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alles rechtzeitig eingetroffen ist, jedoch haben die baulichen Dispositionen nicht gestattet, den Inhalt der Kollis an ihren Platz zu bringen. Hier befinden sich wahrscheinlich auch die Auslageschränke für unsere Artikel, während die Kleinode selbst an einem sicheren Orte in Bereitschaft stehen. Ein deutscher Aussteller unserer Branche, den wir zufällig sprechen, beklagt sich bitter, dass er aus dem Chaos von Kisten und Kasten trotz mehrtägigen Suchens die seinigen mit dem besten Willen nicht herauszufinden vermag. Es bleibt uns also nichts übrig, als bei den fremden Staaten Umschau zu halten, ob wir dort nicht unser Fach betreffende Ausstellungen entdecken. Aber auch dieses Bemühen ist vergeblich, denn überall begegnen wir dem gleichen Durcheinander. Nur Dänemark macht eine rühmliche Ausnahme. Dieses Land muss durch besondere Umstände begünstigt worden sein, um den Besuchern ein fast vollendetes Bild seiner Sektion zu bieten. Einen auffallend grossen Teil derselben füllt Hof-Silberschmied Michelsen - Kopenhagen mit einer ganzen Serie von gediegenen und interessanten Arbeiten aus, auf die wir später einzugehen gedenken.

Heute suchen wir, da sich auf unserem Gebiete nicht viel Bemerkenswertes zeigt und die Zeit bis zum Schluss gemessen

ist, weil die Beleuchtungsanlagen noch nicht funktionieren, die der Seine entlang am Quai d'Orsay liegenden Regierungspavillons, sowie in aller Eile die auf dem Champs de Mars gruppierten Gebäude in Augenschein zu nehmen. Die meisten der Pavillons sind äusserlich fertig, jedoch ist der Zutritt untersagt, ohne Zweifel weil sie noch nichts Sehenswertes enthalten; so ist es auch bei dem stolzen deutschen Hause.

Mit der beweglichen Plattform (einer Rundbahn) lassen wir uns zum Champs de Mars befördern, wo wir ebenfalls fast noch alles im unvollendeten Zustande antreffen. Die dort verteilten verschiedenen deutschen Abteilungen für Maschinenbau, Elektricität, Weberei u. s. w. sind am weitesten voraus, aber es scheint, als ob im ganzen noch geraume Zeit nötig sei, bis sich alles so präsentiert, wie es der Besucher verlangen kann.

Einige Wochen dürften nach der Meinung einer von uns befragten Person noch darüber hingehen.

Da wir von dieser Wanderschaft auf holperigen Wegen ermüdet sind, schauen wir uns nach einem Ruheplatze um. Ein guter Stern führt uns zur weiten Halle des ,,Spatenbräu“ und mit diesem finden wir endlich etwas Vollendetes.

Hector.

Elektrogravüre.

Das Zeitalter der Maschinen und der Elektricität überrascht uns kaum mehr mit neuem, wir sind daran gewöhnt, dass uns, wir möchten sagen, jeder Tag Ungeahntes bringt und Erfindungen, die frühr als weltbewegende Begebenheiten die gesamte Menschheit in Erstaunen setzten, sind heute etwas nur Natürliches. Das Menschengeschlecht in seiner Gesamtheit geht nahezu achtlos daran vorüber und nur ein verhältnismässig kleiner Kreis von speziell Interessierten sieht sich günstigsten Falles die Sache näher an, nicht um derselben Bewunderung zu zollen, denn darüber sind wir längst hinaus, nein, die wirtschaftliche Frage, die Frage, wird dir die Sache Brot gewähren oder wird sie es dir entziehen ist das allein Interessante dabei.

Von diesem Standpunkte aus beurteilen die von der neuesten Erfindung, der Elektrogravüre, in unserem Fache betroffenen. Es ist ein eigentümliches Merkmal, das der neuen Erfindung anfgedrückt wird, wenn man sagt, die Interessierten werden davon betroffen, leider aber lässt sich das Resümee der Empfindung der zumeist Beteiligten kurz nicht besser ausdrücken; denn ohne allen Zweifel wird sie von unseren Graveuren, speziell den Reliefgraveuren, nicht als erwünschte Neuerung, sondern zum mindesten als „Kuckucksei" betrachtet werden.

