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teilhaft dabei fahren und schenken den Zeitungsschürereien kein Gehör mehr. Daraus resultiert eine progressive Erhöhung des Imports deutscher Ware, welche die kurzsichtigen Chauvinisten mit Ueberraschung und Schrecken aus den statistischen Veröffentlichungen erkennen müssen.

Nun geht in den Journalen das Schreien und Lamentieren los. Es wird auf die Deutschen sowohl als auf die ,,vaterlandslosen" Abnehmer deutscher Waren geschimpft, und wohl auf keinem Gebiet dürfte die Bekämpfung der deutschen Konkurrenz heftiger und rücksichtsloser sein, als in der Gold- und Silberwarenbranche.

Der Herausgeber der am weitesten verbreiteten Fachzeitung, betitelt:,,Moniteur de la Bijouterie et de l'Horlogerie", hat sich zum Champion der Sache gemacht. Er geht mit einer blinden Wut gegen alles vor, was auf die Einführung deutscher Gold- und Silberwaren in Frankreich Bezug hat und benutzt jede Gelegenheit, selbst zweifelhaft begründete Behauptungen, um

die deutschen Waren zu diskreditieren. Er sowie einige seiner Mitarbeiter, welche sich aus dem Leserkreis rekrutieren, finden, dass eine Menge von deutscher Bijouterie unter Umgehung der Zollbehörde eingeführt wird, dass ", gefüllte" Gegenstände geliefert werden, mindere Legierung über die Grenze kommt u. s. w. Dies alles, um die Abnehmer, welchen ausserdem beständig vorgeschwatzt wird, dass die Fabrikation nichts taugt, misstrauisch zu machen. Er redet fort während von der deutschen Konkurrenz als von einer illoyalen und nimmt als deckenden Schild seinen Patriotismus zur Hilfe, wobei er sich erlauben zu können glaubt, der Gott sei Dank recht loyalen deutschen Konkurrenz einen illoyalen Kampf zu bereiten. Es fällt ihm auch gar nicht schwer, dies mehr oder minder unverblümt zu sagen, wenigstens kann man nach der ganzen Handlungsweise folgenden Ausspruch in einem seiner jüngsten Artikel kaum anders auffassen, als das Zugeständnis, dass er es mit der Wahl der Mittel nicht genau nimmt. Der in Frage kommende Satz lautet: Le patriotisme a des raisons que la raison ne connait pas" (Die Vaterlandsliebe hat Gründe, welche der Vernunft fremd sind). Wir wollen dies im gewissen Sinne zugeben, aber nicht, dass er gestattet, einen unlauteren Kampf zu führen. Der Patriotismus ist sicherlich eine jeden Bürger zierende Eigenschaft, indes muss man denselben zu handhaben verstehen und vor allen Dingen nicht bis ins Lächerliche treiben. Jedenfalls erweist sich unser Gegner gleichzeitig als Feind oder Ignorant aller loyalen kaufmännischen Grundsätze, und es darf wohl in Frage gestellt werden, ob er mit seiner Art und Weise der französischen Gold- und Silberwaren - Industrie einen Dienst erweist.

Da sich das ,,Petit Journal" mit derart chauvinistischen Ideen sehr gern befasst, hat der Moniteur in ihm einen Kampfgenossen gefunden, so dass man von Zeit zu Zeit in demselben Artikel liest, welche der französischen Bijouterie gewidmet sind und wenig anderes enthalten, als eine Felde. gegen die Einfuhr von deutschen Gold- und Silberwaren. Die Auflage des Blattes ist zwar ungeheuer; die betreffenden Artikel dürften aber infolge der Qualität seiner Leser im allgemeinen nicht in viele berufene Hände kommen. Uebrigens sind dieselben hier etwas mässiger gehalten und den uns konkurrenzfähig machenden Eigenschaften, als unsere Thätigkeit und unseren perfektionierten maschinellen Einrichtungen ist ein wenig mehr Raum gewidmet. Indes wird die untergeordnete Güte unserer Ware als selbstverständlich hervorgehoben. Hierbei versucht man, den Konsumenten zu veranlassen, dass er sich bei etwaigem Einkauf nur französisches Fabrikat vorlegen und ausfolgen lässt.

