkauf gestohlener Waren nicht zu verhindern ist, so bleibt es doch unleugbar, dass die Leichtigkeit, mit welcher, wie in diesem Falle, Waren im Werte von 7-10000 Mark untergebracht worden sind, den hauptsächlichsten Anreiz zum fortgesetzten Diebstahl des Vogel bildete.

Die schwere Schädigung, welche nicht nur dem Bestohlenen, sondern unsern Fachgenossen überhaupt damit zugefügt wird, erweist sich auch im weiteren dadurch, dass ungefähr 25 Althändler und Pfandleiher, die in diesem Prozess als Zeugen geladen waren, derartige Waren gekauft hatten.

Durch den Verkauf der noch neuen Waren zu Preisen, die unter dem Herstellungswerte sich bewegen, wird dem reellen Geschäftsmanne ein unberechenbarer, dauernder Schaden zugefügt, da ein Publikum, das durch ein derartig augenfällig vorteilhaftes Angebot verwöhnt ist, nicht mehr in einem reellen Geschäft zu normalen Preisen kaufen wird. Die ergebenst Unterzeichneten ersuchen daher gehorsamst, das Verbot des Verkaufes in genanntem Lokale in wirksamer Weise dauernd aufrecht erhalten zu wollen. Mit Hochachtung

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