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Aermel zu tragendes breites Glieder-Armband, mit Figuren aus Jet, deren Flügel in grünem und blauem durchsichtigen Email ausgeführt sind, die einzelnen Teile sind durch einfache, mit Smaragdcabochons verzierte Kettenglieder zusammengehalten. Ein anderes mattgoldenes Armband zeigt das Iris-Motiv, die Blumen in natürlichen Farben emailliert; es ist ein etwas ausgefallenes, aber doch ansprechendes Stück. Einfach, wenn auch etwas gross, ist ein Anhänger, ebenfalls im Mohnblumen-Motiv, mit emaillierten Blumen auf mattem Grund und anhängender, schöner grosser Perle. Dann ein anderer Anhänger, eine eine Waldlandschaft darstellend, die Bäume etwas erhaben und holzbraun emailliert, der Berg mit Brillanten ausgefasst und der Himmel oberhalb und zwischen den Bäumen so zart ausgeführt, dass ein sehr feiner Effekt erzielt wird; ein,,Devant de Collier" in ciseliertem Gold in verschiedenen Farben, wodurch das verwendete Rosenmotiv zur schönsten Geltung kommt und ein einfacher Hornkamm mit einem Medusenhaupt aus weissem Onyx.

Ein anderer Künstler, Fouquet, der sich im letzten Jahre noch streng an die Lalique'schen Vorbilder hielt, dem es aber an sauberer Ausführung gebrach, hat dieses Jahr andere Wege eingeschlagen und zeigt uns einige zarte Goldschmiedewerke, besonders mit Kornblumen und Distel-Motiven. Edelsteine verwendet er sparsam und erreicht seine Farbeneffekte wesentlich durch verschiedenartige Goldtöne, wie z. B. bei einem hübschen Distelanhänger mit glanzgold Blume auf mattem Grunde. Bei einem anderen Anhänger ist die Kornblume über einem schmalen mit Brillanten besetzten Rahmen gebogen und ein hübscher Effekt durch die perlbesetzten Staubfäden erzielt. Bei einem dritten DistelAnhänger ist der Grund mit flachgeschliffenen Opalen gemustert und die Ornamente mit Smaragden verziert.

Eduard Colonna ist ebenfalls ein sehr geschickter Künstler; er stellt mehrere Anhänger im Lalique'schen Genre aus und einen Anhänger mit Kette, die jedoch alle nicht die Grazie des Meisters erreichen. Colonna versteht es jedoch, Perlmutter und Koralle sehr geschickt zu verwenden und liefert einfache aber doch zierliche Muster. René Foy ist mit einigen sehr hübschen und wirkungsvollen Gürtelschnallen vertreten, von denen die eine mit Fuchsien sehr an Lalique erinnert. Die Blätter sind in Zellen-Email ausgeführt, die Blüten ebenfalls emailliert und die Staubfäden mit Perltropfen verziert. Sein Hauptwerk ist ein Kopfschmuck, bestehend aus zwei weissen Blumen, die an beiden Seiten des Kopfes befestigt werden, und zwei einfachen Blättern. die den Bogen des Diadems bilden. Die Blätter der Blumen sind aus weissem Onyx geschnitten, mit goldenen Knospen, die Blätter sind cloisonné-emailliert.

Auch der Goldschmied Nocq wandelt eigene Wege und verabscheut hergebrachte Formen, auch er ist ein Künstler in Farbenzusammenstellungen. Seine Schöpfungen sind ganz eigenartig, wie z. B. der fein modellierte. Muschel-Anhänger, an dem die Brillanten zertreut wie Auswüchse angebracht sind. Es ist ganz unkonventionell, aber von einem bezaubernden, gefälligen Charakter. Unter anderen Schöpfungen Nocqs finden wir einen Drachenanhänger mit emaillierten Flügeln, ähnlich dem vom vorigen Jahr; er ist hübsch, aber wohl nicht sehr für Damenschmuck geeignet.