Hunderte, ja richtiger gesagt Tausende von Jahren hatte die Gravierkunst lediglich als Handarbeit bestanden und unter Berücksichtigung der technischen Ausführung der Gravierkunst konnte man berechtigterweise annehmen, dass sie dies auch bleiben werde, so lange die Welt steht; denn auch die ingeniösest erdachte Maschine dürfte nimmermehr in der Lage sein, alle die Wendungen, alle die Bewegungen oder nur einen Teil derselben so ausführen zu können, wie es die Hand thut die vom denkenden Gehirn des Graveurs geführt wird.

Aber die Zeit kam und brachte Hilfsmittel, sie brachte eine Maschine, die Aufsehen erregte, aber keine Befürchtungen, musste sie doch als willkommenes Hilfsmittel dem Künstler in der Graviertechnik gelten, insofern, als sie ihm eine undankbare Arbeit, die schablonenhafte Ausführung der zeitraubenden Herstellung gleichmässiger, hauptsächlich geometrischer Figuren und der Schraffierungen abnahm und ihm die dadurch gewonnene Zeit zur besseren Bethätigung an der künstlerischen Ausgestaltung seiner Arbeit liess, nicht zu vergessen des nicht zu unterschätzenden Vorteils, dass diese Maschine die ihr zugedachte

Aufgabe exakter ausführte als dies die Hand des Graveurs zu thun imstande ist, wir meinen hier die Schraffier- bezw. Guillochiermaschine.

Wenn auch das Feld der Handarbeit durch sie einigermassen eingeschränkt wurde, war doch durchaus keine Veranlassung, dass der Graveur sie mit scheelen Blicken hätte betrachten müssen. Bedenklicher war jedoch die Erfindung der eigentlichen Graviermaschine, umsomehr als sich auch die Chemie in das Fach einzuschleichen erdreistet hatte und die Aetzung dem Golddruckgraveur sein Arbeitsgebiet nahezu entriss.

Der Stempelschneider bezw. Siegelstecher konnte dem mit guter Ruhe zusehen, da kam der Kautschukstempel und machte ihm das Leben schwer. Der bis dahin Vielbeschäftigte siechte dahin und wandte sich grollend anderem zu, wie dies bereits früher der altehrwürdige Kupferstecher gethan, als ihn Actzung und andere chemisch-technischen Arbeitsmanieren, die Photographie, Lichtdruckverfahren etc. sein Arbeitsfeld entrissen hatten.

Damals tröstete man sich nun damit, dass weitere Fortschritte auf maschinellem oder chemisch-technischem Gebiete in der Gravierkunst unmöglich seien, jetzt kommt die Kunde, dass auch der Reliefgraveur auf den Aussterbeetat gesetzt sei!

Die Elektrogravüre ist eine fortgeschrittene Art des Aetzverfahrens, bei dem die Maschine als Handlangerin zu Hilfe kommt. Beiden vereint soll es gelingen, was dem einzelnen unmöglich war, das eine muss die Arbeit des anderen ergänzen und unterstützen, und so die Handarbeit, die unter Zuhilfenahme der Aetzung stets noch nötig war, gänzlich verdrängen.

Im Prinzip ist die Elektrogravure, wie schon gesagt, ein erweitertes und vervollkommnetes Aetzverfahren und ihre Produkte Gegenstände, die bis zur Zeit auf keinem anderen Wege als durch Handarbeit hergestellt werden konnten und daher verhältnismässig gut bezahlt werden mussten.

Man hatte bereits vor einer Reihe von Jahren Versuche gemacht, auch auf dem Gebiete der Reliefgravure die Handarbeit zu verdrängen, sie scheiterten aber samt und sonders an der Schwierigkeit, Formen von ungleicher Tiefe, überhaupt plastische Gestaltung eines Gegenstandes auf chemischem oder maschinellem Wege zu erzielen.

Die Aetzung, die zwar für gleichmässige Tiefen sehr gute Resultate ergab, war für plastische Gebilde nicht anwendbar,

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wenigstens nicht in dem Masse, wie dies hätte sein müssen, und durch Maschinen konnte, weil dieselben eben lediglich nur imstande sind, eine bestimmte Form herzustellen, das Ziel auch nicht erreicht werden. In der Elektrogravüre verbinden sich nunmehr Chemie und Maschine und das Ziel ist erreicht, wenigstens in einer Vollendung, die auf eine zweckentsprechende Ausgestaltung schliessen lässt.