Die Königl. Zeichenakademie in Hanau.

Nach Plänen: J. Raschdorff's.

Zu diesem Zweck unterrichtet man ihn von dem Unterschied des Einfuhrpunzens von dem inländischen.

Was eingangs im allgemeinen bezüglich der zögernden Aufnahme deutscher Verkäufer erwähnt ist, macht sich in der Edelmetallbranche in erhöhtem Mass fühlbar. Es bedarf daher doppelter Ausdauer und einer mehr als peinlichen Sorgfalt für die zu liefernden Waren, wenn von einem Erfolge die Rede sein soll. Mit der Ausdauer im Angebot und in der Erfüllung der Wünsche der Kunden sind notgedrungen fortgesetzte

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Unkosten verknüpft, welche auf erhebliche Zeit den Verdienst aufzehren oder gar überschreiten. Es ist deshalb weniger bemittelten Häusern nicht anzuraten, sich mit dem französischen Markt zu befassen, sofern nicht von dort freiwillig Aufträge erteilt werden.

Wer aber einen Teil seiner Erzeugnisse dem französischen Handel widmet, bemühe sich, dieselben sauber und dauerhaft herzustellen, damit der der deutschen Goldware böswillig angehängte schlechte Ruf keine Berechtigung bekommt, vielmehr mit überzeugender Gewalt einem besseren Platz macht.

Gegen die verleumderischen Behauptungen, dass wir uns illoyaler Verfahren bedienen, um die Waren trotz Zoll- und Transportspesen zu Transportspesen zu sehr annehmbaren Preisen zu liefern, können wir nichts anderes thun, als auf dem bisher befolgten regelrechten Wege weiter zu wandeln. Es soll hiermit nicht als absolut ausgeschlossen hingestellt werden, dass Irrtümer und Missbräuche vorgekommen sind, denn dieselben sind weder auf deutscher noch auf französischer Seite ganz zu vermeiden. Setzen wir diesem reaktionären Patriotismus eine durch Eifer, Intelligenz und Ehrlichkeit bethätigte fortschrittliche Vaterlandsliebe entgegen! Hector.

Hanau.
(Schluss.)

anau, das jetzt ca. 28000 Einwohner zählt, kann in Bezug auf sein wirtschaftliches und geistiges Leben nicht mit einer Stadt von ähnlicher Grösse im Norden oder Osten Deutschlands verglichen werden. Es hat durch seinen regen Industriebetrieb und kaufmännischen Verkehr zu viel Fühlung mit der grossen Welt, um ein eigentliches kleinstädtisches Wesen nicht aufkommen zu lassen. Auch ist der Bevölke

rung im Laufe der Zeit cine gute Dosis romanischen Blutes beigemischt worden, das auf die Entwickelung des lebhaften Temperamentes und der geistigen Regsamkeit der Bewohner von sichtlichem Einfluss gewesen ist. Schon die erste enge Berührung mit der romanischen Rasse in den Jahrhunderten der römischen Okkupation, die für ganz Westdeutschland vielleicht zu gering bewertet wird, käme hier auch mit in Betracht. Ganz besonders aber hat in Hanau die einstige starke wallonischniederländische Besiedelung mit ihren im 17. und 18. Jahrhundert von Frankreich her folgenden Nachzigen eingewirkt. Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts wurde in Hanau viel französisch gesprochen und noch heute heissen die Hanauer im Volksmunde der Umgegend die,,Mainfranzosen". Ebenso mag auch die von Generation auf Generation fortgeerbte Berufsthätigkeit in Gebieten, die ungewöhnliche manuelle Fertigkeit in Verbindung mit gewissen intellektuellen Fähigkeiten fordern, mancherlei zu einer allgemeineren Hebung der geistigen Beanlagung beigetragen haben. Jedenfalls ist diese letztere eine Thatsache, die konstatiert werden muss, die vielleicht auch bewirkt, dass die sozialpolitischen Gegensätze der Gegenwart, die auch in Hanau da sind, wie in jeder grösseren Industriestadt, sich hier nicht so schroff und scharf geltend machen, wie anderEs gilt hier mehr die Parole des Lebens und LebenDer Hanauer ist arbeitslustig und bestrebt, vorwärts

wärts. lassens.

