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find, wundern wir uns auch jezt darüber; in ver: gangenen Zeiten wundern wir uns, wie etwas das mnals so wichtig scheinen konnte. Ueber manches, wornach wir streben, wird sich die Nachwelt wundern; indeß strebt die Vernunft zur Reife und Allgemeinheit. Der allgemeinen Vernunft ist das heut wie Gestern, also auch die jeßige Thorheit nicht beliebter, als die vor tausend Jahren in Mode und Flor war. Ein Tag nach dem andern lehrt und entzaubert.

S.,,Ein weiser Mann muthmaaßet und schließet aus vorliegenden Umständen; ter kleinste Zufall aber (und im Lauf der Geschäfte vermag diese niemand vor, herzusehen) verändert so viel, daß zuleķt über den Ausgang der Dinge der Weise mit dem Unwissenden und Unerfahrnen gleich zweifelhaft ist.“

N. Ju ganz gleichem Falle sind sie nie, so wenig als der Algebraist, der sich verrechnete, oder deffen Rechnung ein Umstand åndert, mit dem Wilden in gleichem Fall ist, der eine große Zahl blos dadurch bes zeichnen kann, daß er sagt: so viel als Sterne am Himmel oder Haare meines Haupts sind. Indessen ist der Ausgang und Erfolg jeder Begebenheit für den menschlichen Verstand eine irrational - Größe.

8.

Berkel ei.

Fragment.

Den Bischof von Cloyne in Irrland, Georg Berkelei würden wir den Fenelon seiner Nation nennen, wenn überhaupt dergleichen Bezeichnungen Eines verdienten Mannes durch den Namen eines ans dern nicht eher irreführten, als zurechtwiesen. Er hatte Kenntnisse, die Fenelon nicht hatte, wogegen ihm bei gleichem Zweck Fenelons Gewandtheit fehlte. Eine sonderbare Ebenheit des Geistes und Charak ters, die, indem sie unnüßen Scharfsinn vermeidet, den feinsten Scharfsinn erfodert, war die Gabe, die ihn im Leben, wie in Schriften auszeichnet. Vor seinem 20sten Jahr schrieb er seine Arithmetik, ohne Algebra aus Euclides demonstrirt, die er 1707 her= ausgab; zwei Jahre darauf seine Theorie des Sehens a), deren Grundsäße nicht nur als eine Philos sophie dieses edeln Sinnes für Mathematik und Psychologie gelten, sondern auch, indem sie die Begriffe des Gesichts und Gefühls rein und zart unterscheideň, der Plastik, d. i. einer Theorie des Lastens Raum gemacht haben. Durch D. Cheseldens Erfahrungen

a) Theory of Vision. Man fehe D. Reids Urtheil darüber in seinen Untersuchungen über den menschlichen Verstand, in denen er sie selbst sehr genügt bat.

an einem Blindgebohrnen, dem das Gesicht gegeben ward, erprobten sie sich Thatmäßig; als Grundsäke sind sie durch sich selbst bewähret. Sie führten ihn auf seinen Idealismus.

Erschrecke niemand vor dem Wort, wie, dem Märchen nach, Malebranche auf seinem Todbette, als Berkelei mit ihm darüber sprach; der französis sche Philosoph, der Alles in Gott sah, mußte nah dem Tode seyn oder zu vest an seiner eignen Vorstels lungsart hangen, wenn er sich darüber ereifern konnte. Auch nach Berkelei sehen wir Alles in Gott, d. i. alle sinnliche Eindrücke und Vorstellungen sind die feincombinirte Sprache des höchstreelsten Wesens, das durch jeden Sinn zu uns auf eine diesem Organ gemåße, eigne Art spricht; so künstlich, man möchs te sagen, conventionell, als je eine Wort- oder Zeis chensprache sprechen mag. An Gegenständen des Ges sichts entwickelt Berkelei dies am feinsten; a) derStral des Lichts wird diesem Sinn, was der Schall des Worts dem Ohr ist, eben so Kunstreich. Indem er uns von den gewohnten groben Begriffen über die Materie entkleidet, führet er uns in eine Schöpfung, wo der vollkommenste Geist durch jeden Sinn zu uns spricht, höchftreell, prägnant und anmuthig. Ganz also ist sein Idealismus von der hohlen, leeren Larve unterschieden, die sich am Ende des Jahrhunderts den edlen Namen Idealismus gegeben und selbst bekens

