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Hanau von Südwesten.

Hanau.

on den drei deutschen Goldschmiedestädten der Gegenwart, Hanau, Pforzheim und Schw.-Gmünd, die diesen Namen verdienen, weil ihr Handel und Wandel, die ganze Existenz eines grossen Teils der Bewohnerschaft unter dem Zeichen dieser einen Industrie steht, ist Hanau die älteste und wichtigste. Es hat die Führerschaft des deutschen Goldschmiedegewerbes im 18. und 19. Jahrhundert übernommen, wie sie im 15. und 16. Nürnberg besass, und wie sie im 17. Jahrhundert auf Augsburg sich vererbte.

Diesem Umstand verdankt Hanau auch sein Bekanntsein in weitesten Kreisen. Denn nicht wie manche andere Stadt reizt es durch aussergewöhnliche landschaftliche Vorzüge oder Sehenswürdigkeiten ersten Ranges zum Besuch. Die vielen Gäste aus dem In- und Ausland, welche die Fremdenlisten der Hotels das Jahr über verzeichnen, führen in erster Linie persönliche geschäftliche Interessen hierher. Wer aber sich etwas mehr Zeit nimmt, sich mit der Stadt und den Leuten darin näher vertraut zu machen, findet, dass die freundliche anheimelnde Mittelstadt von halb süddeutschem Charakter doch auch mancherlei Beachtenswertes und Anziehendes in Aussehen und Umgebung wie in ihrem Leben und Treiben besitzt.

Hanau liegt noch innerhalb des weiten, fruchtbaren Thalkessels, der von den grünen Hängen des Spessart, den Ausläufern des Odenwaldes und Vogelsberges, dem Taunus und dem spiegelnden Wasserband des Maines umschlossen wird und der unter dem Namen Wetterau als eines der frühesten Kulturgebiete auf deutschem Boden und als alter historischer Schauplatz bekannt ist. Da, wo die Vogelsberger Kinzig in den Main mündet, drei gute Wegstunden oberhalb Frankfurts, erhebt sich die Stadt mit türmebelebter Silhouette aus der Ebene. Auf Schritt und Tritt fast findet man Spuren, dass schon die Römer in dem Gelände ringsumher sich festgesetzt hatten. Kurz oberhalb der Stadt, bei Gr.-Krotzenburg, setzt das gewaltige Bollwerk des römischen Grenzwalles über den Main, befestigte Kastellanlagen und Ansiedelungen sind in nächster Nähe (Kesselstadt, Rückingen, Gr.-Krotzenburg) nachgewiesen, die schwarzen, halbversteinerten Pfahlsubstruktionen einer Römerbrücke über den Main, dicht an der Kinzigmündung, hat man erst vor einigen Jahren gefunden. Und doch scheint Hanau selbst nicht auf römischer Grundlage entstanden zu sein. Die Lage der Stadt, in dem einst sehr feuchten Niederungsgebiet der Kinzigmündung, macht es auch wahrscheinlich, dass die Römer, die gern trocken sassen, sich auf dem eigentlichen Stadtgebiet nicht angesiedelt hatten.