zu kommen. Das Leben und Treiben der Stadt dreht sich um Produktion und Erwerb, der praktisch geschäftskluge Sinn herrscht vor. Für die jungen Leute aus dem besseren Bürgerstande ist das Ziel, das ihnen vorschwebt, ein tüchtiger Kaufmann und Fabrikant zu werden. Die gelehrten Berufe, die für den Norddeutschen ein gewisses Ideal der Lebensgestaltung bilden, ziehen nicht recht. Das illustriert auch der Umstand, dass in Hanau die Oberrealschule mit ihrer

Denkmal des Grafen Philipp Ludwig II. in Hanau, entworfen von Prof. M. Wiese (Direktor der Königl. Zeichenakademie).

mehr praktischen Erziehung an Frequenz das humanistische Gymnasium weit übertrifft.

Ausser der Arbeit ist der Hanauer gern vergnügt und freut sich des Lebens mehr nach süddeutscher Art; ein guter Mutterwitz, der den Nagel auf den Kopf zu treffen weiss und der in der mundartlichen Form seiner Wirkung sicher ist, ist ihm eigen. Die Pflege des geselligen Lebens kommt in den zahlreichen Vereinen, Touristen-, Turn-, Gesangvereinen etc., bei Wintervergnügungen und Ausflügen lebhaft zum Ausdruck. Alte Herren behaupten, dass die Hanauer Frauen ehedem den Ruf besonderer Schönheit besassen; die Jungen möchten das gern auch für die Gegenwart gelten lassen.

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Den industriellen und kommerziellen Charakter erhielt Hanau durch die Kolonen der Neustadt. Freilich sind in der Wirtschaftsgeschichte der Stadt bis zur Gegenwart mancherlei Umwandlungen zu verzeichnen. Industrie und Erwerbszweige leben nach einander auf am Baume des Lebens und sterben wieder ab. Die im 17. und 18. Jahrhundert so blühende Textilindustrie (Passementerie, Tuchfabrikation, Seidenweberei, Wirkerei, Färberei) ist fast ganz vom Schauplatz abgetreten. Nur die Gold- und Silberwarenfabrikation und die Tabakindustrie, die schon im 17. Jahrhundert in Neu-Hanau zu den ersten Erwerbszweigen zählten, sind lebens- und entwicklungsfähig geblieben. Beide haben gerade im 19. Jahrhundert neuen Aufschwung genommen, sie sind gegenwärtig die beiden

Pole des Geschäfts- und Erwerbslebens. Daneben haben sich verschiedene Hilfsgewerbe, z. B. die Etuisfabrikation, die Herstellung von Cigarrenkisten, von Cigarrenwickelformen, von lithographischen Austattungen der Cigarrenpackungen, zu selbständiger Bedeutung ausgebildet. Auch andere kaufmännische und industrielle Betriebe spielen in dem Geschäftsverkehr eine ansehnliche Rolle: der Grosshandel in Wein, Kaffee, Reis, Gewürz, Holz, die Brauindustrie, die Spirituosenfabrikation, der Eisen- und Bronzeguss, der Maschinenbau, die Papierfabrikation, die Herstellung von Bürsten und Filzwaren. Die Königliche Pulverfabrik, die grösste in Deutschland, beschäftigt allein ein halbes Tausend Menschen. Radfahrer wird es interessieren, dass die Gummireifen der Dunlop-PneumaticTyre-Cie. in Hanau hergestellt werden.

Für die Hanauer Gewerbebetriebe reichen die ortsansässigen Arbeitskräfte nicht aus; auch die umliegenden Ortschaften bis ins Bayerische und Grossherzoglich Hessische hinein finden. dabei lohnenden Erwerb. In grossen Scharen zu Fuss, vielfach per Zweirad, kommen und gehen die Arbeiter des Morgens und Abends, oder werden in besonderen Zügen der Kleinbahnen befördert.