Bereits im Jahre 1897 unternahm es Joseph Rieder in MünchenThalkirchen auf Grund der durch Aetzung im Golddruck erzielten Erfolge und unter Anlehnung an anderwärts gemachte Versuche eine Einrichtung zu schaffen, die eine reliefierte Aetzung bezwecken sollte. Diese erste hierfür geschaffene Einrichtung kann aber als Maschine nicht gelten, denn sie bestand eigentlich nur in einer zweckdienlichen Anlage, einen chemischen Prozess zu ermöglichen, bei dem an Stelle der heutigen maschinellen Leistung die Handarbeit trat. Aus diesen Versuchen entsprang die heutige Maschine für Elektrogravure.

Wenn man damals der Sache keine Wichtigkeit beilegte, so geschah dies aus dem einfachen Grunde, weil man in Fachkreisen zu sehr von der Unmöglichkeit einer praktischen Verwertung der Erfindung Rieders überzeugt war.

Heute ist dem anders! Die erzielten Resultate sind bereits derartige, dass wir keinen Zweifel mehr zu hegen brauchen, dass in absehbarer Zeit Fabriken für Metallwaren, Bijouterien, Lederwaren, Kartonnagefabriken, Buchbindereien, überhaupt alle Betriebe, die Metallformen, Stanzen etc. benötigen, sich nicht mehr an den Graveur behufs Herstellung derselben wenden werden, sondern sich event. selbst die neue Maschine anschaffen, oder in neu erstehenden Betrieben für Elektrogravüre beschaffen werden, schon aus dem einfachen Grunde, weil die Lieferung erstens bedeutend billiger und vielleicht um das 10- bis 20fache rascher sein wird.

Den geringen Trost, dass Graveure wenigstens zur Bedienung der Maschine herangezogen würden und so wenigstens ein Teil der brotlos werdenden Reliefgraveure Arbeit finden dürfte, ist ein sehr minimaler; denn erstens könnte die Anzahl der hierfür in Anspruch genommenen an und für sich nur eine sehr beschränkte sein und zweitens wird voraussichtlich derjenige, der die Modelle für die Vervielfältigung zu schaffen haben wird, auch gleichzeitig sich auf die Ausführung derselben durch die Maschine einarbeiten müssen, er muss also Modelleur sein, zumal als eine Nacharbeit an dem durch die Maschine geschaffenen Erzeugnis nur in den wenigsten Fällen nötig sein dürfte, da dieselbe bereits jetzt Produkte liefert, die den weitestgehenden Ansprüchen genügen, erfahrungsgemäss werden aber neue Maschinen von Tag zu Tag auf Grund der durch deren Gebrauch gemachten Erfahrungen mehr vervollständigt und leistungsfähiger gemacht was also auch bei der neuen Erfindung zu erwarten ist.

Erfüllen sich aber die in die neue Erfindung gesetzten Hoffnungen ganz, so wird nicht nur der Graveur, sondern vor

allen Dingen auch der Kleinplastiker durch sie einen nicht zu unterschätzenden Rivalen finden.

Man hat es schon längst als einen Uebelstand empfunden, dass die auf galvanoplastischem Wege geschaffenen Kleingeräte und Schmuckgegenstände in Konkurrenz mit der teuern Handarbeit treten und dass die plastische Kunst durch Massenerzeugnisse einesteils an ihrem Ansehen im Ganzen und Grossen einbüsste, andererseits durch die niedrigen Preise für derartige Erzeugnisse den Warenhäusern und Schleudergeschäften zwar im Ansehen nicht vergleichbare aber dem Luxusbedürfnis und der Nachahmungssucht dienende Produkte zuführt, während sie einesteils dem reellen Geschäftsmann das Geschäft, andererseits den guten Geschmack des Publikums verderben. Die Elektrogravure wird diesem Uebelstand noch weiter Vorschub leisten, sie wird dazu angethan sein, für ein billiges Geld entschieden bessere Formen und Matrizen zu liefern, und so zwar den Kunstsinn weniger beleidigen, wohl aber die Nachfrage nach individuell künstlerisch gearbeiteten Objekten einschränken, weil sie eine billige Massenerzeugung feiner bearbeiteter Gegenstände ermöglichen wird, die dann zu verhältnismässig geringen Preisen auch den Ansprüchen künstlerisch mehr anspruchsvoller Käufer entgegenkommen werden.