Unter den Ausstellern von Silberwaren und feinen Zinngussartikeln sei M. Brateau genannt mit einem

reizenden kleinen Becher, der in einfacher aber ansprechender Weise mit Gänseblümchen verziert ist und einem Tischservice mit hübschen kleinen Figürchen in Muscheln. Victor Prouvé ist durch einen silbernen Rennpreis, einen Becher und mehrere schöne Hochrelief-Medaillen vertreten, ebenso Louis Bottée mit einer ganz nationalen Medaille,,,France" betitelt. E. Hanneaux war glücklich in einer Porträtmedaille, weniger gefallen seine Plaketten mit Symbolen von Musik etc. Vital Cornu zeigt grosse Vorliebe für ruhende Frauengestalten, deren graziöse Formen er geschickt zu verwenden weiss, allerdings sehen sie bei einer von ihm gefertigten Jardinière etwas angeklebt aus; auch an einem Becher hat die den Henkel bildende weibliche Figur eine recht gezwungene Stellung. Ein Tintenfass von Ledru,,,Neugierde" bezeichnet, und ein Zinntablett, mit auf Schaum ruhender Nymphe, sind zwar gut in der Zeichnung, aber etwas konventionell französisch in ihrem Charakter, ebenso wie die Bronzeschalen von G. Engrand und ein sauber modellierter Ständer für eine elektrische Lampe von Moreau, mit recht gewöhnlich aussehender Fee. Wenig originell sind auch die Zuckerschale mit Löffel und Tablett mit JohannisbeerBlättern und Beeren von Franz Penreux und etwas befremdlich erscheint auch das Tintenzeug von SpicerSimson mit dem Titel: ,,Das Geheimnis des Lebens." Es scheint, dass die Franzosen kein Glück mit Silberwaren haben und so sehr sie sich in der Ausschmückung des menschlichen Körpers auszeichnen, so wenig wirklich künstlerische Arbeiten schaffen sie in Silber für den Gebrauch und die Ausschmückung des Hauses. Wir können wohl sagen, dass wir in dieser Hinsicht in Deutschland weit voraus sind, wie die neueren, modernen Arbeiten unserer besseren und besten Silberwarenfabriken beweisen. Zweifellos hat das Silber denselben Anspruch auf künstlerische Bearbeitung wie das Gold und der Ladeninhaber kann für beide Metalle in der Erziehung des Publikums zu besserem Geschmack ungeheuer viel thun. Freilich gehört etwas Mut dazu, mit neuen Formen in Schmuck und Geräten den Anfang zu machen, aber es findet sich für aparte Sachen immer ein zahlungsfähiges Publikum, welches sonst sein Geld lieber in der Tasche behält, wenn es nicht künstlerisch genug ausgeführte, originelle und individuelle Arbeiten in Gold und Silber zum Kauf angeboten erhält. Es ist die Sache der Goldschmiede mit und ohne Schaufenster, nicht nur den Bedürfnissen des Publikums entgegenzukommen, sondern es auch die Erzeugnisse würdigen zu lehren, die der Goldschmied als Künstler schafft und die ihn auf die gleiche künstlerische Stufe mit Malern und Bildhauern stellen, deren Ruhm durch ihre Kunst sich über die ganze Welt verbreitet. Die französischen Goldschmiede haben unter der Führung von Lalique das kunstsinnige Publikum gezwungen, den Goldschmied als Künstler anzuerkennen und ihn zu beschäftigen; sie haben bewiesen, dass es für originelle Schmucksachen nicht an Käufern fehlt (Lalique hat alle seine Sachen verkauft), sie haben ihre Individualität nicht geopfert und nur Werke geschaffen, an deren Erfindung und Ausführung sie selbst Freude hatten und dem Publikum durch die Anschaffung Freude bereiteten.

Wir können viel von unseren französischen Kollegen lernen; möchte ihr Beispiel auch bei uns ausgedehnteste Nachahmung finden!

Der Silberfund von Bernay.

Neben dem Hildesheimer Silberfunde und dem Schatze von Boscoreale, deren schönste und wichtigste Stücke wir unseren Lesern in Wort und Bild vorführen konnten, giebt es nur noch einen antiken Silberschatz, der sich mit diesen beiden an Bedeutung und Umfang messen kann. Er befindet sich im Cabinet des médailles et antiques, das im Gebäude der Bibliothèque Nationale zu Paris untergebracht ist. Der Zeit seiner Auffindung nach ist er der älteste von Die Geschichte seiner Entdeckung erinnert

an die des Hildesheimer Schatzes.