Die ganze mittelalterliche Stadtgeschichte Hanaus ist auf das engste mit der Geschichte der Dynasten und Grafen von Hanau verbunden; als eine Niederlassung von Burgmannen und Lehnsleuten vor der alten Wasserburg der Hagenower Herren mag es entstanden sein. 1303 wird der Ort zur Stadt erhoben. Die malerischen Reste der einstigen Stadtmauer bezeugen heute noch, wie gering sie an Umfang war. Und ein kleines, unbedeutendes Landstädtchen mit Ackerbaubetrieb wäre Hanau wahrscheinlich geblieben, wäre nicht am Ende des 16. Jahrhunderts ein Ereignis von ungewöhnlicher Art und noch grösserer Tragweite eingetreten: die 1597 beginnende Gründung und Erbauung einer neuen Stadt, eines Neu-Hanau, neben dem alten Städtchen, durch fremdländische Ansiedler, flüchtige Wallonen und Niederländer, die um ihres reformirten Glaubens willen vertrieben, von dem Grafen Philipp Ludwig II. hier eine Freistätte erhielten. Eine rasch emporblühende neue Stadt mit breiten, geraden Strassen und stattlichen Häusern, durch einen Kanal mit dem Main direkt verbunden, mit hohen Wällen geschützt, erhob sich neben dem mittelalterlichen Städtchen mit seinen engen Gässchen und alten Holzbauten. Ein interessantes Bild der Zwillingsstadt aus jener Zeit giebt der schöne Ansichtsstich von Merian aus dem Jahre 1632, den wir abbilden. Ein reiches gewerbliches Leben brachten die Ansiedler mit, das der Stadt steten Wohlstand zuführte und den Grund zu aller weiteren Entwickelung legte. Unter dem guten patriarchalischen Regiment der Grafen von Hanau und ihrer Nachfolger aus dem Hause Hessen-Cassel konnte die Stadt eine friedliche Entwickelung nehmen. Ernstliche Störungen durch die politischen Ereignisse sind nur im dreissigjährigen Kriege und in der napoleonischen Zeit eingetreten. 1635/36 war die Stadt einer schweren Belagerung durch die Kaiserlichen unter Lamboy ausgesetzt. Das sogenannte Lamboyfest, das in ganz volkstümlicher Art alljährlich am 13. Juni gefeiert wird, erinnert noch an den glücklichen, rechtzeitigen Entsatz durch den Landgrafen Wilhelm V. 1807 wurden auf Napoleons Befehl die Festungswerke geschleift; 1813 am 30. und 31. Oktober errang er hier auf dem Gelände nördlich der Stadt noch einen letzten Pyrrhussieg über die ihm hier entgegentretenden bayerischösterreichischen Truppen.

Dieser eigentümliche geschichtliche Werdeprozess ist der Stadt heute noch aufgeprägt und macht sich auch bei einem beobachtenden Gange durch die Strassen bemerkbar. Die Altstadt mit ihrem mehr mittelalterlichen Charakter und die Neustadt mit ihrer planmässigen Anlage scheiden sich noch deutlich; sie sind auch gemeindepolitisch bis

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beigefügt. Jünger als Bauwerk und nur durch den starken Glockenturm beachtenswert ist die 1658 begründete evangelisch-lutherische Johanneskirche. Ein stattliches Gebäude mit prächtigem Sandsteinportal ist die einstige,,Hohe Landes

Wappenfüllung am Grabmal der Helene von der Pfalz.

schule", jetzt Gymnasium. Nördlich der Altstadt erhebt sich der grosse Gebäudekomplex des Stadtschlosses mit schönen alten Baumgruppen in dem öffentlichen Park; es stammt wesentlich aus dem vorigen Jahrhundert: die letzten Reste der einstigen Burganlage, die hier stand, wurden 1829 abgebrochen. In einem gesonderten Nebenbau des Schlosses sind die umfangreichen Sammlungen der ,,Wetterauischen Gesellschaft für die gesamte Naturkunde" und das Museum des Hanauer Geschichtsvereins unterge.

bracht.

In der Neustadt, die durch den breiten Paradeplatz von der Altstadt getrennt wird, ist das markanteste Bauwerk, das mit seinem riesigen Dache wie ein Wahrzeichen der Stadt schon von fern auffällt, die wallonisch- niederländische Kirche, welche die ersten Kolonen NeuHanaus 1600-1608 errichteten, ein Zwillingszentralbau, der in der Geschichte des Kirchenbaues eine ganz eigene Stelle einnimmt. Am grossen Marktplatz steht das monumentale Rathaus, 1725-33 erbaut; hier und in den anstossenden Hauptstrassen zeugt auch eine Anzahl stattlicher Patrizierhäuser mit Renaissancegiebeln und schönen säulenflankierten Portalen von der Wohlhabenheit der einstigen Ansiedler. Die vier Ecken des Marktplatzes zieren vier gleiche, in rotem Sandstein gearbeitete Ziehbrunnen aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts.