Die Edelmetallindustrie nimmt natürlich die besten und tüchtigsten Kräfte in ihren Dienst. Die Einführung derselben ist den ersten Kolonen zu danken. Die Geschichte der Hanauer Goldschmiedekunst nennt schon in den ersten Jahren der Besiedelung mehrere angesehene Goldschmiede; am 10. Februar 1610 reichten bereits 14 Diamantpolierer und 24 Gold- und Silberschmiede ihre Zunftartikel ein. Mit wechselndem Glücke ist das Gewerbe in den nächsten Jahrhunderten weitergeführt worden. Die Neuzeit mit ihrer Tendenz zur Arbeitsteilung hat hier auch verschiedene Unterarten der technischen Bearbeitung und Erzeugung geschaffen, die kaufmännische Vertriebsweise ist fast durchgehends üblich geworden. Dabei ist aber doch der Produktion der Charakter als Kunstgewerbe gewahrt geblieben. Zwei grosse Gruppen haben sich gebildet. Die Silberwarenfabrikation steht auf der einen, die Bijouterie mit ihren Nebenzweigen auf der anderen Seite.

In der Silberwarenindustrie, die in letzter Zeit unter recht guten Konjukturen arbeitet, spielte und spielt noch heute eine grosse Rolle die Antiquitäten-Imitation, die freie Nachbildung alter Werke der Silberschmiedekunst in Treibarbeit, besonders von Prunkgeräten in der flotten Technik der Spätrenaissance, die durch den Zwischenhandel immer noch guten Absatz finden. Man muss diese Stücke entstehen sehen, um die verblüffende Geschicklichkeit zu begreifen, mit welcher der alte Charakter in Zeichnung und Ausführung, in der Ziselierung und Patinierung wiedergegeben wird, so täuschend, dass nicht blos die reichgewordenen Dollarmenschen drüben und die bekannte Gattung derer, die nicht alle werden, sondern auch grundgescheite andere Leute sie vielfach für bar nehmen. Die Fabrikation moderner Silberware kommt daneben mehr und mehr in Aufnahme, vom kleinen Theegerät bis zu kostbaren Tafelaufsätzen und Sportpreisen. Eine Firma betreibt auch seit ein paar Jahren als Spezialität die Herstellung von Ziergeräten aus Glas, Porzellan u. dgl., die einen silbernen, durchbrochenen Decor auf galvanischem Wege erhalten, ein Verfahren, mit dem Tiffany auf der Chicagoer Weltausstellung uns zuerst bekannt gemacht hat.

Komplizierter und vielseitiger ist die Bijouteriefabrikation. Sie erzeugt in Hanau nicht fabrikmässige Massenartikel und minderwertiges Mittelgut, sondern die künstlerische Einzelarbeit, das vornehme, materialechte, edelsteinstrahlende Schmuckstück in individueller Form ist ihr Gebiet. Dafür ist Hanau berühmt, das ist die Stärke der Hanauer Goldschmiedekunst und ihr

berechtigter Stolz. Wer mit dem einen oder andern Bijouteriefabrikanten gut Freund ist, bekommt auch da näheren Einblick in die Fabrikation und kann mitunter Geschmeide entstehen schen, die den Hals von Fürstinnen schmücken, Diademe und Kronen, die königliche Häupter zieren und deren Wert nach ungezählten Tausenden geht. Dass nur künstlerisch geschulte Arbeitskräfte im Zusammenwirken Arbeiten solcher Art liefern können, ist begreiflich. Die grösseren Firmen, deren Inhaber meist zugleich selbst künstlerische oder praktische Fachbildung besitzen, haben ihre eigenen Zeichner, Modelleure, Graveure und Fasser. Daneben sind auch Spezialfirmen für Gravieren, Ciselieren, Vergolden, Emaillieren thätig. Die Hanauer Fabrikanten arbeiten meist für feste Kundschaft, die sie bei den Juwelieren und Grossisten in den Grosstädten haben. Nur kurante Waren werden in Vorrat gearbeitet, grössere Stücke immer nur auf besondere Bestellung nach eigenen Entwürfen. Jeder Fabrikant ist auf Wahrung der künstlerischen Eigenart seiner Arbeiten bedacht; meist hat er noch einige besondere Spezialitäten, die ihm ein anderer schwer nachmacht. Jeder geht hier, ohne sich viel um den andern zu kümmern, seine eigenen Wege. Daher kommt es auch, dass selbst in Fragen von gemeinsamem Interesse ein Zusammenschluss und ein gemeinsames Vorgehen kaum zu erzielen ist; der Vorstand des Kunstgewerbe-Vereins könnte davon ein Lied singen. Durch scharfe Umschau, durch Reisen, die bis nach Paris und London ausgedehnt werden, muss der Fabrikant mit dem Wechsel der Moden und des Geschmackes in steter Fühlung bleiben. Bisher behauptete der reiche Brillantschmuck das Feld; eine neuere Richtung scheint die kunstvolle Bijouteriearbeit wieder mehr zu Ehren zu bringen, da wird sich Hanau mit seinem künstlerischen Vermögen auch an die Spitze stellen dürfen.