Am 21. März 1830 bearbeitete ein Landmann namens Prosper Taurin im Kreise Bernay (Eure) ein Feld, welches er erst unlängst erworben, als sein Pflug auf ein Hindernis stiess, das ihn zum Stillstand nötigte. Er holte sich von einem in der Nähe beschäftigten Arbeiter eine Hacke, um das Hindernis aus dem Wege zu räumen und findet zunächst einen grossen römischen Ziegelstein und unter demselben verborgen einen Silberschatz vor 25 kg Gewicht. Glücklicherweise geriet der Fund in die rechten Hände. Ein Verwandter des Taurin, ein Gerichtsdiener zu Bernay, nahm ihn in Verwahrung und schon am 3. Mai gelang es RaoulRochette, dem damaligen Konservator des Cabinet des médailles et antiques, der gleich den Wert und die Bedeutung des Fundes erkannte, ihn für einen verhältnismässig geringen Preis zu erwerben.

Der Schatz besteht aus 69 Stücken: 2 Statuen Merkurs, einer Büste und mannigfachem Gerät, Bechern, Weinkannen, Schalen, Schöpfkellen, Kasserolen etc. Zahlreiches Trinkgeschirr kommt paarweis vor. Durch vielfach beigefügte

Inschriften sind wir über die Bestimmung des Schatzes genau unterrichtet. Er war der Besitz eines Tempels und zwar des Merkurs zu Canetonum, zum grossen Teil durch Stiftung seiner Verehrer zusammengekommen. An der Stelle

des Fundes im Weiler Villeret, Gemeinde Berthonville, liessen sich noch Spuren antiker Gebäulichkeiten konstatieren. Merkur war der Lieblingsgott der römisch gewordenen Gallier, er hatte zahlreiche Heiligtümer. Es ist möglich, dass man mit dem römischen Gott die Vorstellung einer alten einheimischen Gottheit verband. Diese Verschmelzung römischen und gallischen Wesens spricht sich auch in den Inschriften aus. Es kommen neben Namen wie Quintus Domitius Tutus, Cajus Propertius Secundus auch gallische Namen wie Camuloguata, Germanisca, Combaromarus u. a. vor. Römer und Gallier fanden sich in gemeinsamem Kult zusammen.

Die Art der Bergung des Schatzes verrät, dass er in Eile zusammengerafft und versteckt worden ist, nachdem er schon, wie der Zustand mehrerer Stücke zeigte, gewaltsamer Verderbnis ausgesetzt gewesen. Alle Gegenstände sind, mit Ausnahme der Henkel und anderer Zuthaten, getrieben. Die Trinkbecher haben, wie bei den Funden von Hildelsheim und Boscoreale, einen platten herausnehmbaren Einsatz. Durch Teilvergoldung, die sich leider nur spärlich erhalten hat, war die Silberfarbe mannigfach belebt. Da sich in dem Funde neben Stücken von hohem künstlerischen Werte Arbeiten von derber und roher Ausführung befinden, auch starke stilistische Verschiedenheiten sich zwischen den einzelnen Gegenständen zeigen, so nimmt man auch hier für die Bestandteile des Schatzes verschiedene Entstehungszeiten an. Die besseren Stücke werden ins 3.-1. Jahrhundert vor Christi gesetzt, während die Gegenstände von minderwertiger Arbeit der Zeit kurz vor ihrer Eingrabung, dem 3. Jahrhundert nach Christi, zugeschrieben werden.

Vielleicht zu den ältesten Stücken des Schatzes gehören zwei Henkelbecher (Abb. 1), die schönsten und edelsten Arbeiten des Fundes. Die sanfte Schwellung des Reliefs, die in ihrer streng plastischen Form den altgriechischen