a) In seinem Hylas und Philonous, im Alciphron u. f.

net, daß sie keine Idee, sondern nur selbstgedichtete Traumgestalten gewähre, ohne Hoffnung, daß wir zu Erfassung einer Realität je kommen könnten. Bers felei's Idealism, der uns nicht nur Körper, sondern fogar den Raum entnimmt, gewährt uns dagegen eine Welt göttlicher Umrisse und Bezeichnungen voll inniger Wahrheit, vielseitig an Empfindungen, wie an Gedanken, a)

Dieser Idealismus führte ihn weiter, indem er die Leerheit, der sogenannten abstracten Begriffe, als bloßer Wortschälle zeigte, sobald sie sich nicht auf wirkliche Gegenstände beziehn, von denen sie ursprüngs lich abgezogen waren. Ob er hierinn Recht habe, und ob nicht vielmehr in dieser sogenannten Abstractions oder vielmehr in der eigentlichen idealischen Ans schauungsgabe, zu der sie führt, die reellste Kraft der menschlichen Seele verborgen sei, darf hier nicht. entschieden werden; gnug, Berkelei's Grundsäße, denen freilich alle Formular Philosophen tapfer ents gegen standen, liegen der Philosophie zum Grunde, die nachher durch Hume so viel Aufsehen gemacht hat. Nur daß sie bei Berkelei keine bloße Zweifelei, sons dern der höchste Realism waren. Indem er Worts gespinste verachtete, suchte er in Allem desto eifriger

a) S. Berkeleis philosophische Werke, Th. 1. 1781. worin die Gespräche Hylas und Philonous enthalten. Warum die Ues bersehung der wichtigern und unbekannteren Werke Berkes lei's nicht erfolgt sei, ist unbegreiflich.

das einzig - bleibende, Veste, das Maas der Wahrheit.

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Weder hievon. indeß, noch von seinem Streit mit den Mathematikern und Fluxionisten über ihre Dichtuns gen, über ihre damals neuerfundene Speciosa kann hier die Rede seyn; so auch nicht von seinen Gespräs chen über die Freidenker, oder sogenannten kleinen Philosophen, die ihm sowohl der Einkleidung nach, als wegen der oft anzüglichen Sprache, vielleicht am wes nigsten geglückt sind. Einem Plato und Shaftes buri stehen seine, so wie Bischof Hurd's Dialogen weit nach. An seine Menschenfreundschaft halten wir uns; sie, nebst einer feinen Kunstrichtigkeit des Geistes, war der Grundstrich seines Charakters.

Auf seiner Reise nach Italien, die er mit Lord Peterborough that, hatte er Natur- und Kunstkenntnisse gesammlet, und seinen Geschmack insonder heit in der Baukunft gebildet. Als er nach England zurückkam, besuchte er Künstler und Handwerker der verschiedensten Art, hielt sich in ihren Werkstätten oft und lange beobachtend auf, nahm an der damaliz gen Verlegenheit Englands bei dem sogenannten Süd see- Handel auch als Schriftsteller Antheil, nåhrte aber ein Lieblingsproject, das er, auch als Dechant von Derry (eine Stelle, die eilfhundert Pfund trug) nicht aufgeben wollte. Er ist, schrieb Swift an den damaligen Bicekönig in Frland, Lord Carteret, in Ansehung Titel, Reichthum und Würden ein åch

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