Zu bedauern ist, dass in letzter Zeit mehr und mehr die Aufträge auf das letzte Drittel des Jahres zusammengehäuft werden, dass die Produktion dadurch fast zur Saisonarbeit genötigt wird. Abgesehen von den dabei drohenden sozialen Misständen, stellen solche Verhältnisse, besonders in den letzten Wochen vor Weinachten, die stärksten Anforderungen an die Arbeitsleistung der Leiter wie der Arbeiter.

Die ausgiebige Verarbeitung von Edelsteinen am Platze war mit Veranlassung, dass auch die Diamantenschleiferei in Hanau Fuss gefasst hat (1874 cingeführt); sie scheint sich anch trotz mancher Misslichkeiten des Geschäftsganges und schwieriger Streikkonflikte dauernd zu halten. Auch einige Kettenfabriken, Uhrgehäusefabriken und ein paar grosse Estamperieanstalten sind hier zu erwähnen. Die Herstellung von feinen Eisenguss- und Bronzewaren steht auch noch in einem gewissen künstlerischen Zusammenhange mit der Edelmetallindustrie. Endlich hat sich die in Hanau betriebene Fabrikation von Gegenständen aus Platin (meist für chemische und technische Zwecke) gegenüber der in- und ausländischen Konkurrenz Weltrang erworben.

In den künstlerischen Qualitäten ihrer Erzeugnisse liegt, wie gesagt, der Hauptwert der Hanauer Edelmetallindustrie. Zu ihrer steten Pflege und Förderung, zur Heranbildung immer wieder neuer Kräfte besitzt Hanau ein Institut von besonderer Wichtigkeit, die Königliche Zeichenakademie, eine von weit und breit besuchte Fachschule für die Edelmetallindustrie. 1772 gegründet, war sie lange Zeit eine kleinfürstliche Kunstakademie, aus der auch mancher bedeutende Künstler, wie der am 9. Dezember 1898 verstorbene Altmeister der Hanauer Künstlerschaft, der Geschichtsmaler Prof. Georg Cornicelius, hervorgegangen ist. Unter der preussischen Verwaltung ist die Anstalt reorganisiert und zielbewusst mit Rücksicht auf die einheimische Kunstindustrie

ausgestaltet worden. Ueber die Unterrichtseinteilung, die den Zielen praktischer Ausbildung angepasst ist, ist in der No. 21 des I. Jahrgangs dieser Zeitschrift S. 171 einiges gesagt worden. Erwähnt sei noch, dass in jüngster Zeit zu den schon bestehenden Fachwerkstätten für Ciselier- und Bijouterietechnik auch eine Klasse für Emailmalerei eingerichtet worden ist. Von Seiten der Regierung findet das Institut kräftige Förderung. Die künstlerischen Lehrkräfte haben sich als Bildhauer und Modelleure, Architekten, Maler, Zeichner und praktischer Kunstgewerbler aus dem Norden und Süden, dem Westen und Osten des Reiches zusammengefunden. Ein reiches Lehrmittelmaterial, eine gut ausgestattete kunstgewerbliche Bibliothek, ein Museum, welches sich auf dem metalltechnischen Gebiet mehr und mehr vervollständigt, unterstützen den Unterrichtsbetrieb wesentlich. Zur Zeit steht der Bildhauer Prof. M. Wiese an der Spitze der Akademie. Die Anstalt wird gegenwärtig von ca. 250 Schülern besucht, die wesentlich der Edelmetallbranche angehören; nur die in

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Farbenschmelz in Tiefschnitt.