Dass sich hauptsächlich auch die Fälscher von Kunstgegenständen der neuen Maschine freuen und deren Vorteile sich zu nütze machen werden, ist ein Unglück, das wir nur nebenbei erwähnen wollen, und wenn schliesslich die Münze nicht mehr in der Lage sein wird, konstatieren zu können, ob ein Münzstück thatsächlich auf legalem Wege erstanden oder in irgend einem Kellerlokal als Kind der neuen Errungenschaft das Licht der Welt erblickt hat, so wird zwar der Jammer gross, aber das Mittel zur Abhilfe schwer zu finden sein; denn ein auf dem Wege der Elektrogravüre hergestellter Münzstempel dürfte nach den mit dem neuen Verfahren erzielten Resultaten eine Prägung liefern, die von der des Originalstückes nicht im geringsten abweicht. Bekannt ist aber, dass speziell Silbermünzen, die aus der gesetzlichen Legierung hergestellt sind, immer noch ein sehr gutes Geschäft lassen, da unsere Silbermünzen einen weit niedrigeren Material- als Kurswert haben.

Alle diese Umstände zusammengefasst, ist die neue Erfindung, einen wie grossen Wert sie für die Industrie hat, als ein Missgeschick für die von ihr betroffene Gewerbsklasse anzusehen. Dies gilt überhaupt vom gewerblichen Standpunkte aus, sie entzieht ein bis jetzt nur durch Handarbeit belegtes Erwerbsfeld dem um sein Dasein Ringenden zu Gunsten des Grossbetriebes, für den sie von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, sie beeinträchtigt aber auch, wenigstens nach der einen Seite hin, die Kunst; denn das was bis jetzt den Stempel der Individualität trug und von einzelnen hervorragenden Künstlern geschaffen wurde, wird für die Zukunft Schablonenar beit wenn auch nicht im schlechten Sinne des Wortes sein. (Fortsetzung folgt.)

Die Umsatzsteuer.

In allen Zweigen des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens können wir die Beobachtung machen, dass die Spezialisierung immer weiter um sich greift, vereinzelt sogar so weit, dass diese Tendenz als eine ungesunde empfunden wird. Abgesehen von Einzelerscheinungen, welche als Ausnahmen zu betrachten sind, ist dieser Zug nach Spezialisierung ein durchaus berechtigter; er entspricht der immer mehr emporstrebenden materiellen und ethischen Kultur, der dadurch hervorgerufenen Steigerung und Differenzierung aller menschlichen Bedürfnisse

und der Unmöglichkeit des einzelnen Menschen, sei er auch noch so begabt und fleissig, mehr als ein Gebiet richtig zu übersehen und zu beherrschen. Obgleich ein Arzt an sich für das gesamte Gebiet der Heilkunde approbiert ist, beschränkt er sich doch gern, zumal wenn er zu den besten seines Standes gehört, nur auf gewisse Einzelgebiete und überlässt seinen Kollegen die Behandlung der ihm ferner liegenden Krankheiten. Aehnlich ist es bei den Juristen der Fall. Hier unterscheidet man Verwaltungsbeamte, Kriminalisten, Civilisten und auch unter

den Anwälten greift diese Spezialisierung mehr und mehr Platz. Noch mehr ist das der Fall unter den verschiedenen Arten von Künstlern und Kunstgewerbetreibenden.

Der Handel hat von jeher, sobald er sich aus der rohen Form des Tausch-, Karawanenund orientalischen Bazarhandels entwickelt hatte, nach Spezialisierung gestrebt, weil er dadurch allein in die Lage versetzt wird, seiner wirtschaft-n lichen Aufgabe gerecht zu werden, nämlich ein eingehendes Waren- und Branchestudium zu treiben, die Produktionsverhältnisse und Absatzbedingungen genau zu übersehen und zu regeln, insbesondere dem Publikum als kenntnisreicher Ratgeber zur Seite zu stehen und ihm zur vorteilhaften Deckung seiner Bedürfnisse behilf-m lich zu sein. Der Handel zerfällt darnach ganz naturgemäss in bestimmte grosse Branchen und innerhalb dieser grossen Branchen wieder in Unterabteilungen, auf die sich zweckmässigerweise ein Kaufmann beschränkt, wenn er leistungsfähig bleiben und das darstellen will, was man einen soliden Kaufmann oder Gewerbetreiben