Vor dem Rathaus steht auch seit 1896 das schöne, von Prof S. Eberle in München herrührende Nationaldenkmal der Brüder Grimm, die Kinder der Stadt sind. Ein anderes öffentliches Monument ziert die Südseite der französischen Allee, das von Prof. M. Wiese geschaffene Denkmal des Gründers der Neustadt, des Grafen Philipp Ludwig II., das 1897, bei der dritten. C'entennarfeier, enthüllt wurde.

An die einstige Befestigung der Stadt erinnert nur noch ein Kranz freundlicher, gut gepflegter Anlagen mit einem die Stadt umschliessenden,,Stadtgraben", der von der Kinzig gespeist wird. Die Stadt hat in den letzten 20 Jahren eine reiche bauliche Entwickelung durchgemacht und den mit der alten Umwallungsgrenze bezeichneten Rayon längst überschritten. Ganze Strassen, zum Teil mit recht anmutenden Häusern im Villencharakter, haben sich allenthalben ausgedehnt und umfassen rings den älteren historischen Doppelkern. Wie auch anderwärts, macht auch hier der Zug sich geltend, frei und unbeengt,,draussen" in modernen mit Gärten umgebenen Häusern zu wohnen und die Innenstadt mehr zum Geschäftsbetrieb und Kaufverkehr auszunutzen; selbst ein Geschäftshaus ganz modernen Stils ist in jüngster Zeit am Marktplatz schon entstanden. In dem neueren südlichen Stadtteile, unweit der städtischen Oberrealschule, befindet

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sich auch das grosse stattliche Gebäude der Königlichen Zeichenakademie, das 1879/80 nach den Plänen J. Raschdorffs, des Erbauers des neuen Berliner Domes, errichtet wurde. Um die Stadt herum liegen die drei Bahnhöfe, die Hanau als einen bedeutenden Knotenpunkt des Eisenbahnverkehrs kennzeichnen: der Haupt- oder Ostbahnhof, der Westbahnhof, welcher hauptsächlich den Verkehr mit Frankfurt vermittelt und der Nordbahnhof für die Strecke Hanau-Friedberg-Giessen. Zu ihnen ist neuerdings noch ein vierter, der Lokalbahnhof für die Hanauer Kleinbahnen, Hanau-Hüttengesäss und Hanau-Langenselbold, gekommen. Nördlich davon ganz ausserhalb der Stadt liegen die neuen Kavallerie-Kasernements, ebenso nach Osten hinaus die umfangreichen Anlagen der Königlichen Pulverfabrik.

Die Hanauer hängen mit einer gewissen Zärtlichkeit an ihrer Heimatstadt. Sie rechnen, und das auch wohl mit Recht, auch die nähere und weitere Umgebung mit zu den Vorzügen derselben. Dicht bei Hanau mainabwärts liegt Kesselstadt mit dem schönen landgräflichen Schlosse Philippsruh, unweit davon das Wilhelmsbad mit seinen schattigen

Parkanlagen, das auch von Frankfurt her viel besucht wird; kleinere Städtchen und freundliche Dörfer, die man gern aufsucht, liegen ringsum. Die einsamen Waldschönheiten des nahen Spessart und Vogelsberges locken zum fröhlichen Wandern; wer für alte Städte und Burgen in schöner Natur Interesse hat, kann Steinheim, die Kaiserstadt Gelnhausen,

Aschaffenburg, Miltenberg und die andern fröhlichen Mainstädte aufsuchen, die Ronneburg, den Otsberg, die Burg Breuberg besteigen. Wer Grosstadtluft atmen will, ist in einer halben Stunde mit der Bahn in Frankfurt a. M., dessen stolze Zeil allerdings fast nur allein diesen Genuss gewährt. (Fortsetzung folgt.)

Zur Geschäftslage.