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Reliefstil bewahrt hat, die edle Haltung der dargestellten Personen, die sparsame Verwendung von Schmuckmotiven lassen wenigstens für das Vorbild dieser Becher auf eine frühe Zeit schliessen. Der Inhalt der Reliefs lässt sich nicht mit Bestimmtheit deuten. Auf jeder Becherseite sind in symmetrischer Anordnung zwei Figuren, eine männliche und weibliche, die eine stehend, die andere sitzend, einander gegenübergestellt. Auf der in der Abbildung zugekehrten Seite des einen Bechers sitzt rechts eine Frauengestalt mittleren Alters und liest in einer Buchrolle, das Gewand, in das sie gekleidet, lässt Arme und Oberkörper entblösst, das über die Schultern geworfene Ende flattert in breitem Bausch auseinander. Ihr gegenüber steht in einiger Entfernung ein kahlköpfiger bärtiger Alter, gekrümmt von der Last der Jahre. Er stützt sich mit der Linken auf einen Stab, während die Rechte gestikulierend aus dem ihn umhüllenden Mantel gestreckt ist. Zwischen beiden steht eine Art Steintisch, hinter demselben ein Pfeiler, der einen Becher trägt. Die andere Seite zeigt dagegen eine stehende Frau und einen sitzenden jungen Mann. Von den Figuren des zweiten Bechers sind auf der Abbildung nur die stehenden sichtbar, rechts eine stehende Frauengestalt mit entblösster rechter Schulter, in der linken Hand eine Rolle, mit der andern hält sie einen Lorbeerzweig über ein grosses Gefäss. Der auf der andern Seite stehende bärtige Mann hält in gesenkter Hand einen Stab. Man glaubt auf den zwischen den Paaren regelmässig gestellten Pfeilern eine Spiegelung einer der Figuren zu erkennen. Jedenfalls haben wir es hier mit Darstellungen symbolischer Natur, vielleicht Scenen aus den antiken Mysterien (Geheimgottesdiensten) zu thun. Die schön geschwungenen Henkel schmiegen sich breit dem oberen Rande an und laufen hier in die Köpfe von Schnabeltieren aus, ein für die ganze Gattung der spätgriechischen und römischen Silbergefässe charakteristisches Merkmal, das sich auch bei zahlreichen Stücken des Hildes

heimer und Boscorealefundes findet. Die Höhe der Becher beträgt 12 cm, die Breite ohne Henkel ebenfalls 12 cm.

In direktem Gegensatz zu dem besprochenen Becherpaar stellen sich die in den beiden folgenden Abbildungen gegebenen napfförmigen Becher sowohl dem Inhalte wie der Form nach dar. Der herbe Ernst ist ausgelassener sprühender Lebenslust gewichen, statt der streng plastischen Reliefform erscheint jetzt eine freie malerische Reliefbildung. Während dort die Relieferhebungen nur mässig aus der Fläche treten und sich streng innerhalb der Silhouette des Gefässes halten, hat hier die Freude an der Leistungsfähigkeit der Treibarbeit die Form des Gefässes gewissermassen gesprengt und die weitherausgehämmerten Glieder der den Körper des Gefässes schmückenden Figuren ragen so stark aus der Fläche heraus, dass die äussersten Teile durch besondere aus dem Gefässe herausquellende Stützen getragen werden müssen. Eine reiche Fülle von Bildwerk zieht sich in malerischer Komposition, in mehreren Plänen hintereinander geordnet, um die Rundung der Becher hin. Die Relieferhebung ist mannigfach abgestuft, von der vollen körperlichen Rundung bis zur zartesten Schwellung. Auch hier haben wir auf beiden Stücken symmetrische Darstellungen, aber trotz der strengen Entsprechung im einzelnen mannigfaltig abgewandelt. Die Komposition der vier Bildflächen wird beherrscht durch je einen die Mitte einnehmenden männlichen und weiblichen Centaur, umspielt von Amoretten und umgeben von allerlei Beiwerk. Mag man auch in diesen Bildern einen allgemein menschlichen Inhalt suchen: „Liebeslust und Leid", der selbst die wilden Rossmenschen unterworfen sind das volle Verständnis der reichen Darstellung entzieht sich uns. Die zahlreichen Attribute, die ringsum verstreut sind, sind Symbole des bacchischen Gottesdienstes. Am Hofe der Ptolomäer in Alexandrien, wo vielleicht die Entstehung dieser schönen Stücke zu suchen ist, blühte der orgiastische Bacchuskult mit allen seinen Ausschweifungen.

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Die Bijouterie im Orient.

(Fortsetzung und Schluss.)

Dear Courier den

erartige Verkäufe vollziehen sich in der Weise, dass ein Courtier den betreffenden Gegenstand im ganzen Bazar ausruft eine Art fliegender Auktion - oft mehrere Tage hintereinander, um einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen; diese Courtiers sind verpflichtet, einen Bart zu tragen.

