Page images
PDF
EPUB

oder Eschicksalsfabeln nennen, Fabeln der Adrastea oder Aisa.

Nicht immer nämlich kann im Naturgange selbst anschaulich gemacht werden, wie aus diesem ein Ans dres durch innere Consequenz folge'; da tritt nuu. die große höhere Folge der Begebenheiten, die wir bald Zufall, bald Schicksal nennen, ins Spiel und zeigt, wie Dies und Das, wo nicht aus, so nach einander folgt, durch eine höhere Anordnung. Natürlicherweise ist sie vermischt, thecretisch und praktisch. Der räuberische Adler trägt mit dem Rau: be einen Funken vom Altar in sein Nest, der es in Flammen sezt, und feine unbefiederten Jungen dem zur Beute giebt, dem er einst treulos die Jungen ges raubet. Die Raubgier des Adlers ist permanent; zwischen seiner vorigen und dieser Unthat aber, wer konnte das Band knüpfen, als die Zeit, das Vers hängniß? Dieser Dürftige erzeigt einem unbekannten Todten seine lehte Pflicht, und findet einen Schaß, 'der seiner Dürftigkeit abhilft; im Traume sagt es ihm Merkur selbst, wodurch er von den Göttern dies Glück verdiente. So erscheinen die Gottheiten, den Streit der Thiere unter einander zu entscheiden, sie über ihre ungerechten Klagen, über ihre müssigen Ges bete, über ihre verstandlosen Wünsche hart oder sanft zu belehren; allenthalben aber das hohe Loos wer fend, das jeder Art und Gattung der Sterblichen ihre Stelle anweiset. Zevs, wie er das Leben der

Menschen und Thiere gegen einander abmißt, a) Herkules, wie er dem betenden Fuhrmann, b) Ser rapis, wie er dem glückträumenden Mörder erschei net, c) in Leffings Fabeln Zevs und das Pferd, Zevs und das Schaaf, d) în Gleims Fabeln, e) die Göta ter und die Bäume, die Raupe und der Schmetters ling u. f. f. sind solche Schicksalsfabeln Na,

ur- Ideen, die uns 'den Sinn und Gang der großen Mutter im Allgemeinen zeigen. Bei den schönsten Fabeln dieser Art wird unsre Seele groß und weit wie die Schöpfung; Adrastea. Nemesis, fühlen wir, ist die, die im Verborgnen Alles vers gilt, Alles lenket, Alles regieret. Sie schüßt den Unterdrückten und stürzt den Frevler; sie råchet und lohnet.

Fortsehung.

Nach dieser dreifachen Eintheilung des Inhalts und Ganges der Fabel richtet sich natürlicherweise auch ihr Vortrag. Wer wollte mit Naturgesehen spielen? wer über sie tåndeln und die große Mütter in ihren Darstellungen åffend zu Spott machen? Ge

a) Hagedorns moralische Gedichte, nach de Launay, S. 127. b) Fab. Aesop. edit, Hauptmann. p. 267.

c) Anthol. Graec,

d) Lessings Fabeln B. I. 5. II, 18.

♦) Gleims Fabeln B. 4, 11.

rade dieser Scherz, dieser ungesalzene Spott hat die Fabel tief erniedert. In wie manchen Fabulisten

sieht man leibhaft den Thoren vor dem Delphischen Altar stehn, der mit dem Orakel Sch rz treiben wollte. Apollo trieb mit ihm Scherz; er machte schlechte Fabeln.