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Weise sind die ersten Tage der letzten Monate immer lebhafte gewesen, während sowohl im Oktober wie im November die letzten zwei Monatsdrittel ziemlich ruhig waren. Ganz anders war es im Monat Dezember, wo naturgemäss die ersten Tage die ruhigeren waren und das Geschäft von Tag zu Tag lebhafter wurde, bis es in den letzten zwei Tagen vor dem Fest, wie immer, seinen Höhepunkt erreichte. Aus den widersprechenden Nachrichten, die uns vorliegen, glauben wir jedoch den Schluss ziehen zu können, dass das Weihnachtsgeschäft im Grossen und Ganzen ein gutes war und dass nicht nur geringere Ware, sondern auch bessere und beste willige

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Käufer fand. Namentlich der letztere Umstand wäre mit Freude zu begrüssen; welch' ein Segen wäre es für unseren Geschäftszweig, wenn der Geschmack des Publikums sich wieder nicht nur dem quantitativ, sondern vielmehr dem qualitativ wertvolleren Schmuck zuwenden würde.

So wären denn die Zeitumstände und die Modeströmung günstiger als je für eine kraftvolle Agitation zu Gunsten des Schmucktragens, und wenn auch die neugeschaffene Centralstelle für Schmuck und Mode in Folge der kurzen Zeit ihres Bestehens nach dieser Richtung noch wenig hat leisten können, so ist das von ihr Erreichte zufriedenstellend und bedeutet einen guten Anfang und die Gewähr,

werden sich aber hoffentlich mit der Zeit eines Besseren besinnen und an ihre 2 oder 3 noch eine Null hängen, wenn sie sehen, dass die Agitation kräftig ins Werk gesetzt wird und Früchte trägt.

Schon ist es durch Vermittelung der Centralstelle erreicht, dass grosse Mode- und Tagesblätter ein Wort zu Gunsten des Schmuckes sprechen bezw. drucken und dies wird in der kommenden Zeit noch immer mehr und intensiver geschehen müssen, damit das überall bemerkbare Aufblühen der Industrie auch unserem eigenen Geschäftszweige zu Gute komme. Um auf den Weihnachtsverkehr zurückzukommen,

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dass ihre Thätigkeit die erwarteten Erfolge zeitigen wird, vorausgesetzt, dass auch die Gesamtheit der Fabrikanten, Grosshändler und Detailleure die günstige Gelegenheit wahrnimmt und in Erkenntnis der Zweckmässigkeit einer geeigneten Unterstützung des neuerwachten Interesses an gutem Schmuck die erforderlichen Mittel aufbringt, ohne welche eine durchgreifende Agitation in Sachen,,Schmuck und Mode" nicht zu ermöglichen ist. Die auf unseren Aufruf bisher ergangenen Zeichnungen haben in recht erfreulicher und dankbar anzuerkennender Weise dargethan, dass eine ganze Reihe von Geschäftshäusern ihr Interesse an der Agitation durch zum Teil recht bedeutende Beträge kundgegeben hat, andererseits haben viele trotz grossen Umsatzes sich nur zu dem Minimalbeitrag verstanden,

so hat sich derselbe wie in den Vorjahren abgewickelt; anfängliche Unlust, die Läger zu ergänzen und vorzusorgen, dann ein Sturm auf die Läger der Grossisten und Fabrikanten und schliesslich ein Mangel an besonders gangbaren Artikeln, wie z. B. Fächerketten, dem in den letzten acht Tagen vor dem Fest kaum noch abgeholfen werden konnte. Ob ein solcher Gang der Dinge wirklich nötig ist, wollen wir für heute dahingestellt sein lassen und ein anderes Mal errörtern, ob es nicht zweckmässiger wäre, schon früher vorzusorgen, um den Anforderungen des Weihnachtsgeschäftes besser gerecht werden zu können. Von einem ,,Frieden auf Erden" werden die Meisten nicht viel gemerkt haben und erst spät am heiligen Abende zur Ruhe gekommen sein, ganz abgesehen

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