Der oben erwähnte,,Besestin" im Bazar der Bijouterie ist ein grosses, steinernes, gewölbtes Gebäude, wie eine befestigte Schanze und 4-500 Jahre alt. In seinen düsteren Räumen werden alte Waffen, Teppiche, altes Porzellan, Uhren, Antiquitäten und Schmucksachen verkauft; fast alle Verkäufer sind Muselmanen und ist es sehr schwer, einen Verkaufsstand im Besestin zu erhalten, wenn man nicht sehr gute Empfehlungen hat. Ausserdem darf das Publikum diese Stätte nur während 6 Stunden im Sommer und 4 im Winter besuchen; es sind deshalb dort auch Diebstähle sehr selten, seit der Erbauung soll nur ein einziger vorgekommen sein.

Jeden Abend legen die Juweliere des Bazars ihre Waren in einen ziemlich schlecht verschlossenen Holzkasten und tragen diesen in den Besestin, wo ihnen gegen geringe Miete ein Aufbewahrungsort zur Verfügung steht, und am nächsten Morgen holen sie ihre Waren wieder ab.

Perlen verkaufen sich nach einem Gewicht Namens ,,Miskal", welches gleich 24 Karat ist; nach Konstantinopel kommen die Perlen meist aus Snakim und Bassorah. Gewöhnlich kauft man die Edelsteine auf Ziel und erhält keinen Sconto für Barzahlung, doch wird in letzterem Falle der Preis etwas ermässigt.

Die eingeborenen Goldschmiede sind geschickt und zu besseren Arbeiten fähig, indessen verlangt die meist türkische Kundschaft sehr billige Fassungen und demgemäss fallen diese auch nicht sehr geschmackvoll aus. Früher nahm man zu den Arbeiten 16- bis 18-karätiges Gold, nach und nach ist jedoch durch Preisdrückerei der Gehalt immer geringer geworden und schwankt jetzt zwischen 4 und 15 Karat. Die für Pera und Galata bestimmten, meist in Frankreich oder Deutschland bestellten Waren haben gewöhnlich 14 Karat; indessen macht man, des billigen Preises wegen, auch oft die Gegenstände aussen 14 und innen 4 bis 5 Karat, auch nimmt man nicht selten gutes Doublé. Die Steine werden meist hier an Ort und Stelle durch eingeborene Arbeiter in die Sachen gefasst.

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Früher vor 1870 betrug der Umsatz in Bijouterie in Konstantinopel etwa 20 bis 25 Millionen Franken jährlich, jetzt ist er durch die Verarmung der Bevölkerung und den Preisrückgang der Edelsteine und des Silbers auf etwa 7 Millionen Franken gesunken, darunter für etwa als Geldschrank ansieht, dem 4 Millionen Franken Brillanten, die am meisten gekauft werden, und etwa 1/2 Millionen eigentlicher Schmuck und Silberwaren.

Plaquette zur Erinnerung an die Friedenskonferenz im Haag, ausgef. von der Kgl. Silberwarenfabrik C. J. Begeer in Utrecht.

Als im Jahre 1870 die billigen Kapdiamanten auf dem Weltmarkt erschienen, haben auch in Konstantinopel die älteren Lagerbestände eine bedeutende Preisherabsetzung erfahren, trotzdem verkaufen sich letztere noch immer besser und werden mehr geschätzt.

Der Niedergang der grossen Vermögen in Konstantinopel, der seit 1877/78 sich bemerkbar macht, hat die Ausfuhr vieler wertvoller Steine nach dem Westen Europas zur Folge gehabt. Alte, schöne Diamanten und Brillanten, alte Rubine, Smaragde und Saphire sind auf dem westeuropäischen und amerikanischen Markt erschienen und dagegen sind billigere Steine eingetauscht worden, Brillanten und Rosen zu 100 bis 230 Franken das Karat, Rubine und Smaragde von 25 bis 150 Franken und Saphire von 15 bis 40 Franken das Karat. Zwischen dem türkischen und dem bei uns üblichen Karat ist ein Unterschied von 5% zum Nachteil der ersteren, sonst ist dieses ebenso wie unseres in 32-tel bezw. 64-tel geteilt.

Die Käufer der besseren Artikel sind die Europäer und die eingeborene bessere Gesellschaft, die nicht so sehr auf einen beim Wiederverkauf sich ergebenden Verlust zu sehen braucht, während der Türke beim Einkauf der Schmucksachen stets die Möglichkeit des Wiederverkaufs mit nur ganz geringem Verlust im Auge behält und seine bessere Hälfte, die er mit Schmuck ausstattet, mehr er notwendiges Kapital zu

jeder Zeit wieder entnehmen kann.