Daß einer Erzählung, die uns Naturgesehe in einzelnen Begebenheiten und Vorfällen darstellt, die heiterste Klarheit und Congruitåt gebühre; daß die sittliche Fabel sich jeder Art und Gattung der Geschöpfe anschmiege und mit Wohlgefallen, mit Freude und Luft in der Schöpfung wohne, indem sie jede Pflicht sowohl als jede edle Mühe um dieselbe als Naturbedürfniß darstellt, und durch sich selbst lohnet, Frrthum und Thorheit dagegen in ihren Folgen auch enthüllet und strafet; dies will der Begriff der Nas tur, ihrer Consequenz und Tiefe. Die damonische Fabel endlich, die Götter und das Schicksal selbst auf den Schauplah bringt, sie erhebt sich ohn' allen gesuchten Pomp oft zu einem kleinen Epos. Jene Erzählung bei Gellert über den Lauf und die Bergeltung des Schicksals.

,,Als Moses einst vor Gott auf einem Berge trat" findet sich, das Feierliche hinweggerechnet, an erhahner Zusammenordnung fast in jeder Schicksalsfabel wieder.

,,Wo dann bleibt aber das Lächerliche (yedoïïv) der Fabel, das ihr doch wesentlich angehöret ?"

Zuerst weiß man, daß um Lachen zu erregen, es gerade nicht darauf ankommt, daß man selbst und zus erst lache, geschweige, daß man sich kneife und die Hände gestemmt in keuchende Seiten

das antiquarische grobe Gelächter in Person darstelle. Etwa nur auf dem Markt des Pöbels und auch da kaum dürfte man durch diese Mittel seinen Zweck ere reichen.

Dagegen; gefeßt eine Gesellschaft hätte über eine Materie lange, erust und sogar zånkisch deraisonnis ret; ein guter Freund am Ende der Tafel, der bis, her geschwiegen, tråte hintendrein mit einem Fabelchen hervor, das er trocken, dem Anschein nach zwecklos, aber sehr treffend, klar und naiv erzählt, und damit jenen ganzen Zwist abthut; erreichte er damit nicht ein hohes Komisches, dem die Vernunft selbst zuspräche? Die kleinste Miene des verzerrenden Las chens hatte ihm geschadet: denn eben der feine Ernst war sein treffendes Salz, seine Grazie und Anmuth. Wollen Irrthümer und Fehler der Menschen mit Lautem Lachen begrüßt seyn? Warum gaben die Alten, zumal die Morgenländer, ihre Fabel Weisen oder Sklaven in den Mund? Wozu anders, als daß sie nicht ausgelaffen, nicht ungezogen erzählt werden könnte. Manche Neuern haben die Sache anders verstanden; der Weise steckt in der Lehre, die Fabel

erzählt der Geck oder an Saturnalien etwa der trunkne Sklave.

Zweitens. Da also das Lustige, das Scherz, hafte der Fabel in ihrer Anwendung mithin in der Beziehung liegt, in welcher sie gesagt wird, und diese an sich schon nicht zart genug genommen werden kann: was wåre in der Fabel selbst Lächerliches, wenn in ihr alle Wesen als Naturwesen handeln? Der Fuchs etwa? der Affe? der Esel? O der alten abgekommes nen Späße, die den Fabeldichter selbst so oft zum Affen und Langohr gemacht haben! Kein Wig beis nahe kann leichter abgeschmackt werden, als der Fas belwiß, keine Spåße find trivialer als die Eselsspásfe; zumal, wenn der bleierne Dichter durch diese Masken spaßet. Wie kurz, wie ziemend sind in der Fabel die Scherze der Alten!

Drittens.

Da überdem nichts vorübergehender und feinflüchtiger ist als der Scherz, da das sittsams fte Lachen nur am Rande der Lippen hangt, wie der Herz und Seelenvollste Wink am Blick des Auges; da zumal gereimte Bücherspäße fast durch sich schon von stereographisch bleierner Natur sind, und in ungeschickten oder übertriebenen Nach&ffungen gar albern werden; da endlich das Entbehrliche zuerst und am frühesten Ueberdruß macht, und der Gott Jocus mit jedem Mondviertheil seine unwesenhafte Gestalt åndert; wer wollte ein Spaasmacher seyn, wo er es nicht seyn darf und nicht seyn sollte? Selbst la Fon

« PreviousContinue »