den nennt. Der Ausdruck des be
,,soliden, alten" Handels ist
zuerst in Frankreich aufge-
kommen, um die Spezialgeschäfte
zu unterscheiden von den gros-
sen Bazaren, wie Louvre, Bon
Marché, Printemps und wie sie
alle heissen.

Besonders unsere Geschäftszweige, die Uhren- und Goldwarenbranchen, sind auf den Spezialhandel und Sonderbetrieb angewiesen, wenn sie nicht ihr eigentliches Wesen einbüssen sollen. Sie sind Vertrauensartikel, deren genaue Kenntnis jahrelange Beschäftigung, liebevolles Studium, praktisches Können oder wenigstens eingehendes technisches Verständnis erfordern. Mit Uhren und Schmuckgegenständen kann man nicht handeln wie mit Semmeln oder Würstchen. Die Waren, welche von den Uhrmachern und Goldschmieden verkauft werden, sind keine Verbrauchsartikel, die täglich oder in kürzeren regelmässigen Zwischenräumen neu

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gleichermassen die Qualität eines Kaufmannes und Gewerbetreibenden vereinigen. Er soll dem Publikum auf vorteilhafte Weise neue Waren liefern und so den Vermittler zwischen Fabrikation und Grosshandel einerseits und den Konsumenten andererseits bilden. Er soll aber auch in der Lage sein, die schon erwähnten Reparaturen und Umwandlungsarbeiten an den gekauften Waren vorzunehmen. Diese beiden Seiten seiner geschäftlichen Thätigkeit lassen sich von einander nicht trennen, sonst bekommen wir entweder Händler, die lediglich eine gewisse Routine, aber kein technisches und Kunstverständnis haben, oder wir bekommen Flickarbeiter, die im Dienste des Zwischenhandels stehen oder der Willkür eines launischen und schlecht zahlenden Publikums preisgegeben sind.

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Moderne Fächer.

Entworfen von Carmen Silva (Elisabeth Königin von Rumänien),
ausgeführt von Hofgoldschmied Paul Telge in Berlin.

Leider macht sich seit etwa einem Dezennium auch in Deutschland die Entwickelungstendenz bemerkbar, welche durch die die Dienstbarmachung grosser Kapitalien für den Detailhandel gekennzeichnet wird. Die grossen Detailgeschäfte, Bazare und Warenhäuser, die man früher nur in Frankreich, England und Amerika kannte, haben mehr und mehr auch in Deutschland festen Fuss gefasst, und es ist nur zu natürlich, dass diese Geschäfte ihr Augenmerk auch bald auf die Waren werfen, deren Vertrieb den Uhrmachern und Goldschmieden vorbehalten bleiben sollte. Handelt es sich doch hier um relativ und absolut wertvolle Waren, vielleicht die wertvollsten, die es überhaupt giebt und die man meistens nach Belieben, ohne dass sie im Auge des Laien am äusseren Ansehen merklich verlieren oder gewinnen, billiger oder teurer herstellen kann. Gerade auf einen möglichst billigen Vertrieb legen aber die Warenhäuser den grössten Wert. Sie wollen ja auf jeden Fall billig sein und. setzen ihren Stolz daran, den Konsum in allen Artikeln möglichst zu vergrössern, was eben in erster Linie durch Preisherabsetzung bewirkt wird. Es

ersetzt werden, vielmehr sollen sie nicht selten eine oder mag dahingestellt bleiben, wie weit ein solcher Betrieb vom mehrere Generationen aushalten. Das bedingt zeitweilig Reparaturen oder Umwandlungen nach dem Stande der wechselnden Mode. So kann derjenige, welcher Uhren und Edelmetallwaren verkaufen will, kein reiner Kaufmann, auch nicht ein reiner Handwerker sein, sondern er muss in sich