Der beste Kunde des Bijouterie-Bazars ist der türkische Staat selbst, dessen Einkäufe jährlich 1 Million Franken betragen sollen; diese bestehen meist aus Ordensdekorationen, die mit Edelsteinen besetzt sind, Ehrensäbel, Tabaksdosen u. s. w., ausserdem in Brillantschmuck für die Damen des Harems, und in Geschenken für in Konstantinopel jeweils anwesende Fürstlichkeiten.

Wie eingangs erwähnt, beträgt die Einfuhr von Silberschmuck jährlich etwa 11/2 Millionen Franken und besteht aus allen möglichen Artikeln, darunter viele schwere Uhrketten. Früher und auch heute noch fabriziert man im Lande selbst in Silber viele Scheiden und Montierungen für Dolche, Säbel, Yatagans, Pistolen u. s. w. teilweise mit Gold inkrustiert; manche von diesen werden an unwissende Fremde als Antiquitäten zu hohen Preisen verkauft. Das Silber wird in Konstantinopel nach ,,Dirhems" gerechnet (= 3,2 grs) und auf der Münze gestempelt, wofür 5 Paras für den Dirhem Gebühren bezahlt werden müssen; es ist ein Remedium von 10 Tausendteilen erlaubt; Silber unter 890/1000 wird nicht gestempelt und mit einer Strafe von

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Im Innern der Türkei tragen die Damen noch viel alte Goldmünzen als Schmuck, an Colliers, Diademen und als Aufputz der Kleider, wie auch an den Enden der Zöpfe; diese Münzen werden teils in Konstantinopel fabriziert, teils kommen sie in geringerer Ware aus Egypten; auch moderne türkische Münzen und österreichische Dukaten werden noch zu genannten Zwecken verwendet.

In den Läden der Juweliere und den Werkstätten der Arbeiter wird sehr selten ausgekehrt; alle zwei Jahre etwa kommt der Oda-Baschi (ein Staatsbeamter), lässt die erwähnten Plätze auskehren, das Kehrets verkaufen und der Erlöss fliesst in die Staatskasse. Diese Operation heisst ,,Ramaff", doch bringt sie heutzutage nicht mehr so viel ein wie früher.

Unechte Bijouterie wurde im letzten Jahre für etwa 230 000 Franken in die Türkei eingeführt; sie kommt aus Gablonz, Morgenstern in Böhmen und Pforzheim, und wird fast ausschliesslich von Juden gehandelt, die ausserhalb des Bazars ihre Läden haben und ihre Einkäufe bei den Grossisten Stambuls machen, in manchen Fällen auch direkt in Gablonz oder Pforzheim.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass in der Türkei auch bei den Griechen und Armeniern, viel mehr Schmuck getragen wird, wie bei den Westeuropäern, und dass man lieber weniger isst und sich in anderen Ausgaben einschränkt, als dass man den Schmuck entbehrt. Die Wichtigkeit des Schmuckes im Orient veranschaulicht am besten der Umstand, dass man in besseren Familien bei der Heirat der Kinder nicht sagt: „,Sie haben sich verehelicht!" sondern: ,,Sie haben ihre Steine mit einander ausgetauscht!"

Zum Zwangsladenschluss.

Wenn wir uns mit der vielerörterten Frage des Zwangsladenschlusses beschäftigen, so haben wir die Absicht, das Thema hauptsächlich dahin zu behandeln, ob der Zwangsladenschluss in seiner schärfsten Form, also der ausnahmslosen Schliessung der Geschäfte so nötig ist, wie das der Gesetzentwurf verlangt und ob man dies kann, ohne dadurch die Kleinsten unter den Kleinen schwer zu schädigen. Wir wollen uns auf einzelne Beispiele beschränken und in Betracht ziehen, wie die Verhältnisse in unserer Reichshauptstadt Berlin liegen, im Ganzen und Grossen werden sie im ganzen Reiche, wenigstens in den grossen Städten, die gleichen sein.