m Grassi-Museum zu Leipzig ist gegenwärtig eine Tafel mit Emailarbeiten ausgestellt, welche die Aufmerksamkeit auf eine in früheren Jahrhunderten sehr beliebte, neuerdings nur wenig geübte Art der Schmelzkunst,

den Farbenschmelz in Tiefschnitt (Email de bassetaille), lenken. Der Künstler, Herr Ciseleur Ludwig Klenk, hat dabei durch Nebeneinanderstellung halbfertiger und fertiger Arbeiten auf die Art der Anfertigung hingewiesen in eine starke Silberplatte wird mit dem Grabstichel der gewählte Gegenstand (Porträts, allegorische und Heiligenfiguren) in einem sehr zarten, aber ausdrucksvollen Relief ausgearbeitet, so zwar, dass das ganze Relief unter der Oberfläche der Silberplatte liegt. Mit durchsichtigen Glasflüssen verschiedener Farbe wird nun dies Relief überzogen; da, wo infolge der Un

ebenheiten des Reliefs die Farbenschicht dünn aufliegt, wird von dem durchschimmernden blanken Metall eine helle

Nuance der Farbe erzeugt, während diese in den Tiefen zu einer dickeren Schicht zusammenfliesst, welche als Schatten wirkt. Diese Art der Schmelzmalerei, welche, wie uns auch die Klenk'schen Arbeiten zeigen, mit der metallischen Leuchtkraft der

Farben eine grosse Zartheit der Modellierung verbindet, wurde in Italien im 13. Jahrhundert erfunden. Nach Vasaris Zeugnis gab es vom 14. bis 16. Jahrhundert kaum einen namhaften Metallkünstler in Italien, der den Farbenschmelz in Tiefschnitt nicht zur Anwendung gebracht hätte. Besonders berühmt waren die Ausführungen von Ognabene im zenten, Maso Finiguerra im fünfzehnten und Antonio Pollajuolo im sechzehnten Jahrhundert. Es wäre mit Freuden zu begrüssen, wenn die gelungenen Versuche des Herrn Klenk dazu beitrügen, diese Art von farbigem Metallschmuck, der sich ebenso zur Bijouterie wie zu Einlagen in Silberarbeiten etc. eignet, wieder mehr in Aufnahme bringen.

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unumgänglich notwendiges Requisit bezeichnet hätten. das der Fall ist, so wäre das nur ein erfreulicher Beweis dafür, dass ein Zusammenarbeiten der Modeblätter mit den Juwelieren den letzteren von grossem Nutzen ist, während den ersteren jedenfalls keinerlei Schaden daraus, eher aber durch die Mitwirkung vorzüglicher kunstgewerblicher Kräfte mit der Zeit ein wohl berechenbarer Vorteil erwachsen dürfte.

Sind in Ketten die von Doublé begehrter, so liegt bei Ringen der Fall umgekehrt. Doubléringe werden heute nur noch in wenigen Fabriken angefertigt; desto grösser ist die Fabrikation und Nachfrage nach goldenen Ringen, welche in allen Qualitäten und Geschmacksrichtungen Absatz finden, leider freilich auch zu Preisen, die es selbst dem gewiegten Fachmann unerklärlich erscheinen lassen, wie der Fabrikant dabei bestehen kann.

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Thatsächlich lehrt auch die Erfahrung, dass ebenso wie in Doubléketten so in goldenen Ringen nur der Fabrikant zu existieren vermag, welcher die vollkommenste maschinelle Einrichtung und genügendes Eigenkapital zur Verfügung hat. Nur durch Ausnutzung aller Fabrikations vorteile ist heute noch der Ringfabrikant im Stand sich zu behaupten. Die Façonpreise sind, wie schon erwähnt, soweit zurückgegangen als möglich, die Löhne besonders für Polisseusen (wie für alle weiblichen Arbeiter) höher als zuvor und die Materialpreise haben sich, was das Gold anlangt, natürlich nicht verändert, in Bezug auf Perlen und Steine dagegen so ziemlich auf der Höhe

Farbenschmelz in Tiefschnitt.

behaupten, an diesem Aufkommen der Fächerketten seien nicht zum wenigsten die Modejournale schuld, welche bei der Beschreibung von Kostümen dieselben vielfach als

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