allgemein-volkswirtschaftlichen Standpunkt aus berechtigt ist. Für unsere Branche lassen sich gewichtige Bedenken gegen diese Verbilligungstendenz anführen. Eine Uhr ist ein Gebrauchsgegenstand, der ein Menschenalter und noch länger halten soll; bei einem solchen kommt es also hauptsächlich

auf die Beschaffenheit an, und der Preis ist hier nur ein nebensächliches Moment. Industrie und Zwischenhandel arbeiten erwiesenermassen schon jetzt in der Uhrenbranche mit dem niedrigsten Nutzen. Verbilligt man also die Waren noch mehr, so muss das einen nachteiligen Einfluss auf die Qualität der Waren ausüben oder einen Druck auf die Arbeitslöhne der Fabrikarbeiter und der Uhrmachergehilfen.

Ein Schmuckstück soll anderseits wirken ebenso sehr durch die Kostbarkeit des Materials, wie durch die Schönheit, mit welcher der Künstler die tote Materie beseelt hat. Gerade in den letzten Jahren hat ja die deutsche Goldschmiedekunst einen so hervorragenden Aufschwung genommen, dass der Wert der künstlerischen Arbeit immer mehr denjenigen des noch so edlen Metalles oder Steines übersteigt, und so das Kunstgewerbe der langersehnten hohen Stufe der Vollendung immer näher rückt. Dieser künstlerische Zug wird unmöglich gefördert, wenn der Vertrieb der Waren den Fachleuten weggenommen und von den Bazaren besorgt wird. Das Warenhaus kann nur Schablonenware führen, es kann und will nicht individualisieren. ,,Grosser Umsatz, kleiner Nutzen" ist sein Prinzip. Alle Zweige des vielgestaltigen Kunstgewerbes klagen darüber, dass der künstlerische Aufschwung durch die Warenhäuser das Gegenteil von Förderung erfährt. Bei den verschiedenen Einrichtungen für Zimmer und „Salons" hat sich dieser Zug zuerst bemerkbar gemacht und nunmehr greift er auch in die Bijouteriebranche über. Die Verteidiger der Warenhäuser behaupten zwar, diese machten die kunstgewerblichen Erzeugnisse populär, man möchte aber viel eher sagen, sie proletarisieren dieselben. „Kaviar fürs Volk" wird eben immer ein frommer Wunsch bleiben und das Verständis für die Kunst kann immer nur einer Anzahl Elitenaturen innewohnen, nicht aber der Gesamtheit. Es ist wünschenswert, wenn dieses Verständnis zielbewusst gepflegt und im Volke ausgedehnt wird, diese Aufgabe können jedoch nie die Warenhäuser erfüllen, sondern nur die Fachleute.

Wir wollen davon absehen, wie sich auch in den meisten anderen Branchen gegen die Geschäftsform der Warenhäuser allerlei Bedenken vorbringen lassen, es sei hier nur konstatiert, dass eine tiefe Abneigung gegen diese Betriebsform besteht und zwar nicht nur bei den direkt geschädigten Geschäftsleuten, sondern auch bei Männern der Wissenschaft und Kunst und einsichtsvollen Politikern. Man hat deshalb seit längerer Zeit nach Massnahmen gesucht, welche darauf abzielen, die Warenhäusser einzuschränken und das Aufkommen neuer zu erschweren. In verschiedenen Staaten hat man Steuergesetze geschaffen, welche eine schärfere Heranziehung der Warenhäuser

ermöglichen. Den Anfang damit hat Frankreich gemacht. Am weitesten ist kürzlich Bayern gegangen. Die preussische Staatsregierung hat im Jahre 1898 einen entsprechenden Gesetzentwurf den Handelskammern zur Begutachtung unterbreitet, der aber von fast allen sehr ungünstig beurteilt wurde, auch von denjenigen, welche den Bestrebungen des Mittelstandes in weitestgehender Weise entgegenkommen. Der Grund dieser ablehnenden Haltung ist u. a. in der Kompliziertheit des Entwurfes und darin zu suchen, dass er in keiner Richtung eine Wirkung ausgeübt hätte. Nunmehr hat die preussische Staatsregierung dem Landtage einen neuen Gesetzentwurf auf wesentlich vereinfachter und veränderter Grundlage vorgelegt, der zur Zeit von einer Spezialkommission des Abgeordnetenhauses beraten wird und über den die Ansichten von rechts und links sehr geteilte sind.")