Man will die Schwachen gegen die Starken schützen, d. h. man will die Angestellten also die Unselbständigen vor übermässiger Ausnutzung bewahren, das kann man nun unseres Erachtens aber, ohne dass dadurch der freie Wille der Selbständigen unterbunden wird. Man schaffe für die Angestellten im Handelsgewerbe einen Maximalarbeitstag mit der Bedingung, dass sie nicht mehr nach 8 resp. 9 Uhr abends beschäftigt werden dürfen, dann ist ja erreicht, was man will. Ist es nicht geradezu widersinnig: Auf der einen Seite macht man Propaganda zum Schutze der Arbeitswilligen, und auf einer anderen will man die Arbeitswilligkeit gesetzlich eingeschränkt wissen durch einen Zwangsladenschluss! Man sollte doch bedenken, dass es in Berlin viele kleine Geschäftsleute giebt, welche den Ausfall, welchen sie eventl. durch den Zwangsladenschluss erleiden, stark empfinden werden. Wir glauben kaum, dass nach reichlichem Nachdenken die kleinen Geschäftsleute, welche ohne Angestellte ihr Geschäft betreiben, für den Neunuhrschluss sein werden.

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Die Geschäftsleute, welche ihre Geschäfte mit Angestellten betreiben, können den geringen Verlust, welcher eventl. entstehen dürfte, wohl ertragen, das kann man voraussetzen; denn erstens arbeiten sie mit einem ganz anderen Nutzen und mit einer anderen Kundschaft als der kleine Geschäftsmann; für sie ist es gewissermassen unnötig, noch spät am Abend offen zu halten, wenn ihre hauptsächliche Kundschaft ja doch keine Einkäufe mehr macht. Anders ist es bei den kleinen Geschäften, deren Kundschaft sich aus dem Mittelstande und den geringeren Leuten rekrutiert. Es giebt so viele Damen, welche des Abends beim Nachhause

gehen Reparaturen zum Goldschmied und zu andern bringen, ebenso auch mancher Arbeiter sucht nach neun Uhr kleine Geschäftsleute auf; hauptsächlich sind es aber Dienstmädchen, welche am Tage keine Zeit haben und des Abends nach 9 Uhr, wenn Abendbrot etc. vorüber ist, sich fortzustehlen suchen, um schnell noch ihre Einkäufe zu besorgen. Wenn wir nun den Verlust, den die sogenannten Kleinsten durch den Zwangsladenschluss erleiden Sonn- und Feiertage abgerechnet im Durchschnitt auf täglich eine Mark berechnen, so würde sich praeter propter der Verlust auf 300 Mk. jährlich stellen. Können nun solche Geschäftsleute, welche nur mit ihren beiden Händen arbeiten, solchen Ausfall vertragen?

Man wird wohl behaupten, dass die in Frage kommenden Kunden zur anderen Tageszeit sich einfinden werden, das ist aber nicht der Fall, denn da sie meist in den Hauptstrassen ihre Beschäftigung haben und bis zu dem letzten Augenblick beschäftigt werden, so würden sie gezwungen sein, die ihnen bequem gelegenen Geschäfte aufzusuchen, und die Kleinen in den Nebenstrassen haben das Nachsehen; der Vorteil fliesst also schliesslich dahin, wo er nicht so dringend nötig ist. Es würde also besser sein, wenn der Ladenschluss durch freie Vereinbarung zustande käme; wer den Ausfall entbehren kann, der schliesse, und wer ihn nicht entbehren kann der halte offen! Diejenigen, welche nicht schliessen werden, sind unseres Erachtens meist kleine, ältere Geschäfte, welche doch nach und nach mit der Zeit verschwinden, und so wird sich der Ladenschluss zu einer festgesetzten Zeit dann ganz von selbst vollziehen.

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Es giebt nicht nur allein unter den Goldschmieden, sondern in jedem Beruf kleine Geschäfte, welche ihre Besitzer so gerade ernähren; weshalb will man sie der Armut preisgeben und sie zurückdrängen in das Proletariat, denn als Aequivalent bietet man ihnen doch nichts! Meistens sind die betroffenen Leute in vorgerücktem Alter, fünfzig, sechzig Jahre und noch darüber alt. Wer will aber solche in Arbeit nehmen!?

Da nun aber jedenfalls eine äussere Heilighaltung" dieser gedachten Freistunden nicht verlangt werden kann, so dürften doch viele kleinere Ladeninhaber nach Schluss des Geschäftes trotzdem noch ihre Schaufenster erleuchtet halten, um so dem noch promenierenden Publikum zur Besichtigung der ausgelegten Waren Gelegenheit zu geben; und wie

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