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Die drohende,,Besteuerung der Intelligenz und des Fleisses" ist das gängigste Schlagwort, mit dem man die Absicht der bösen Regierung, dem Mittelstande zu Hilfe zu kommen, brandmarkt. Nur schade, dass diese Leute unter Intelligenz und Fleiss etwas anderes verstehen, als der solide Kaufmann und Handwerker. Möglichst viel Waren um jeden Preis umzusetzen, zu verramschen, erscheint ihnen als der Gipfel der Intelligenz und des Fleisses. Was sonst noch der Geschäftsmann leisten soll, dass er das Publikum zu belehren, zu erziehen, an guten Geschmack zu gewöhnen hat, dass er auf Jahre für seine Waren Garantie leisten, sie ausbessern und umarbeiten, sowie die Fabrikation auf Fehler und wünschenswerte Verbesserungen aufmerksam machen soll, das vergessen sie ganz. Nur möglichst viel umsetzen, das Publikum voll Waren stopfen, die es zum Teil gar nicht braucht, das ist Intelligenz und Fleiss. Intelligenz und Fleiss ist es, wenn die Tausende, welche den Ehrgeiz, aber nicht die Mittel besitzen, sich eine anständige goldene Uhr anzuschaffen, mit einem papierdünnen sonstwas für karätigen Zeitmesser oder einer Goldine-Spezialität beglückt werden, statt dass ihnen der Verkäufer den Wert und Nutzen einer soliden silbernen Taschenuhr klar macht. Intelligenz und Fleiss soll es sein, wenn der Jahrmarkts-Budenbesitzer den Bauerndirnen und ihren Schätzen an einem Kirmesstage mehr Schmuckstücke an Zahl verkauft, als der Goldschmied, vor dessen Laden jene Bude aufgebaut ist, in einem halben Jahre absetzen kann. Welche Begriffsverwirrung und Kurzsichtigkeit!

(Fortsetzung folgt.)

*) Mittlerweile ist der betr. Gesetzentwurf bekanntlich nach der ersten Lesung einer besonderen Kommission überwiesen worden. D. Red.

Was muss der Goldschmied vom neuen Mietrecht wissen?

Von Syndikus Herm. Pilz.

Mit dem 1. Januar 1900 ist in ganz Deutschland auch ein neues Mietrecht in Kraft getreten und an den Goldschmied tritt die Frage heran, wie gestalten sich deine Mietverhältnisse jetzt in Bezug auf deinen Laden, deine Lagerräume, Werkstatt und auf die Wohnung? Hat das neue Recht Einfluss auf die Mietverträge, die schon vor dem 1. Januar 1900 abgeschlossen waren? Man kann darauf antworten: Ja und Nein! Die Sache ist folgendermassen: das neue Recht gilt erst von dem Termin ab, für welchen der Vermieter oder Mieter nach dem bisherigen Recht oder bisherigen Mietvertrag, nach dem 1. Januar 1900, zum erstenmale hätte kündigen können. Ein Uhrmacher hat einen Laden auf unbestimmte Zeit gegen halbjährliche Kündigung gemietet, die nach sächsischem Recht z. B. nur am 31. März oder 30. September erfolgen konnte. Dieser Mietvertrag kann also nach dem

1. Januar 1900 zum erstenmale für den 30. September 1900 und zwar am 31. März 1900 aufgekündigt werden. Geschieht dies nicht, so gilt trotzdem vom 1. Oktober ab das neue Recht (mit vierteljährlicher Kündigung, Postnumerandozahlung des Zinses etc.). Oder ein Uhrmacher hat Laden und Werkstelle auf 3 Jahre am 1. April 1899 gemietet, mit der Bestimmung, dass, wenn der Vertrag nicht ein halbes Jahr vor dem 31. März 1902 aufgekündigt wird, er gegen halbjährliche Kündigung fortlaufen soll. Da der Vertrag in diesem Falle nach dem 1. Januar 1900 zum erstenmal am 30. September 1901 für den 31. März 1902 gekündigt werden kann, gilt vom 1. April 1902 ab das neue Recht, wenn eine solche Kündigung nicht erfolgt. alten Verträge laufen also fort, bis ihre Kündigung nach bisherigem Recht oder Vertrag möglich ist.

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